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Die Rache des blonden Engels
Phil und ich hatten uns an die Fersen des "Königs von Brooklyn" geheftet. Der Gangsterboss machte seit Jahren die Straßen New Yorks unsicher, doch nun schienen wir ganz nah an ihm dran zu sein. Leider waren nicht nur wir hinter Zachary Wickham her. Schon bald bekamen wir es mit Abigail Cox zu tun, einer blonden Killerin, die nicht nur sehr schön, sondern auch extrem gefährlich war ...
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Rache des blonden Engels
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: THEPALMER/iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8471-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Rache des blonden Engels
»Cotton!«
»Heiß auf einen heißen Tipp, G-man?«, nuschelte der Anrufer.
Ich hatte den Eindruck, dass er seine Stimme absichtlich verstellte. »Ich höre.«
»Da kommt ’ne Drogenlieferung für euer Herzblatt, den König von Brooklyn, rein.«
Der Nuschler sagte, wo und wann, dann legte er auf. Eigentlich hatte ich nach Hause gehen wollen, doch daraus wurde nun erst einmal nichts – und für Phil, meinen Partner, auch nicht …
Stille.
Draußen regnete es in Strömen, doch wir lagen mit adretten nachtschwarzen FBI-Schutzwesten im Trockenen auf der Lauer. Die um diese Zeit leere Tiefgarage gehörte zu einer südafrikanischen Möbelhauskette namens Sambo. Das Team bestand aus meinem Langzeitpartner Phil, aus Steve Dillaggio, Zeerookah, Joe Brandenburg, Les Bedell und mir.
Die Garage hatte zwei Ein- und Ausfahrten. Eine im Norden, eine im Süden. Die nördliche wurde von Steve und Zeery observiert, die andere von Joe und Les.
Mein roter Jaguar F stand in einer finsteren Parkbucht und war so gut wie unsichtbar. Phil blickte so oft auf seine Armbanduhr, dass es mir langsam auf die Nerven ging.
»Die Zeit vergeht nicht schneller, wenn du fortwährend auf die Uhr schaust«, brummte ich.
»Die scheinen nicht viel von Pünktlichkeit zu halten.«
Ich griente. »Schon mal vom akademischen Viertel gehört?«
»Das sind keine achtbaren Akademiker, sondern fiese Kleinkriminelle«, grollte Phil. »Laufburschen für die großen Big-Apple-Bosse im Hintergrund.«
Er hatte natürlich recht. Und der König von Brooklyn, wie Zachary Wickham gerne genannt werden wollte, gehörte zu den größten. Deshalb stand der Fünfundfünfzigjährige auch auf unserer Liste ganz oben.
Er hatte seine Finger in unzähligen schmutzigen Geschäften. Sogar im Darknet mischte er eifrig mit und schöpfte dort satte Gewinne ab. Solange wir ihn nicht selbst, also persönlich, in die Pfanne hauen konnten, versuchten wir zumindest, ihm das Leben bei jeder sich bietenden Gelegenheit so schwer wie möglich zu machen.
Ein Boxer hatte einmal zu mir gesagt: »Wenn du lange genug gegen den Körper schlägst, fällt irgendwann der Kopf.«
Also schlugen wir unermüdlich gegen den Körper der weit verzweigten Wickham-Organisation und hofften auf den Fall des Kopfes.
Phil rümpfte die Nase, als säße er nicht in meinem Jaguar, sondern in einer seit einem Monat randvollen und in Vergessenheit geratenen Bio-Mülltonne.
»Vielleicht war’s bloß ein Fake-Call«, sagte er. »Wenn wir Pech haben, hat sich jemand einen blöden Scherz mit uns erlaubt, und es ist in Wirklichkeit überhaupt niemand hierhin unterwegs.«
Auszuschließen war das natürlich nicht, aber mein Bauchgefühl sagte mir, dass wir nicht vergebens warteten.
Phil wischte sich mit der Hand übers Gesicht. »Mann, ich hasse dieses endlos lange tatenlose Herumsitzen. Die Zeit ist ein kostbares Gut. Man sollte sie nicht dermaßen unnütz vergeuden.«
Ich hatte plötzlich Zeerookahs Stimme im Ohr. »Jerry!«
»Ja?«, antwortete ich ins Mikrofon meines Headsets. »Was gibt’s, Zeery?«
»Soeben fährt ein Wagen an uns vorbei.«
»Mit wie vielen Mann besetzt?«
»Fahrer und Beifahrer.«
»Okay. Sobald der zweite Wagen eingetroffen ist, lassen wir die Falle zuschnappen.« Ich wandte mich an Phil. »Showtime.«
»Endlich«, murrte er und stieg aus.
Ich verließ ebenfalls meinen Wagen, und wir zogen uns hinter eine mannshohe, in Bild und Schrift obszön besprayte Betonmauer zurück.
Ich griff nach meiner Dienstwaffe, einer Glock 17M, Kaliber 9 mm Luger, die speziell für die Bedürfnisse des FBI modifiziert worden war, und zog sie aus dem Gürtelholster.
Phil folgte meinem Beispiel.
Ein nasser schwarzer Camaro schaukelte mit – noch – tickenden Scheibenwischern die Abfahrtsschräge herunter und rollte, allmählich langsamer werdend, in unser Blickfeld.
»Da sind sie«, kam es leise über meine Lippen.
Phil nickte mit angespannten Zügen. Der Camaro blieb etwa in der Garagenmitte stehen. Der Motor wurde abgestellt. Niemand stieg aus.
Wir kannten weder den Fahrer noch den Beifahrer. Sie sahen aus wie Asiaten, hatten kalte, dunkle Mörderaugen und nachtschwarzes Haar.
Les Bedell meldete das Eintreffen des zweiten Fahrzeugs. Er bezeichnete die Gangster als die »Wickham-Kavallerie«.
Ich wandte mich an Phil.
»Gleich wirst du für deine Geduld belohnt.«
»Hoffentlich bilden sie sich nicht ein, unverwundbar zu sein«, sagte mein Partner rau.
Wickhams Männer saßen in einem mausgrauen Cadillac, ECTO-1. Er kam – ebenfalls tropfnass – mit quietschenden Reifen in die Sambo-Garage und stoppte knapp vor dem Camaro.
Die Asiaten stiegen vorsichtig aus und zeigten ungeniert, dass sie bewaffnet waren. Wickhams Boten verließen ohne Eile, betont gelassen, den ECTO-1.
Auch sie waren waffenmäßig gut bestückt. Es lag eine Menge Misstrauen in der Luft. Die schlanken, schwarzhaarigen Exoten wirkten ungemein nervös.
Dies schien ihr erstes Geschäft mit Wickhams Delegierten zu sein, und da es immer wieder mal vorkam, dass die eine Partei ohne Geld aufkreuzte und der anderen Partei ihre Ware mit Waffengewalt abnehmen wollte – oder die Lieferung nicht mit Green Bucks, sondern mit blauen Bohnen bezahlte –, lag so viel knisternde Spannung in der Luft, dass sogar wir es spürten.
Ich trug Steve, Zeery, Joe und Les auf, mit ihren Dienstfahrzeugen die Fluchtwege zu blockieren, während Wickhams weiße Laufburschen und die dunkelhäutigen Asiaten sich gegenseitig mit Röntgenblicken zu durchleuchten versuchten. Die einen verlangten das vereinbarte Geld zu sehen, die andern die Ware.
Es kam nicht dazu, weil zwei FBI-Wagen lautlos angekrochen kamen und sich vor den Ausfahrten querstellten.
Käufer und Verkäufer waren so sehr miteinander beschäftigt und aufeinander fixiert, dass sie unsere Kollegen nicht aussteigen sahen.
Sobald Steve, Zeery, Joe und Les die Fahrzeuge verlassen hatten, brummte ich ins Headset-Mikro: »Okay, Freunde, das Spiel kann beginnen.«
Die vier Typen bewiesen, dass sie noch nie eine höhere Schule von innen gesehen hatten, indem sie augenblicklich zu ihren Waffen griffen, als ich »FBI!« rief.
Sie schätzten die Situation völlig falsch ein, checkten nicht, dass sie absolut chancenlos waren, und beschworen einen extrem gefährlichen Feuertanz herauf, der sie, mit ein wenig Pech, das Leben kosten konnte.
Diese durchgeknallten Selbstmörder schossen wie von Sinnen um sich und auch aufeinander, weil sowohl die einen als auch die andern offenbar glaubten, dass sie von ihren »Geschäftspartnern« hereingelegt worden waren.
Wir hatten gehofft, die Angelegenheit in der Sambo-Garage unblutig abwickeln zu können, doch die vier Irren zwangen uns einen Kampf auf, den sie nicht gewinnen konnten.
Wir erwiderten das Feuer von allen Seiten und deckten die schießwütigen Unterweltler mit so vielen Kugeln ein, dass sie eigentlich hätten einsehen müssen, dass sie auf verlorenem Posten kämpften.
Doch die sturen Vollpfosten hatten offenbar den Entschluss gefasst, bis zur letzten Patrone durchzuhalten. Wir dünnten ihren Widerstand sukzessive aus.
Ein Asiate brach im allgemeinen Kugelhagel, tödlich getroffen, zusammen. Sein Komplize wollte sich in den Camaro retten, wurde aber von einem Querschläger gestoppt und auf die Motorhaube des Fahrzeugs geworfen.
Gleichzeitig zahlte einer von Wickhams Männern drauf. Plötzlich gab es nur noch einen unverletzten Gangster, und der wollte augenblicklich mit dem Cadillac ECTO-1 abhauen.
Wir konnten nicht verhindern, dass er es in den Caddy schaffte, den Motor startete und im Rückwärtsgang durch die Garage brauste. Aber es gelang uns, seine beiden Vorderreifen kaputt zu schießen, und von diesem Moment an machte der ECTO-1 nicht mehr, was der Fahrer wollte.
Der Cadillac entwickelte ein gefährliches Eigenleben, touchierte zwei Betonsäulen – einmal links, einmal rechts. Und dann schien es, als würde er von einer unsichtbaren Riesenfaust gepackt, aufs Dach gedreht und mit großer Wucht gegen eine Wand geschleudert, was zur Folge hatte, dass er mit einem dumpfen Knall in Flammen aufging.
Ich stürmte los, hetzte mit langen Sätzen durch die Garage und versuchte, den schwer benommenen Gangster aus dem brennenden Wrack zu zerren.
Sengende Hitze schlug mir entgegen, doch ich ließ mich von ihr nicht abhalten. Ich holte tief Luft, hielt den Atem an und griff nach dem Mann.
Der Bescheuerte stieß meine Hände zurück, begriff nicht, dass ich ihm das Leben retten wollte. Als er mir mit dem Ellenbogen beinahe das Nasenbein gebrochen hätte, brachte ich ihn mit einem Kinnhaken zur Räson.
Er grunzte, erschlaffte und wehrte sich nicht mehr. Während ich ihn aus dem brennenden Cadillac holte, bekämpften meine Kollegen mit fauchenden Feuerlöschern den Brand. Sie erstickten die Flammen und verhinderten damit, dass das viele Geld, das sich im Kofferraum befand, dem Feuer zum Opfer fiel.
»Guten Morgen, schöne Frau«, sagte mein Partner.
Helen, die Sekretärin unseres Chefs, schmunzelte. »Phil, der Schmeichler.«
Er setzte eine sehenswerte Unschuldsmiene auf.
»Soll ich etwa lügen?«, fragte er und legte die Hände auf seine Brust. »Das kann niemand von mir verlangen.«
Helen trug ein grünes Satinkleid, das wahrscheinlich ihr halbes Monatsgehalt verschlungen hatte. Sie sah darin hinreißend aus. Das brauchte ich ihr aber nicht zu sagen. Sie sah die Bewunderung in meinen Augen.
Mr. Highs tüchtige Vorzimmerdame stand im Moment aber auch verdammt günstig im hellen Licht der Morgensonne, das sie wie eine gleißende Aura umfloss und die Makellosigkeit ihrer Idealfigur besonders gut zur Geltung brachte.
Ich deutete mit dem Kopf auf die Tür, die in das Büro unseres Chefs führte.
»Wie ist die Stimmung?«, erkundigte ich mich.
»Bestens.«
»Das hört man gern.«
»Kaffee?«, fragte Helen.
Ich nickte lächelnd. »Immer.«
Als wir Mr. Highs Allerheiligstes betraten, stand er auf, kam hinter seinem großformatigen Schreibtisch hervor und begrüßte uns mit einem kräftigen Händedruck.
Er hatte uns gebeten, ihm Bericht zu erstatten. Es war aber seiner Meinung nach nicht nötig, dass Steve, Zeery, Joe und Les ebenfalls antanzten.
Wir setzten uns mit ihm an den Konferenztisch. Helen brachte den Kaffee und zog sich gleich wieder zurück. Mr. High ließ sich haarklein erzählen, wie unser Einsatz in der Sambo-Tiefgarage abgelaufen war.
Wir sprachen abwechselnd. Mal Phil, mal ich. Und wir ließen nichts aus. Selbst das kleinste Detail brachten wir unserem Chef zur Kenntnis.
Nachdem wir ihn umfassend ins Bild gesetzt hatten, nickte er zufrieden.
»Gute Arbeit«, lobte er.
»Vielen Dank, Sir«, sagte Phil.
Es hatte drei Tote gegeben, doch wir hörten deswegen keinen Vorwurf. Mr. High wusste, dass wir mit unseren Dienstwaffen höchst verantwortungsbewusst umgingen und jedes unnötige Blutvergießen stets tunlichst vermieden. Uns waren mehr als hunderttausend Dollar und Drogen im gleichen Wert in die Hände gefallen.
»Das wird den König von Brooklyn sehr schmerzen«, bemerkte Mr. High. Er sagte das nicht schadenfroh. Es war lediglich eine nüchterne Feststellung. »Weiß man schon, für wen die Asiaten gearbeitet haben?«
»Nein«, gab ich zur Antwort. »Aber ich könnte mir vorstellen, dass Zachary Wickham mit der Chinesischen Mafia ins Geschäft kommen wollte.«
»Er hat einen Mann verloren.«
»Das ließ sich leider nicht vermeiden.«
»Haben wir ihn in unserer Kartei?«, wollte Mr. High wissen.
»Ja, Sir.«
»Wie ist sein Name?«
»Kevin Doohan«, antwortete ich.
Mr. High kniff seine grauen Augen zusammen. »Irgendwelche Beweise dafür, dass Wickham ihn bezahlt hat?«
»Wir hatten ihn als Freelancer im Speicher«, sagte ich.
Unser Chef nickte nachdenklich. »Was ist mit dem anderen, den Sie aus dem brennenden Wagen gerettet haben, Jerry?«
»Chris McShane, Sir«, sagte ich. »Der genießt zurzeit unsere Gastfreundschaft.«
»Ist er verletzt?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nur leicht traumatisiert.«
»Wir werden ihn uns noch in dieser Stunde zur Brust nehmen«, sagte Phil. »Vielleicht können wir ihn dazu bringen, zuzugeben, dass er für Wickham arbeitet.«
Der Raum, in dem wir uns mit Chris McShane zusammensetzten, war an Kargheit nicht zu unterbieten. Es war schön ungemütlich. Nicht nur für McShane, sondern auch für uns. Keine Fenster, keine Bilder an den Wänden. Nur ein alter Tisch, vier Stühle und kaltes Kunstlicht.
»Wie geht es Ihnen, Mister McShane?«, erkundigte sich Phil.
»Muss ich antworten?«
»Nein, müssen Sie nicht. Ich wollte bloß höflich sein. In Wahrheit interessiert mich Ihr Befinden herzlich wenig.«
»Lassen Sie’s bleiben, G-man.«
»Was?«
»Ihre falsche Freundlichkeit. Sie kotzt mich an.«
»Okay«, sagte mein Partner gleichgültig.
Wir machten den kratzbürstigen Gangster darauf aufmerksam, dass unser Gespräch in Bild und Ton aufgezeichnet würde. Es war ihm egal.
Er sah gut aus, hatte das Gesicht eines Filmstars und wäre beim weiblichen Geschlecht bestimmt bestens angekommen, wenn er es darauf angelegt hätte. Was er aber nicht tat, wie aus den FBI-Unterlagen hervorging. Weil er nämlich selbst furchtbar gerne eine Frau gewesen wäre. Aus diesem Grund war Chris McShane, ein leidenschaftlicher Crossdresser, schon einige Male in einschlägigen Szenelokalen in Frauenkleidern aufgegriffen worden.
Man möchte nicht glauben, wie viele Männer sich in den Klamotten ihrer Partnerinnen wohlfühlen, doch nicht alle möchten deshalb auch gleich wirklich eine Frau sein. Aber bei McShane war es so.
»Wer waren die beiden Asiaten?«, wollte mein Partner wissen.
McShane zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung. Hab sie nie zuvor gesehen. Hatten sie keine Ausweise bei sich?«
»Für wen haben sie gearbeitet?«, fragte ich.
McShane sah mich griesgrämig an. »Woher soll ich das wissen?«
»Und für wen arbeiten Sie?«, warf Phil ein.
»Für niemanden«, behauptete Chris McShane. »Ich bin mein eigener Herr. Die Schlitzaugen … Ich weiß, das sagt man nicht, weil es politisch nicht korrekt ist, aber ich nenne sie trotzdem so, weil mir diese idiotische Political Correctness so was von auf den Zeiger geht … Also, die Schlitzaugen haben mir ihren Stoff angeboten. Er war preiswert, und ich wollte ihn kaufen.«
»Wie kamen die Asiaten auf Sie?«, fragte ich.
»Das kann ich Ihnen nicht sagen«, log McShane. »Vielleicht haben sie meinen Namen aus dem Telefonbuch.«
»Woher hatten Sie das Geld für die Ware?«, fragte Phil.
»Das habe ich mir zusammengeliehen.«
»Und Sie bleiben dabei, dass Zachary Wickham nicht Ihr Boss ist«, sagte mein Partner.
McShane machte ein Gesicht, als hätten wir ihm eine Zitrone zwischen die Zähne gepresst.
»Ich bin ein Freigeist«, erklärte er. »Ich vertrage niemanden über mir, kann es nicht ausstehen, Befehle entgegenzunehmen. Ihr könnt mich hier behalten, bis mir die Zähne ausfallen. Ihr werdet trotzdem nichts anderes zu hören bekommen, weil es die Wahrheit ist.«
Wir glaubten ihm kein Wort. Doch das störte ihn nicht. Solange wir nicht beweisen konnten, dass er log, stand seine Lüge wie in Beton gegossen zwischen uns.
»Was sind Sie von Beruf?«, erkundigte sich Phil.
»Ich bin Privatier.«
»Aha«, sagte mein Partner. »Und wie finanzieren Sie Ihren Lebensunterhalt? Mit Drogenhandel?«
»Das sollte eine Premiere werden«, gab Chris McShane zurück. »Ich habe davor noch nie irgendwelche Rauschmittel ge- oder verkauft. Nicht einmal für den Eigenbedarf.«
Ich beugte mich vor und sah ihm fest in die Augen. »Sie waren im Besitz einer nicht registrierten Waffe.«
McShane lehnte sich völlig entspannt zurück. »Ich möchte mit meinem Anwalt telefonieren.«
»Wie ist sein Name?«, wollte Phil wissen.
»Barry Carrell.«
Mein Partner lächelte. »So ein Zufall.«
»Wieso? Ich verstehe nicht.«
»Carrell ist zufällig auch einer von Zachary Wickhams Anwälten.«
McShanes ahnungsloser Blick war sehenswert. »Tatsächlich? Das wusste ich nicht.«
Allmählich hatte ich seine Lügen-Strategie satt und keine Lust, mir noch mehr Unwahrheiten anzuhören. Ich kannte diese Typen zur Genüge. Sie logen uns rotzfrech die Hucke voll, gaben nichts zu und versteckten sich rechtzeitig hinter einem gerissenen Anwalt, wenn sie das Gefühl hatten, dass es für sie brenzlig werden könnte.
Ich stand auf. »Ein kluger Anwalt würde Ihnen empfehlen, zwecks Strafminderung mit uns zu kooperieren. Ich bezweifle aber, dass Barry Carrell Ihnen dazu raten wird, weil er in diesem Fall mit übergeordneten Interessen in Konflikt geraten würde.«
Abigail Cox sah fantastisch aus. Niemand sah der attraktiven Blondine an, dass sie im vergangenen Monat ihren fünfzigsten Geburtstag gefeiert hatte.
Fünfzig ist das neue Dreißig, sagt man. Auf sie traf es zu. Wenn sie mit ihrem fünfundzwanzigjährigen Sohn Patrick ausging, meinten viele, sie wäre entweder seine Freundin oder seine nur unwesentlich ältere Schwester.
Wer Patricks Vater war, wusste nur sie, und sie hatte nicht die Absicht, dieses Geheimnis jemals zu lüften, weil sie fand, dass das ganz allein ihre Sache war und niemanden etwas anging.
Auch ihren Sohn nicht. Er wusste das und respektierte es. Sie hatte – obwohl alleinerziehend – immer bestens für ihn gesorgt, ihm eine gute Ausbildung ermöglicht und stets darauf geachtet, dass es ihm auch ohne Daddy an nichts mangelte. Heute gehörte ihm ein renommierter Limousinen-Service, den er laufend erweiterte, und wenn einmal ein Fahrer aus irgendeinem Grund ausfiel, war er sich nicht zu schade, für diesen einzuspringen und die Fahrgäste selbst von A nach B zu bringen.
Abigail Cox war sehr stolz auf ihn, den einzigen Mann in ihrem Leben, der ihr wichtig war, der ihr etwas bedeutete und den sie aufrichtig liebte. Alle andern waren für sie lediglich Mittel zum Zweck – in der Vergangenheit, jetzt und in der Zukunft. Auch der fünfundfünfzigjährige Zachary Wickham, für den sie früher gearbeitet und mit dem sie hin und wieder auch geschlafen hatte.
Doch das war inzwischen vorbei, sowohl das eine als auch das andere. Abigail Cox arbeitete für niemanden mehr. Der König von Brooklyn hatte sie viel Geld verdienen lassen, und da sie nie über ihre Verhältnisse gelebt und stets klug gewirtschaftet hatte, war es ihr möglich gewesen, finanziell gut abgesichert bei Zachary Wickham auszusteigen und sich zur Ruhe zu setzen.