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Jerry Cotton 3225 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Todeskuss der Monsterkrabben

Phil und ich saßen in einem japanischen Restaurant und aßen Krabben, als in unserer unmittelbaren Nähe eine Bombe explodierte! Mehrere Menschen wurden verletzt und getötet,darunter auch der Besitzer. Zum Glück kamen mein Partner und ich mit dem Schrecken davon. Noch ahnten wir nicht, dass das erst der Auftakt zu einer ganzen Reihe von Anschlägen war - und dass die Krustentiere, die wir eben noch verspreist hatten, eine zentrale und unheimliche Rolle dabei spielten ...

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Todeskuss der Monsterkrabben

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: zabelin/iStockphoto/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7950-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Todeskuss der Monsterkrabben

Bodenlose Finsternis, eisige Kälte, pestartiger Gestank – diese Sinneseindrücke trafen Jason Smith wie ein Schlag in die Magengrube.

Zögernd öffnete er die Augen. Seine Sehnerven schmerzten, und in seinem Hinterkopf pochte es so heftig, als würde eine schwere Migräne heranrollen. Der erste bewusste Atemzug nach der Bewusstlosigkeit fühlte sich an, als würde ihm ein Stahlkeil zwischen die Rippen gerammt.

Er versuchte, den Schmerz zu verdrängen, doch die Todesangst, die in seinem Innern wütete, verging nicht. Und mit ihr kam die Erinnerung zurück. Die Erinnerung an die Auseinandersetzung mit den Männern an Bord des Krabbenfischerboots, die ihn bewusstlos geschlagen und danach unter Deck in den Laderaum gesperrt hatten …

Plötzlich zerriss ein greller Lichtspeer die Dunkelheit und ließ ihn für einen Moment die Augen schließen. Über ihm war die Ladeluke mit einem lauten Knirschen geöffnet worden.

Blinzelnd schaute Jason Smith nach oben. Er sah nur das helle Rechteck, durch das zaghaftes Tageslicht fiel, gleich darauf verdunkelte es sich wieder.

Gerade noch rechtzeitig konnte sich der Mann an die gewölbte Wand tief im Schiffsbauch zurückziehen, sonst wäre er vermutlich von der Ladung erschlagen worden. Hunderte riesige Königskrabben fielen direkt neben ihm auf den Boden des Frachtraums, jede von ihnen wog bis zu vierzig Pfund.

Überall an seinem Körper spürte er die leicht geknickten, sechzehn Inch langen Beine. Binnen weniger Minuten füllten die Krustentiere den Laderaum fast komplett aus.

Smith bekam kaum mehr Luft, starrte geschockt in die kalten Augen der Monsterkrabben, die unmittelbar unter dem roten, stacheligen Rückenpanzer auf kurzen Stielen saßen.

Die dünnen Fühler der Krustentiere tasteten ihn ab. Ihre Atmung erfolgte über Kiemen, sodass sie sich außerhalb des Wassers nur noch für kurze Zeit mit gespeichertem Sauerstoff versorgen konnten. Doch nun, wo sie ihres natürlichen Lebensraumes beraubt waren, begannen sie ihren Todeskampf.

Jason Smith wusste nur allzu gut, was das hieß: Die Krabben waren Allesfresser, die selbst vor ihren Artgenossen nicht haltmachten – und auch nicht vor Menschen!

Ihre dicken Scheren saßen am ersten der fünf Beinpaare. Die rechte, größere diente zum Aufbrechen von Beutetieren, die linke, kleinere dazu, die Nahrung zum Maul zu befördern.

Jetzt bohrten sich die scharfen Zangen von überall her in Smith’ Leib, zerrten, rissen und schnitten Muskelfleisch aus ihm heraus. Der Schmerz und das Grauen waren unbeschreiblich.

Allerdings verhallten seine gellenden Schreie ungehört in dem dunklen, stinkenden Frachtraum des Fischkutters, irgendwo in der Einsamkeit der Beringsee.

An diesem Aprilabend saßen mein Partner und ich im Sueyoshi, einem japanischen Edel-Restaurant in der 9th Street, East Village. Seine traditionelle, sehr ansprechende Einrichtung bestand aus dunklem Teakholz, Bambus und viel Glas.

»Du haust rein wie eine neunköpfige Raupe«, frotzelte ich, als ich Phil über den Tisch hinweg ansah, der bis über beide Ohren grinste.

Wir teilten uns eine gemischte Platte, bestehend aus jeweils sechs Portionen Thunfisch, Lachs und Königskrabbe. Dazu gab es Gurken-Algen-Salat mit Oktopus samt einem Sunomono-Dressing und natürlich den obligatorischen Reis. Zuvor hatten wir uns eine Miso-Suppe einverleibt. Zum Nachspülen tranken wir einfach nur Mineralwasser, obwohl uns die überaus freundliche Kellnerin japanisches Bier empfohlen hatte.

Während ich mich lieber dem Thunfisch und dem Lachs widmete, der ausgezeichnet schmeckte, vertilgte Phil die Königskrabben. Gekonnt zog er mit einer Drehbewegung die Beine vom Rumpf ab, bis das zarte, weiße Fleisch herauskam. Danach folgten die unterschiedlich großen Scheren, die jedoch komplizierter zu knacken waren.

»Das ist ja eine Herkules-Aufgabe«, meinte ich skeptisch.

Doch mein Partner ließ sich von der Hänselei nicht beeindrucken. Stattdessen griff er zu dem aufklappbaren Aufbrecher und knackte damit eine Schere nach der anderen. Danach bearbeitete er sie mit einem Krabbenhammer, bis sich die Zangen öffneten und er das Fleisch herauspicken konnte.

»Ein Genuss«, schwärmte Phil, während ich weiterhin skeptisch blieb.

Ich hatte mich von ihm breitschlagen lassen, heute nicht zu unserm Stammitaliener, dem Mezzogiorno, sondern ins Sueyoshi zu gehen. Japanisch war zwar nicht unbedingt mein favorisiertes Essen, aber gesund war es allemal. Und zumindest Phil kam auf seine Kosten.

Wie die gut zwei Dutzend anderen Gäste saßen wir auf einer Tatami-Matte an einem niedrigen Zweiertisch. Mit einem Augenzwinkern hatte uns die Kellnerin verraten, dass die etwa sieben mal sieben Inch großen Matten aus Reisstroh, Igusa-Gras und Baumwolle bestanden. Die meisten Häuser in Japan wurden nach ihrem Maß gebaut, die gesamte Fläche sogar nach der Mattenzahl gemessen.

»Ich habe etwas über ein Restaurant in Tokio gelesen, in dem Affen die Aufgaben der Kellner übernehmen und das Essen servieren«, erzählte Phil, als er mit seinem opulenten Mahl fertig war.

Ich lächelte breit. »Willst du mich verschaukeln? War dein Krabbenfleisch etwa bewusstseinsverändernden Mittelchen vermischt?«

Bevor Phil darauf antworten konnte, erschien eine hinreißende, zierliche Serviererin in einem kunstvollen rot-weißen Kimono, der ihre Figur gut zur Geltung brachte. Mit den mandelförmigen Augen, den Lachgrübchen und dem rabenschwarzen langen Haar, das streng nach hinten gekämmt war, wäre sie glatt als asiatisches Fotomodell durchgegangen.

Akira stand auf ihrem Namensschild. Sie kniete sich auf die Tatami-Matte und sah uns freundlich an.

»Darf es noch ein Dessert sein?«, fragte sie mit glockenheller Stimme. »Ich empfehle Ihnen einen Sake.«

Phil und ich schüttelten synchron die Köpfe und bedankten uns für das gute Essen.

Die Serviererin kam zweimal, um das Geschirr abzuräumen.

»Was bedeutet eigentlich Ihr Name?«, wollte Phil wissen, dem die junge Frau offensichtlich gefiel.

»Akira heißt ›die Strahlende‹«, verriet sie mit ihrem bezaubernden Lächeln, nicht ohne Stolz.

»Das passt ausgezeichnet zu Ihnen«, meinte Phil, und ich stimmte ihm zu.

Akira verbeugte sich höflich und wollte etwas Nettes erwidern, aber der Satz wurde nie beendet, denn plötzlich brach die Hölle los!

Aus den Augenwinkeln registrierte ich in der Nähe des Eingangs einen blendend weißen Lichtblitz. Im selben Moment folgte ein ohrenbetäubender Detonationsknall. Eine glühend heiße Druckwelle fegte durch den Raum, riss Akira von den Beinen – und Phil und mich von unserer Matte.

Sämtliche Fensterscheiben zersprangen mit einem hellen Klirren. Die kleinen Splitter regneten, zusammen mit Fleischstücken und Fetzen blutgetränkter Kleidung, auf die toten und verwundeten Gäste herunter. Eine pilzförmige schwarze Rauchwolke stieg vom Explosionsherd auf.

Es war das reinste Chaos! Schreie gellten auf, Weinen, Wimmern und Husten erfüllten die Luft, die nach Sprengstoff und brennendem Holz stank.

Wie betäubt lag ich auf dem Boden. Noch immer hallte die verheerende Bombenexplosion in meinen Ohren nach. Mir war, als hätte man mich mitten ins Gesicht und in den Magen geschlagen.

Ich brauchte Sekunden, um meine Fassung wiederzuerlangen. Hinter mir hörte ich Phil stöhnen. Als ich zu ihm hinüberblickte, stellte ich fest, dass er äußerlich nur ein paar Schrammen davongetragen hatte. Ob wir jedoch wirklich so glimpflich davongekommen waren, würde sich noch herausstellen.

Viele andere Gäste und Angestellte hatten den Anschlag nicht überlebt, auch Akira nicht. In ihrem Rücken steckte ein armlanger Lampenständer, der durch die Wucht der Detonation wie ein Speer durch die Gegend gewirbelt worden war. Ihr wunderschönes Gesicht war nur noch eine verzerrte Fratze, aus der die mandelförmigen Augen mit gebrochenem Blick auf die rußgeschwärzte Decke des halb zerstörten Sueyoshi starrten.

Mit seinen fünfundfünfzig Jahren war Terry Tremayne genau das, was man herkömmlich als einen erfolgreichen Geschäftsmann bezeichnete. Einer, der es geschafft hatte, sich im Haifischbecken des Big Apple durchzubeißen und ganz nach oben zu schwimmen. Und das ganz ohne Hilfe, wenn zunächst auch fernab von Manhattan, in dem er ein mondänes Stadthaus in bester Lage besaß.

Der große, massige Mann mit der Stoppelglatze, den wieselflinken dunklen Augen, der breiten Nase und dem eckigen Kinn war Eigentümer einer kleinen Fangflotte. Seine drei Krabbenfangschiffe kreuzten in der Beringsee, am nördlichen Ende des Pazifischen Ozeans, zwischen der Westküste Alaskas und der Ostküste Sibiriens gelegen.

Mit dem Fang der begehrten Königs- und Schneekrabben brachten ihm die Kutter jede Saison mehrere Millionen Dollar ein. Nach wie vor galt diese Tätigkeit bei arktischen Temperaturen, Monsterwellen und orkanartigen Stürmen als der gefährlichste Job in den USA. Mehr noch: Diese Knochenarbeit war eines der letzten Abenteuer unserer Zeit – und auch eins der lukrativsten.

Tremayne war viele Jahre lang selbst einer von diesen abgehärteten, draufgängerischen Krabbenfischern gewesen. Zunächst hatte er auf fremden Booten angeheuert, bis er genug Geld zusammengespart hatte, um selbst eins kaufen zu können, danach das zweite und dann das dritte.

Als Reeder musste er nicht mehr persönlich an Deck stehen, um den Gezeiten und den Monsterkrabben zu trotzen. Statt ihm machten jetzt seine Männer diese Höllenarbeit, verdienten dabei Tausende Dollar in nur wenigen Wochen – und er jedes Mal ein kleines Vermögen.

Das zarte Muskelfleisch in den Beinen der Königs- und Schneekrabben galt weltweit als Delikatesse. Vor allem in Japan zahlten Feinschmecker viel Geld für die schmackhaften Exoten.

Als Tremayne, bekleidet mit einem dunklen Anzug und einem hellblauen Hemd, den Nachtklub durch den VIP-Eingang betrat, schlug ihm angenehme Jazzmusik entgegen. Unter dem roten Licht einer gläsernen Tanzfläche stand eine vierköpfige Band mit Klarinette, Kontrabass, Gitarre und Schlagzeug.

Auf einen Blick erkannte er, dass alle Hocker an der langen Bar besetzt waren. Aber das war ihm egal. Zielstrebig steuerte er eine der großen Nischen an der rotgestrichenen Wand gegenüber an, die Martin Harris, wie jede Woche, für ihren »Herrenabend« reserviert hatte. Mit einem theatralischen Seufzer ließ er sich in einem der beiden Ledersessel nieder, zwischen denen sich ein schmaler Tisch befand. Darauf standen zwei Gläser sowie ein Eiskübel, um den Dom Pérignon kühl zu halten. In dem anderen Sessel saß sein bester Freund.

Harris war Reeder wie er selbst. Seine warmen Augen waren genauso grau wie sein dichtes Haar, das er auf altmodische Weise in der Mittel gescheitelt trug. Sein korpulenter Körper steckte in einem hellen, weit geschnittenen Anzug mit einem weißen Hemd und einer schwarzen Krawatte.

Seine raubvogelartigen Gesichtszüge verzogen sich zu einem Lächeln.

»Es ist das erste Mal, dass du zu spät kommst«, kommentierte er mit einem süffisanten Grinsen.

»Ich wollte, dass du mal den Champagner bezahlst, Martin.«

Die beiden Männer lachten, schenkten sich ihre Gläser halb voll, prosteten sich zu und tranken kleine Schlucke.

»Es gibt nichts Besseres auf dieser Welt als Dom Pérignon.« Harris lächelte breit.

»Doch, mein Freund … Königskrabben«, widersprach Tremayne belustigt. »Nur dank dieser Viecher können wir uns ein solches Luxusleben leisten.«

»Da hast du auch wieder recht.«

Erneut nippten die Freunde an ihren Champagnergläsern.

»Und wie geht es Elvira?«, fragte Martin Harris nach einer Weile.

Elvira war Tremaynes Ehefrau, mit der er seit annähend dreißig Jahren verheiratet war.

»Gestern ging’s noch«, gab dieser kurzangebunden zurück und lachte über seinen eigenen, wenn auch unpassenden Scherz.

Bevor er sich nach dem Sexualleben seines Freundes erkundigen konnte, stolzierte eine der Animierdamen auf High Heels quer durch den Raum. Sie war blutjung, schätzungsweise Anfang zwanzig, und ihr aschblondes Haar fiel schwer auf die wohlgeformten Schultern.

Das grell geschminkte Gesicht war geprägt durch hohe Wangenknochen, eine gerade, spitze Nase und einen breiten, sinnlichen Mund. In beiden Ohrläppchen steckten Diamantohrringe aus quadratisch geschliffenen Steinen. Ihr zierlicher, aber üppiger Körper war in ein kurzes Minikleid aus mattierter Seide eingezwängt. Über dem weit ausgeschnittenen Dekolleté, aus dem die pralle Brust fast heraussprang, prangte ein goldenes Namensschild. Der größte Teil ihrer Schönheit lag gewiss in ihrer Jugend und der animalischen, erotischen Ausstrahlung.

Vor der Nische blieb die junge Frau stehen. In ihren jadegrünen Augen glühte eine Leidenschaft, die jedem Mann das Paradies versprach.

»Hab dich nicht so, Ginny, und komm her!«, forderte Harris sie auf.

Das Mädchen ließ sich nicht zweimal bitten, sondern setzte sich mit aufreizender Pose auf den Schoss des Dicken. Dabei rutschte ihr Minirock so weit nach oben, dass nicht nur die durchtrainierten Beine zu sehen waren, sondern auch ihr blutroter Stringtanga.

Ginny gab Harris einen Kuss auf den Mund, dann sah sie Tremayne an.

»Ich könnte meine Freundin Elvira rufen, damit Sie auch etwas Spaß haben«, säuselte sie.

Der Angesprochene lächelte. »Du versuchst es jedes Mal wieder, Ginny. Wie du weißt, bin ich ein glücklich verheirateter Mann.«

Das ließ das Animiermädchen jedoch als Ausrede nicht gelten.

»Ich garantiere Ihnen, dass fünfundneunzig Prozent der Klubgäste verheiratet sind. Und die meisten davon ebenfalls ›glücklich‹.« Frech nahm Ginny dem dicken Mann, auf dem sie saß, das Champagnerglas aus der Hand und leckte verführerisch mit ihrer langen Zunge am Rand entlang. »Sie können es sich ja nochmal überlegen, solange ich mit Ihrem Freund beschäftigt bin.« Ihr vielversprechender Blick bohrte sich tief in Tremaynes Augen.

Der Reeder spürte, wie sich etwas in seinem Unterleib regte. Es war gewiss nicht einfach, der Versuchung nach Sex mit solch blutjungen und sinnlichen Frauen zu widerstehen. Aber bislang hatte er Elvira noch nie betrogen, und das wollte er auch so beibehalten.

Von der Seite her stakste ein genauso atemberaubend gebautes, dunkelhäutiges Mädchen an ihren Tisch heran. In den Händen hielt sie ein flaches, rechteckiges Paket.

»Elvira will Ihnen wohl ein Geschenk machen.« Ginny streckte Tremayne die Zunge heraus.

»Das wurde gerade von einem Fed­Ex-Kurier für Sie abgegeben, Mr. Tremayne«, sagte die Latina mit rauchiger Stimme.

Der Reeder zog die Stirn kraus und nahm das Paket entgegen. Es war an den Klub adressiert, aber zu seinen Händen.

»Das ist seltsam«, wunderte sich Tremayne, schob Sektgläser und den Eiskübel zur Seite und stellte das Paket auf den Tisch.

»Kann ich noch etwas für Sie tun, Sir?« Elvira sah ihn aufreizend an. Aber der Mann mit der Stoppelglatze schüttelte desinteressiert den Kopf, sodass sie mit wippenden Hüften wieder abzog.

»Von wem stammt die Sendung?«, wollte Harris wissen, während seine Wurstfinger Ginnys schlanken Schenkel massierten.

»Keine Ahnung.«

»Steht da kein Absender?«

Tremayne verneinte. Ungeduldig zerschnitt er mit einem aufklappbaren Fischmesser, das er stets bei sich führte, die dicken Klebestreifen.

Doch kurz bevor er den Kartondeckel anhob, hielt er kurz inne. Gerade so, als befürchtete er, der Inhalt könnte aus einer Bombe bestehen, deren Zündmechanismus durch das Öffnen ausgelöst wurde.

»Na, mach schon! Spann uns nicht länger auf die Folter, Terry«, forderte ihn Harris ungeduldig auf.

Vorsichtig lüftete sein Freund die obere Abdeckung aus Pappe. Das Bild, das sich ihm gleich darauf bot, sprang ihn an wie eine Szene aus einem Albtraum.

Ginny schrie auf, und Harris machte große Augen. Er konnte genauso wenig glauben, was er da sah.

In dem Karton lagen zwei abgetrennte und wie Piratensäbel gekreuzte Scheren einer Riesenkrabbe!

Noch immer standen Phil und ich unter dem Eindruck des Bombenanschlags im Sueyoshi, vor allem wegen der zwölf Toten und acht Verletzten, die ihm zum Opfer gefallen waren. Unter ihnen befanden sich auch die Serviererin Akira, der Besitzer des japanischen Restaurants sowie zwei Touristen aus Deutschland.

Selbstverständlich unterzogen sich mein Partner und ich einem medizinischen Check. Zum Glück diagnostizierten die Ärzte lediglich ein paar Kratzer, keine inneren Verletzungen. Es sprach also nichts dagegen, gleich wieder zum Dienst anzutreten. Mr. High übertrug uns umgehend den Fall.

Natürlich stellte sich die Frage nach dem oder den Tätern ebenso wie nach dem Motiv. Wer hatte einen Grund, mitten in einem Restaurant im Szeneviertel von New York eine Bombe zu zünden? Steckte vielleicht die Yakuza, die japanische Mafia, dahinter?

Zum Brainstorming saßen Phil und ich in unserem Büro an der Federal Plaza. Irgendwann kam Steve Dillaggio, der Stellvertreter von Mr. High, herein. Er sah uns mit bestürztem Blick an. Ich ahnte sofort, dass er schlechte Nachrichten zu verkünden hatte.

»Vor wenigen Minuten hat das NYPD einen neuen Bombenanschlag gemeldet«, bestätigte er meine Vermutung. »Dieses Mal in Midtown.«

»Wieder ein japanisches Restaurant?«, fragte Phil.

Steve nickte. »Das Shito Tokio in der 57th Street.«

Ich war erschüttert. »Ist die Zahl der Opfer bekannt?«

Der blonde, athletisch gebaute Hüne, der wie ein Wikinger aussah und dennoch italienische Vorfahren hatte, schaute für einen Moment betreten zu Boden.

»Sieben Tote und achtzehn Verletzte, darunter auch zwei Kinder.«

Die Worte trafen mich und Phil wie ein gemeiner Tiefschlag.

Für Terry Tremayne war der Abend gelaufen. Nachdem er das Paket mit den Krabbenscheren in der Mülltonne hinter dem Nachtklub entsorgt hatte, fuhr er schnurstracks nach Hause.

Martin Harris hatte ihm zuvor noch ein Loch in den Bauch gefragt, ob er eine Ahnung hätte, was das Ganze solle. Tremayne hatte zwar verneint, wusste es aber besser.

Ratlos und konsterniert hatte er seinen alten Freund bei Ginny zurückgelassen. Vielleicht würde Martin in dieser Nacht noch etwas Spaß haben, er selbst jedenfalls nicht.

Der Reeder steuerte den schwarzen BMW 740e iPerformance