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Die Nacht, in der ich überlief
Ich wachte irgendwo am Strand auf, ohne zu wissen, wer er ich war und wie ich hierhergekommen war. Ein paar Verletzungen sowie eine Einstichstelle an meinem Arm ließen mich vermuten, dass es Ärger gegeben und man mich möglicherweise mit illegalen Substanzen vollgepumpt hatte. Das erklärte zumindest den Gedächtnisverlust. Schnell fand ich heraus, dass ich offenbar einer Gangsterbande um Terence Wilder angehörte. Doch irgendwie beschlich mich das seltsame Gefühl, dass das nicht immer so gewesen war - bis eines abends in einer zwielichtigen Bar ein Typ namens Phil Decker vor mir stand und behauptete, mich zu kennen ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Nacht, in der ich überlief
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: KatarzynaBialasiewicz/iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7951-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Nacht, in der ich überlief
Als ich wieder zu mir kam, schmerzte mein gesamter Körper. Ich hörte das Kreischen von Möwen und fühlte Sand in meinem Mund. Die Luft roch nach Salzwasser.
Langsam öffnete ich die Augen. Die Sonne war gerade erst aufgegangen, erhellte das Meer mit ihrer Morgenröte.
Vorsichtig richtete ich mich auf. Es tat weh. Meine Kleidung war blutverschmiert und zerrissen.
»Verdammt!«, fluchte ich und schaute mich um.
Ein Strand! Ich befand mich an einem Sandstrand. Und es war warm. Aber wo genau war ich? Wie war ich dahin gekommen?
Es dauerte einen Moment, bis ich einen klaren Gedanken fassen konnte. Dann kroch die wichtigste Frage von allen meine Gehirnwindungen hinauf: Wer war ich?
Es traf mich wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Ich konnte mich nicht erinnern, wer ich war.
Nein, das war unmöglich! Ich war … Mein Name war …
Verdammt! Hatte ich etwa die Nacht durchgezecht und nun einen gehörigen Kater? Immerhin, mein Kopf fühlte sich an, als würde er in einer Presse stecken. Und es gab kaum eine Stelle meines Körpers, die nicht schmerzte.
Da es in der Nähe keinen Spiegel gab, konnte ich mein Gesicht nicht sehen. Also ging ich ein paar Schritte den Sandstrand entlang, zum Wasser, wo nicht weit entfernt ein paar Pelikane fischten. Dort spiegelte sich mein Äußeres. Es kam mir bekannt vor, doch fehlte mir nach wie vor jedwedes Bewusstsein darüber, wer ich war.
Ich wusch mein Gesicht mit dem salzigen Wasser ab. Das brannte.
Blut! Ich hatte Blut im Gesicht. Was war geschehen? Wie war ich an den Strand gekommen?
Um mich herum war es menschenleer. Ich konnte nicht einmal ein Auto sehen, auch kein Boot.
Nachdem ich mein Gesicht und meinen Hals gewaschen hatte, zog ich mein Hemd aus, dann das Unterhemd, beides war nicht mehr zu gebrauchen. Ich warf die Sachen einfach weg und inspizierte meinen Oberkörper, so gut mir das möglich war.
In der Bauch- und Brustgegend hatte ich mehrere Blutergüsse. Jemand musste mich geschlagen haben. Und das nicht zu knapp! Auch daran konnte ich mich nicht erinnern. Verflucht!
Meine Handknöchel waren aufgerissen. Ich hatte mich also gewehrt, immerhin. Anscheinend hatte ich den Kampf trotzdem verloren, denn warum sonst fand ich mich irgendwo an einem verlassenen Strand wieder?
Meine Unterarme waren ebenfalls voller Blutergüsse. Abwehrverletzungen. Sogar an den Oberschenkeln hatte ich geblutet. Vielleicht hatte man mich getreten. So tiefe Schläge waren ungewöhnlich.
Die einzigen Körperteile, die nicht betroffen waren, schienen meine Füße zu sein. Ich konnte auftreten, ohne dass es schmerzte. Wobei ich keine Schuhe anhatte. Merkwürdig! Vielleicht hatte man sie mir ausgezogen und mich dann einfach liegen lassen.
Ich schaute mich am Strand um, konnte aber keine Hinweise auf einen Kampf finden. Vielleicht hatte der Wind den feinen Sand umhergeweht und so etwaige Spuren unkenntlich gemacht.
Nach der Bestandsaufnahme verspürte ich Hunger – und Durst, heftigen Durst. Wasser gab es genug, leider nur Salzwasser. Ich wusste, dass ich es nicht trinken durfte, weil es meinen Durst nur noch verstärken und meinem Körper schaden würde. Woher ich das wusste? Keine Ahnung!
Ein Griff zu meinen Hosentaschen zerstörte die Hoffnung, dort eine Brieftasche zu finden. Ich hatte kein Geld, keinen Hinweis darauf, wer ich war, nichts!
Irgendetwas musste ich unternehmen. Am Strand zu warten, entsprach jedenfalls nicht meinem Naturell. Doch in welche Richtung sollte ich gehen? An der Küste entlang? Oder lieber ins Landesinnere?
Zunächst ging ich am Strand entlang. Es dauerte nicht lange, bis ich Spuren der Zivilisation entdeckte. Ein paar Hütten und Geschäfte, die allerdings geschlossen hatten. Durch ein Schaufenster konnte ich Preisschilder erkennen, in Dollar. Ich befand mich also noch in den Staaten.
Kurz darauf gelangte ich an eine Straße. Ein Pick-up kam mir entgegen. Ich winkte, damit er anhielt. Der Mann am Steuer schaute aber ängstlich drein und gab Gas. Kein Wunder, ich sah bestimmt nicht vertrauenerweckend aus, mit schmutziger Hose und freiem Oberkörper. Wahrscheinlich hatte er mich für einen Landstreicher gehalten.
War ich einer? Eher nicht. An einen festen Wohnsitz konnte ich mich aber auch nicht erinnern. Und schon gar nicht an die Gegend, in der ich mich befand. Ich tippte auf den Süden der USA, wahrscheinlich Kalifornien oder Florida.
Es dauerte nicht lang, bis ich eine kleine Siedlung erreichte. Es war niemand zu sehen, vermutlich schliefen die Bewohner noch. Vorsichtig schlich ich mich in einen Garten und suchte von einer Wäscheleine ein paar Kleidungsstücke aus.
»Eigentlich reicht ein T-Shirt«, sagte ich zu mir selbst und suchte eines aus, auf dem die Skyline von New York abgebildet war.
New York! Die Stadt kam mir vertraut vor. Ob ich dort lebte? Aber was hatte mich dann in den Süden verschlagen?
Unwillkürlich griff ich in die Hosentasche, um Geld für das T-Shirt zu hinterlassen, doch ich hatte nicht mal einen Vierteldollar dabei. Immerhin, ich wollte das Shirt nicht stehlen, war also wahrscheinlich nicht kriminell veranlagt. Das ließ mich aufatmen.
Aber befand ich mich vielleicht trotzdem in Gefahr? Mein Instinkt sagte mir, dass es so war, doch fehlten mir die genauen Einzelheiten. War jemand hinter mir her? War ich meinen Peinigern entkommen und sie suchten nach mir?
Mein Kopf dröhnte, und ich fand keine Antworten auf diese Fragen.
»Ich muss weiter!«, sagte ich zu mir selbst.
Wasser! Ich brauchte dringend Wasser. Nicht weit von mir entfernt befand sich ein Gartenschlauch. Ich suchte den dazugehörigen Hahn und drehte ihn auf. Aus dem Schlauch spritzte Wasser. Der Druck war so stark, dass der Schlauch hin- und hergeschleudert wurde.
Ich packte das Ende und fing an zu trinken. Ein belebendes Gefühl erfüllte meinen Körper, während er, nach dem kühlen Nass lechzend, immer weiter trank.
»Hey, was machen Sie da?«, ertönte plötzlich hinter mir eine bedrohlich klingende Männerstimme.
Ich fuhr herum und sah einen zornig aussehenden Mann mit Bart, der aus dem Haus heraus in den Garten kam. In der rechten Hand hielt er einen Baseballschläger.
»Sorry, bin schon weg!«, rief ich und setzte mich schnell in Bewegung.
Auf eine weitere Konfrontation hatte ich keine Lust. Immerhin hatte ich ein T-Shirt an und genug getrunken.
Als ich den Bürgersteig erreicht hatte, rannte ich los. Zuerst tat mein Körper weh, protestierte. Dann wurde es leichter.
Nach ein paar hundert Yards drehte ich mich um. Der Mann hatte mich nicht verfolgt. Wahrscheinlich reichte es ihm, dass ich von seinem Grundstück verschwunden war.
Ich ging weiter und erreichte schließlich eine Stadt. Autos, Passanten, Häuser, alles kam mir vertraut vor. Das war definitiv Amerika!
Ich hielt eine junge Frau an, die mich überrascht anschaute.
»Guten Tag, können Sie mir sagen, wo genau ich hier bin?«
»Wo schon? In Cape Coral. Keine gute Anmache, wirklich nicht!«, erwiderte sie und ging weiter.
Cape Coral. Bei dem Namen klingelte etwas. Mir war, als hätte ich ihn kürzlich gehört. Aber lebte ich hier? War das meine Heimatstadt?
Innerlich sträubte sich etwas gegen die Vorstellung, daher lautete die Antwort wohl Nein.
Ich streunte herum, ohne zu wissen, wohin ich sollte oder wen ich kontaktieren könnte. Mir kam die Idee, eine Polizeistation aufzusuchen. Doch was, wenn ich ein gesuchter Krimineller war?
Abgesehen davon würden sie mich wahrscheinlich wegsperren, so, wie ich aussah. Also nein, keine Polizei.
Mein Magen knurrte mit einem Mal wie verrückt. Ich brauchte etwas zu essen! Aber ohne Geld und ohne Kreditkarte, wie sollte ich mir da etwas kaufen?
Die Hotdogs am nächsten Stand rochen verführerisch. Doch allein mit meinem Charme würde ich den Verkäufer wahrscheinlich nicht dazu bringen können, mir ein Würstchen zu überlassen.
Als ich noch überlegte, wie ich vorgehen könnte, winkte mir eine junge Frau von der anderen Straßenseite zu. Ich drehte mich um, weil ich sichergehen wollte, dass nicht jemand hinter mir stand, den sie meinte.
Doch da war niemand. Sie schaute tatsächlich in meine Richtung.
Dann überquerte sie die Straße und kam auf mich zu. Sie gefiel mir. Schlanke Figur, dezent gebräunte Haut, feine Gesichtszüge und nussbraunes Haar, das sie zu einem Zopf gebunden hatte.
Als sie näher kam, bemerkte ich ein paar kleine Narben auf ihrer linken Gesichtshälfte, was ihrem guten Aussehen allerdings nicht schadete, sondern sie eher authentischer wirken ließ. Ihre Kleidung war lässig und für die südlichen Temperaturen passend: Jeanshose, T-Shirt und Sneakers. Die Umhängetasche sah aus wie die von Studenten, die darin ihre Unterlagen und ihr MacBook verstauten.
»Hallo, Ryan, ich hatte mir schon Sorgen gemacht«, begrüßte sie mich mit einem Lächeln.
Ryan? War das mein Name? Es fühlte sich nicht so an.
»Hallo«, erwiderte ich. »Es gab ein paar Probleme.«
»Was ist denn los?«, wollte sie wissen. »Wilder hat nach dir gefragt. Er wusste auch nicht, wo du dich herumtreibst. Er dachte, ich wüsste es, und hat mich echt genervt.«
»Ich muss wohl in eine Schlägerei oder so geraten sein«, antwortete ich. »Kann mich nicht mehr erinnern. Eigentlich an gar nichts.«
»An gar nichts?« Sie schaute mich misstrauisch an. »Wie meinst du das?«
»Es fängt schon damit an, dass ich keine Ahnung habe, wie ich heiße.«
Sie schaute ungläubig drein. »Das ist nicht dein Ernst!«
»Leider doch«, gestand ich. Es war kaum mehr als ein Flüstern.
Sie musterte mich und sah, dass ich die Wahrheit sagte.
»Ryan, Ryan Brewster, das ist dein Name«, klärte sie mich auf. »Klingelt da was bei dir?«
Ich überlegte einen Augenblick und schüttelte dann den Kopf. »Nein, nicht wirklich.«
»Hast du vielleicht einen Schlag auf den Kopf bekommen?«, fragte sie und strich mir vorsichtig über die Stirn.
»Gut möglich.« Ich nickte. »Wobei man davon nicht so einfach sein Gedächtnis verliert.«
Sie bewegte ihre zarte Hand weiter über meinen Kopf, dann hielt sie inne.
»Da ist eine Beule«, stellte sie fest. »Fühlst du das?«
»Au!«, stieß ich aus und zuckte zurück, als sie leicht drückte.
Ich hatte tatsächlich eine Beule am Kopf. Die war mir vorher noch gar nicht aufgefallen.
»Vielleicht hast du eine Gehirnerschütterung«, meinte sie besorgt. »Wir sollten dich ins Krankenhaus bringen.«
»Ich weiß nicht«, erwiderte ich. »Mein Gefühl sagt mir, dass wir das nicht tun sollten. Keine Ahnung, warum.«
»Ist es wegen deines Jobs bei Wilder?«, fragte sie und nickte. »In Ordnung, wir gehen erst einmal zu mir. Da werde ich dich verarzten, so gut es geht.«
»Hört sich nach einem Plan an«, fand ich und fügte zögernd hinzu: »Wie war noch gleich dein Name?«
»Veronica Jameson.«
»Veronica«, wiederholte ich versuchsweise, doch es stellten sich keine Erinnerungen ein. »Und sind wir beide …?«
Sie lächelte. »Ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung, was wir sind. Wir haben uns erst vor ein paar Wochen kennengelernt. Und obwohl du jetzt für Wilder arbeitest, bis du ein netter Kerl, und wir sind uns irgendwie … nähergekommen, würde ich sagen.«
Ich holte tief Luft. »Es tut mir leid, dass ich mich nicht einmal daran erinnern kann. Sorry. Haben wir beide schon … ich meine …«
»Nein, wir waren noch nicht zusammen im Bett«, erwiderte sie. »Aber kurz davor. Wie auch immer, lass uns gehen. Hast du Hunger?«
»Und wie!«, antwortete ich.
»Gut, dass ich kochen kann.«
Sie brachte mich zu ihrem Wagen, einem älteren Ford Mustang, gelb lackiert, mit aufgemalten Flammen auf den Seiten.
»Schönes Auto«, bemerkte ich. »Rassig.«
»Das hast du schon mal gesagt«, entgegnete sie mit einem Lächeln. »Ist vielleicht ein Hinweis darauf, dass dein Gedächtnis schon wieder besser funktioniert oder so. Ich bin kein Experte, was das betrifft.«
Ich ging fast automatisch zur Fahrerseite.
»No chance!« Sie schüttelte den Kopf. »Du wirst dich nicht hinters Lenkrad setzen. Los, auf den Beifahrersitz! Ich übernehme das Steuer.«
»Nichts dagegen einzuwenden.«
Wir stiegen ein, und sie startete den Motor. Man hörte sofort, dass er getunt war.
»Du stehst auf schnelle Autos, nicht wahr?«
»Schnelle Autos und starke Männer«, antwortete sie und fuhr los.
Von der Beschleunigung wurde ich in den Sitz gedrückt. Veronica war wirklich eine Rassefrau. Gut aussehend, wild und darüber hinaus auch nett. Dumm nur, dass ich mich nicht an sie erinnern konnte. Sosehr ich mich auch anstrengte, da war nichts.
Ich warf einen Blick auf meine Ringfinger. Nichts! Ich war also wahrscheinlich weder verlobt noch verheiratet.
»Du hast nie viel über deine Vergangenheit erzählt«, bemerkte Veronica. »Ist ja auch deine Sache. Wenn man bedenkt, dass du für Wilder arbeitest, kann ich dir das nicht verdenken.«
»Wer ist Wilder?«, wollte ich wissen.
»Der Macker von Gina, meiner besten Freundin. Über sie habe ich ihn kennengelernt und später auch dich«, erklärte sie. »Er ist recht charmant, wenn man auf diese Art Männer steht. Gina ist ihm total verfallen. Aber er ist nicht der Typ Mensch, der von neun bis fünf arbeitet. Ein Geschäftsmann, wobei die Art von Geschäften, denen er sich widmet, nicht gerade ehrlich abläuft. Ich weiß keine Details und möchte auch keine kennen, aber ich gehe davon aus, dass er ein Gangster ist. Und da du für ihn arbeitest … Aber du bist irgendwie anders. Ich weiß nicht. Normalerweise stehe ich nicht auf böse Jungs. Du allerdings …«
Sie sprach nicht weiter. Ich konnte sehen, wie sie sich anstrengte, nicht zu sagen, was sie fühlte.
Konnte ich ihr nicht verübeln. Abgesehen davon, dass ich wohl doch keine so weiße Weste hatte, wie ich gedacht hatte, war auch noch meine Erinnerung an sie verschwunden.
»Das wird schon alles wieder ins Lot kommen«, versuchte ich sie zu beruhigen.
Sie lächelte. »Siehst du? Charmant, einfach charmant. Dir ist schon klar, dass Frauen auf so etwas stehen, nicht wahr?«
»Irgendwie schon.«
Die restliche Fahrt schwiegen wir. Irgendwann legte sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Es fühlte sich gut an. Vertraut.
Und ihr Lächeln … es war so bezaubernd. Es fiel mir nicht schwer zu glauben, dass wir uns gut verstanden hatten. Nur war mir nicht klar, warum wir nicht weiter gegangen waren.
Irgendwann erreichten wir ein abgelegenes Häuschen mit großer Garage. Über eine Fernsteuerung öffnete sie das breite Garagentor und fuhr hinein. Drinnen befand sich eine Menge Werkzeug.
»Eine Autowerkstatt«, sagte ich überrascht.
»Wie gesagt, ich stehe auf schnelle Autos. Und ich lege gern selbst Hand an, um sie zu tunen.«
»Du bist Automechanikerin«, folgerte ich.
Sie nickte. »Unter anderem. Hast du dich erinnert, was ich dir über meinen Job erzählt habe?«
»Leider nicht«, gestand ich. »Es war nur logisch, angesichts dieser Ausrüstung.«
Wir gingen ins Haus, wo sie mir etwas zu essen machte: Rührei, gebratenen Speck und Pfannkuchen. Es schmeckte köstlich, wobei ich nicht sicher war, ob es an ihren Kochkünsten oder meinem Hunger lag.
»Du scheinst länger nichts mehr zu dir genommen zu haben«, bemerkte sie und schaute mir fasziniert zu.
»Fühlt sich so an«, entgegnete ich. »Keine Ahnung, wie lange ich am Strand gelegen habe.«
»Du warst am Strand?« Das klang ehrlich überrascht.
Ich nickte. »Da bin ich zu mir gekommen. Was vorher passiert ist … nach wie vor keine Ahnung.«
»Vielleicht sollte ich dich untersuchen. Nicht dass sich was entzündet.«
»Bist du auch noch Ärztin?«, fragte ich freundlich lächelnd.
»Ich habe meine Erfahrung mit Verletzungen«, antwortete sie. »Und damit, sie zu verarzten.«
Wir unterhielten uns ausgiebig. Nach dem Essen kam sie zu mir und setzte sich direkt neben mich.
»Es wäre besser, wenn ich einen Blick auf deinen Körper … ich meine … werfen würde, um zu sehen, was ich tun kann.« Mit einem Mal wirkte sie etwas schüchtern.
»Nichts dagegen einzuwenden«, sagte ich.
Wir gingen zu einem Sofa, wo ich mich setzte. Sie holte einen Verbandskasten, Alkohol, Jod und andere Utensilien.
Ich zog das T-Shirt aus und entblößte meinen Oberkörper.
Sie zuckte leicht zurück.
»Was ist?«, wollte ich wissen.
»Du siehst ziemlich mitgenommen aus«, erwiderte sie und berührte sanft meine rechte Schulter.
»Fühlt sich auch so an«, erwiderte ich und wollte gerade klarstellen, dass ich damit nicht ihre Berührung meinte, sondern meine Verletzungen, doch dann hielt ich inne und ließ sie gewähren.
Sie nahm das Fläschchen mit Jod, ließ Tropfen daraus auf ein sauberes Tuch fallen und desinfizierte die verletzten Stellen. Hin und wieder traf sie eine mehr oder weniger offene Wunde, was brannte.
»Ich frage mich, wer dir das angetan haben mag«, sagte sie.
»Die Frage habe ich mir immer und immer wieder gestellt, doch es ist alles weg. Ich bekomme nicht einmal eine Idee oder Vorstellung von dem, was geschehen ist.«
»Irgendwann wirst du dich wieder erinnern«, prophezeite sie und strich mir durchs Haar.
Ich sah ihr in die Augen und wusste genau, was sie wollte. Und spätestens in dem Moment wollte ich es auch. Mit einer schnellen Bewegung packte ich sie und zog sie dann langsam zu mir. Unsere Lippen näherten sich einander, und ich spürte, wie ein Gefühl von Nähe und Zuneigung meinen Körper durchflutete. Dann trafen sich unsere Lippen. Sie schloss die Augen, um es besser genießen zu können. Ihre Atmung wurde schneller.
Es war unglaublich, besser, als ich es erwartet hatte. Mein Blutdruck stieg an, meine Muskeln spannten sich, ich packte sie fester, ließ nicht los.
Es dauerte eine ganze Weile, bis ich sie aus meiner Umarmung entließ.