Jerry Cotton 3243 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3243 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Todesfahrt nach Ronkonkoma

Das FBI hatte einen heißen Draht zu einem der Mafia-Kartelle, seit der junge Drogenkurier "Fat Boy Wally" mit uns kooperierte. Als er erstmals zum Hauptquartier beordert wurde, willigte er ein, sich dabei von FBI Agents undercover überwachen zu lassen. Phil und ich waren für diese Mission gut getarnt - mit Dreitagebart, Hoodies und schmuddeligen Jogginghosen erinnerten wir äußerlich nicht mehr an Mitarbeiter des FBI. Die Beschattung von "Fat Boy Wally" begann in der Jamaica Station, wo der junge Mann einen vollen Pendlerzug nach Ronkonkoma bestieg.
Was mein Partner und ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht ahnten: Wir waren nicht die Einzigen, die dem Mittelsmann folgten! Ein mysteriöser Glatzkopf schien es ebenfalls auf den Drogenkurier abgesehen zu haben - und die Fahrt wurde zu einem Höllenritt!

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 143

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Todesfahrt nach Ronkonkoma

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Die Entführung der U-Bahn Pelham 1 2 3«/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8388-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Todesfahrt nach Ronkonkoma

Sie kamen zu sechst. Sie trugen unauffällige Kleidung, und ihre Mienen verrieten nichts über ihre Absichten. Einer der Männer hatte eine Sporttasche dabei, die anderen reisten ohne Gepäck.

Auf den Bahnsteigen herrschte das übliche Gedränge. Tausende von Pendlern fuhren zurück in die New Yorker Vororte, in denen sie lebten. Die Jamaica Station quoll über.

Plötzlich entstand ein Tumult. Ein junger Mann in abgerissener Kleidung, vermutlich ein Junkie, bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und stieß jeden zur Seite, der ihm in die Quere kam. Blitzschnell näherte er sich den sechs Männern.

Es erwischte den zweiten von vorne. Während der erste noch ausweichen konnte, strauchelte der zweite, verlor das Gleichgewicht und stürzte auf die Gleise. Schnell versuchte er sich wieder aufzurappeln, doch gegen den eben einfahrenden Zug hatte er keine Chance. Blut spritzte, dann setzte panisches Geschrei ein.

Die fünf Männer erstarrten. Einer von ihnen gab den anderen ein Zeichen, nicht stehen zu bleiben. Langsam entfernten sie sich vom Unglücksort.

»Verdammte Scheiße!«, keuchte der erste, als sie weit genug weg waren. »Was war das?«

»Entweder ein Killer oder ein verfluchter Unfall«, knurrte der mit der Sporttasche. »Ich tippe auf Letzteres.«

»Was sollen wir jetzt tun? Die ganze Aktion abblasen?«

»Nein.« Der größte der verbliebenen fünf winkte entschieden ab. »Es muss heute geschehen. Wenn es ein Unfall war, dürfen wir uns davon nicht aufhalten lassen. Und wenn es Mord war, erst recht nicht.«

»Aber Duggle Dee war neben Tinky-Winky der Einzige, der den Zug fahren kann!«, warf der Mann mit der Sporttasche ein.

»Dann müssen wir eben besonders gut auf Tinky-Winky aufpassen und darauf achten, dass ihm nichts geschieht!« Der Große blickte durchdringend in die Runde. »Verstanden?«

Zögernd nickten die anderen. Dann setzten sie ihren Weg fort, fast so, als sei nichts geschehen.

Horatio Chamberlain war seit fünfundzwanzig Jahren Justizbeamter. Er hatte in dieser Zeit schon einiges erlebt, hatte bedeutenden Prozessen beigewohnt, knallharten Mördern und verzweifelten Unschuldigen in die Augen geblickt. Er war stolz darauf, das Wesen eines Menschen in seinen Augen ablesen zu können. Diese Fähigkeit trainierte er wie andere Männer Baseball. Er hielt sich für einen Meister seines Faches.

Horatio Chamberlain war neugierig. Er gehörte zu den fünf Männern, die auserwählt waren, Jesus Ismael Fernández als Leibwächter aus dem Hochsicherheitstrakt im neunten Stock des Metropolitan Correctional Centers in Lower Manhattan zum Gerichtsgebäude im Theodore Roosevelt Courthouse in Brooklyn zu geleiten. Zur Urteilsverkündung in dem Prozess, der seit Wochen das ganze Land in Spannung versetzte. Hubschrauber und weitere hundertfünfzig Sicherheitsleute würden den Transport begleiten.

Man nannte seinen Schützling »El Verdugo«, was so viel wie Der Henker bedeutete. Und, bei Gott, nach allem, was man nach fünfundzwanzig Prozesstagen über den Drogenboss des mexikanischen Sinaloa-Kartells gehört hatte, traf diese Bezeichnung hundertprozentig zu!

Chamberlain war neugierig, was er in den Augen des Mannes lesen würde. Angst? Reue? Hass?

Beim Urteilsspruch war keine Überraschung zu erwarten. Obwohl der Mafioso nichts unversucht gelassen hatte, um sein Schicksal durch Bestechung oder Drohungen abzuwenden, würde man ihn schuldig sprechen. Die Beweislage war erdrückend. Und nachdem die Richter drei Jury-Mitglieder wegen Befangenheit ausgetauscht hatten, stand einem gerechten Urteilsspruch nichts mehr im Wege.

Dennoch befand sich New York an diesem Tag im Ausnahmezustand. Es war nicht gänzlich auszuschließen, dass Mitglieder des Kartells die Familien der Richter bedrohen würden. Überall herrschten verschärfte Sicherheitsmaßnahmen.

Chamberlain hatte natürlich Bilder des Kriminellen gesehen. Aber auf Fotos ließ sich das Funkeln der Augen, der Widerschein der Seele, einfach nicht einfangen.

Lautlos öffnete der Gefängniswärter die Zellentür. Chamberlain hielt die Handschellen bereit, sein Kollege die Fußfesseln.

El Verdugo trat heraus und grinste schief.

»Die Henker wird zur Schlachtbank geführt«, sagte er mit starkem Akzent.

Seine Augen waren zu Schlitzen verengt, dennoch erhaschte Horatio Chamberlain einen flüchtigen Blick. Fast war er enttäuscht. Die Augen des Drogenbosses verrieten nichts. Sie wirkten so fahl und leblos wie die eines frustrierten Büroangestellten. Es brannte kein Feuer in ihnen.

»Vamos, hombres.« Der Mafioso schlurfte mit kleinen Schritten zum Prison Bus, der ihn zum Gerichtsgebäude bringen sollte. Während der gesamten Fahrt hielt er den Kopf gesenkt und sprach nicht wieder.

Sie kamen erstaunlich gut durch – die NYPD Highway Patrol hatte ganze Straßenzüge für den Transport von El Verdugo gesperrt, um Verzögerungen oder terroristische Befreiungsaktionen zu verhindern. Der Wagen bahnte sich seinen Weg zum überwachten Hintereingang des Gerichtsgebäudes.

Klein und unscheinbar entstieg der Kriminelle dem Prison Bus. Chamberlain schritt neben ihm her, aufmerksam, wie es sein Job erforderte. Doch insgeheim hatte er sich mehr von dem Mafioso erhofft. Von dem Mann, der mehrere Hundert Menschenleben auf dem Gewissen hatte, die unzähligen Drogentoten, die er zu verantworten hatte, gar nicht mitgerechnet. Dem Mann, der auch nicht davor zurückschreckte, selbst Hand anzulegen bei dem blutigen Geschäft.

Ein Gerichtsdiener öffnete die Tür zum Verhandlungssaal, der aus allen Nähten platzte. Kameras surrten, Blitzlichter erstrahlten.

Mit El Verdugo ging eine seltsame Wandlung vor sich. Sein Rücken straffte sich, die Schultern schnellten nach hinten, das Kinn nach vorne.

Die größte Veränderung vollzog sich in seinen Augen. Plötzlich war alles da, was Chamberlain zuvor vermisst hatte. Die Wut, der Hass. Die Bereitschaft, bedingungslos den eigenen Willen durchzusetzen. Die überlegene Gefühllosigkeit, die einen Menschen dazu befähigte, zum Mörder zu werden. Die Kälte, die ihn gegen das Leid der Opfer abschirmte. Der absolute Siegeswille, der gegen jedes Hindernis erhaben war.

Und ein Funkeln, das alles andere überstrahlte: Es war die Gewissheit der eigenen Überlegenheit. Die Gewissheit, nicht verlieren zu können. Die Gewissheit, am Ende als Sieger hervorzugehen.

Horatio Chamberlain wandte den Blick ab und erschauderte.

»Jerry, ich sage es nur ungern, aber du müffelst.« Demonstrativ rümpfte Phil die Nase.

Ich fuhr mir mit dem Handrücken über meinen ungepflegten Dreitagebart und runzelte die Stirn. »Du riechst auch nicht gerade nach Rosenwasser, Partner!«

Naomi Woodward, unsere Maskenbildnerin, legte meine Hand sanft zurück in meinen Schoß, wo sie nicht im Weg war.

»Wir haben Ihre Klamotten ein bisschen mit Bier und Essensresten behandelt, Gentlemen«, erklärte sie. »Wenn die Tarnung funktionieren soll, muss sie schon alle Sinne ansprechen.«

Resigniert warf ich einen Blick auf einen großen Fettfleck, der sich in Oberschenkelhöhe auf meiner Jogginghose abzeichnete. Ein säuerliches Aroma ging von ihm aus.

»Mayonnaise?«, fragte ich. »Oder Ketchup?«

»Sie wollen es nicht wirklich wissen.«

Ich seufzte und fragte mich zum wiederholten Male, warum ich mich für diesen Job gemeldet hatte. Natürlich kannte ich die Antwort: weil Phil und ich mit dem Fall vertraut waren, schließlich hatten wir die Ermittlungen geleitet. Aber für den anstehenden Undercover-Einsatz hätte es genügend Kollegen gegeben.

Ich starrte auf mein ungekämmtes Haar, das Naomi soeben mit einer öligen Substanz in fettige Strähnen verwandelte. Noch einmal seufzte ich abgrundtief.

»Es wird uns guttun, mal wieder an der Basis zu arbeiten«, versuchte Phil mich aufzumuntern. »Schon morgen verwandeln wir uns zurück in zivilisierte Menschen.«

Ich blickte zu ihm hinüber. Im Moment hatte er absolut nichts von einem FBI Agent an sich. Sein Haar war lang, farblos und ausgedünnt, er trug es zu einem unordentlichen Pferdeschwanz gebunden. Ein paar hässliche Schnittwunden zierten sein Kinn. Sie waren echt, mit einem unscharfen Rasiermesser zugefügt.

»Die beste Maske ist und bleibt die Wirklichkeit«, dozierte Naomi Woodward, als sie ihm das Werkzeug in die Hand drückte. »Und auf die Details kommt es an!«

Ein stechender Schmerz durchzuckte mein Ohrläppchen. Sie hatte doch nicht etwa …?

Doch. Sie hatte. Eine monströse silberne Spinne krabbelte über mein Hörorgan. Ich konnte nur hoffen, dass das Loch nach dem Einsatz schnell wieder zuwuchs.

Als wir fertig waren, mussten wir der Maskenbildnerin zähneknirschend unser Lob aussprechen. Auf der Straße hätte ich Phil wohl kaum wiedererkannt. Seinem verblüfften Blick entnahm ich, dass es ihm ähnlich erging.

Beide trugen wir dunkle Hoodys und schmutzige Jogginghosen. Die Füße steckten in ausgelatschten Turnschuhen. Wir hatten uns in zwei Kleinkriminelle verwandelt, wie sie in den New Yorker Straßen zu Hunderten herumliefen.

Mäßig gut gelaunt machten wir uns auf den Weg zu Supervisory Special Agent Dr. Ben Bruckner, unserem IT-Experten und Mann für alle Fälle.

»Boy für alle Fälle«, pflegte Phil zu sagen, denn mit seinen einundzwanzig Jahren und dem Milchgesicht, das an das von Macaulay Culkin in Kevin allein zu Haus erinnerte, fiel es schwer, den jungen Doktor im Team als Mann zu bezeichnen.

Doch der Eindruck täuschte! Ben hatte bereits fünf Studienabschlüsse in der Tasche.

»Denken Sie an Ihren Gang, Jerry!«, rief Naomi Woodward mir nach. »Nicht so forsch! Sie müssen lässiger laufen.«

Ich bemühte mich, ihre Anweisungen zu befolgen. Phil schlurfte voraus und demonstrierte mir, wie es funktionierte. Er war eindeutig ein Naturtalent in Sachen Kleinganove.

Als wir Bens Büro betraten, klappte dem IT-Experten die Kinnlade herunter.

»Holy shit!«, begrüßte er uns. Stirnrunzelnd begutachtete er den Fleck auf meiner Hose. »Den bekommt man nur mit einer Lavamat Genius XX wieder raus. Die hat ein eingebautes Anti-Flecken-System zur Vorbehandlung von hartnäckigem Schmutz und …«

»Schon gut, Ben«, unterbrach ich ihn.

Auf keinen Fall durften wir mit ihm über Waschmaschinen reden! Sonst konnte sich das Gespräch über Stunden hinziehen. Waschmaschinen waren eine von Bens großen Leidenschaften.

»Wir sind zum Verwanzen gekommen. Hast du alles vorbereitet?«

Unser IT-Mann nickte und pflückte zwei schwarze Knöpfe von seinem Schreibtisch.

»Kamera, Mikro und Peilsender«, erklärte er. »Damit werden wir euch während der ganzen Aktion im Auge behalten.«

Die Mini-Hightech-Anlagen waren kaum von normalen Kunststoffknöpfen zu unterscheiden. Zwei Löcher waren darin eingearbeitet, zum Anbringen auf der Kleidung.

Ben schob uns ein Nähset zu.

»Vielleicht kann Helen das für euch erledigen«, schlug er vor. In praktischen Dingen des Alltags war er mehr als hilflos.

»Aber Ben!« Phil schüttelte vorwurfsvoll den Kopf. In Windeseile fädelte er den Zwirn ein und nähte seinen Peilsender fest. Ich zog meinen Hoody aus und warf ihn zu ihm rüber.

»Was geschieht, wenn wir uns aus New York City entfernen?«, wollte ich von Ben wissen.

Wir hatten keine Ahnung, wohin der Undercover-Einsatz uns führen würde. Unser Auftrag lautete, einen Drogenmittelsmann namens Fat Boy Wally zu folgen, der mit dem FBI kooperierte und uns zu seinem Underboss und dessen Versteck führen sollte. Das Problem bei der Sache war, dass unser Mann das Versteck bislang selbst nicht kannte. Er war gerade erst vom einfachen Kurier eine Stufe weiter nach oben befördert worden.

Phil und ich hatten den Fall bearbeitet, ohne Fat Boy Wally jemals persönlich begegnet zu sein. Seit der mexikanische Drogenbaron El Verdugo vom mächtigen Sinaloa-Kartell hinter Gittern saß, war große Unruhe beim New Yorker Mob ausgebrochen. Neue Kanäle mussten her, sie wurden angetestet und wieder verworfen, es regnete Leichen und Verrat. Die meisten dieser Kanäle führten weiterhin nach Lateinamerika, aber der Machtkampf unter El Verdugos Nachfolgern war heftig.

Wir hatten uns dieses Chaos zunutze gemacht und die instabilen jungen Drogenringe angezapft. Schließlich war uns mit Fat Boy Wally ein leidlich respektabler Fisch ins Netz gegangen. Der junge Kurier, der seinen Spitznamen seiner spindeldürren Statur verdankte, gehörte zu den aufsteigenden Männern im Geschäft.

Nach wochenlanger Recherchearbeit war es uns gelungen, ihn unauffällig zu schnappen. Weitere Wochen hatten unsere Kollegen damit verbracht, ihn weichzukochen.

Fat Boy Wally war nicht dumm. Schließlich begriff er, dass die Zusammenarbeit mit dem FBI vielleicht weniger Reichtum, aber eine bessere Lebensversicherung bot. Was im zarten Alter von zweiundzwanzig Jahren ein unschlagbares Argument war.

Zunächst konnte unser Mittelsmann allerdings nicht viel Nützliches liefern. Er transportierte größere Mengen Crystal Meth, Heroin und als Schmerzmittel getarnte Opiate von A nach B, aber seine Kontaktpersonen waren ähnlich kleine Fische wie er selbst.

Doch wenige Tage zuvor hatte uns die Nachricht erreicht, die Phil und mich in schlecht riechende Halunken verwandelt hatte: Fat Boy Wally war ins Hauptquartier beordert worden! Der Underboss wollte ihn persönlich kennenlernen.

»Ich weiß nicht, wohin die Reise geht«, teilte Wally uns mit. »Ihr Feds müsst mir schon folgen. Ich bekomme meine Anweisungen zeitnah über Funk.«

Er nannte uns Datum, Uhrzeit und Ausgangspunkt: Jamaica Station. Ausgerechnet am Tag der Urteilsverkündung von El Verdugo. Das erschwerte die Verfolgung, denn in der Stadt herrschte Ausnahmezustand.

Da wir nicht hundertprozentig sicher sein konnten, dass das Ganze keine Falle war, wollte Mr. High erfahrene Männer darauf angesetzt wissen. So kam es also, dass wir nun in dieser unbequemen Verkleidung bereitstanden, um Fat Boy Wally in die Höhle des Löwen zu folgen.

»Keine Sorge!«, beantwortete Ben meine Frage. »Auch wenn ihr euch aus New York City entfernen solltet, verfolgen wir euch mit unserem voll ausgerüsteten Dodge Ram Überwachungswagen. Steve, Zeery, ein Fahrer und ich sind mit an Bord. Aber denkt daran: Wir können euch zwar hören und sehen, aber umgekehrt können wir nur über eure Mobiltelefone Kontakt zu euch aufnehmen. Passt also gut darauf auf!«

»Das gefällt mir nicht«, gab Phil zu. »Sollte etwas Unvorhersehbares geschehen und unsere Handys verlorengehen, sind wir von der Zentrale abgeschnitten.«

Ben kratze sich am nahezu bartlosen Kinn.

»Es gäbe noch eine Möglichkeit«, überlegte er. »Wir könnten einen Telegram Bot in die öffentlichen Nachrichten einschleusen. Das Verfahren habe ich selbst weiterentwickelt, und wir haben es bislang nur einmal getestet. Es ist ein besonderes Steckenpferd von mir und funktioniert ganz einfach: Wir schneiden eine kurze, verschlüsselte Sequenz in die offizielle Berichterstattung. Sie beginnt mit einem Codewort, das üblicherweise selten in den Nachrichten vorkommt. Gemüse, beispielsweise. Es folgt die versteckte Botschaft, möglichst unauffällig verpackt. Ein weiteres Schlüsselwort, sagen wir mal Brotpreis beendet die Sequenz.«

Phils zweifelnder Gesichtsausdruck spiegelte meine eigene Skepsis wider.

»Willst du uns auf den Arm nehmen, Ben?«, fragte ich.

»Aber nein!«, versicherte er empört. »Das war früher ein gängiges Verfahren der Geheimdienste, auch wenn es in den letzten Jahren etwas aus der Mode gekommen ist. Ich habe es nur technisch weiterentwickelt, sodass dem Zuhörer der Bruch im Informationsfluss gar nicht mehr auffällt.«

Er stockte.

»Allerdings setzt die Methode voraus, dass man Zugang zu den öffentlichen Sendern hat«, schränkte er dann ein. »Und damit ist sie in unserem Fall ungeeignet.«

»Vergiss es, Ben.« Ich schüttelte den Kopf.

Mir fiel keine einzige Situation ein, in der die Methode Sinn machen konnte. Unser IT- Spezialist hatte nicht nur einen Tick, sondern ein ganzes Sortiment davon. Waschmaschinen, Lakritz, verschlüsselte Nachrichten. Was kam als Nächstes?

Wir steckten unsere Waffen in den strammen Bund der Jogginghosen. Auf das Holster mussten wir verzichten, es wäre zu auffällig gewesen.

Dann nahmen wir den Hinterausgang und machten uns auf den Weg zur Jamaica Station. Zu einem schnellen Routineeinsatz, wie wir glaubten.

Der spindeldürre junge Mann trat nervös von einem Bein aufs andere. Ihm war kalt, und er hatte Angst. Die Menschenmenge, die sich in der Jamaica Station tummelte, verunsicherte ihn. Es war unmöglich, einzelne Personen im Auge zu behalten. Hunderte von Pendlern strebten zu den Zügen in die Vororte.

Einer der Bahnsteige war weiträumig abgesperrt. Dort hatte es vor Kurzem einen Unfall gegeben. Ein Mann war auf die Gleise gestürzt und von einem einfahrenden Zug zermalmt worden. Auch das trug nicht zu seiner Beruhigung bei.

Zum wiederholten Male tastete er nach dem Funktelefon in seiner Jackentasche. Es schwieg beharrlich.

Der junge Mann war sich nicht sicher, ob er das Richtige tat. Konnte man sich jemals sicher sein, auf der richtigen Seite zu stehen?

Ob die G-men ihn schon beobachteten? Er kannte sie nicht. Zu seinem eigenen Schutz hatte man welche ausgewählt, die er noch nie gesehen hatte.

Verstohlen blickte er sich um. Ein Mann im Anzug fiel ihm auf. Er stand mit einer Zeitung an einen Pfosten gelehnt, wie ein Wachturm inmitten des Trubels. Er hatte noch kein einziges Mal umgeblättert.

Das konnte der FBI Agent sein! Bislang hatte der junge Mann immer angenommen, die Feds kämen zu zweit, weil sie im Fernsehen immer als Paar auftraten. Aber dies hier war keine Fiktion, sondern Realität.

Er begann zu schwitzen. Ein unangenehmes Jucken breitete sich auf seinem Körper aus.

Ein Himmelreich für eine Line Koks! Da trug er seit Monaten den besten Stoff durch die Weltgeschichte, und ausgerechnet jetzt, da er ihn am dringendsten brauchte, blieb ihm der Kick verwehrt.

Es ging einfach nicht. Er musste einen klaren Kopf bewahren, wenn er dem Underboss unter die Augen trat. Er spielte ein gefährliches Spiel, sein Leben hing von seiner Wachsamkeit ab.

Der G-man am Pfosten ließ seine Zeitung sinken. Ein anderer Mann, ein Glatzkopf, ebenfalls im Anzug und mit einem seidenen Schal um den Hals, nickte ihm beiläufig zu. Dann setzte er sich auf eine Bank und starrte auf seine Schuhe.

Sie waren also doch zu zweit! Das Fernsehen log eben nicht.

Fat Boy Wally, wie er sich nannte, dachte nach. Noch konnte er alles abblasen. Noch konnte er sich aus dem Staub machen, im Gedränge verschwinden und einfach untertauchen. Noch war Zeit.

Das Funktelefon schwieg beharrlich.

Nein. Wenn er die Aktion jetzt abbrach, würden ihn beide Seiten unerbittlich verfolgen. Die Feds und die Mafia. Er hatte keine Wahl. Zumindest mit einer der Parteien musste er sich gutstellen.

Der Zeiger der großen Bahnhofsuhr rückte nervtötend langsam vorwärts. Ob er nicht wenigstens eine kleine Pille einwerfen konnte? Zur Beruhigung?