Jerry Cotton 3245 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3245 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Spur der Vergeltung

Alles begann damit, dass ich in einer Bar eine gewisse Beverly Waterman kennenlernte und die Nacht mit ihr verbrachte. Am nächsten Tag stellte sich heraus, dass sie Journalistin war und offenbar Informationen über das FBI aus mir herausholen wollte. Zur gleichen Zeit bekamen wir einen neuen Fall: Mr. High setzte uns auf einen Profikiller an, der unter verschiedenen Namen agierte, zuletzt als Peter Starr. Der Mann war für verschiedene Kartelle tätig und arbeitete völlig skrupellos. Dummerweise misslang die Festnahme, und Starr konnte fliehen. Kurz danach bat Beverly mich telefonisch um Hilfe. Sie werde von einem Unbekannten verfolgt, behauptete sie. Schnell liefen die Fäden zusammen ...

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Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Spur der Vergeltung

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: (Film) »Im Fadenkreuz II – Achse des Bösen«/ddp-images

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-8470-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Spur der Vergeltung

Binder zog nervös an seiner Zigarette. Es war schon die vierte, seit er hier an der der einsamen Ecke an der Flushing Bay wartete.

Diese verdammte Unruhe!

Er sog den Rauch tief ein und behielt die enge Straße im Blick, an der sich Industriegebäude aus Backstein aneinanderreihten. Jetzt, in der Nacht, war es hier so einsam wie auf einem Friedhof. Nur das ferne Rauschen des Verkehrs und die Lichter vom nahen LaGuardia Airport jenseits der Bucht erinnerten daran, dass er sich in einer Millionenmetropole befand.

Binders Herz schien einen Moment auszusetzen, als sich Autoscheinwerfer näherten.

Er nahm noch einen tiefen Zug, während sich das Licht des Fahrzeugs auf ihn richtete. Dann blieb der Wagen stehen. Der Motor ging aus, die Scheinwerfer blieben an.

Zwei massive Schatten stiegen aus. Mehr konnte Binder in der blendenden Helligkeit nicht erkennen. Nicht den Fahrzeugtyp, geschweige denn das Nummernschild.

Er blinzelte und hielt die rechte Hand schützend vor die Augen. Zwischen den Fingern der anderen steckte immer noch die Zigarette.

»Hat dir keiner gesagt, dass rauchen ungesund ist?«, sagte eine tiefe Stimme, die zu einem der beiden Schatten gehörte, gefolgt von einem Lachen.

Plötzlich wurde Binder von hinten gepackt. Dem anderen war es wohl gelungen, außerhalb des Lichtscheins unbemerkt um ihn herumzugehen.

»Nur eine kleine Vorsichtsmaßnahme«, sagte der Mann hinter ihm.

Binder spürte, wie ihn kräftige Hände abtasteten.

»Ich habe keine Waffen dabei«, sagte er und gab sich entrüstet. So hoffte er sich zumindest einen Rest von Coolness zu bewahren. »Ich halte mich an Abmachungen.«

Der Mann entwand ihm den Glimmstängel, warf ihn auf den Boden und trat ihn aus.

»Seid ihr jetzt endlich fertig mit euren Untersuchungen?«, rief Binder, und seine Stimme klang eine Spur zu schrill. »Mir wurde ein Treffen zugesagt. Wir haben uns hier verabredet, und ich war pünktlich.«

Er räusperte sich.

»Ich habe nicht die ganze Nacht Zeit«, fügte er dann hinzu.

Der eine Mann stand vor ihm, der andere seitlich im Dunkel.

»Hast du nicht?«, fragte der, dessen Schemen von den Autoscheinwerfern umstrahlt wurde. »Das tut uns jetzt aber leid. Dann wird das wohl nichts. Wir können auch wieder fahren.«

Der Schreck schoss in Binder hoch wie eine heiße Flamme.

»So habe ich das doch nicht gemeint«, sagte er und merkte, dass seine Stimme jammernd klang. Fast wie bei einem kleinen Kind. »Ich habe alle Zeit der Welt. Vergesst, was ich gesagt habe. Ihr habt gesehen, dass ich keine Waffen habe. Ich bin total clean. Lasst mich mit eurem Boss sprechen. Wartet er ihm Auto? Jetzt macht doch mal das verdammte Licht aus.«

Statt einer Antwort kam wieder eine Bewegung von dem Mann im Schatten, und auf einmal bedeckte ein Stück Stoff Binders Gesicht. Sie verbanden ihm die Augen. Schon vor den Scheinwerfern hatte er kaum etwas gesehen, jetzt war er vollkommen blind. Dann erhielt er einen Stoß von hinten, taumelte kurz und stolperte ein paar Schritte nach vorne.

Jetzt war ihm klar, wie das Spiel lief. Der Boss war natürlich nicht hier, er würde zu ihm gebracht werden! Binder nahm sich vor, zu schweigen und sich in sein Schicksal zu fügen.

Die beiden Typen sagten auch nichts mehr. Sie banden ihm die Handgelenke auf dem Rücken zusammen und schoben ihn auf den Rücksitz. Soweit Binder das mitbekam, setzte sich der eine der beiden gleich neben ihn.

Türen knallten, der Motor wurde angelassen, dann fuhren sie los.

Binder war noch nie gut darin gewesen, Zeitabläufe einzuschätzen. Die Fahrt kam ihm wie eine Ewigkeit vor.

Doch dann hielt der Wagen. Sie zogen ihn heraus und führten ihn irgendwo hin.

Unter den Schuhsohlen knirschte es, offenbar ging er über Kies. Es roch nach Erde und Pflanzen. Irrte er sich, oder rauschte in der Ferne das Meer?

Etwas quietschte. Die Tür eines Metallzauns?

Dann waren da Stufen. Es wurde wärmer. Sie betraten ein Haus.

Plötzlich ließen sie Binder los. Schritte entfernten sich.

Er war immer noch gefesselt und blind.

»Hallo?«, sagte er in die Stille hinein. »Ist da noch jemand? Könnte mir jemand die Fesseln und die Augenbinde abnehmen?«

Binders Worte schienen sich in der Leere des Raumes zu verlieren. Dann hörte er etwas. Das Ticken einer Uhr, fernes Hundegebell … Und plötzlich schnaufte jemand, der sich ganz in der Nähe aufhielt. Direkt vor ihm.

»Du gehst uns schon eine ganze Weile auf die Nerven«, sagte eine Stimme.

Es war keiner der Typen aus dem Auto. Die Stimme war höher als ihre, aber auch kälter.

»Ich …«, begann Binder, wurde aber sofort unterbrochen.

»Halt den Mund! Du redest nur, wenn du gefragt wirst. Wir haben mittlerweile kapiert, was du vorhast. Und wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass der Plan gar nicht so schlecht ist, wie wir am Anfang dachten.«

Binder atmete innerlich auf. Das klang ja gar nicht so schlecht. Am liebsten hätte er noch etwas gesagt, irgendetwas erklärt, wäre auf Details eingegangen. Aber er schwieg, wie man es ihm befohlen hatte.

»Wer soll der Erste sein?«, fragte die Stimme.

Binder nahm das als Aufforderung zu sprechen

»Das Foto ist auf meinem Handy«, sagte er und stellte zufrieden fest, dass er wieder wie ein Mann klang, mit dem man ernsthafte Geschäfte machte. »Es steckt in meiner rechten Jackentasche.«

Jemand musste die ganze Zeit hinter ihm gestanden haben, denn sofort fischte eine Hand das Telefon heraus. Schritte waren zu hören. Offenbar wurde es durch den Raum getragen.

»Schau an«, sagte die Stimme. »Und du bist sicher, dass du das schaffst?«

»Natürlich«, sagte Binder und versuchte so selbstsicher wie möglich zu klingen.

Wieder herrschte eine Weile Stille.

»Also gut, Binder. Erklär uns, wie das laufen soll. Du hast fünf Minuten.«

»Und was jetzt, Jerry?«, fragte Beverly Waterman, wobei ein bezauberndes Lächeln auf ihrem Gesicht erschien. Zusammen mit ihren unglaublich blauen Augen war es zum Dahinschmelzen!

Sie trank ihr Glas aus und sah mich auffordernd an.

»Was meinst du mit ›und jetzt‹?«, fragte ich, obwohl ich es mir denken konnte.

Wir saßen im Cole’s, einer Bar in der Upper West Side. Mein Besuch dort sollte der Ausklang einiger weniger Urlaubstage werden. Vor zwei Stunden hatte ich Beverly kennengelernt, eine Blondine von Anfang dreißig mit einer fantastischen Figur.

Sie lächelte mich an. Ihr Haar leuchtete im Schein der Lampen. Im Hintergrund war ein schmelzendes Saxofonsolo zu hören. Die Musik im Cole`s kam zwar nur aus der Anlage, aber sie war trotzdem gut.

»Wir haben einen netten Abend gehabt, Jerry. Und ich dachte mir gerade, dass das noch nicht das Ende sein muss. Oder wie siehst du das?«

Wieder ging mir ihr Blick durch den ganzen Körper. Doch so verlockend die Aussicht, mit Beverly die Nacht zu verbringen, auch war, so vorsichtig war ich. Als Assistant Special Agent in Charge beim FBI konnte man in so manche Falle laufen.

Natürlich hatte ich ihr nichts über meinen Beruf gesagt. Ich hatte die Frage danach einfach mit einem Scherz abgetan und erklärt, mein Job sei so langweilig, dass niemand ernsthaft etwas darüber erfahren wolle.

Umso mehr hatte sie von sich selbst erzählt. Sie sei Autorin, hatte sie gesagt. Sie schreibe Gedichte und lebe von einer kleinen Erbschaft. Und sie warte noch auf den großen Durchbruch.

Seltsam, wie eine weltfremde Romantikerin sah sie gar nicht aus. Eher wie eine Frau, die mitten im Leben stand. Aber vielleicht konnte man sich mit so was ja auch leicht täuschen. Wie viele Lyrikerinnen hatte ich außer ihr schon kennengelernt?

Ich lächelte zurück und beschloss, das Spiel mitzuspielen.

»Möchtest du mir welche von deinen Gedichten vorlesen?«, fragte ich.

Sie wiegte den Kopf hin und her. »Wenn du darauf stehst … Das wäre eine nette Einleitung.«

Sie rückte näher heran. Dabei verrutschte ihre Bluse ein wenig und sorgte für einen außergewöhnlichen Einblick.

Die Saxofon-Musik schwebte dahin, und ich spürte geradezu die vibrierende Ausstrahlung dieser Frau vor mir.

»Und was machen wir nun?«, fuhr sie fort. »Zu dir oder zu mir? Zu mir ist es allerdings ein bisschen weit. Ich wohne drüben in Williamsburg.«

Meine Wohnung war viel näher. Aber konnte ich eine fremde Frau dorthin mitnehmen?

Der klare Verstand erhielt wieder die Oberhand. Ich beschloss, das Spiel zu beenden.

»Du hast recht, der Abend war schön«, sagte ich. »Ich habe es genossen, mit dir zusammen zu sein. Aber ich denke, das Beste ist, wenn ich dir ein Taxi bestelle, und …«

Die Enttäuschung, die sich auf ihrem Gesicht ausbreitete, war herzzerreißend. Sie seufzte und packte noch einmal das Glas. Dann wurde ihr bewusst, dass nichts mehr darin war.

Ich nickte dem Keeper zu und schob ihm ein paar Scheine hin. Die Zeche für uns beide.

»Komm«, sagte ich zu Beverly. »Ich kümmere mich darum, dass du gut nach Hause kommst.«

Sie nickte, rutschte von ihrem Barhocker und nahm ihre Handtasche. Gemeinsam verließen wir die Bar. Wie so oft in New York war es nicht so leicht, ein Taxi zu finden. Jedenfalls war mal wieder keins zu sehen.

»Wo wohnst du denn?«, fragte ich, während wir auf der 93rd Street hinüber zum Broadway gingen. Dort würden wir sicher mehr Glück haben. »Nur damit ich dem Fahrer die richtige Adresse nennen kann.«

»Metropolitan Avenue, Ecke Driggs«, sagte sie und sah mich an. »Besuchst du mich wenigstens mal, Jerry? Ich würde mich wirklich freuen …«

»Bestimmt«, versprach ich, und das meinte ich ernst.

Sie hatte den ersten Schritt getan. Ich wusste natürlich nicht, wie ernst sie es meinte. Vielleicht würde ich ihr irgendwann sagen müssen, dass feste Partnerinnen in meinem Leben keinen Platz hatten.

»Du brauchst mich nicht weiter zu begleiten«, sagte Beverly. »Ich meine, falls du einen anderen Heimweg hast. Ich komme schon alleine zurecht. Ich gehe rüber zum Broadway. Von dort aus komme ich weiter.«

»Ich wohne ganz in der Nähe, aber in der anderen Richtung«, gab ich zu. »Ein Stück die Columbus runter. Bis bald. Wir sehen uns.«

Am liebsten hätte ich sie gefragt, ob sie auch genug Geld für ein Taxi hatte. Verdienten Lyrikerinnen denn überhaupt so viel? Das Leben in New York war nicht gerade günstig …

Aber dann fiel mir wieder die Sache mit dem Erbe ein. Beverly war fast so groß wie ich, also musste sie sich nicht auf die Zehenspitzen stellen, um mich zum Abschied zu küssen.

Doch bevor ihr Mund mein Gesicht erreichte, geschah etwas Unerwartetes.

Von einem Moment zum anderen fiel die Stadt in absolute Finsternis.

Als New Yorker wusste ich natürlich, was los war.

Stromausfall!

Die Straße war zu einem dunklen Tunnel geworden. Irgendwo heulten Alarmanlagen los.

Und gleichzeitig trafen Beverlys Lippen meine. Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis sie sich gelöst hatten. Ich spürte ihren Atem, nahm ihren Geruch wahr. Ihr Körper drängt sich mir entgegen. Der Kuss hatte jede Gegenwehr im Keim erstickt.

»Komm«, flüsterte Beverly und zog mich die Straße hinunter. »Dass das passiert ist, ist bestimmt ein Zeichen.«

»Ein Zeichen?«, fragte ich verwirrt und folgte ihr. »Ein Zeichen wofür?«

»Es ist romantisch, findest du nicht? Und es soll uns sagen, dass wir die Gelegenheit nutzen sollen …«

Wir liefen in Richtung Columbus Avenue. Also zu meiner Wohnung. Und ich ließ es geschehen.

Als wir ankamen, hielt der Stromausfall immer noch an.

Der Doorman erfasste die Situation sofort, war aber diskret genug, um es sich nicht anmerken zu lassen.

»Guten Abend, Mr. Cotton«, sagte er. »Guten Abend, Miss …« Er räusperte sich. »Sie können den Aufzug nicht benutzen«, fügte er hinzu. »Ich hoffe, der Stromausfall ist gleich wieder vorbei.«

»Bist du sportlich?«, raunte ich Beverly ins Ohr. »Wir müssen ein paar Etagen rauf. Bis in die zehnte, um genau zu sein.«

»Und wie sportlich ich bin«, gab sie zurück. »Das wirst du gleich merken …«

Als sie Binder zurück an die Flushing Bay gebracht hatten, lief dasselbe Spiel ab wie vorher, nur umgekehrt. Sie führten ihn aus dem Wagen, nahmen ihm die Fesseln und die Augenbinde ab, und dann stand er wieder den Scheinwerfern gegenüber, in denen die beiden Schemen der Männer verschwammen.

Bevor sie ins Auto stiegen und wegfuhren, stellten sie etwas auf den Boden. Dann verschwand der Wagen zwischen den Industriegebäuden.

Auf der Straße stand eine einsame Aktentasche. Binder nahm sie und brachte sie zu seinem Auto, das an der nächsten Ecke parkte. Erst als er darin saß, machte er sie auf. Geldscheine wurden sichtbar.

Obenauf lag ein Blatt. Fünf Wörter standen darauf, in großer Schrift, mit dem Computer ausgedruckt.

WIR BEHALTEN DICH IM AUGE!

Okay, damit hatte er rechnen müssen. Wahrscheinlich wurde er sowieso schon die ganze Zeit überwacht. Und jetzt, wo er das Geld bekommen hatte, wollten die natürlich, dass er damit nicht einfach verschwand.

Binders Unruhe begann sich zu verflüchtigen. Dass die Leute vom Kartell das Geschäft mit einer solchen Show begleiteten, durfte ihn nicht verunsichern. Das gehörte zum Business.

Unter dem Strich hatte er es geschafft. Sie waren nicht nur auf sein Angebot eingegangen – sie waren auch noch bereit, es zu finanzieren.

Jetzt wartete die nächste Aufgabe auf ihn.

Binder fuhr los und folgte dem College Point Boulevard nach Süden, vorbei an riesigen Gewerbegebieten, die schließlich Wohngegenden mit Häuserblocks und Geschäften Platz machten.

Kurz bevor er die Flushing Main Street erreichte, verdunkelte sich weit im Westen plötzlich ein Teil des Himmels. Aus Interesse schaltete Binder das Radio ein. Er konnte sich aber schon denken, was sie durchgeben würden. Irgendwo in Manhattan waren ein paar Häuserblocks mal wieder von einem Stromausfall betroffen. So was kam vor.

Zum Glück war er hier in Queens meilenweit davon entfernt. Bei so etwas brach immer gleich das Chaos aus, vor allem auf den Straßen.

Binders Ziel war ein zehnstöckiger grauer Klotz neben einem Einkaufszentrum, an dem in gelblichen Metallbuchstaben der Name Bayview Hotel prangte.

Unten an der Rezeption saß ein schwarzer Glatzkopf mit Brille und las in einer Zeitung. Als Binder vorbeiging, blickte er kurz auf.

Der Aufzug brachte ihn in die fünfte Etage. Er kannte die Zimmernummer. Als er die richtige Tür gefunden hatte, klopfte er in einem bestimmten Rhythmus. Kurz, kurz, lang, lang.

Von drinnen wurde geöffnet, und dann stand Binder vor einem kleinen drahtigen Mann mit dichtem rötlichen Haar. Helle Haut mit Sommersprossen mochte ein Hinweis auf eine irische Herkunft sein, doch Binder hatte keine Ahnung, woher sein Gegenüber wirklich stammte. Sein Name sagte darüber auch nichts, denn wie der richtig lautete, wusste niemand. Auch Binder nicht, obwohl sie sich schon seit ein paar Jahren kannten.

»Du hast Mut, herzukommen«, stellte der Rothaarige fest.

Ja, das stimmt wohl, dachte Binder.

Eigentlich war es sogar ein bisschen riskant. Vielleicht hätten sie sich besser woanders treffen sollen. Aber der Gedanke, dass sein Plan endlich Wirklichkeit werden sollte, hatte ihn ungeduldig werden lassen.

Er ging in das Zimmer und zog die Tür hinter sich zu. Der Raum wirkte irgendwie schummrig, denn nur an dem kleinen Schreibtisch vor den Vorhängen des einzigen Fensters brannte Licht. Neben der Lampe stand ein aufgeklappter Laptop, auf dessen Bildschirm Binder ein offenes Web-Browser-Fenster erkannte.

Der Mann kümmerte sich nicht weiter um seinen Gast, sondern setzte sich vor den Computer, wobei er Binder den Rücken zukehrte. Es wirkte, als ob er sich gar nicht für ihn interessiere.

Sofort fühlte sich Binder wieder unterlegen. Das nervte, aber er wusste nicht, was er tun sollte. Also blieb er einfach im Raum stehen.

»Hast du dir’s überlegt?«, fragte er.

Vom Schreibtisch kam ein schnaubendes Geräusch, eine Art Gelächter.

»Ich bin doch nicht lebensmüde«, sagte der Rothaarige. »Was du vorhast, ist unprofessionell. Und ich werde bestimmt nicht meinen Kopf dafür hinhalten.«

Binder bemerkte im Schatten zwischen Bett und Einbauschrank einen dunklen Koffer auf dem Boden. Er war schmal und etwa einen Meter lang.

»Das Finanzielle ist geregelt«, sagte er.

Wieder ertönte das Schnauben. Jetzt drehte sich der Rothaarige um und sah Binder böse an.

»Das Finanzielle? Du hast es immer noch nicht kapiert, oder? Was nutzt mir Geld, wenn ich im Knast sitze? Oder vielleicht sogar in der Todeszelle?« Er schüttelte den Kopf und verzog abfällig den Mund. »Du wirst es nie kapieren. Ich glaube, es ist besser, wenn du wieder gehst.«

Damit wandte er sich erneut seinem Computer zu. Er klickte mal hier und mal da, schien in die Texte vertieft zu sein, die auf dem Bildschirm auftauchten.

In Binder schoss heiße Wut hoch. Was bildete dieser Typ sich ein?

Wieder sah er zu dem Koffer hin. Am liebsten hätte er ihn genommen, herausgeholt, was darin war, und dem Rothaarigen gezeigt, wer hier der Boss war.

Er hatte das Geld besorgt. Er sagte also, wo es langging. Das war doch logisch, oder?

Binder zählte innerlich bis zehn und atmete mehrmals durch.

»Ist in Ordnung«, sagte er. »Du sagst, ich hätte einen unprofessionellen Vorschlag gemacht. Der Profi bist eben du. Sag mir also, wie wir die Sache erledigt kriegen.«

»Wie viel hast du?«

Binder nannte die Summe.

»Und die hast du heute lockergemacht?«, kam es vom Tisch.

Binder bejahte.

»Jetzt pass mal auf.« Ohne sich umzudrehen, machte der Rothaarige eine Bewegung mit dem rechten Arm.

»Was meinst du?«, fragte Binder.

»Du sollst herkommen und dir das anschauen.«

Binder schluckte den schon wieder aufkeimenden Ärger hinunter und gehorchte.

Auf dem Bildschirm erschienen Fotos, durch die sich der Rothaarige schnell durchklickte. Personen, Straßen, Gebäude, Lagepläne von Stadtteilen.

»Was ist das?«, fragte Binder.

»Mein privates Fotoalbum.«

»Aber …«

»Keine Sorge, es liegt in einer sehr gut gesicherten Cloud. Ich weiß, ein Mann mit meinem Job sollte solche Spuren nicht hinterlassen, aber in dem Punkt bin ich sentimental.«

»Warum zeigst du mir das?«, wollte Binder wissen.