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Mörderisches Marketing
Frank Pitcher, Marketingleiter einer internationalen Firma, wurde erstochen in der Tiefgarage seines Unternehmens aufgefunden. Am Anfang sah alles nach einem ganz einfachen Routinefall aus: Pitcher hatte seine Mitarbeiter gemobbt, und der Täter schien schnell gefunden. Doch plötzlich tauchte ein Beamter der Home Security auf, der behauptete, dass alles ganz anders war. Und dann standen Phil und ich plötzlich im Kreuzfeuer zwischen Home Security und nordkoreanischem Geheimdienst. Als dann auch noch die CIA mitmischte, wussten wir überhaupt nicht mehr, wer Freund und wer Feind war. Nur eins war klar: Es handelte sich nicht um Mobbing, sondern um die Folgen eines mörderischen Marketings ...
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Mörderisches Marketing
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: powerofforever/iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8472-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Mörderisches Marketing
Kalte Luft zog durch die untere Ebene der Tiefgarage. Sadie Garcia schlug den Kragen ihres Mantels hoch. Es war nicht nur der kühle Luftzug, der sie frösteln ließ, sondern auch, dass ihr Parkplatz direkt neben dem ihres Chefs lag. Sie hasste Frank Pitcher. Er war ein Schwein, der keine Gelegenheit ausließ, seine Mitarbeiter zu demütigen.
Sie bog um die Ecke und sah, dass der Mercedes ihres Chefs noch neben ihrem Toyota stand. Pitcher musste also noch im Büro sein. Seltsam, sie hatte ihn gar nicht mehr gesehen …
Sadie ging zu ihrem Wagen und bemerkte, dass mit Pitchers Auto etwas nicht stimmte. Ja, beide Reifen auf ihrer Seite waren platt. Geschah ihm recht.
Als sie um den Wagen herumging, sah sie, dass es nicht nur die Reifen waren, die jemand aufgeschlitzt hatte. Frank Pitcher, ihr Chef, lag mit einem Messer in der Brust auf dem Boden.
Sadie Garcia fing an, hysterisch zu schreien …
Ich hatte Phil gerade nach einem anstrengen Tag nach Hause gebracht, als Mr. High mich anrief und darum bat, dass wir schnell noch einmal bei einer Firma in der 57th Street vorbeischauten. Deren Marketingchef, ein gewisser Frank Pitcher, war erstochen neben seinem Wagen im Parkhaus gefunden worden. Eine Mitarbeiterin hatte ihn gefunden.
Die International Communications and Solutions war eine Telekommunikationsfirma mit Hauptsitz in England. Frank Pitcher, das Opfer, war Engländer mit einer Arbeitserlaubnis, also lag hier ein Bundesverbrechen vor.
Mr. High wusste, dass wir gerade in einer Recherche der Mafiastrukturen in Yonkers und Vernon steckten. Dort hatte sich eine ganz neue Szene etabliert. Pakistanische Clans, die ähnlich funktionierten wie die Mafia, die wir kannten, aber ungleich straffer organisiert waren. Noch hatten wir keine konkreten Beweise, dass es sich dort überhaupt um großflächig organisierte Kriminalität handelte, aber wir waren nahe dran.
»Keine Angst, Jerry«, sagte unser Chef. »Wir haben deutliche Hinweise, dass es sich um eine betriebsinterne Sache handelt. Dieser Pitcher ist schon häufiger wegen Mobbing aufgefallen. Zwei, drei Tage, dann haben Sie und Phil den Fall gelöst. Ihre Büroarbeit kann warten. Der Tatort wurde übrigens schon geräumt. Die Kollegen haben erst hinterher erfahren, dass Pitcher Engländer war und es deshalb uns angeht. Sie können also sofort mit der Zeugenbefragung anfangen.«
Ich machte kehrt und informierte Phil per Handy darüber, dass sein Feierabend schon wieder vorüber war. Er war nicht begeistert, stand aber schon an der üblichen Ecke, als ich wieder bei ihm ankam.
Ich hatte den Jaguar kaum gestoppt, da sprang Phil auch schon auf den Beifahrersitz, und zwanzig Minuten später waren wir an dem gläsernen Turm der ICS angekommen. Ich machte einen Ausdruck der Akte, die das NYPD uns per Mail zur Verfügung gestellt hatte, und wir studierten sie kurz, bevor wir ausstiegen.
Pitcher war ein kleiner, drahtiger Typ gewesen, mit kurzen, blonden Haaren und Segelohren. Seine Karriere war bilderbuchartig verlaufen: Cambridge, Yale, Harvard. Vertriebsleiter bei einem Autokonzern mit dreißig Jahren, dann der Wechsel zur ICS. Ein paar Jahre in seinem Heimatland England, danach Beförderung in die USA, dem am größten expandierendem Markt und Schaltstelle der globalisierten Welt.
Der New Yorker Sitz des Unternehmens hatte sich auf die Vernetzung des internationalen Bankensektors spezialisiert. Pitchers Hauptaufgabe war es gewesen, den Geschäftskunden die Zusammenarbeit mit der ICS mit allen Mitteln des Marketings schmackhaft zu machen. Von bunten Prospekten über Netzsicherheit bis hin zur Organisation von Symposien über digitalisiertes Bankenwesen. Die Bandbreite der Mittel, mit der man um Kunden warb, war groß.
Bis auf ein paar Verweise wegen überhöhter Geschwindigkeit war Pitcher ein unbeschriebenes Blatt. Allerdings enthielt die Akte eine betriebsinterne Notiz, an die die Kollegen vom NYPD irgendwie herangekommen waren. Sie besagte, dass sich mehrere Mitarbeiter über ihn beschwert hatten: wegen Mobbing. Genaueres war der Notiz nicht zu entnehmen.
Der Akte beigefügt waren noch Fotos vom Tatort und ein Bericht des Gerichtsmediziners. Demnach war Pitcher von vorn erstochen worden. Von einer Person, die größer gewesen sein musste als er selbst, da der Stich von oben nach unten geführt worden war. Bei Pitchers relativ geringer Größe war das allerdings kein besonders wertvoller Hinweis.
Spuren, die auf den Täter hinwiesen, waren keine gefunden worden. Keine Fingerabdrücke. Keine DNA, die man von den zahlreichen anderen DNA-Spuren, die sich in einem Parkhaus nun einmal finden, hätte isolieren können. Auch am Messer waren keine Spuren entdeckt worden.
Pitcher war sofort tot gewesen. Die einzig besonderen Hinweise waren die aufgeschlitzten Reifen seines Wagens und das Messer, das der Tätet in Pitchers Brust stecken gelassen hatte. Es handelte sich dabei um ein Fairbairn-Sykes-Kampfmesser.
»Seltsam, dass jemand, der nur ein paar Reifen aufschlitzen will, die Tatwaffe vorher so gründlich reinigt, dass sich nicht die geringste Spur von DNA darauf finden lässt«, bemerkte ich. »Und offensichtlich haben wir es mit einem Liebhaber zu tun. Das Fairbairn-Sykes gehörte im Zweiten Weltkrieg zur Standardausrüstung der britischen Kommandotruppen. Das kauft man nicht einfach im Laden an der Ecke.«
»Und so ein wertvolles Messer lässt man auch nicht einfach am Tatort zurück«, bemerkte Phil.
Ich nickte. »Wahrscheinlich wurde der Täter durch das Auftauchen der Zeugin gestört. Und dass er das Messer vorher gereinigt hat, lässt vermuten, dass er es von Anfang nicht nur auf die Reifen abgesehen hatte. Das war eine gezielte Aktion. Die aufgeschlitzten Reifen sollten Pitcher vielleicht nur ablenken, damit sich ihm der Tätet unbemerkt nähern konnte. Er hat sich gebückt, um die Reifen zu begutachten, der Angreifer schlich von hinten an ihn heran. Pitcher drehte sich um, der Angreifer stach zu.«
»Bei Pitchers Größe kann es ebenso gut eine Frau gewesen sein«, gab Phil zu bedenken.
»Ja«, gab ich ihm recht. »Alles offen. Und da wir keinerlei Hinweise auf den Täter haben, können wir uns nur über das Motiv dem Fall nähern. Vielleicht haben wir es tatsächlich mit Rache wegen Mobbings zu tun, wie der Chef schon angedeutet hat.«
Phil seufzte. »Also hören wir mal, was seine Mitarbeiter über Mister Pitcher sagen. Jede Menge dreckiger Wäsche – genau das, was man an seinem Feierabend gern erledigen will.«
Nachdem wir am Empfang unsere Dienstausweise vorgezeigt hatten, führte man uns in die oberste Etage des Gebäudes, wo uns der Assistent der Geschäftsführung, ein gewisser Floyd Bishop, schon im Flur erwartete.
Bishop war ein schlanker, nervöser Typ mit lockigen, braunen Haaren, einer Designerbrille mit rotem Gestell und auffallend langen, gepflegten Fingernägeln. Aufgeregt legte er mir eine Hand auf den Arm.
»Sie können hier jeden verdächtigen, Agents«, flüsterte er mir mit Verschwörerstimme und weit geöffneten Augen zu. Dann führte er uns den Flur entlang. »Mister Pitcher war nicht eben beliebt bei seinen Untergebenen, wenn ich das mal so ausdrücken darf. Jeden Tag flossen Tränen, meine Herren. Drei Mitarbeiter haben allein in den letzten zwei Monaten gekündigt. Wir wissen schon gar nicht mehr, wo wir neue Leute herbekommen sollen. Niemand konnte ihn leiden. Niemand.«
Er deutete auf die Tür, zu der er uns geführt hatte.
»Mister Armstrong hat darauf bestanden, dass die ganze Abteilung bleibt, um Ihnen noch heute Abend Rede und Antwort zu stehen. Zum Glück arbeiten hier alle länger. Wir sitzen alle in einem Boot.«
Er wollte die Tür öffnen, aber ich stoppte ihn.
»Wer ist dieser Mister Armstrong?«, wollte ich wissen.
Bishop drehte sich zu mir um.
»Mister Armstrong ist der Präsident der ICS. Er weilt gerade in England, hat sich aber sofort auf den Weg gemacht, als er von dem Vorfall hörte. Morgen früh steht er Ihnen zur Verfügung.«
»Und wer genau erwartet uns da drinnen?«.
»Die ganze Abteilung«, wiederholte Bishop. »Sieben Personen, um genau zu sein. Es ist eine kleine, aber effizient arbeitende Abteilung. Eigentlich ja zehn Personen, aber drei haben in den letzten zwei …«
»Ja, ja«, bremste ich seinen Redefluss. »Gekündigt, ich weiß. Aber es wäre uns lieber, wenn wir mit jedem Einzelnen reden könnten. Also, haben Sie ein Büro für uns, das wir dafür benutzen können?«
»Aber sicher, Agents. Ganz wie Sie wollen«, sagte er.
»Ist die Frau, die ihn gefunden hat, auch dabei?«, wollte ich noch wissen.
Bishop nickte beflissen.
Ich hatte das Gefühl, dass dieser Mann uns mit seiner Hilfsbereitschaft etwas vorspielte. Wozu er das tat, konnte ich noch nicht wissen, aber wir würden es herausbekommen.
Bishop führte uns in ein Büro, in dem zwei Schreibtische standen, und deutete mit einer Geste an, dass wir es uns gemütlich machen sollten.
»Wünschen die Herren jetzt unsere Mitarbeiter in einer bestimmten Reihenfolge zu sehen?«, fragte er.
»Nein«, antwortete Phil. »Es kommen alle dran. Und am Schluss würden wir gerne auch mit Ihnen noch ein paar Worte wechseln.«
Bishop wurde kreidebleich. Ob aus schlechtem Gewissen oder aus Wut, konnte man nicht näher bestimmen. Aber die Art, wie er die Tür schloss, ließ zunächst einmal auf letzteres schließen.
Nach ungefähr zwei Stunden hatten wir ein ungefähres Bild von Pitchers Person sowie eine Liste von möglichen Motiven, die so lang war wie das Empire State Building groß. Keiner der insgesamt sieben verbliebenen Mitarbeiter war von den Tiraden und der Drangsalierung durch Pitcher verschont geblieben. Die Liste der Vorwürfe reichte von der Unterstellung, dass seine Mitarbeiter unfähig seien, über das Verschwinden lassen von Arbeitsergebnissen bis zu öffentlichen Demütigungen.
Übereinstimmend berichteten alle Befragten, dass es nicht das erste Mal in den letzten Wochen war, dass man Pitcher die Reifen zerstochen hatte, nur dass dieser Akt des Vandalismus dieses Mal tödlich verlaufen war.
Als vorletzte Zeugin baten wir Sadie Garcia, die junge Frau, die Pitcher gefunden hatte, zu uns in den Raum. Sie war eine offene, hübsche Person in den Dreißigern, mexikanischer Abstammung und offensichtlich die intelligenteste Mitarbeiterin der Abteilung. Nachdem sie uns in allen Einzelheiten berichtete, wie sie Pitcher gefunden hatte, erzählte sie freimütig, dass Pitcher mehrere Male ihre Arbeit für seine ausgegeben und sie regelmäßig wegen ihrer mexikanischen Wurzeln vor den anderen Kollegen diskreditiert hatte. Auf all unsere Fragen antwortete sie schnell und ausführlich.
»Wusste die Geschäftsführung, was für ein Mensch Pitcher war?«, fragte Phil zum Schluss.
Sadie Garcia nickte. »Natürlich. Mister Armstrong weiß, was hier vorgeht, aber er kümmert sich nicht darum. Pitcher liefert Ergebnisse, das war alles, was Armstrong bisher interessierte.«
Ich horchte auf. Sadie Caccia hatte in der Gegenwart geredet, als würde Pitcher noch leben, und dann hatte sie in die Vergangenheitsform gewechselt, als sie sagte, dass Armstrong sich bisher für nichts anderes als die Ergebnisse interessiert hatte, die Pitcher lieferte.
»Hat sich in letzter Zeit etwas geändert an der Art und Weise, wie Armstrong Pitcher bewertet hat?«, wollte ich wissen.
»Ja, das hat es«, sagte sie.
»Was genau war es, was sich geändert hat, und warum? Ich muss Ihnen wohl nicht sagen, dass das hier zwar nur eine vorläufige Befragung ist, dass Sie uns gegenüber aber trotzdem zur Wahrheit verpflichtet sind.«
Sadie Garcia schluckte kurz, wich aber meinem Blick nicht aus. »Pitcher hat Absatzzahlen manipuliert. Und als es herausgekommen ist, hat er versucht, es anderen in die Schuhe zu schieben.«
»Wem?«, fragte ich geradeheraus.
Sie zuckte mit den Schultern. »Das weiß ich nicht. Pitcher war es egal, wem er schadete und wie. Er hat nur an sich gedacht.«
Phil und ich sahen uns an.
»Ich denke, wir sind hier fürs Erste fertig, Mrs. Garcia«, sagte ich. »Aber ich muss Sie bitten, die Stadt nicht zu verlassen. Wir werden sicher später noch einmal miteinander reden.«
Als Letztes holten wir Bishop herein. Er war sichtlich noch nervöser als vorhin, als er uns mit seinem Redeschwall begrüßt hatte.
»Sie sagten, dass jeder hier ein Motiv für die Tat gehabt hat. Was wäre Ihr Motiv gewesen, Mister Bishop?«, brachte ich die Befragung sofort auf den Punkt.
Bishop hob abwehrend die Hände. »So war das doch nicht gemeint. Ich wollte nur zum Ausdruck bringen, dass Pitcher nicht eben beliebt war. Aber Mord … Nein, da haben Sie mich falsch verstanden.«
»Ja, natürlich.« Ich lächelte Bishop freundlich an. »Aber sie hatten recht, jeder hier hatte ein Hühnchen mit Pitcher zu rupfen. Mich wundert nur, dass Sie alles über das Arbeitsklima in dieser Abteilung zu wissen scheinen, aber anscheinend nichts dagegen unternommen haben.«
»Mir waren ja die Hände gebunden«, sagte Bishop beschwörend. »Ich bin nur Assistent der Geschäftsführung. Und Mister Armstrong hielt große Stücke auf Mister Pitcher.«
Ich sah auf Bishops Hände, die er vor mir flach auf den Tisch gelegt hatte. Diese langen Fingernägel, die Phil und mir sofort an ihm aufgefallen waren. Etwas stimmte mit ihnen nicht.
Bishop bemerkte meinen Blick, zog die Hände sichtlich irritiert wieder zurück und verschränkte die Arme vor der Brust. »Was hätte ich da tun sollen?«
»Sie haben recht«, antwortete ich. »Sie hätten nichts tun können. Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit. Sie haben uns sehr geholfen. Das ist zunächst alles. Ich möchte auch Sie bitten, uns in den nächsten Tagen zur Verfügung zu stehen. Sie können jetzt gehen.«
Bishop stand auf, überrascht, dass die Befragung schon zu Ende war, dann drehte er sich um und ging hinaus.
»Was war das denn?«, fragte Phil irritiert. »Warum hast du bei ihm nicht tiefer gebohrt? Was ist mit den gefälschten Absatzzahlen, die Mrs. Garcia erwähnt hat?«
Ich nickte nachdenklich. »Ich hatte das Gefühl, dass das nicht so wichtig ist. Ein Motiv hatte jeder von ihnen, einschließlich der Mitarbeiter, die in letzter Zeit gekündigt haben. Und auch Bishop hat ein Motiv gehabt. Hast du seine Fingernägel gesehen?«
»Seine Fingernägel?«, fragte Phil erstaunt. »Klar sind die mir aufgefallen, aber hast du jetzt Vorurteile gegen Männer mit gepflegten Händen?«
Ich stand auf.
»Nein«, erwiderte ich. »Nur gegen die Art und Weise, wie sie ihre Fingernägel säubern.«
Phil sah mich verwundert an.
»Ich erkläre es dir später«, grinste ich. »Lass uns warten, bis Bishop das Gebäude verlässt. Ich wette, er fährt nach Hause. Er ahnt, dass ich etwas bemerkt habe, und wird Vorsichtsmaßnahmen treffen. Wir müssen ihn bei sich zu Hause abfangen, bevor er Beweismittel vernichten kann.«
Wir ließen uns die Adresse von Bishop, ein Haus in einer ruhigen Straße in der Upper East Side, geben und fuhren los. Wir waren einige Minuten vor ihm da und warteten, bis er aus seinem Wagen stieg und zur Haustür ging. Bishop ließ vor Schreck die Schlüssel fallen, als wir plötzlich hinter ihm standen. Ich bückte mich und hob sie auf.
»Dürfen wir Ihnen helfen?«, fragte ich mit Unschuldsmine.
Bishop sah von Phil zu mir und wieder zurück.
Ich steckte den Schlüssel ins Schloss und öffnete die Tür. Bishop trat ein und ließ zu, dass wir ihm folgten.
»Was wollen Sie von mir, Agents?«, wollte er wissen.
»Ich denke, Sie wissen, worum es geht!«, sagte ich. »Wir würden gern Ihre Sammlung sehen.«
»Meine Sammlung. Sie glauben doch nicht, weil Pitcher mit einem Armeemesser getötet wurde, dass ich …« Bishop lachte laut auf. »Wie kommen Sie überhaupt darauf, dass ich eine Sammlung habe?«
Ich deutete auf seine Hände.
»Ihre Fingernägel haben Sie verraten. Sie achten sehr auf Ihre Hände. Allerdings sind, wenn man genauer hinsieht, kleine Kratzer unter Ihren Nägeln zu sehen, wie sie nur entstehen, wenn man sich die Fingernägel regelmäßig mit einem Messer statt einer Nagelfeile säubert.«
Bishop wurde blass. Phil schnippte mit den Fingern, und ich genoss meine kleine Sherlock Holmes-Einlage. Es ist selten, dass man einen Fall durch solch eine kleine Beobachtung löst und dies in so kurzer Zeit.
»Könnten wir jetzt bitte Ihre Sammlung sehen?«
»Aber ich habe Pitcher nicht …«, stammelte Bishop.
»Bitte«, insistierte ich. »Wenn Sie wirklich unschuldig sind, haben Sie ja nichts zu befürchten.«
Bishop zuckte mit den Schultern, drehte sich um und ging vor, in sein Wohnzimmer. Über dem Kamin hing ein etwa zweimal drei Meter langer, flacher Schrank. Bishop ging hin, öffnete und trat erschrocken einen Schritt zurück.
Wir konnten ihm über die Schulter sehen. In dem Schrank hingen bestimmt fünfzig bis sechzig Messer verschiedener Größen. Man sah Ihnen allen an, dass sie nicht zum Zwiebelschneiden gedacht waren. Doch mitten in dieser sicherlich ziemlich wertvollen Sammlung klaffte eine deutliche Lücke. Direkt über einem kleinen weißen Schild, auf dem in Goldprägung Fairbairn-Sykes zu lesen war.