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Seine Kunst? Töten!
Bei einer Matinee in der Galerie Surprise entdeckte eine Besucherin in einer Collage des Künstlers Adam Lemuel Tyson ein silbernes Herz. Sie war sich sicher, dass dieses Herz ihrer Freundin gehört hatte, die eine Woche zuvor einem Mord zum Opfer gefallen war.
Jerry und Phil wurden beauftragt, Nachforschungen anzustellen. Er stellte sich heraus, dass es innerhalb der letzten Monate in den benachbarten Bundesstaaten eine Reihe von Frauenmorden gegeben hatte, bei denen der Täter "Souvenirs" von seinem Opfer mitgenommen hatte. Und tatsächlich: Keine zwei Wochen später wurde in Massachusetts wieder eine junge Frau unter ähnlichen Umständen ermordet aufgefunden. Der Mörder hatte diesmal einen Fetzen ihrer Unterwäsche mitgenommen. Unmittelbar darauf entdeckten wir in Tysons Galerie eine Collage, in der ein Stück genau jener Unterwäsche eingearbeitet war ...
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Seitenzahl: 139
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Seine Kunst? Töten!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: bokan/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8300-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Seine Kunst? Töten!
Die Matinee in der Galerie Surprise in Greenwich Village, New York war gut besucht. Adam Lemuel Tyson, der aufstrebende Künstler, der zu einer Ausstellung seiner neuesten Werke geladen hatte, konnte mit dem Erfolg zufrieden sein. Er plauderte angeregt mit einem der Journalisten.
Auf einem Tischchen standen Gläser mit kalten Getränken bereit. Tyson wollte gerade Sekt nachschenken, als plötzlich eine der Besucherinnen einen schrillen Schrei ausstieß.
Tyson erschrak und setzte sein Glas abrupt ab.
»Das Herz!«, rief die junge Frau.
Sie deutete auf das neueste Werk des Künstlers, eine Collage, in deren Mittelpunkt sich ein kleines, silbernes Schmuckstück befand.
»Was ist mit dem Herz?«, fragte einer der Besucher.
»Das ist das Herz einer Toten!«, rief die junge Frau.
Wenige Stunden später standen Phil und ich dem Künstler in der Galerie Surprise gegenüber.
Samuel Adam Tyson wirkte selbst wie ein Kunstwerk. Er mochte vielleicht vierzig Jahre alt sein, hatte schulterlanges, blondes Haar und trug einen weiten, dünnen Sommermantel mit großen Hornknöpfen.
»Das ist das Bild«, sagte Tyson und deutete auf ein großes Gemälde, das ganz offensichtlich im Mittelpunkt der Ausstellung gestanden hatte.
»Erklären Sie uns bitte, was es mit diesem Bild auf sich hat«, forderte ich. »Warum haben Sie es in dieser Weise gegenüber den anderen Bildern hervorgehoben?«
»Weil es das schönste Bild war«, erklärte Tyson. »Ich mache Collagen, das sehen Sie ja. Dazu sammle ich alles, wovon ich glaube, dass ich es in einem meiner Bilder verarbeiten kann. Das sind zum Teil Dinge, die ich auf Flohmärkten finde. Manches stammt auch von gelegentlichen Besuchen auf Mülldeponien. Und einiges ist schlicht und ergreifend Strandgut. So wie das Herz.«
»Daher der Name des Bildes«, sagte ich.
Tyson nickte. »›Strandgut der Liebe‹ ist ein sehr großes Gemälde, und das silberne Herz war ziemlich klein. Sehen Sie?« Er deutete auf eine Stelle etwas rechts unterhalb der Bildmitte. »Hier hat das Herz gesessen. Und obwohl es so klein war, hat es das ganze große Bild beherrscht. Die Liebe übertrifft alles, das wollte ich damit sagen. – Schade, dass das Herz jetzt weg ist.«
Die Kollegen vom NYPD hatten sich nicht die Mühe gemacht, das ganze Gemälde mitzunehmen. Sie hatten einfach das Herz herausgepflückt. Es war deutlich erkennbar, wo es ursprünglich aufgeklebt gewesen war.
Der größte Teil der Fläche war mit etwas bedeckt, was ich für Seegras hielt. Braunes, verwelktes Seegras. Das Bild verbreitete eine melancholische Stimmung.
»Haben Sie das Herz gefunden, als Sie all das Seegras eingesammelt haben?«, fragte ich.
Der Künstler schüttelte den Kopf. »Seegras ist zu empfindlich, es würde nach kurzer Zeit zerfallen. Das, was wie Seegras aussieht, sind in Wirklichkeit unterschiedliche Streifen von Textilfasern, die ich braun gefärbt habe.«
»Das Bild wirkt leer«, bemerkte Phil.
Tyson nickte. »Ohne das Herz ist das Bild leer, ohne Aussage. Das ganze Arrangement war so, dass die Aufmerksamkeit des Betrachters automatisch auf das Herz gelenkt wurde. Kein Wunder also, dass die junge Frau das kleine Schmuckstück sofort entdeckt hat.«
»Und dieses Herz stammt wirklich nicht von irgendeinem Schrottplatz?« Irgendetwas stimmte nicht an dieser Geschichte.
»Nein, dieses Herz habe ich tatsächlich am Strand in Montauk gefunden«, beteuerte Tyson. »An genau dem Strand, an dem angeblich die Tote gelegen hat, der dieses Herz gehört hat.«
»Und was haben Sie in Montauk gemacht?«, wollte ich wissen. Der kleine Ort an der Ostspitze von Long Island lag immerhin rund hundertzwanzig Meilen von Greenwich Village entfernt.
»Urlaub. Ich musste einfach mal raus aus der Stadt, an eine Stelle, an der ich für mich allein sein konnte. Und dafür ist Montauk ideal. Der Strand ist selbst im Sommer nicht überlaufen, und jetzt, im Frühling, hat man ihn die meiste Zeit ganz für sich allein. Ich habe also meine Galerie für zwei Tage dichtgemacht und bin nach Montauk gefahren. Ich habe es nicht bereut.«
»Beschreiben Sie uns bitte, wo Sie das Herz gefunden haben«, sagte ich. »An dem Strand direkt beim Leuchtturm?«
Ich wollte feststellen, ob Tyson wirklich in Montauk gewesen war. In der unmittelbaren Umgebung des Leuchtturms gab es nämlich keinen Strand.
Tyson fiel nicht darauf herein. »Es war ein Zufall, dass ich es überhaupt gesehen habe. Ich habe den Wagen auf dem Parkplatz bei Camp Hero stehen lassen. Da, wo früher das Militärgelände war. Das ist eine der wenigen Stellen auf Long Island, wo es ein Kliff gibt. Eiszeitliche Schichten kann man dort sehen. Das Meer nagt daran, und der Strand ist mit Steinen übersät. Ich war speziell an dieser Stelle interessiert, weil ich dachte, dass ich hier ein paar kleine, flache Kiesel finden würde, die ich in meiner Collage verarbeiten könnte. ›Vom Gletscher verlassen‹, wollte ich das Bild nennen. Oder einfach nur ›Verlassen‹. So genau wusste ich das noch nicht. Aber dann lag dort das kleine silberne Herz, halb unter Seetang verborgen.«
»Aber Sie haben es trotzdem gefunden«, stellte ich fest.
»Ja, ich habe es gefunden. Ich bin jemand, der Dinge findet. Ich bin sozusagen ein Sucher, von Berufs wegen. Wenn ich irgendwo spazieren gehe, dann habe ich meinen Blick meistens nach unten gerichtet, und so kommt es, dass ich Dinge finde, die andere Leute einfach übersehen. Geldstücke zum Beispiel. Oder eben dieses kleine Herz.«
»Haben Sie die Steine trotzdem noch gesammelt?«, fragte Phil.
Adam Tyson schüttelte den Kopf. »Nie mehr als ein Kunstwerk auf einmal, das ist meine Regel. Ich kann nicht mehrere Bilder gleichzeitig planen. Und als ich das Herz gesehen habe, da wusste ich sofort: Das brauche ich für mein Bild. Natürlich habe ich nicht geahnt, dass dieses Herz mit einem Mordfall zusammenhängt.«
»Aber wenn Sie es gewusst hätten – hätten Sie es dann nicht mitgenommen?«
Tyson überlegte kurz. »Wenn ich es gewusst hätte, dann hätte ich die Polizei angerufen«, sagte er dann.
In der Zwischenzeit waren unsere Kollegen nicht untätig gewesen. Als wir ins Büro zurückkehrten, hatte jemand herausgefunden, dass das Herz aus der Collage von Tyson nicht identisch war mit dem Herzen, das Daisy Atkins getragen hatte, die Tote vom Strand in Montauk. Ihre Freundin hatte uns eine größere Zahl von Fotografien zur Verfügung gestellt, auf denen man eindeutig erkennen konnte, dass das kleine Schmuckstück der Toten eine markante Delle am oberen Rand gehabt hatte, die bei dem Herz aus der Collage fehlte.
Nachforschungen hatten außerdem ergeben, dass derartige Herzen in relativ großer Zahl produziert und unter anderem in vielen Urlaubsorten vertrieben wurden. So auch in Montauk.
»Es ist nichts Geheimnisvolles an diesem Schmuckstück«, sagte der Experte.
»Es ist ungewöhnlich, dass ausgerechnet jetzt in Montauk zwei dieser Herzen praktisch zur gleichen Zeit unterwegs gewesen sind«, widersprach ich. »Das eine am Hals von Daisy Atkins, das andere am Strand. Wie groß ist Montauk?«
»Dort leben gut dreitausend Menschen«, schätzte Phil. »Aber natürlich kommen noch jede Menge Touristen dazu.«
»Jetzt im Frühjahr?« Das bezweifelte ich. Es war zwar die letzten Tage sonnig gewesen, aber für ein Bad im Atlantik war es eindeutig zu kalt. »Werfen wir erst einmal einen Blick auf den Bericht der Kollegen.«
Die Polizei in East Hampton war zuerst vor Ort gewesen. Mit Mordfällen hatten sie in dieser wohlhabenden Gegend allerdings wenig Erfahrung.
»Wir haben andere Schwerpunkte hier«, sagte der Polizist, der mit uns nach Montauk herausgefahren war. »Verstoß gegen die Regel VTL 1192. Fast hundertfünfzig Fälle im letzten Jahr.« VTL 1192, das war Trunkenheit am Steuer.
»Und diese Tote, was ist mit ihr?«, wollte Phil wissen.
»Eine Studentin, heißt es. Nicht polizeibekannt.« Der Beamte zuckte mit den Schultern. »Wir haben übrigens Glück gehabt, dass die Tote so rasch gefunden worden ist. Das Meer hätte schon bald alle Spuren verwischt.«
»Was gab es für Spuren?«, hakte ich nach.
»Fußspuren.«
»Könnten die nicht von anderen Besuchern des Strandes stammen?«
»Eher nicht. Es waren die Abdrücke von nackten Füßen. Von einem Mann und einer Frau. Es gibt nicht allzu viele Leute, die in dieser Jahreszeit barfuß gehen. Die Schuhe der Frau haben wir später oben beim Parkplatz gefunden. Seine nicht. Aber wir wissen, dass er Schuhgröße 11,5 haben muss.«
»Eine Standardgröße«, stellte Phil enttäuscht fest.
In diesem Augenblick trafen die beiden Kollegen von der FBI Resident Agency aus Melville ein, die für schwere Gewalttaten zuständig waren. Wir kannten uns seit vielen Jahren, obwohl wir nur selten nach Long Island gerufen wurden.
Wir begrüßten uns per Handschlag. Die Kollegen hatten dafür gesorgt, dass der Fundort der Leiche nach allen Regeln der Kunst dokumentiert worden war.
Die Tote hatte am Strand gelegen. Blutspuren im Sand hatten darauf hingewiesen, dass der Fundort der Leiche auch der Tatort gewesen war.
Daisy Atkins war vollständig bekleidet gewesen und durch mehrere Messerstiche in die Brust getötet worden. Die junge Frau war in der Nacht von Sonntag auf Montag ermordet worden. Ein Surfer, der schon früh am Morgen draußen gewesen war, hatte die Tote entdeckt.
Die medizinische Untersuchung hatte ergeben, dass die Frau durch sechs Messerstiche getötet worden war, von denen lediglich einer, der das Herz getroffen hatte, mit Sicherheit tödlich gewesen war. Die Frau hatte keine Abwehrverletzungen an den Händen. Sie hatte sich nicht gewehrt. Die Blutuntersuchung hatte gezeigt, dass sie zur Tatzeit stark alkoholisiert gewesen war.
In einer kleinen Handtasche, die in der Nähe des Opfers gelegen hatte, hatte man ihre Papiere gefunden. Daher hatte die Polizei keine Mühe gehabt, das Opfer zu identifizieren. Neben einigen Schminkartikeln hatte die Tasche ein Portemonnaie mit 3,75 Dollar in kleinen Münzen sowie die Kreditkarte der Toten enthalten. Da die Tasche nicht im Wasser gelegen hatte, hatte das örtliche FBI-Büro sie nach Fingerabdrücken untersucht, aber nur die des Opfers gefunden.
Die Polizei vermutete, dass Daisy Atkins sich mit irgendjemandem zu einem Ausflug nach Montauk verabredet hatte. Bei einem nächtlichen Strandspaziergang war es möglicherweise zu Meinungsverschiedenheiten gekommen. Der Mann hatte Sex gewollt, Daisy nicht, und am Ende hatte er das Messer gezogen und sie erstochen.
Das war eine Möglichkeit. Was dagegen sprach, war die ungewöhnliche Tötungsart: sechs Messerstiche im Brustbereich einer vollständig bekleideten jungen Frau.
Daisy Atkins hatte in Huntington gewohnt. Wer hier lebte, in unmittelbarer Nachbarschaft der Stadt New York, von dem konnte man normalerweise annehmen, dass er es wirklich geschafft hatte. Der rasch wachsende Ort hatte inzwischen eine Einwohnerzahl von über zweihunderttausend erreicht, das Durchschnittseinkommen war hoch, die riesige Fläche der Stadt fast vollständig mit nobel aussehenden Einfamilienhäusern bebaut.
Daisy Atkins hatte nicht zu diesen Leuten gehört. Sie war Studentin gewesen, vierundzwanzig Jahre alt und hatte sich mit einer Kommilitonin ein Apartment geteilt. Wenn man sich die Kosten teilte, waren diese Wohnungen erschwinglich.
Wir besuchten Rose Osborn, die Frau, die das silberne Herz entdeckt hatte.
»Ich bin gar nicht auf Besuch eingerichtet«, sagte Rose und führte uns in eine typische Studentenwohnung. Überall lagen irgendwelche Bücher und Aufzeichnungen herum.
Rose machte zwei Stühle für uns frei, indem sie kurzerhand alles, was darauf lag, abräumte und auf den Fußboden fallen ließ.
»Kann ich Ihnen irgendetwas zu trinken anbieten? Ein Bier vielleicht?«
»Nein, danke.« Phil lächelte sie freundlich an. »Das ist sehr nett von Ihnen, aber wir trinken tatsächlich keinen Alkohol im Dienst.«
»Wir sind gekommen, weil wir etwas mehr über Ihre Mitbewohnerin Daisy Atkins erfahren möchten«, kam ich auf das Wesentliche zu sprechen.
Rose zuckte mit den Schultern. »Da gibt es nicht allzu viel zu erzählen.«
Daisy stammte ursprünglich aus einem kleinen Dorf in Maine. Sie hatte Wirtschaftswissenschaften an der City University of New York studiert, genau wie ihre Mitbewohnerin. Sie hatten sich in der Uni kennengelernt, und da sie in zentraler Lage in New York keinen bezahlbaren Wohnraum gefunden hatten, waren sie schließlich in dieses Apartment in Huntington gezogen.
»Hatte Daisy einen festen Freund?«, fragte ich.
Rose schüttelte den Kopf. »Das war ihr großer Kummer. Wir sind beide Singles, aber Daisy hat stärker darunter gelitten als ich. Sie war immer auf der Suche nach einem geeigneten Ehemann.
»Aber sie hat keinen gefunden?«
Wieder Kopfschütteln. »Hier in Huntington gibt es zwar einen deutlichen Männerüberschuss, jedenfalls in unserer Altersgruppe, aber wir sind einfach zu exotisch. Die meisten Leute hier in Huntington sind ziemlich wohlhabend, wir hingegen kommen aus eher durchschnittlichen Verhältnissen. Das macht die Partnersuche nicht gerade einfacher.«
»Wissen Sie zufällig, mit wem Daisy Atkins nach Montauk gefahren ist?«
Das wusste Rose nicht. »Mir hat sie nur gesagt, dass sie das Wochenende an der See verbringen würde. Ich habe nicht gewusst, dass sie nach Montauk wollte.«
»War sie immer so geheimnisvoll mit ihren Bekanntschaften?«, wollte Phil wissen.
»Ach, wissen Sie, das ergibt sich ganz von selbst. Wenn man seit Jahren auf der Suche ist und eine Enttäuschung nach der anderen erlebt, dann redet man nicht gern über solche Dinge. Im letzten Jahr hat sie es über eine Agentur versucht, aber das hat auch nicht geklappt. Ich habe den Mann gesehen, den sie ihr vermitteln wollten. Auf dem Foto im Internet sah er ganz annehmbar aus, aber im wirklichen Leben hatte er starke Ähnlichkeit mit einem Esel. Es war natürlich nicht nett, dass ich ihr das so direkt gesagt habe, aber der Mann war wirklich nichts für sie.«
»Hat sie Aufzeichnungen gemacht?«, fragte ich.
»Von den verschiedenen Kursen, die sie belegt hat? Ja, natürlich.«
»Ich habe eher an persönliche Aufzeichnungen gedacht«, präzisierte ich. »Ein Tagebuch oder so etwas.«
Davon wusste Rose nichts. »Wenn sie ein Tagebuch geführt hat, dann hat sie es mir jedenfalls nicht gezeigt. Wir haben ja getrennte Schlafräume, sodass man nicht alles mitkriegt, was die Mitbewohnerin so macht.«
Wir stellten noch einige weitere Fragen bezüglich des Ausflugs nach Montauk. Rose wusste nur, dass Daisy am Freitagnachmittag losgefahren war. Sie war zu Fuß aus dem Haus gegangen, hatte sich also mit ihrem neuen Partner irgendwo in der Stadt getroffen. Sie hatte gesagt, dass sie spätestens am Montag wieder zurück sein würde, doch da war sie bereits tot gewesen.
Natürlich hatte die örtliche Polizei das Zimmer der toten Studentin schon durchsucht, aber zur Sicherheit sahen wir uns selbst noch einmal um. Den Durchsuchungsbefehl brauchten wir gar nicht erst vorzuzeigen.
»Nach der Polizei ist niemand mehr in dem Zimmer gewesen«, sagte Rose. »Daisys Eltern wollen kommen und alles ausräumen. Es muss sie sehr schwer getroffen haben. Daisy war ihr einziges Kind.«
Phil und ich durchsuchten das Zimmer. Das Tagebuch steckte unter der Matratze. Daisy hatte sehr ausführlich Buch geführt über all ihre Erlebnisse. Es gab einen längeren Eintrag über den Mann mit den Eselsohren und Notizen über verschiedene andere Bekanntschaften.
Leider endete das Tagebuch zu früh. Es enthielt keinerlei Hinweise auf den Unbekannten, mit dem Daisy Atkins nach Montauk gefahren war.
»Was hat es eigentlich mit diesem silbernen Herzen auf sich?«, fragte ich.
Rose wusste nicht, von wem Daisy es bekommen hatte. »Sie hatte es schon, als wir uns kennengelernt haben. Sie hat es ständig getragen, Tag und Nacht. Es muss ihr sehr viel bedeutet haben, aber darüber gesprochen hat sie nicht.«
»Da seid ihr ja endlich«, sagte Helen. »Es geht gleich in den Besprechungsraum.«
Phil und ich sahen uns an. Dieser Empfang konnte nur bedeuten, dass es unangenehme Neuigkeiten gab.
Im Besprechungsraum warteten unser Chef Mr. High und die Psychologin Dr. Iris McLane auf uns. Steve Dillaggio und Zeerookah waren auch da. Alle machten sehr ernste Gesichter. Wir nahmen Platz.
Mr. High ergriff das Wort. »Leider gibt es inzwischen eindeutige Hinweise darauf, dass der Mord an der Studentin Daisy Atkins kein Einzelfall ist. Es hat in den letzten Monaten mehrere Frauenmorde gegeben, und es sieht so aus, als ob sie zu einer größeren Serie gehören.«
»Warum haben wir nichts davon erfahren?«, fragte ich verwundert.
»Weil der Mörder sich leider nicht an die Verwaltungsgrenzen gehalten hat«, erwiderte Iris lächelnd. »Wenn ein Serientäter von New York aus Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung macht und sich dort seine Opfer sucht, dann sind zunächst einmal die Polizeidienststellen vor Ort zuständig …«
»Das wissen wir natürlich«, sagte Phil. »Aber wenn der Verdacht besteht, dass es sich um einen Serientäter handeln könnte, dann sollte man doch annehmen …«
»Das ist ja das Problem«, unterbrach ihn die Psychologin. »Dieser Verdacht bestand zunächst nicht. Es handelt sich ja nicht um Sexualmorde, in keinem einzigen Fall. Der Täter hat seine Opfer erstochen, und das war’s. Vielleicht hat ihn das ja sexuell erregt, das weiß ich nicht, das muss später geklärt werden. Aber für normale Polizisten sehen diese Morde zunächst einmal nicht so aus, als ob sie zu einer Serie gehörten. Genau wie bei dem Mord in Montauk haben die Ermittlungsbehörden überall angenommen, dass am Ende irgendeines Streits der Mann zum Messer gegriffen und zugestochen hat.«
»Wie viele Fälle sind es denn?«, fragte ich.