Jerry Cotton 3227 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3227 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Er nannte sich Mister Pyro

Phil und ich ermittelten in einem Fall von schwerer Brandstiftung. Das Haus eines Musikproduzenten war in Flammen aufgegangen, eine junge Sängerin ums Leben gekommen. Als dann auch noch der Chefredakteur einer beliebten Gratiszeitung einen Drohbrief bekam, der mit "Mister Pyro" unterschrieben war, wurde schnell klar: Wir hatten es mit einem Serientäter zu tun. Das Perfide: In dem Brief kündigte der Feuerteufel nicht nur weitere Brände an, sondern er legte auch das Foto des Hauses bei, das er angeblich als Nächstes abfackeln wollte. Es kam aber nicht dazu, sondern ein ganz anderes Haus fiel Mister Pyro zum Opfer. Offensichtlich gefiel es ihm, die Ungewissheit der Menschen mit irren Briefen und falschen Fotos anzuheizen.Er setzte das verwirrende Katz-und-Maus-Spiel so lange fort, bis in der Stadt bald jeder befürchtete, sein Haus könnte als Nächstes brennen ...

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EPUB
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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Er nannte sich Mister Pyro

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: RonTech2000/iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-7952-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Er nannte sich Mister Pyro

Der FBI-Agent drehte sich um – und sah in das schwarze Mündungsauge einer Parabellumpistole, die auf ihn gerichtet war.

Er riss entsetzt die Augen auf. Sein Kinn klappte nach unten, seine Lippen zuckten. Der Typ hinter der Kanone meinte es ernst. In seinen Augen funkelte abgrundtiefer Hass.

Er war nicht groß und hatte kaum noch Haare auf dem Kopf. Ohne die Luger hätte er relativ harmlos ausgesehen, fast lächerlich, aber die Waffe machte ihn gefährlich.

Er grinste mit angefaulten Zähnen. »Das war’s dann, G-man.«

»Sie machen einen großen Fehler, Robbo.«

»Weil ich eine ekelerregende kleine Schmeißfliege umlege?« Jack Robbo schüttelte verächtlich den Kopf. »Kann ich nicht nachvollziehen, Bulle. Ich tue all jenen, hinter denen du her bist wie der Teufel hinter der armen Seele, einen großen Gefallen. Und ich werde dich leiden lassen, weil du meine besten Freunde über den Jordan geschickt hast. Es waren fünf. Also werde ich dir für jeden eine Kugel verpassen. Eine ins linke, eine ins rechte Bein, eine in die linke, eine in die rechte Schulter und die letzte kriegst du in deinen hohlen Schädel.«

Der FBI-Agent faltete die Hände und sank auf die Knie, als wollte er beten.

»Bitte, Robbo«, flehte er mit weinerlicher Stimme. »Bitte, tun Sie’s nicht.«

»Nenn mir einen Grund – nur einen einzigen! –, warum ich dich nicht umlegen sollte«, verlangte der Gangster mit rauer Stimme.

»Ich habe Familie.«

»Mach dir um die keine Sorgen. Ich werde mich um deine Alte kümmern. Ich bin verdammt gut im Witwentrösten, hab ordentlich was in der Hose. Sie wird mit mir zufrieden sein …«

Ich griff nach der Fernbedienung.

»Schwachsinn«, murmelte ich mürrisch und überließ Jack Robbo und seinen unmännlich winselnden Schauspielerkollegen, der – ziemlich realitätsfern – einen FBI-Agent mimte, per Knopfdruck ihrem vorgeschriebenen Schicksal. Auf einer Skala von eins bis zehn bekam der hirnverbrannte TV-Action-Reißer von mir null Punkte.

Ich wäre mit Jack Robbo Schlitten gefahren, ging es mir durch den Sinn. Aber ich muss mich in solchen Situationen zum Glück auch an kein bescheuertes Drehbuch halten.

Ich stand auf und nahm mir einen Drink. Es war kurz nach dreiundzwanzig Uhr. Eine halbe Stunde später ging ich zu Bett.

Wenn ich geahnt hätte, was für ein Drama sich zur selben Zeit in Queens anbahnte, hätte ich keinen Schlaf gefunden. Doch ich sollte erst davon erfahren, als es bereits geschehen und nicht mehr zu verhindern war.

Einem schwarzen Phantom gleich schlich die Gestalt lautlos durch die nahe­­zu undurchdringliche Dunkelheit. Sie blieb zwischendurch immer wieder kurz stehen, hob den Kopf, schaute sich um und ging dann ein paar Schritte weiter.

Die Nacht war kühl und wolkenverhangen, man konnte die Hand nicht vor Augen sehen. Es roch nach Regen, aber noch war es trocken.

In dem Haus, dem sich die schemenhafte Gestalt näherte, brannte schon lange kein Licht mehr.

Man schlummert absolut friedlich und völlig ahnungslos dem Tod entgegen, dachte der Mann, der mit einer ganz bestimmten Absicht hierhergekommen war.

In der Nachbarschaft bellte ein Hund.

Hat der Köter mich gewittert?, fragte er sich. Das würde mir überhaupt nicht in den Kram passen.

Er verharrte abermals einige Augenblicke. Der Hund hörte nicht auf zu bellen.

»Verdammter Kläffer«, murmelte der Mann.

»Captain! Aus!«, rief der Hundebesitzer streng.

»Ruhe!«, brüllte sein unmittelbarer Nachbar aufgebracht.

»Hol das verfluchte Vieh ins Haus!«, schrie ein anderer zornig. »Wir wollen schlafen!«

»Jede Nacht dasselbe Theater!«

»Man sollte den Köter erschießen!«

»Und seinen Besitzer ebenfalls, sonst kauft er sich gleich wieder einen neuen Wauwau!«

»Wisst ihr, was ihr mich könnt?«, plärrte der Hundebesitzer, unterstützt vom Gebell seines Hundes.

»Ach, halt’s Maul!«, bekam er zur Antwort.

»Ja, ja, du uns auch!«, fügte der andere Nachbar hinzu.

»Blöder Hund!«

»Das habe ich gehört!«, rief der Hundebesitzer.

»Ich habe den Hund gemeint, nicht dich, Arschloch!«

Kurz danach kehrte Ruhe ein, und der schwarz gekleidete Mann, der nicht in diese Gegend gehörte, setzte seinen Weg fort. Das Haus, das er sich »vornehmen« wollte, war ein futuristischer Neubau mit geschwungenem Dach, maximal drei Jahre alt. Man hätte es für ein Ufo halten können: viel Glas! Der Unbekannte hatte Ethanol mitgebracht, damit es sofort ordentlich brannte.

Guy Polito wohnte hier. Ein Musikproduzent, der mit seinem Label Horizon eine Zeitlang als Chartstürmer sehr erfolgreich gewesen war, vor Kurzem aber einige gravierende Fehlentscheidungen getroffen hatte und deshalb sowohl beruflich als auch finanziell ins Straucheln geraten war.

Auch privat lief es bei ihm seit einem Jahr nicht mehr so wünschenswert rund wie früher. Seine Frau, die ebenso attraktive wie exaltierte und zickige TV-»Wetterfee« Naomi Foch, hatte ihn verlassen, weil er sie einmal zu oft betrogen hatte.

Er bereute das zwar, aber der Zug war leider abgefahren, wie es schien, und Naomi hatte sich – vermutlich, weil es modern war und um sich so effizient wie möglich zu rächen – einen blutjungen, gepiercten und von Kopf bis Fuß tätowierten Toyboy zugelegt, der ohne nennenswerten Erfolg als Drummer in der New Yorker Underground-Musikszene herumkrebste und sich von ihr aushalten ließ, ohne sich zu genieren.

All das und noch vieles mehr war von den Medien bis zum Erbrechen breitgetreten worden. Inzwischen interessierten diese »Sensationen« allerdings kaum noch jemanden. Guy Politos Name würde erst morgen wieder in der Zeitung stehen. Weil sein Haus in Flammen aufgegangen war …

Der Mann, der den Brand legen wollte, erreichte die Terrasse. Alle Fenster und Türen waren geschlossen, doch das ließ sich mit einem Diamantschneider schnell ändern.

Der Schwarzgekleidete befestigte einen großen Saugnapf an einer der Terrassentüren und ließ den Diamanten einmal kreisen. Das knirschende Geräusch war kaum zu hören.

Sekunden später befand sich im Glas ein rundes Loch. Der Mann schob seine behandschuhte Hand hindurch, griff nach dem Riegel und drehte ihn.

Jetzt ließ sich die Tür problemlos öffnen. Der Unbekannte glitt in das Haus des Musikproduzenten und begann sogleich mit seiner Arbeit.

Er ging im Erdgeschoss von einem Raum zum andern und bespritzte mit der leicht brennbaren chemischen Flüssigkeit, die er mitgebracht hatte, Teppiche, Polstermöbel, Vorhänge, Bücher, Zeitschriften, Bilder, Gobelins … einfach alles.

Er ging dabei grausam akribisch vor. Herzlos und ohne die geringsten Gewissensbisse zog er durch, was er sich vorgenommen hatte.

Als er das Haus wenig später wieder verließ, stand das Erdgeschoss bereits in Flammen.

Guy Polito, der ein berufliches Comeback plante, hatte eine junge, talentierte und auffallend charismatische Sängerin namens Marisa Lennick, die er groß herausbringen wollte, von Los Angeles nach New York geholt.

Mit ihr – sie war noch nicht einmal neunzehn! – und mit einem seit Jahren erfolgreichen Songwriter, der Guy zu Dank verpflichtet war, weil er ihn auch dann nicht fallengelassen hatte, als er eine längere kreative Ladehemmung gehabt hatte, wollte er in den nächsten Tagen voll durchstarten.

Nachdem der fünfundvierzigjährige Guy Polito das Mega-Talent Marisa Lennick an die Ostküste geholt hatte, ließ er sie erst mal bei sich wohnen – bis sie etwas Passendes für sich gefunden hätte. Zwei Häuser standen bei der Künstlerin mittlerweile in der engeren Wahl, aber sie hatte sich noch für keines entschieden, und es lag ihm fern, sie zu drängen. Schließlich wollte er sie nicht vergrämen, sondern mit ihr gutes Geld verdienen und den heiß umkämpften Platz an der Sonne, den er mit Horizon so lange innegehabt hatte, triumphal zurückerobern.

An und für sich war Guy Polito kein Kostverächter und deshalb dem weiblichen Geschlecht auch stets sehr zugetan – was Naomi Foch jederzeit bestätigt hätte –, aber von Marisa ließ er sicherheitshalber die Finger. Er hatte nämlich die Erfahrung gemacht, dass Sex – so großartig und berauschend er auch sein mochte – eine Geschäftsbeziehung extrem belasten konnte, und dieses Risiko waren ihm ein paar aufregende Nächte mit Marisa Lennick einfach nicht wert. Obwohl … reizvoll wäre es schon gewesen.

Der Musikproduzent, dem das riesige Boxspring-Ehebett allein zur Verfügung stand, seit Naomi ihn verlassen hatte, schlief in dieser Nacht nicht ganz so tief und fest wie sonst. Das lag vermutlich am Wetter.

Polito war bisweilen ziemlich wetterfühlig. Wenn eine Kaltfront im Anzug war oder wenn mit schweren Gewittern gerechnet werden musste, fühlte er sich schon ein, zwei Tage vorher unwohl. Ruhelos wälzte er sich hin und her und wachte schließlich auf. Leichter Brandgeruch lag in der Luft, doch das fiel Polito nicht sofort auf.

Er setzte sich schlaftrunken auf und beschloss – wenn er schon mal munter war –, seine Blase zu leeren. Als er die Beine aus dem Bett schwang, stutzte er.

Was war das denn?

Rauch!, schrie es plötzlich in ihm, und im nächsten Moment war er hellwach.

Feuer! Verfluchte Scheiße! Es brennt!

Er schnellte aus dem Bett.

»Ver-dammt, wie-so …?«, stammelte er konfus. »Wieso brennt es? Hat Marisa im Bett geraucht? Ist ihr Handy-Akku explodiert …?«

Manchmal brannten auch Kühlschränke. Oder schlecht isolierte Stromkabel.

Polito stürzte im Schlafanzug zur Tür und riss sie auf.

»Marisa!«

Dicke, rußige Rauchschwaden sprangen ihn wie hungrige Raubtiere an. Seine Augen brannten sofort ganz höllisch, und er hustete sich die Lunge aus dem Leib.

Obwohl ihm klar war, wie gefährlich Rauchgase waren, kämpfte er sich taumelnd zum Gästezimmer durch. Meist war die Todesursache bei Bränden nicht die unmittelbare Flammeneinwirkung, sondern eine Rauchgasintoxikation, das wusste auch Guy Polito. Aber es widerstrebte ihm, nur sich selbst in Sicherheit zu bringen und Marisa Lennick ihrem Schicksal zu überlassen.

Er wollte in ihr Zimmer stürmen, sie aufwecken und mit ihr auf irgendeinem Weg das Haus verlassen, doch er konnte die Tür nicht öffnen.

»Verdammt, was soll das, Marisa?«, brüllte er wütend. »Warum hast du dich eingeschlossen? Dachtest du etwa, ich würde …« Er trommelte mit den Fäusten gegen die Tür. »Marisa! Marisa, wach auf! Es brennt! Wir müssen hier raus, Marisa!«

Sie schien ihn nicht zu hören. Er nahm an, dass sie vor dem Zubettgehen eine Schlaftablette genommen hatte.

»Verfluchte Scheiße!« Er hämmerte wieder mit ganzer Kraft gegen die Tür. So lange, bis ihm die Fäuste so wehtaten, dass er damit aufhören musste. »M-a-r-i-s-a-!«

Mit dem Rauch kam Hitze ins Obergeschoss. Rote Feuerzungen leckten über die tapezierten Wände. Hustend und röchelnd ergriff der Musikproduzent die Flucht.

Er konnte nicht bleiben, wollte nicht in den Flammen umkommen. Hastig zog er seine Pyjamajacke aus und drückte sie sich auf Mund und Nase.

Wie ein Betrunkener torkelte er zum Flurfenster, verfolgt von heißen Feuerlohen, die immer wieder gierig nach ihm griffen. Mal schrammte er links die Wand entlang, mal rechts – er war beinahe völlig orientierungslos.

Fast glaubte er, es nicht mehr bis zum Fenster zu schaffen. Hinter ihm knisterte, knackte und krachte es ununterbrochen. Glas barst klirrend. Ein apokalyptisches Heulen und Brausen füllte das Haus. In der Hölle konnte es nicht schlimmer sein.

Polito riss das Fenster auf. Aus den geplatzten Erdgeschossfenstern streckten sich ihm mit tödlicher Gier ausgefranste Flammenarme entgegen. Die Hitze war mörderisch!

Polito kletterte ungelenk aus dem Fenster.

Ich muss springen!, hallte es in ihm. Vielleicht breche ich mir ein Bein. Oder beide. Egal, ich muss …

Er verlor den Halt. Den Rest besorgte die Schwerkraft. Er schrie, während er fiel. Der Aufschlag war so hart, dass er ihm das Bewusstsein raubte.

Kein Rauch mehr, kein Feuer … Aus. Vorbei. Nur noch Schwärze, Vergessen und unendliche Stille.

Ich gabelte Phil, wie fast jeden Morgen, an unserer Ecke auf. Er schwang sich in meinen Jaguar, legte den Gurt an, und ich fuhr weiter.

»Guten Morgen, Partner«, sagte ich.

Er grinste. »Ich hatte einen Onkel, der pflegte darauf immer zu antworten: ›Was kann an einem Morgen gut sein, der mit dem Aufstehen beginnt?‹«

»Ein weiser Mann.«

»Ein Griesgram und notorischer Schwarzseher.« Phil rümpfte die Nase. »Ich mochte ihn nicht besonders. Wohl auch deshalb, weil er mir immer wehgetan hat. Er war sehr kräftig und grob, hatte kein Gefühl für kleine Kinder. Ich bin sicher, er konnte mich auch nicht leiden. Aber gesagt hat er das nie.«

Er wechselte das Thema.

»Hast du gestern zufällig ferngesehen, Jerry?«

»Hab ich.«

»Die FBI-Parodie?«

»Das war keine Parodie.«

»Ach, nicht? Meine Güte, das kann doch alles nicht ernst gemeint gewesen sein! Der Protagonist war ein Weichei allererster Güte. Ein trotteliger Waschlappen. Ein einfältiger Gimpel, der ahnungslos von einer Falle in die nächste getappt ist. Dazu hat er geflennt wie ein – ein … Ich sag’s lieber nicht. Hollywood hat keinen blassen Schimmer von unserem Job. Warum drehen die so einen weltfremden Mist? Wer gibt sein gutes Geld für so etwas her? Mit diesem Ramsch lässt sich doch nichts verdienen! Ganz abgesehen von der miserablen schauspielerischen Leistung und der stümperhaften Regie. Das war die reinste Geld- und Zeitverschwendung.«

»Ich habe mir das Machwerk nicht bis zum Schluss angesehen.«

»Ich schon.«

Ich lachte. »Masochist.«

Wir erreichten das Jacob K. Javits Federal Office Building. Kurz darauf begegneten wir auf dem Weg zu unserem Büro dem bestangezogenen G-man, den wir kannten: Zeerookah. Auch unser indianischer Kollege hatte den Film im Fernsehen gesehen und zog gleich empört über ihn her.

Es fielen wenig schmeichelhafte Worte wie »elende Dilettanten«, »groteskes Schmierentheater«, »lächerliche Räuberpistole« und noch einiges mehr.

Kurz vor unserem Büro trennten sich unsere Wege. Ich setzte mich an meinen Schreibtisch und fuhr den Computer hoch – nicht ahnend, welches Ungemach der Tag für uns in petto hatte.

Der Feuerteufel verfolgte im gut geschützten Hintergrund mit großem Interesse, was die Medien über seine verwerfliche Tat zu berichten hatten.

Alle nahmen dazu ausführlich Stellung, gaben entrüstete Kommentare ab und verliehen empört der Hoffnung Ausdruck, dass der kranke Pyromane bald gefasst und hinter Schloss und Riegel gebracht werden würde.

Ein großes Rätselraten begann. Niemand konnte sich erklären, warum der Brand im Haus des bekannten Musikproduzenten gelegt worden war.

Wollte jemand die Konkurrenz ausschalten?

Vor ein paar Jahren hätte man das noch verstanden, denn damals war Guy Politos Horizon ganz groß im Rennen gewesen. Aber heute …? Heute war das Label doch für niemanden mehr eine Gefahr.

Der Brandleger hatte ein Interview mit Naomi Foch aufgezeichnet und spielte es sich nun schon zum dritten Mal vor. Die umwerfend aussehende Frau stand fassungslos vor der verkohlten Ruine. Sie hatte echte Tränen in den Augen.

»Wer tut so etwas?«, fragte sie immer wieder kopfschüttelnd. »Wer macht so etwas Schreckliches? Was geht nur im Kopf eines solchen Menschen vor?«

»Sie haben keine Ahnung, wer hinter diesem Brandanschlag stecken könnte?«, fragte der Reporter, von dem nur das Mikrofon zu sehen war.

»Nicht die geringste.«

»Sind Sie froh, aus diesem Haus ausgezogen zu sein?«

»Ich verstehe Ihre Frage nicht.«

»Nun, Sie wohnen ja nicht mehr hier, sondern …«

»Ich weiß nicht, warum Sie mein Privatleben mit diesem niederträchtigen Anschlag in Verbindung bringen«, fiel die Wetterfee dem Reporter ärgerlich ins Wort. »Jemand trachtet Guy Polito ganz offensichtlich nach dem Leben. Ich weiß nicht, wer oder warum. Ich habe für diese gemeine Tat keine Erklärung und bitte Sie um Verständnis, wenn ich keine weiteren Fragen beantworten möchte.«

»Aber …«

»Vielen Dank für Ihr Verständnis«, schnappte die TV-Lady und drehte sich brüsk um.

Es kamen noch einige weitere Personen zu Wort: Feuerwehrleute, ein Polizeisprecher, Sanitäter, Brandexperten, Nachbarn … Es wurden zum Teil haarsträubende Mutmaßungen geäußert, und eine Frau meinte sogar allen Ernstes, Naomi Fochs Neuer könnte den Brand, dem Guy Polito hätte zum Opfer fallen sollen, gelegt haben, damit sie nicht mehr zu ihrem Noch-Ehemann – die beiden waren ja noch nicht geschieden – zurückkehren konnte.

Doch das sei natürlich nur ihre eigene, ganz private Meinung und müsse nicht unbedingt stimmen … Aber der Verdacht stand damit erst mal im Raum.

Man kannte das ja. Es war eine beliebte Praxis bei Staatsanwälten und Verteidigern, eine oft angewandte Taktik. Zuerst wurde vor Gericht etwas behauptet, und wenn die Gegenpartei energisch Einspruch erhob, zog man das Gesagte elegant zurück. Es wurde dann zwar aus dem Protokoll gestrichen, aber nicht aus den Köpfen der Geschworenen, die es gehört hatten.

Der Brandleger schüttelte den Kopf. »Ihr Dumpfbacken habt allesamt keinen blassen Schimmer, worum es mir wirklich geht, und das ist gut so. Bald wird das nächste Haus in Flammen aufgehen. Und noch eines. Und alle werden sich die Haare raufen und nicht wissen, warum. Eine hässliche Angst wird um sich greifen – und immer mehr Menschen werden sich fragen: Wann kommt der geistesgestörte, unberechenbare, Schrecken verbreitende Feuerteufel zu mir?«

Er lachte hämisch.

»Leute, ihr habt ja so was von null Ahnung!«

Zunächst war der Brandanschlag ein Fall für das NYPD, doch das blieb nicht so. Mr. Highs Sekretärin rief mich an.

»Guten Morgen, Jerry.«

»Hallo, beste Kaffeeköchin aller Zeiten«, gab ich aufgekratzt zurück.

Sie lachte geschmeichelt. »Oh, vielen Dank.«

»Was kann ich für dich tun?«

»Der Chef möchte euch sehen.«

»Wir eilen.«

Es war nicht weit bis zu Mr. Highs Büro, nur ein paar Schritte.

Als wir Helens Vorzimmer betraten, strahlte sie uns an. »Jerry. Phil. Schön, euch zu sehen!«

Sie trug ein elegantes taubengraues Kostüm mit einer hübschen kleinen Brosche und einem dezent gemusterten Halstuch.

Phil lächelte. »Du siehst heute mal wieder aus …« Er küsste seine Fingerspitzen. »Respekt.«

»Vielen Dank für die Blumen, Phil. Du bist sehr nett.«