Jerry Cotton 3222 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3222 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Bluthochzeit

Luxus-Hochzeit in New York. Vor den Altar treten Peter de Flavio, der Sohn des Mafiabosses Robert de Flavio, und Olga Petrowitsch, Tochter des Russenmafia-Bosses Alejex. Durch dieVerbindung soll eine mächtige italienisch-russische Mafia-Familie entstehen. Auf der Feier gibt es plötzlich eine Schießerei mit drei Toten, darunter die Braut, doch niemand hat den Mörder gesehen. Peter de Flavio wendet sich persönlich an mich und Phil - und mit einem Mal sind wir in der skurrilen Situation, einem Mafioso helfen zu müssen ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2019

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Bluthochzeit

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Home Invasion – Der Feind in meinem Haus«/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7735-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Bluthochzeit

Ellen MacPherson stand reglos am Rand des riesigen Raumes im Millenium Palace, einem der teuersten New Yorker Hotels. Sie beobachtete streng das Geschehen, für dessen perfekten Ablauf sie verantwortlich war. Zu den dezenten Klängen einer Band wurde gerade der zweite Gang des Hochzeitsmenüs serviert. Im Licht der acht Kronleuchter hatte die Arbeit der Kellner die Anmut eines Balletts. Alles lief harmonisch. Noch ahnte Ellen MacPherson nicht, dass in wenigen Sekunden die Hölle hereinbrechen würde …

Zweitausend Dollar ließen sich die beiden Familien das Hochzeitsfest kosten, pro Minute wohlgemerkt. Dafür konnte man schon einen reibungslosen Ablauf erwarten. Zwölf Musiker sorgten für dezenten Sound. Gerade begann ein sanftes Saxofonsolo, da durchschnitt ein scharfer Knall die Melodie.

Eine Frau schrie hell auf. Wieder knallte es, dann noch einmal.

Manchmal kam es vor, dass jemand vom Bedienungspersonal einen Suppenteller fallen ließ oder ein Glas Wein umwarf. Ellens Job als Eventmanagerin war es dann, sich zu entschuldigen und den Übeltäter sofort zu feuern.

Doch da war nicht einfach nur jemand ungeschickt gewesen. Ellen befand sich in einem Albtraum!

Die Braut, die am mittleren der runden Tische saß, war zur Seite gesackt. Dunkle Flecken breiteten sich auf ihrem weißen Kleid aus.

Die Musik brach ab. Gäste standen hektisch auf. Porzellan zerbrach. Stühle fielen um und krachten aufs Parkett.

Joe, der jüngste Kellner, kam zu ihr herübergerannt.

»Einen Notarzt, schnell«, rief er ihr zu, aber sie war unfähig, sich zu bewegen. Plötzliche Taubheit stieg von ihren Beinen nach oben, erfasste ihren ganzen Körper. Langsam, aber unaufhaltsam, wurde ihr schwarz vor Augen.

Das darf nicht sein, dachte sie. Ich habe doch die Verantwortung. Da kann ich doch nicht einfach …

Männer in festlichen Anzügen versuchten, Damen in Sicherheit zu bringen. Einige der Frauen hatten vor lauter Hektik ihre High Heels verloren und rannten barfuß in Richtung der Ausgänge. Andere duckten sich unter die Tische. Eine alte Dame humpelte hilflos umher, wurde dann von einem jungen Mann mitgerissen.

Endlich senkte sich der gnädige Vorhang einer Ohnmacht vor das Bild des Grauens. Das Letzte, was Ellen spürte, waren Joes starke Arme, die sie auffingen.

Die Bierflasche zischte, als ich sie öffnete. Auf dem Fernsehmonitor in meinem Apartment begann gerade die Aufzeichnung des letzten Spiels der New York Yankees. Als die Titelmusik einsetzte und das Logo erschien, war ich noch sicher, einen ebenso spannenden wie angenehmen Abend zu verbringen. Doch ehe ich einen Schluck aus der Flasche trinken konnte, störte ein scharfer elektronischer Klingelton die Idylle.

Mein Handy. Auf dem Display erschien der Name von Mr. High.

»Ich muss Sie leider aus Ihrem Feierabend holen, Jerry«, sagte er mit unüberhörbarer Besorgnis in der Stimme.

Ich drückte den Stopp-Knopf auf der Fernbedienung.

»Was ist passiert, Sir?«, fragte ich.

»Sie und Phil fahren unverzüglich zum Millenium Palace.«

Ich kannte die Nobelherberge und wusste, dass sie sich in einem der kleineren Wolkenkratzer in Midtown befand. Das Hotel war erst vor zwei, drei Monaten eröffnet worden.

»Schießerei auf einer Hochzeit«, fuhr der Chef fort. »Es sieht so aus, als hätte jemand einen regelrechten Anschlag auf die Feier verübt. Drei Menschen sind tot, darunter die Braut. Der Täter ist flüchtig.«

»Verstehe«, sagte ich kühl. Eine solche Tat war schlimm, keine Frage. Trotzdem war nicht automatisch das FBI zuständig. Dass Mr. High uns alarmiert hatte, konnte nur eines bedeuten. Vor allem, wenn man bedachte, welche Summen ein Fest an einem Ort wie dem Millennium House verschlang.

»Wer hat geheiratet?«, fragte ich. »Jemand von unseren Kunden? Oder jemand von den Familien?«

»Richtig geschaltet, Jerry. Die Braut war Olga Petrowitsch, der Bräutigam Peter de Flavio.«

»Russische Oligarchen und italienische Mafia«, stellte ich fest.

»Wir beobachten die Familien schon eine ganze Weile, Jerry. Mit deren Verbindung in Form einer Heirat wäre eine Megafamilie entstanden, ein Clan mit einer riesigen Macht.«

»Und das hat nun jemand verhindert«, fasste ich weiter zusammen.

»Und Sie wissen, was das bedeutet. Verlieren Sie keine Zeit, Jerry. Jede Sekunde zählt.«

Das Millenium Palace stand in Manhattan, aber es hätte auch nach Las Vegas gepasst. Die farbig erleuchtete Glasfront schickte rotierende Muster in allen Tönen des Regenbogens in die Nacht. Die rotierenden Kreise, fliegenden Quadrate und herabregnenden Punkte machten einen ganz irre.

»Was sollen denn die Außerirdischen denken?«, fragte Phil, als wir ausgestiegen waren. Ich hatte ihn an der Straßenecke in der Nähe seines Apartments abgeholt.

»Die Außerirdischen?«, wunderte ich mich.

Phil grinste. »Na, wenn sie die Erde erobern wollen und auf das hier stoßen. Wahrscheinlich strahlt das alles doch bis in den Weltraum.«

»Dann kehren sie so schnell wie möglich wieder um«, mutmaßte ich.

Mir war klar, dass Phil versucht hatte, mit einem Witzchen die Spannung zu lösen, die uns beide erfasst hatte. Schon der Blick in Richtung Eingang sprach Bände. Da drängten sich mehrere Einsatzfahrzeugen vom NYPD neben Rettungswagen. Mit ihrem rotblauen Geflacker versuchten sie vergeblich, gegen das Farbenspiel der Fassade anzukämpfen.

Als wir in die Eingangshalle traten, sah ich gleich einige bekannte Gesichter vom NYPD Police Crime Lab.

»Guten Abend, Agents«, begrüßte uns ein gewisser Captain Miller vom Detective Bureau. Sein Name stand auf einem Schild an seiner Brust. »Ich dachte mir schon, dass Sie hier auftauchen würden. Bei der Klientel … Kommen Sie, hier geht’s lang.«

Zwei Treppen höher lag die Purple Lounge, wo das Massaker stattgefunden hatte. Von einer festlichen Atmosphäre war nichts mehr zu spüren. Die gewaltigen Kronleuchter bestrahlten leere Tische, umgeworfene Stühle, zerbrochenes Geschirr und zertrampelte Blumendekoration. Das Bild erhielt eine besonders makabre Note, da die Leichen noch an Ort und Stelle lagen.

Von unserem Standpunkt aus sah ich die Braut mit blutigem Kleid und einen etwa sechzigjährigen Mann. Beide waren zur Seite gesunken und wirkten irgendwie unwirklich, beinah wie Puppen.

Wir blieben vor der Tür stehen.

»Kein Täter, keine Waffe«, informierte uns Miller. »Die Familien haben vor dem Fest abgesprochen, ihre Schießeisen draußen zu lassen. Trotzdem wimmelte es im Haus von sogenannten Soldaten und anderen Familienmitgliedern. Niemand scheint den Schützen gesehen zu haben, nur eins ist klar: Die Schüsse kamen von dort hinten.«

Er deutete auf einen Gang abseits der kleinen Bühne. Dort hatte wohl eine Band gespielt, denn ich sah umgekippte Notenständer. Der Gang führte vom Saal weg wie ein kleiner Tunnel. Den Hinweisschildern zufolge ging es dort zu den Toiletten.

»Ist das eine Sackgasse?«, wollte ich wissen.

»Nein, der Weg führt auch zu einem Treppenhaus für Angestellte und in die Küche. Er ist ein prima Fluchtweg. Das dritte Opfer hat es auch gleich dort hinten erwischt. Man kann es von hier aus nicht sehen.«

»Dürfen wir bitte vorbei?«, rief eine weibliche Stimme.

Als ich mich umdrehte, entdeckte ich eine kleine, rothaarige Frau, begleitet von einem Mann, der sehr jung wirkte. Über dem Milchgesicht wucherte leicht gewelltes kurzes Haar, das er mit Gel zu bändigen versucht hatte. Beide trugen die Sicherheitsanzüge der Forensiker und hatten glänzende Metallkoffer in der Hand.

»Rose Edwards vom NYPD Police Crime Lab«, stellte der Captain die junge Frau vor. »Und den anderen Herrn kennen Sie ja.«

Es war Supervisory Special Agent Dr. Ben Bruckner, der IT-Experte unserer Abteilung. Niemand, der ihn das erste Mal sah, hätte erwartet, dass er einundzwanzig Jahre alt war und bereits promoviert hatte – abgesehen davon, dass er die unterschiedlichsten Fachgebiete beherrschte und einen IQ jenseits des Messbaren hatte.

»Hast du dich mit deinen Programmcodes verzettelt, und sie haben dich ins Lab versetzt?«, fragte Phil scheinheilig.

Wie jeder kleine Scherz brachte auch dieser Ben aus dem Konzept. Seine Wangen färbten sich rosa. Er wollte mit der freien Hand in die Hosentasche greifen, was aber wegen des Anzugs nicht ging. Wahrscheinlich hätte er sich am liebsten eines seiner geliebten Lakritz-Bonbons in den Mund gesteckt. Es war eine Angewohnheit, die ihn beruhigte.

»Nein«, sagte er. »Ich habe etwas für besonders unübersichtliche Tatorte. Und das hier wäre eine gute Gelegenheit, um …«

»Und das probieren wir jetzt gemeinsam aus«, platzte Rose Edwards enthusiastisch dazwischen.

Sie warf Ben einen bewundernden Blick zu, doch der bemerkte natürlich nichts davon. Gefolgt von weiteren Teammitgliedern in Schutzanzügen betraten sie die Lounge.

»Wer sind denn die Opfer?«, fragte Phil den Captain.

»Dort am Tisch Robert de Flavio, das Oberhaupt der Flavio-Familie. Dann die Braut, Olga Petrowitsch. Sie hatte gerade de Flavios Sohn Peter geheiratet.«

Ich sah kurz hinüber, hütete mich aber, mich dem Tisch zu nähern, ehe die Forensiker alles gesichert hatten.

»Und hier im Gang kam Giorgio Marani ums Leben«, fuhr Miller fort.

»Einer von den Flavios«, mutmaßte ich.

»Ja, aber kein Verwandter, sondern ein sogenannter Underboss. Wenn Sie mich fragen, ist er als Erster gestorben.«

»Das heißt, der Schütze war auch dort hinten in dem Gang?«, fragte Phil. »Dann hat Marani vielleicht gesehen, dass er auf die Leute an den Tischen schießen wollte, hat versucht, ihn davon abzuhalten, und starb zuerst.«

»Ja, das vermute ich«, sagte der Captain.

»Das können wir alles noch nicht wissen«, wandte ich ein. »Auch Marani könnte der Täter gewesen sein. Vielleicht hat jemand gesehen, wie er schoss, und ihm dann die Waffe entrissen, um ihn zu bestrafen.«

»Sicher«, sagte der Captain. »Das müssen die Untersuchungen ergeben.«

»Irgendjemand muss doch auch etwas gesehen haben«, meinte Phil.

»Die Befragungen laufen«, erklärte Miller. »Aber eins ist klar: Die Mitglieder der Familien schweigen.«

»Das war abzusehen«, sagte ich. »Trotzdem müssen wir versuchen, etwas zu erfahren.«

Der Captain lächelte gequält. »Da wünsche ich Ihnen viel Erfolg.«

Das Hotel stellte einen Konferenzraum zur Verfügung. Als wir gerade dorthin unterwegs waren, kamen uns zwei Männer in dunklen Anzügen entgegen. Sie blieben vor uns stehen und blockierten den Weg.

»Was soll das?«, rief Phil. »Lassen Sie uns durch. Wir sind vom FBI.«

»Das wissen wir«, sagte der eine der beiden. Mit seinem pechschwarzen Haar wirkte er etwas jünger als sein Begleiter, der schon ziemlich ergraut war.

»Mein Name ist Adam Levanto, und das hier ist Mister Boris Wolkow«, sagte er ruhig und deutete auf seinen Nebenmann.

Irgendetwas klingelte bei mir.

»Sind Sie der Anwalt Levanto?«, fragte ich.

»Ganz recht, Agent Cotton. Und Mister Wolkow ist ein Kollege von mir.«

»Sie sind die Consiglieri der Familien«, platzte es aus Phil heraus.

»Nennen Sie es wie Sie wollen«, meldete sich nun Wolkow zu Wort. »Eins sollte klar sein: Wir sind Ihre Ansprechpartner, sonst niemand.«

»Niemand?«, fuhr Phil auf. »Wir sind auf dem Weg zu Mister de Flavio und Mister Petrowitsch. Lassen Sie uns vorbei.«

Es gab keine Gegenwehr, als er die beiden zur Seite schob und losmarschierte.

»Wir bestehen auf dem Treffen«, zischte ich den beiden Anwälten zu, als ich vorbeiging. »Sorgen Sie dafür, dass Ihre Chefs für eine Befragung zur Verfügung stehen.«

Wir betraten den kleinen Konferenzraum, dessen Wände mit New-York-Bildern dekoriert waren.

»Keiner da«, stellte Phil fest.

Ich sah zum Eingang hin. Die Berater waren uns immerhin nachgekommen.

»Sie haben gehört, was ich gesagt habe«, rief ich. »Richten Sie sich danach.«

»Warten Sie einen Moment«, sagte Levanto und ging mit Wolkow wieder hinaus.

Die Tür schloss sich, Phil und ich waren allein.

»Was soll das?«, rief mein Partner. »Was glauben die, wer wir sind?«

»Beruhige dich«, sagte ich. »Die Mafia hat nun mal ihre Spielregeln.«

Phil ließ sich in einen der Stühle fallen und schnaubte noch einmal vor Entrüstung.

Eine zweite Tür auf der anderen Seite öffnete sich. Vier Personen betraten den Raum. Es waren die beiden Berater, gefolgt von zwei weiteren Männern.

Der eine, etwa dreißig Jahre alt, musste Peter de Flavio sein. Er trug einen schwarzen Anzug mit einer Blume im Revers. Immerhin war er vor zwei Stunden noch ein strahlender Bräutigam gewesen! Er wirkte ruhig, der Blick seiner schwarzen Augen war geradezu kalt.

Neben ihm ging ein hagerer, leicht gebeugter Glatzkopf jenseits der siebzig. Alexej Petrowitsch beachtete weder uns noch de Flavio, sondern sah nur verbissen vor sich hin, den Mund zu einem schmalen Strich verkrampft.

De Flavio setzte sich auf die äußere linke Seite, Petrowitsch ganz nach rechts. Die beiden Berater übernahmen die Mitte, wobei jeder direkt neben seinem Capo Platz nahm.

Levanto räusperte sich. »Stellen Sie Ihre Fragen«, forderte er uns auf.

»Nur wir werden Ihnen antworten«, fügte Wolkow hinzu.

Wenn überhaupt jemand antwortet, dachte ich. Jetzt begann dieses Ritual auch mir auf die Nerven zu gehen. Aber es hatte keinen Zweck, sich dagegen aufzulehnen. Niemand würde die beiden Familienchefs zwingen können, etwas auszusagen. Und dass wir hier wie in einem Gerichtssaal saßen – wir in der Position der Angeklagten, die Mafia-Bosse mit ihren Anwälten auf der Richterseite –, war nichts anderes als ein psychologisches Spielchen.

Leider hatte Phil nicht die Ruhe, das alles durchzustehen.

»Wir werden Mr. Petrowitsch und Mr. de Flavio genauso befragen wie jeden Zeugen«, sagte er. »Wir sind hier in Amerika. Nicht in Sizilien und erst recht nicht in Russland.«

Die vier Männer schwiegen. Ich ließ ein paar Sekunden vergehen.

»Es ist doch auch in Ihrem Interesse, dass wir herausfinden, wer für den Tod der drei Opfer verantwortlich ist«, sagte ich dann. »Sie sollten uns also unterstützen. Was haben Sie gesehen? Wer käme als Täter infrage?«

Wieder verging eine kurze Zeit in eisiger Stille, dann ergriff Wolkow das Wort.

»Ganz recht, Mr. Cotton«, sagte er ruhig. »Diese Aussagen sind sehr wichtig. Wir können Ihnen aber nichts sagen. So ist es leider. Unsere Mandanten haben nichts gesehen. Befragen Sie doch das Hotelpersonal.«

»Das geschieht ja«, sagte ich so ruhig wie möglich. »Aber das kann doch nicht alles sein.«

»Wir wollen wissen, was Sie gesehen haben«, fügte Phil hinzu.

»Nichts«, behauptete Wolkow.

»Mister de Flavio auch nicht«, kam es von Levanto.

»Haben Sie denn nicht irgendeinen Verdacht?«, hakte ich nach. »Sie haben doch bestimmt Feinde, vielleicht war die Hochzeit den anderen Familien ein Dorn im Auge.«

»Andere Familien?«, fragte Wolkow. »Was meinen Sie damit? Ein junges Paar liebt sich und will heiraten. Die Familien freuen sich darüber. Es gibt ein großes, luxuriöses Fest. Wie es sich gehört. Und dann kommt ein Serienkiller und setzt dem ein Ende. Wahrscheinlich ein Wahnsinniger.«

»Das ist nicht Ihr Ernst!« Phil war fassungslos. »Na gut, wenn es nicht die anderen Familien waren, dann könnte es doch sein, dass der Täter aus Ihren eigenen Reihen …«

Weiter kam er nicht.

»Wollen Sie etwa andeuten, das Massaker ging von einer unserer beiden Familien aus?«, unterbrach Levanto ihn scharf. »Glauben Sie, wir töten uns gegenseitig? Mister de Flavio hat seine geliebte Braut verloren. Können Sie sich nicht vorstellen, wie er sich fühlt?«

»Und Mister Petrowitsch seine Tochter«, fügte Wolkow hinzu.

»Und Giorgio Marani kam ebenfalls um«, übernahm Levanto wieder das Wort. »Ein enger Freund. Beide Familien haben gelitten. Das ist Ihnen doch wohl klar. Was sollen also diese Verdächtigungen?«

»Natürlich ist uns das klar«, versuchte ich einen weiteren Vorstoß, »aber …«

Es war Petrowitsch, der mir das Wort abschnitt.

»Der Mörder kann nicht aus den Reihen unserer Familien kommen«, sagte er mit deutlich hörbarem russischen Akzent. »Nehmen Sie es so, wie es ist, Mister Cotton.«

»Und Sie können niemandem hier im Raum etwas nachweisen«, ergänzte Levanto. »Die Aussagen haben Sie ja nun.« Er nickte de Flavio zu und gab Wolkow ein Zeichen. »Damit ist die Unterredung beendet.«

Alle vier standen auf und verließen den Raum.

Im Hauptquartier des FBI an der Federal Plaza warteten schon die Kollegen der Task Force T.A.C.T.I.C.S, der Spezialeinheit zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität. Als wir den Besprechungsraum im dreiundzwanzigsten Stock betraten, saßen da schon die Agents Joe Brandenburg, Les Bedell, Zeerookah und Steve Dillaggio. Wir hatten sie gerade begrüßt, da kam auch Mr. High dazu.

»Wo ist Ben?«, fragte der Chef, als wir Platz genommen hatten.

»Noch am Tatort«, erklärte ich. »Er versucht, mit seinen digitalen Hilfsmitteln den Ablauf zu rekonstruieren, soweit ich das verstanden habe.«

»In Ordnung.« Mr. High nickte und blickte in die Runde. »Wo stehen wir? Jerry? Phil? Fangen Sie doch bitte an.«

Ich ließ Phil den Vortritt. Er hatte seinen Groll über die Mauer des Schweigens, vor der wir gestanden hatten, immer noch nicht überwunden.

»Ich hätte nicht gedacht, dass sie so kaltschnäuzig sind«, sagte er. »Die Petrowitschs und die de Flavios glauben angeblich nicht, dass die anderen Familien etwas damit zu tun haben; sie selbst sind selbstverständlich auch unschuldig. Sie wollen uns weismachen, da wäre einfach ein irrer Killer über sie hergefallen.«

»Sie befolgen das Gesetz des Schweigens«, erklärte Steve. »Das kennen wir. Aber in diesem Fall ist es wirklich unverfroren, eigentlich sogar lächerlich. Wir wissen doch alle, was das für Leute sind.«

Die Petrowitschs hatten Verbindungen zu den wichtigsten Oligarchen in Russland. Einige aus der Familie waren durch Schmiergeldaffären und Geldwäsche aufgefallen. Die Auswertungen zeigten klar, dass dahinter ein System steckte. Im Grunde taten sie es den de Flavios nach, die jedoch von New York aus operierten.

»Ich fürchte, wir werden bei den anderen Familien auf eine ähnliche Mauer des Schweigens stoßen«, sagte ich.

Mr. High sah mich an. »Jerry, Sie haben doch nach wie vor Kontakte zu den Cosentinos. Die sollten Sie nutzen.«

»Natürlich, Sir. Obwohl ich mir nicht vorstellen kann, dass die Sache von dieser Seite ausging. Ich muss leider sagen, in gewisser Weise könnten die Petrowitschs und die de Flavios sogar recht haben.«

»Wie meinst du das, Jerry?«, fragte Zeerookah.