Jerry Cotton 3235 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3235 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Die Gefahr lauert im Schatten

Ich joggte in einem "I love New York"-T-Shirt durch den Central Park. Die Kleidung war ein Erkennungszeichen, denn ich wartete auf einen Informanten aus der islamistischen Szene. Harun Nasser beobachtete für das FBI eine Moschee in Brooklyn und hatte neue Informationen zu einem potenziellen Terroristen. Rashid Abbasi hatte offenbar den Imam gefragt, wie man in Kontakt zur Terrormiliz "Islamischer Staat" treten könne.
Und tatsächlich: Bei einer Durchsuchung von Abbasis Wohnung fanden wir eine Sammlung von Zeitungsausschnitten über islamistische Attentäter, die mit dem Auto in Menschenmengen gefahren waren, außerdem Unterlagen eines Autohändlers, der Hummer-SUV vertreibt. Phil und ich waren uns einig: Offenbar hatte Abbasi vor, mit einem Hummer in eine Menschenmenge zu fahren. Aber was ist war das Anschlagsziel? Und wie sollten wir das Attentat verhindern?

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Gefahr lauert im Schatten

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: chaiyapruek2520 /iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8167-2

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Die Gefahr lauert im Schatten

Er konnte kaum fassen, dass er es geschafft hatte. Durch die unübersichtlichen Strukturen der Organisation war er vorgedrungen bis zum innersten Kreis. Zu einem Mann namens Zarif, der die Macht hatte, Entscheidungen zu treffen. Und der sich dafür interessierte, was er zu sagen hatte.

Seine Finger zitterten, während er tippte.

Ich habe einen Plan, schrieb er. Ich will euch helfen.

Die Reise nach Rakka ist weit und beschwerlich, mein Bruder, kam nach wenigen Sekunden die Antwort. Bist du sicher, dass du den Mut hast, sie auf dich zu nehmen?

Er schluckte. Das war er, der entscheidende Moment.

Nein, ich komme nicht nach Syrien, schrieb er. Ich will meinen Plan hier in die Tat umsetzen. In New York City.

Nicht mal ein Tourist würde sich in diesem Aufzug in der Öffentlichkeit blicken lassen. »I love New York«, prangte in fetten Lettern auf meiner Brust. Das Wort »love« war auf dem weißen T-Shirt natürlich durch ein rotes Herz ersetzt. Passend dazu trug ich ein rotes Schweißband, eine schlabbrige Jogginghose, neongelbe Sneakers und stand mitten im Central Park.

Ich bemühte mich, die amüsierten bis verächtlichen Blicke zu ignorieren, die mir vorbeilaufende Jogger in Funktionskleidung zuwarfen. Sicherlich allesamt waschechte New Yorker, die mich für einen Zugezogenen hielten, der den Stolz auf seine neue Heimatstadt jedem unter die Nase reiben musste.

Ich bin einer von euch, hätte ich am liebsten gerufen, auch wenn der Impuls absurd war. Ich musste niemandem beweisen, dass ich ein echter New Yorker war. Außerdem war ich dienstlich im Central Park unterwegs und das Outfit meine Tarnung.

Ich schwang mein rechtes Bein auf die Lehne einer Parkbank und begann, es zu dehnen. Grimmig fragte ich mich, warum mein Kollege, Agent Bernard Nixon, sich nicht ein weniger auffälliges Erkennungszeichen für das Treffen mit dem Informanten hatte einfallen lassen.

Vielleicht hatte er sich sogar einen Spaß daraus gemacht, sich diesen peinlichen Aufzug auszudenken. Oder er hatte schlicht nicht damit gerechnet, dass er wirklich einmal einen Ersatzmann zu einem Treffen mit seinem Informanten würde schicken müssen.

Agent Nixon ermittelte in der islamistischen Szene und hielt Kontakt zu mehreren V-Männern. Der Informant, den ich gleich treffen würde, hieß Harun Nasser. Das FBI hatte ihn vor drei Jahren bei einem Steuerbetrug erwischt, den er mit seinem damaligen Geschäftspartner in der gemeinsamen Firma begangen hatte.

Nassers Glück war, dass er, anders als sein Partner, irakische Wurzeln hatte und sich dem FBI gegenüber kooperativ zeigte. Damals wurden Informanten mit arabischer Herkunft dringend gesucht. Auf das Angebot, als V-Mann zu arbeiten und dafür der Strafverfolgung zu entgehen, war Nasser nur zu gern eingegangen.

Seither beobachtete er eine Moschee in Brooklyn, an der eine extrem fundamentalistische Lesart des Islam gepredigt wurde. Seit einem halben Jahr lehrte hier ein neuer Imam, Karim Suleiman. Unter ihm hatte sich der Tonfall verschärft, wie Nasser Nixon bei den gemeinsamen Joggingrunden im Central Park berichtet hatte, zu denen sie sich regelmäßig trafen, um unauffällig Informationen auszutauschen. Heute wollte Nasser Nixon auf den neuesten Stand bringen.

Nur dass Nixon am vergangenen Abend mit heftigen Bauchkrämpfen ins Krankenhaus eingeliefert worden war. Blinddarmdurchbruch. Die Not-OP war gut verlaufen, aber Nixon würde eine Weile ausfallen.

Deshalb stand ich an diesem Freitagmorgen in dem »I love New York«-Shirt im Central Park. Nixon hatte mit Nasser das Outfit als Erkennungszeichen verabredet, falls er einmal bei einem Treffen verhindert wäre und einen Vertreter schicken müsste.

Zwei durchtrainierte junge Frauen liefen direkt vor meiner Parkbank vorbei, sahen mich an und brachen ein paar Yards weiter in Gelächter aus. Ich seufzte. Unter anderen Umständen hätte ich vielleicht versucht, zu ihnen aufzuschließen und mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Aber in diesem Outfit hatte ich eindeutig keine Chance.

Eine Stimme schreckte mich aus meinen Gedanken.

»Ideales Laufwetter, was?«

Neben mir stand ein Mann in blauem Funktionsshirt und enger Laufhose. Harun Nasser. Seine Bemerkung über das Wetter, das mit hochsommerlicher Hitze alles andere als ideal zum Joggen war, war als Erkennungszeichen ebenso abgesprochen wie mein T-Shirt.

»Könnte nicht besser sein«, gab ich den verabredeten Antwortsatz wieder.

Ein schelmisches Grinsen breitete sich auf dem Gesicht des Mannes aus. Er deutete auf mein Shirt.

»Ich hoffe, das ist atmungsaktiv. Bei dem Wetter sind Sie ansonsten in fünf Minuten klitschnass geschwitzt.«

»Sehr witzig«, sagte ich, während Nasser und ich uns in Bewegung setzten. »Wessen Idee war der Aufzug?«

»Meiner. Ein bisschen Spaß muss bei dieser Arbeit ja ab und zu sein.«

Ich musterte Nasser aus den Augenwinkeln. Als ich gehört hatte, dass ich einen Informanten aus der islamistischen Szene treffen würde, hatte ich einen älteren Mann mit langem Bart erwartet. Doch Nasser war höchstens Ende zwanzig, hatte kurze schwarze Locken, einen ebenso kurz gestutzten Bart und wache Augen.

Eine Weile trabten wir schweigend nebeneinander her. Trotz der drückenden Hitze genoss ich die Bewegung und den Blick auf den See, der jetzt in Sicht kam. Auch wenn körperliche Fitness bei meinem Job als FBI Agent vorausgesetzt wurde, kam ich viel zu selten dazu, im Central Park joggen zu gehen.

Als wir eine Gruppe älterer Spaziergänger hinter uns gelassen hatten, brach Nasser das Schweigen.

»Ist Ihrem Kollegen was passiert?«, erkundigte er sich.

»Er hatte einen Blinddarmdurchbruch und liegt im Krankenhaus. Er wird ein paar Wochen ausfallen.«

»Sind Sie über die Vorgeschichte im Bilde? Ich habe Informationen, die nicht warten können, bis Agent Nixon gesund ist.«

Ich nickte. Mein Chef, Assistant Director in Charge John D. High, hatte mich am vergangenen Abend ins Bild gesetzt. Harun Nasser hatte Agent Nixon zuletzt von einem neuen Besucher erzählt, der seit einigen Monaten in die Moschee kam. Er hieß Rashid Abbasi und interessierte sich auffällig stark für den Krieg in Syrien, in dem auch die Terrormiliz Islamischer Staat mitmischte, die einen islamistischen Gottesstaat errichten wollte. Nassers Alarmglocken hatten geläutet, als Abbasi außerdem über den Dschihad sprach, den einige islamistische Extremisten als Kampf bis aufs Blut gegen alle Andersgläubigen interpretierten.

»Ich habe mich mit der Akte vertraut gemacht«, sagte ich zu Nasser. »Erzählen Sie, was Sie wissen.«

»Ich saß vor zwei Tagen nach dem Gebet mit Imam Suleiman und einigen Männern in einem Café nahe der Moschee. Der Mann, von dem ich Agent Nixon erzählt habe, war auch da.«

»Abbasi?«

»Genau. Wir sprachen über den Krieg in Syrien. Darüber, dass viele junge Männer aus Amerika und Europa dorthin reisen, um den Kampf zu unterstützen.«

Ich nickte grimmig. »Ich werde nie verstehen, warum junge Menschen ihr Leben wegwerfen und freiwillig in ein Kriegsgebiet reisen.«

»Diese Leute wollen ihrem Leben einen Sinn geben«, gab Nasser zurück. »Sie sehen die IS-Leute als Kämpfer gegen die ausländischen Mächte, die sich mittlerweile in den Krieg eingeschaltet haben.«

Nasser brach ab, als wir die Bow Bridge erreichten. Die gusseiserne Brücke war ein beliebter Ort für Heiratsanträge, doch gerade standen nur Dutzenden asiatische Touristen darauf und machten Fotos.

»Abbasi war im Gespräch erst zurückhaltend«, fuhr Nasser fort, nachdem wir die Gruppe hinter uns gelassen hatten. »Aber als die meisten anderen Männer gingen und nur noch Imam Suleiman, Abbasi und ich zurückblieben, lenkte er das Gespräch wieder auf Syrien. Er hat gefragt, ob wir wüssten, wie man mit dem Islamischen Staat in Kontakt treten kann.«

»Was haben Sie geantwortet?«, fragte ich alarmiert.

»Ich habe gesagt, dass das vermutlich über das Internet geht, aber ich nichts Genaues weiß. Imam Suleiman hat mir zugestimmt.«

»Und sonst hat der Imam nichts gesagt? Hat er Abbasi vielleicht angeboten, ihn bei der Kontaktaufnahme zu unterstützen?«

Nasser schüttelte den Kopf. »Imam Suleiman hat sich kurz darauf verabschiedet, er hatte noch eine Verabredung. Als er weg war, fragte ich Abbasi, ob er ebenfalls nach Syrien reisen will. Er verneinte und sagte, man könne den Dschihad nicht nur von Syrien aus unterstützen.«

»Wie meint er das?«

Wir liefen auf den Bethesda Fountain zu. Rund um den eindrucksvollen Brunnen, in dessen Mitte eine Engelsfigur thronte, tummelten sich wie gewohnt Touristen und Einheimische, die das Sommerwetter genossen.

Ich bedeutete Nasser, sich links zu halten und in einen ruhigeren Weg einzubiegen. Wir konnten keine Mithörer gebrauchen.

»Abbasi sagte, dass der IS seine Anhänger dazu aufgerufen habe, den Dschihad in die westliche Welt zu tragen«, nahm Nasser den Faden wieder auf. »In Frankreich und England gab es Anschläge, bei denen Attentäter im Namen des IS Zivilisten getötet haben.«

Ein flaues Gefühl breitete sich in meinem Magen aus. Am liebsten hätte ich eine Pause gemacht, um das Gehörte zu verdauen. Aber beim Laufen war die Gefahr geringer, dass jemand unser Gespräch mithörte.

»Abbasi will also einen Anschlag planen«, sagte ich. »Hat er schon einen konkreten Plan?«

»Das habe ich ihn natürlich auch gefragt«, sagte Nasser. »Er meinte, er habe ein paar Ideen, brauche dafür aber Geld. Mehr hat er mir nicht erzählt. Und ich habe nicht nachgebohrt, denn ich wollte nicht zu aufdringlich wirken. Ich kann kein Risiko eingehen.«

»Natürlich nicht«, erwiderte ich. »Ihre Sicherheit hat Priorität.«

Mir war durchaus bewusst, dass Nasser für seine Nachforschungen ein hohes Risiko einging. Zwar wurde der Informant vom FBI bezahlt, aber das änderte nichts daran, dass er sich tagtäglich in Lebensgefahr begab. Ein Fanatiker, der einen Terroranschlag mit womöglich Dutzenden Toten plante, würde vor einem weiteren Mord nicht zurückschrecken.

»Wir müssen wissen, was Abbasi vorhat und wie weit sein Plan gediehen ist«, sagte ich. »Sie dürfen keinen Verdacht auf sich lenken, aber Sie müssen an ihm dranbleiben. Tun Sie so, als seien Sie ein Gleichgesinnter. Als bewunderten Sie seinen Mut.«

»Meinen Sie, ich soll mich als Komplize anbieten?«

»Wenn es sein muss, auch das«, sagte ich. »Natürlich dürfen Sie ihn nicht bei Straftaten unterstützen. Aber wenn Sie den Anschein erwecken, dass Sie ihm helfen wollen, öffnet er sich Ihnen eher.«

Nasser sagte lange nichts. Als er weitersprach, lag in seiner Stimme Angst.

»Ich gebe mein Bestes«, versprach er. »Aber wir müssen uns öfter treffen als bisher. Ich muss wissen, dass ich sofort Unterstützung bekomme, wenn ich welche brauche.«

»Selbstverständlich«, versicherte ich.

»Heute Nachmittag ist Freitagsgebet in der Moschee.« Als Nasser meinen fragenden Blick sah, erklärte er: »Das ist im Islam das wichtigste Gebet der Woche. Und da es für Männer eine religiöse Pflicht ist, wird Abbasi heute in der Moschee sein. Vielleicht kann ich danach noch einmal mit ihm sprechen.«

Der Informant verlangsamte sein Tempo, als wir wieder an unserer Parkbank ankamen.

»Morgen früh, gleiche Zeit, gleicher Ort«, sagte ich. »Dann erzählen Sie mir, was Sie heute Nachmittag rausgekriegt haben.«

Nasser nickte. Als sein Blick auf meine Brust fiel, kehrte sein schelmisches Lächeln zurück.

»Und vergessen Sie Ihr T-Shirt nicht, Agent. Sonst erkenne ich Sie womöglich nicht.«

Als das Gesicht seiner Mutter vom Bildschirm verschwand, konnte Rashid Abbasi wieder frei atmen. Er klappte den Laptop zu, lehnte sich zurück und sank tief in die weichen Polster der durchgesessenen Couch.

Die Telefonate, die er mit seiner Mum über Skype führte, wurden langsam unerträglich. Mit jeder Woche, die verging, sah seine Mutter schlechter aus. Die Haut war fahl, die Wangen hohl. Sie hatte die Arbeit in der Näherei im Nachbardorf verloren, war zu langsam geworden, um mit den jüngeren Kolleginnen mitzuhalten. Und in ihrem Alter gingen die Chancen, eine neue Anstellung zu finden, gegen null.

»Ibrahim fragt: ›Warum suchst du Arbeit? Du hast doch einen Sohn in Amerika!‹«, hatte Mum gesagt.

Ibrahim war ihr Nachbar. Mum durfte seinen Computer alle paar Wochen für einen Videoanruf bei ihrem Sohn in New York benutzen. Seit über zehn Jahren hatten sie sich nicht mehr von Angesicht zu Angesicht gesehen. An den meisten anderen Tagen telefonierten sie über das alte Handy, das Abbasi seiner Mum geschickt hatte. Wenn auch nur für wenige Minuten, um die Kosten gering zu halten.

Mums Stimme hallte in seinen Ohren wieder.

»Wieso schickt dein Sohn dir nicht mehr Geld?«, hat Ibrahim gefragt.

Abbasi konnte Ibrahim seine Fragen nicht verübeln. Er hatte recht: Seine Mum war eine alte Witwe, wurde zunehmend gebrechlich. Sie sollte nicht arbeiten müssen. Ihr einziger Sohn sollte sie versorgen.

Durch die Wände dröhnte die Hip-Hop-Musik, die sein Nachbar jeden Abend aufdrehte. Abbasi gab sich Mühe, nicht auf den Text zu achten, in dem es um Frauen und ihre Körper ging – und um das, was der Rapper mit diesen Körpern anstellen wollte.

Dreck war diese Musik, einfach nur Dreck! Sie gehörte verboten. Aber nein, im gelobten Land Amerika durfte man ja im Radio singen, was immer man wollte.

Mit dem Bildschirm des Laptops war die einzige Lichtquelle im Raum erloschen. Abbasi überlegte, die Deckenleuchte anzuschalten, doch schon jetzt wusste er nicht, wie er die nächste Stromrechnung bezahlen sollte.

Ohnehin war es ihm recht, wenn die Umrisse der Wohnung im Dunkeln verschwammen. Er hasste die Wohnung. Ein Zimmer war es eher, Wohn-, Schlaf- und Esszimmer in einem, dazu ein winziges Bad, in dessen Ecken der Schimmel blühte. Wenn Abbasi kochte, dann kroch der Essensgeruch in sämtliche Möbel, seine Kleidung und Bettwäsche. Noch Tage danach roch es in der Wohnung nach Curry.

Die Fenster waren so schlecht isoliert, dass es im Winter zu kalt und an heißen Tagen wie heute unerträglich stickig war. Und selbst das Lüften war unmöglich, weil direkt unter dem Fenster eine vielbefahrene Straße verlief, auf der Tag und Nacht Autos mit ihren Abgasen die Luft verpesteten.

Auch wenn Abbasi es seiner Mum gegenüber nie zugeben würde: Sie hatte recht gehabt. Als er damals seinen Eltern eröffnet hatte, dass er nach Amerika gehen wollte, war sein Vater begeistert gewesen. Er hatte von unbegrenzten Möglichkeiten gesprochen und von Tellerwäschern, die zu Millionären wurden. Er hatte den Kontakt zu Deeba hergestellt, der Tochter eines früheren Nachbarn, der mit seiner Familie schon vor Jahren ausgewandert war.

Seine Mum war skeptischer gewesen. Sie hatte gesagt, dass die Sitten anders waren in Amerika … und die Frauen auch. Doch Abbasi hatte nicht auf sie gehört.

Und nun saß er hier, in einem Land, in dem die Weißen ihn auf der Straße ansahen, als hätte er eine ansteckende Krankheit. In dem sie sein Essen aßen, ihm aber nicht die Hand reichen wollten. In dem er keine Familie und kein Zuhause mehr hatte, nur eine gescheiterte Ehe und ein Drecksloch, dessen Miete mehr als die Hälfte seines mickrigen Einkommens verschlang.

Zu Hause in Pakistan war sein Vater gestorben und seine Mum kam kaum über die Runden. Und er, ihr einziger Sohn, konnte ihr nicht helfen.

Aber nicht mehr lange, rief er sich in Erinnerung. Bald würde sich das Blatt wenden. Wenn sein Plan aufging, brauchte er sich keine Sorgen mehr um die Stromrechnung und die Miete zu machen. Dann musste er die Schundmusik seines Nachbarn nicht mehr ertragen und den Schimmel im Bad nicht mehr sehen. Dann würde seine Mum so versorgt sein, wie sie es verdiente.

»Sein voller Name lautet Rashid Ahmed Abbasi, er ist zweiundvierzig Jahre alt und stammt aus einem kleinen Dorf in der Nähe von Peschawar.«

Ben Bruckner schaute in zwei fragende Gesichter. Weder ich noch mein Partner Phil Decker konnten mit der genannten Stadt etwas anfangen.

Ben lächelte nachsichtig. »Peschawar liegt im Nordwesten Pakistans«, erklärte er. »Auch meine Kenntnisse pakistanischer Geografie könnten besser sein. Ich musste erst auf die Karte schauen, um Peschawar zu lokalisieren. Die Stadt liegt im Nordosten des Landes, nahe der Grenze zu Afghanistan.«

»Ich hätte auf den Nordwesten getippt«, sagte Phil halblaut.

Seine Ironie ging an Ben gänzlich vorbei. »Ich zuerst auch! Man lernt eben nie aus.«

Nach meinem Treffen mit Harun Nasser war ich sofort ins FBI Field Office gefahren und hatte Phil und unserem Chef Mr. High alles erzählt. Wir waren uns einig: Wenn Rashid Abbasi einen Terroranschlag in New York City plante, konnten wir uns nicht allein auf die Informationen von Harun Nasser verlassen. Wir mussten eigene Ermittlungen starten.

Und wir hatten keine Zeit zu verlieren! Deshalb hatten wir unseren IT-Experten Ben Bruckner gebeten, sämtliche Datenbanken und sonstigen Quellen anzuzapfen, um so viel wie möglich über den Verdächtigen herauszufinden.

Wenige Stunden später hatte Ben Phil und mich in sein Büro gerufen, um uns seine Ergebnisse vorzustellen – und uns auf einen Exkurs in pakistanischer Geografie mitzunehmen. Aber dazu hatte auch ich etwas beizutragen.

»Gilt das afghanisch-pakistanische Grenzgebiet nicht als Ausbildungs- und Rückzugsort für Terroristen?«

Ben wiegte den Kopf hin und her. »Das mag stimmen, aber interessant ist, dass Rashid Abbasi trotzdem weder in Pakistan noch in Amerika je im Zusammenhang mit Islamismus in Erscheinung getreten ist. Weder dem FBI noch der NSA oder der CIA liegen diesbezüglich Informationen vor.«

»Wie lange lebt er schon in Amerika?«, wollte ich wissen.