Jerry Cotton 3240 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3240 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Notruf aus dem Reservat

Als ich von einem mehrtägigen Einsatz nach Hause zurückkam, fand ich eine kurze und kaum verständliche Nachricht auf meinem Anrufbeantworter vor. Sie stammte von Cat Lowell, einer jungen FBI-Agentin, die ich einst in Quantico kennengelernt hatte. Offenbar brauchte sie meine Hilfe. Da ihre Stimme auf dem AB sehr aufgeregt klang, war ich beunruhigt und versuchte sofort, sie zurückzurufen. Als mir das nicht gelang, rief ich die Nummer der FBI Indian Country Crimes Unit an, bei der Cat ihren Dienst versah. Dort erfuhr ich, dass Cat Lowell vor drei Tagen spurlos verschwunden war ...

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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Notruf aus dem Reservat

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Canyon Cop«/The Dark Wind/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8301-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Notruf aus dem Reservat

Cat Lowell rannte, war bereits seit Stunden unterwegs, auf der Flucht vor ihrem Verfolger, den sie mehr spürte als sah, von dem sie aber wusste, dass er da war. Still und tödlich.

Seit dem Nachmittag hatte sie versucht, ihn abzuschütteln und in der kargen Wüstenlandschaft zu verlieren. Sie hatte alle Tricks angewandt, die sie kannte – aus ihrem Training beim FBI, aus Büchern und Berichten –, doch es hatte nichts genutzt. Er ließ sich nicht abschütteln.

Bis jetzt, denn die Nacht war hereingebrochen, in einem abrupten Übergang von Hell zu Dunkel, wie er in der Wüste üblich war. Das würde es ihm für die nächsten Stunden nahezu unmöglich machen, ihren Spuren weiter zu folgen.

Kurz ließ sie sich im Schutz eines Felsens nieder und wartete, bis sich ihr Atem beruhigt hatte. Dann erklomm sie den Rest des steinigen Hangs bis zur Kuppe und blieb wie angewurzelt stehen.

In einiger Entfernung blinkte ein Licht. Eine menschliche Behausung in der Einsamkeit, in der es vielleicht ein Funksprechgerät geben würde, mit dem sie Hilfe rufen konnte.

Mit frischer Kraft begann sie erneut zu rennen – gefangen im Fadenkreuz eines Nachtsicht-Zielfernrohrs.

Es war tiefe Nacht, als ich die Tür zu meinem Apartment öffnete. Meine Lider kratzten wie Sandpapier auf meinen Augen, während ich die Jacke auszog und aufhängte.

Dann wankte ich müde ins Wohnzimmer. Mühsam widerstand ich dem Drang, mich aufs Sofa fallen zu lassen. Hätte ich es getan, ich wäre sofort darauf eingeschlafen.

Neun Tage war ich nicht zu Hause gewesen. Neun Tage, in denen Phil und ich den Deal zwischen einem südafrikanischen Waffenhändler und dem Bonaventura-Clan hatten auffliegen lassen. Tage mit nur einem Minimum an Schlaf. Ich war müde wie der sprichwörtliche Hund.

Mit einem leisen Seufzer schleppte ich mich in die Küche, ließ Wasser in ein Glas laufen und kehrte ins Wohnzimmer zurück. Von draußen erklangen die Geräusche der Stadt, die niemals schlief.

Irgendwo in der Ferne heulte eine Sirene. Ein Krankenwagen, wie ich dem Klang entnahm. Gut so, kein Job für das FBI. Zumindest nicht, solange die Person im Krankenwagen nicht Opfer eines Verbrechens geworden war.

Aber wenn dem so war, würde ich es am nächsten Tag im Büro erfahren. So, wie ich mich gerade fühlte, war das noch früh genug, denn in meinem jetzigen Zustand wäre ich niemandem von Nutzen.

Ich richtete meine müden Augen auf den von den Lichtern der Stadt angestrahlten Nachthimmel, der zwischen den vor mir aufragenden Wolkenkratzern hervorlugte, und trank einen Schluck Wasser. Dann ließ ich mich wider besseres Wissen aufs Sofa sinken. In der nächsten Sekunde war ich eingeschlafen.

Der nasse Fleck auf dem Teppich zeigte mir, dass es keine gute Idee war, mit einem Glas Wasser in der Hand einzuschlafen.

»Und wieder etwas gelernt«, murmelte ich, als ich mich erhob, um in der Küche Papiertücher zu holen, damit ich das Wasser aufsaugen konnte.

Während ich mich über den Fleck bückte, fiel mein Blick auf den Anrufbeantworter. Er blinkte, ich hatte also Nachrichten. Nach mehreren Tagen außer Haus keine wirkliche Überraschung. Das Blinken war mir gestern Nacht entgangen.

Ich warf die nassen Papiertücher in den Müll und kehrte ins Wohnzimmer zurück, wo ich auf einen Knopf des Anrufbeantworters drückte, damit die Nachrichten abgespielt wurden.

Ein Anruf von der Wäscherei um die Ecke. Meine Hemden waren fertig und lagen gewaschen und gebügelt zum Abholen bereit. Danach die Stimme des Verwalters meines Apartmenthauses, der mir etwas über anstehende Reparaturen mitteilen wollte.

Der Anrufbeantworter sprang zur nächsten Nachricht. Aller guten Dinge waren schließlich drei. Nur nicht an diesem Morgen.

»Hallo Jerry, hier ist Cat. Cat Lowell.«

Ich runzelte die Stirn. Catherine »Cat« Lowell? Wie kam ich denn zu der Ehre?

Ich hatte Cat Lowell vor zwei Jahren bei einem Seminar in Quantico kennengelernt, das ich dort gegeben hatte. Sie war kurz davor gewesen, ihre Ausbildung beim FBI abzuschließen.

Wir hatten uns, auf einer professionellen Ebene, auf Anhieb gut verstanden. Die junge Frau war überdurchschnittlich intelligent, aufgeschlossen und wissbegierig, sodass sich die Zusammenarbeit mit ihr während des Seminars als reines Vergnügen gestaltet hatte.

Ich hatte sie darin bestärkt, ihrem Wunsch zu folgen und sich bei der Indian Country Crimes Unit des FBI in Gallup, New Mexico, zu bewerben. Das letzte Mal hatten wir uns vor etwa anderthalb Jahren gesehen, kurz bevor sie ihren Posten dort antrat. Sie war überglücklich gewesen, und ich hatte mich aufrichtig für sie gefreut.

Seitdem waren wir locker in Kontakt geblieben. Ein Anruf zum Geburtstag, eine Karte zu Weihnachten … solche Dinge eben.

Dass einer von uns den anderen zwischendurch anrief, war noch nie passiert. Aber vielleicht hatte sie ja vor, nach New York zu kommen, und wollte ein Treffen arrangieren.

Ich lächelte. Es wäre schön, sie wiederzusehen. Sie hatte bestimmt eine Menge Interessantes zu erzählen.

Doch dann gefror das Lächeln auf meinen Lippen.

Die Verbindung war miserabel. Nachdem sie ihren Namen genannt hatte, knackte und rauschte es, sodass ich kaum etwas von dem verstehen konnte, was sie sagte.

Eines jedoch war klar: Ihre Stimme klang gehetzt und aufgeregt. Die Cat Lowell, die hier sprach, hatte ihren kühlen Kopf zwar nicht verloren, doch die Anspannung in ihrer Stimme war beinahe körperlich spürbar. Irgendetwas setzte sie enorm unter Druck. Nur, dass ich nicht verstehen konnte, was es war.

Nach einer ganzen Reihe weiterer Störgeräusche, war das Erste, was man wieder vernehmen konnte, eine oder mehrere sehr gedämpfte Stimmen im Hintergrund, gefolgt von Cats Worten.

»… kommen, Jerry. Ich muss weg …«

Im Anschluss daran noch etwas, das wie »Hilfe« klang, jedoch von einem letzten lauten Kratzen fast überdeckt wurde. Danach brach die Nachricht ab.

Ich unterdrückte einen Fluch und ließ sie ein weiteres Mal abspielen. Dann stöpselte ich den Anrufbeantworter aus, klemmte ihn mir unter den Arm und machte mich auf den Weg zur Federal Plaza.

Mr. High sah mich aus zusammengekniffenen Augen an.

»Hilfe?«, sagte er nur.

Ich zuckte mit den Schultern. »So klang es jedenfalls. Ich habe den Anrufbeantworter sofort im kriminaltechnischen Labor abgegeben. Sie versuchen, die Störgeräusche zu minimieren und Agent Lowells Stimme sowie die der Personen im Hintergrund herauszufiltern. So heftig wie die Störungen waren, haben sie allerdings nicht viel Hoffnung, dass eine Menge dabei herauskommt.«

»Und dieses ›Hilfe‹ klang wie?«, fragte Phil, der mich ins Büro unseres Chefs begleitet hatte. »So, als ob Agent Lowell dich um Hilfe bittet, oder …?«

Er ließ die Frage offen, um mir die Möglichkeit zu geben, auch andere Optionen ins Auge zu fassen.

»Darüber habe ich auf dem Weg hierher auch nachgedacht. Für mich hörte es sich eher so an, als wolle sie selbst los, um Hilfe zu holen.«

Phil sah mich einen Moment lang fragend an, dann nickte er.

»Aber du wertest es trotzdem als einen Hilferuf an dich, auch wenn sie selbst aktiv werden wollte.«

Es war keine Frage, sondern eine Feststellung. Er kannte mich einfach schon zu lange und zu gut.

»Ja. Wie sollte ich es auch anders sehen? Sie war augenscheinlich in Gefahr oder zumindest in Schwierigkeiten. Und in dieser Situation hat sie mich angerufen.«

Mehr musste ich nicht sagen.

»Sie haben natürlich versucht, sie zu erreichen?«, vermutete Mr. High.

»Selbstverständlich, noch vom Wagen aus«, bestätigte ich. »Ohne Erfolg, aber das ist nicht weiter verwunderlich. Aufgrund der Zeitdifferenz zwischen New Mexico und New York ist es dort noch sehr früh am Morgen. Jedenfalls scheint ihr Handy ausgeschaltet zu sein. Entweder, weil sie noch schläft, oder, weil …«

Ich zögerte kurz, denn das Nächste, was ich sagte, fiel mir nicht leicht.

»… sie immer noch in Schwierigkeiten steckt. Oder Schlimmeres.«

»Was ist mit der Indian Country Crimes Unit in Gallup?«, fragte Mr. High. »Waren Sie dort erfolgreich?«

»Bisher nicht. Ich habe es einmal unter Agent Lowells Dienstnummer probiert, unter der sich aber niemand gemeldet hat, danach noch einmal auf ihrem Handy. Nach diesen Versuchen bin ich erst einmal zu Ihnen gekommen.«

Noch während ich sprach, zog ich mein Smartphone aus der Innentasche meines Jacketts, scrollte auf der Anrufliste zu Cat Lowells Dienstnummer und rief sie erneut an. Diesmal hob jemand ab.

»Myers«, sagte eine kurzangebundene Stimme am anderen Ende der Verbindung.

Ich stellte mich vor, fragte nach Cat und lauschte den Worten des Mannes. Als wir unser Gespräch schließlich beendeten, sah ich Mr. High und Phil grimmig an.

»Das war Special Agent Frank Myers, Cats Vorgesetzter. Catherine Lowell ist seit sechs Tagen spurlos verschwunden.«

»Sechs Tage?« Phil klang fassungslos. Wir befanden uns im Aufzug, der uns zum kriminaltechnischen Labor hinunterbeförderte.

»Wir waren lange mit dem Waffendeal beschäftigt. Ich war eine kleine Ewigkeit nicht zu Hause.«

»Und jetzt befürchtest du, dass die Spur kalt werden könnte, bevor du sie aufnehmen kannst.«

Ich holte tief Luft. »Lass uns erst mal hören, was die Kollegen im Labor sagen.«

»Die drei Stimmen im Hintergrund sind eindeutig männlich«, teilte uns der Techniker mit, der vor seinem Computer hockte, an dem er die Audiodatei meiner Anrufbeantworteraufzeichnung bearbeitet hatte. »Dem Klang nach zu urteilen, sind die Sprecher etwa im Alter von dreißig bis fünfzig. Aber was sie sagen, ist auch mit unseren technischen Möglichkeiten nicht zu rekonstruieren.«

Dafür war es dem Kollegen gelungen, Cats Stimme etwas besser herauszufiltern.

»Am Ende, nach ›… kommen, Jerry‹ und vor dem Geräusch der unvermittelt abbrechenden Verbindung, hat Agent Lowell definitiv gesagt: ›Ich muss hier weg und Hilfe holen.‹«

»Können Sie sagen, ob die Verbindung gewaltsam oder freiwillig unterbrochen wurde?«, fragte ich. »Mit anderen Worten: Könnte der Anruf nicht von Agent Lowell, sondern von den Männern unterbrochen worden sein, die sich ihr während ihres Anrufs genähert haben?«

»Das glaube ich nicht. Wenn ich nach meinen Erfahrungen und der Lautstärke ihrer Stimmen gehe, dann waren sie zu weit entfernt, um Agent Lowell während ihres Anrufs schon erreicht zu haben. So, wie ich es sehe, hat sie nach ihrem letzten Satz einfach nur sehr eilig aufgelegt.«

»Und sonst?«, fragte Phil.

»Tut mir leid, mehr war in der kurzen Zeit nicht drin.« Der Techniker zuckte mit den Schultern. »Ich bleibe weiter dran, aber ansonsten kann ich Ihnen erstmal nichts sagen. Und ehrlich gesagt befürchte ich, dass es auch dabei bleibt. Zu viele Störungen und Interferenzen.«

»Wie sieht es mit anderen Umgebungsgeräuschen außer den Stimmen und Schritten aus?«, erkundigte ich mich. »Gibt es etwas, das uns verraten könnte, von wo aus sie angerufen hat?«

»Wenn Sie die Nummer des anrufenden Anschlusses nicht auf dem Display Ihres Telefons hatten …« Er machte eine entschuldigende Geste.

»Hatte ich nicht.«

»In dem Fall bleibt uns nur das hier …« Der Techniker griff nach seiner Maus und schob den Regler auf der Zeitleiste der Audiodatei nach links, stellte den Ton etwas lauter und spielte mit den Einstellungen herum. Dann drückte er auf »Play«.

Was wir hörten, klang wie ein leises Rauschen, gefolgt von einem ebenso leisen Klappern.

»Wind«, sagte der Techniker. »Und eine Tür, die in ihren Angeln hin- und hergerüttelt wird.«

»Kein Fenster?«, fragte ich, obwohl ich davon ausging, dass unser Techniker wusste, wovon er sprach. Immerhin hatte er die meiste Erfahrung im Deuten von aufgenommenen Geräuschen.

»Dann wäre der Ton heller und etwas höher. Das Klappern hier stammt eindeutig von etwas Schwererem. Einer Tür. Aus Holz.« Er blickte zu uns auf. »Das ist leider auch schon alles, was ich an Umgebungsgeräuschen finden kann. Wie gesagt …«

»… zu viele Störungen«, beendete ich seinen Satz.

Er nickte.

»Stellt sich die Frage, ob die Männer im Hintergrund etwas mit Agent Lowells Verschwinden zu tun haben oder nicht«, sagte Phil auf dem Rückweg in unser Büro.

»Möglich ist es«, sagte ich. »Andererseits waren sie vielleicht auch nur rein zufällig da. Es würde helfen, wenn wir wüssten, warum Cat Hilfe holen wollte.«

»Das würde es definitiv.«

Wir schwiegen uns eine Weile an.

»Und was jetzt?«, fragte er dann.

Meine Antwort kam umgehend. »Jetzt mache ich mich auf die Suche nach ihr.«

Phil sah mich nachdenklich an. »Und was soll dir dabei helfen? Wind und eine klappernde Holztür? Vermutlich in einem viele hundert Quadratmeilen großen Wüstengebiet, wenn wir von Agent Lowells Einsatzgebiet ausgehen, das sie nach Aussage ihres Vorgesetzen nicht verlassen hat? Das wird schlimmer als die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen, Jerry.«

»Cat hat mich angerufen, weil ich der Erste war, der ihr in dem Moment, in dem sie Hilfe benötigt hat, eingefallen ist. Und ich war nicht da.«

»Aber selbst wenn du dort gewesen wärst, Jerry … Was hättest du denn von New York aus tun wollen?«

»Ich weiß es nicht. Ihr zuhören, Mut machen, einen Rat geben, Hilfe vor Ort mobilisieren … All das und vielleicht noch mehr, je nach Situation. Zumindest wüssten wir nun, was geschehen ist und wo sie sich aufgehalten hat.«

Phil betrachtete mich schweigend

»Du hast recht«, sagte er dann, und ein leichtes Grinsen umspielte seine Lippen. »Und wir haben die Nadel im Heuhaufen ja schließlich auch schon oft genug gefunden. Also werden wir es auch dieses Mal schaffen.«

»Offiziell können wir nichts tun, New Mexico liegt schließlich außerhalb unseres Zuständigkeitsbereichs«, sagte Mr. High, als wir ihm vom Ergebnis der bisherigen Untersuchung berichteten.

Ich konnte meinem Chef ansehen, dass es ihm nicht leichtfiel, mir diese Tatsache unter den gegebenen Umständen ins Gedächtnis zu rufen, aber damit hatte ich schon gerechnet. Letztendlich blieb ihm keine andere Möglichkeit.

»Das ist mir in der Tat bewusst, Sir.«

Mr. High griff nach einem Vordruck auf seinem Schreibtisch, der bei unserem vorigen Gespräch noch nicht dort gelegen hatte, und reichte ihn mir. Ich blickte ihn fragend an.

»Ihr Urlaubsantrag«, erklärte er. »Den wollten Sie doch einreichen, oder? Ich habe ihn schon genehmigt und unterschrieben. Ihr Urlaub beginnt heute. Das Enddatum müssen wir noch eintragen, aber das hat auch Zeit, bis Sie zurückkommen.«

Der Blick, mit dem er mich bedachte, hätte jedem Pokerspieler zur Ehre gereicht.

»Was Sie in Ihrem Urlaub tun oder wo Sie ihn verbringen, darauf habe ich selbstverständlich keinen Einfluss. Und solange Sie in Ihrer freien Zeit keine laufenden Ermittlungen behindern, ist sowieso alles bestens.« Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mir sagen lassen, die Region der Four Corners soll um diese Jahreszeit sehr schön sein.«

Ich nahm das unterzeichnete Urlaubsgesuch entgegen. »Das habe ich auch gehört, Sir. Monument Valley, John Ford Point, …«

»Mexican Hat, Betatakin«, warf Phil ein und erhob sich halb.

Mr. High stoppte ihn mit einer Handbewegung. »Sie müssen leider hierbleiben, Phil. Den Waffendeal zwischen dem Bonaventura-Clan und den Südafrikanern haben Sie zwar platzen lassen, aber die Angelegenheit ist noch lange nicht beendet. Da gibt es einige weitere Spuren zu verfolgen. Ein paar der Nebenfiguren befinden sich immer noch auf freiem Fuß.«

Etwas, das wie Bedauern aussah, legte sich auf seine Züge.

»Und dann der Bericht über die einstweiligen Ermittlungsergebnisse …«, fuhr er fort.

Phil verzog das Gesicht. »Aber Sir, das …«

»… lässt sich leider nicht ändern, Phil«, beendete Mr. High den Satz. »Tut mir ehrlich leid. Ich kann im Augenblick zur Not zwar einen von Ihnen erübrigen, aber nicht Sie beide.«

Phil seufzte, dann wandte er sich an mich.

»Mir tut es auch leid, Jerry. Aber zumindest hast du damit einen Verbindungsmann mit Zugriff auf alle Datenbanken, solltest du schnell jemanden oder etwas überprüfen wollen.« Er wandte sich an Mr. High. »So viel Zeit wird mir doch sicherlich bleiben, oder, Sir?«

»Würden Sie sich von einer negativen Antwort davon abhalten lassen, Jerry zu helfen?«, fragte Mr. High mit einem kaum wahrnehmbaren Lächeln.

»Nein, Sir.«

»Na, sehen Sie.«

Ich erhob mich. »Danke. Dann packe ich wohl mal besser und kümmere mich um meinen Flug nach New Mexico.«

Phil war alles andere als glücklich, in New York bleiben zu müssen, aber er verstand auch Mr. Highs Standpunkt. Und so fuhr er mich noch am Mittag zum JFK Airport und setzte mich am Terminal ab, bevor er wieder ins Büro zurückkehrte, um der Bonaventura-Familie weiter die Hölle heiß zu machen.

Die Flugzeit nach Gallup betrug knapp über fünf Stunden. Am Flughafen mietete ich mir einen Pick-up, da ich einen Wagen haben wollte, der zum einen hier in der Gegend nicht auffiel und zum anderen in der Lage war, mit den Bedingungen in der Wüste klarzukommen.

Mit einem satten Brummen erwachte der Pick-up zum Leben, und ich machte mich auf den Weg zur Indian Country Crimes Unit, die sich in der Resident Agency des FBI in Gallup befand. Ich hatte auf dem Flug geschlafen und wollte keine Zeit mehr verlieren.

Special Agent Frank Myers wirkte ziemlich überrascht über mein Erscheinen. Ich konnte es ihm nicht verübeln.

»Agent Cotton?« Er erhob sich und kam um seinen Schreibtisch herum auf mich zu.

Er war etwa so groß wie ich und hatte kurz geschorenes, bereits größtenteils ergrautes Haar, obwohl er höchstens Anfang fünfzig sein konnte. Die Wüstensonne hatte seinen Körper von jeglichem Fett befreit und ihn abgehärtet. Seine Augen waren von einem durchdringenden Blau, und diesen durchdringenden Blick richtete er nun auf mich, als wir uns die Hände schüttelten.

»Ich dachte, Sie seien in New York …«