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Die Korrupten
Herman Dahlkemper wurde in seinem Büro mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden. Ihm gehörte das Consulting-Unternehmen "The Fabulous Key", das Schüler sowohl auf das Examen als auch auf das Aufnahmeverfahren einer Uni vorbereitete. Da Dahlkemper Kontakte zu dem russischen Mafioso Vladimir Wolkow hatte, ermittelten Phil und ich - immerhin war Wolkow ein alter Bekannter. Aber war er auch Dahlkempers Mörder?
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Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Die Korrupten
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: skynesher/iStockphoto
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-8704-9
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die Korrupten
Der windschiefe Schuppen stand direkt am Waldrand. Es dämmerte, als die Special Agents, geduckt und mit gezogener Waffe, auf die Eingangstür zu huschten. Sie war nicht verschlossen. Unbehelligt drangen die Agents in das Gebäude ein.
»FBI! Die Hände über den Kopf!«, brüllte der vordere Agent, während Phil die Sicherung übernahm. Ein brutal aussehender Kerl und eine junge hübsche Frau standen hinter einem Tisch. Erschrocken rissen sie die Hände hoch.
»Was wollen Sie von uns?«, rief der Verdächtige, während die Frau schrill kreischte. Sie stand leicht versetzt hinter dem Mann. Ihr rechter Arm senkte sich.
Der Mann tauchte seitlich weg, die Frau hatte plötzlich eine Pistole in der Hand! Und benutzte sie sofort. Der vordere Agent brach tödlich getroffen zusammen. Die Killerin drehte sich katzenhaft, die Waffe zeigte nun auf Phil! Bevor er selbst abdrückte, sah er es blitzen. Gurgelnd brach er zusammen und blieb liegen.
Grinsend beugte ich mich über Phil, der auf dem Rücken lag und beide Augen fest geschlossen hielt.
»Seit wann hast du so einen Hang zur Theatralik?«, fragte ich. »Kann ich dir vielleicht hoch helfen, alter Mann?«
Phil öffnete das rechte Auge.
»Ansprechen zwecklos, Jerry«, erwiderte er. »Ich bin tot und will’s auch bleiben.«
Diesen Worten zum Trotz erhob er sich wieder, legte die Übungspistole, die an einem Kabel hing, auf einer Brüstung ab und verzog säuerlich das Gesicht.
»Mann, Mann, was für eine beschissene Leistung«, fuhr er fort. »Ich habe mich wie ein blutiger Anfänger überrumpeln lassen. In freier Wildbahn hätte sie mich tatsächlich in die ewigen Jagdgründe geschickt. Oder, Supervisor Lavelle?«
Der Schießausbilder, ein harmlos aussehender, drahtiger Mittvierziger mit Nickelbrille, checkte gerade die Daten auf einem Bildschirm.
»Ihr Gefühl trügt Sie nicht, Agent Decker«, erwiderte er, ohne eine Miene zu verziehen. »Die Lady hat Ihnen einen Volltreffer direkt in die Halsschlagader verpasst. Selbst bei rascher Hilfe hätten Sie keine Überlebenschance gehabt.«
Er holte Phils Silhouette auf den Computerbildschirm und zeigte uns den rot markierten Einschlag.
Phil nickte. »War mir sofort klar, als ich das Mündungsfeuer gesehen habe. Da war ich wohl nicht ganz bei der Sache.«
»Kopf hoch, Phil, jeder kann mal einen Aussetzer haben.« Ich klopfte ihm auf die Schulter. »Hauptsache, du bist im Einsatz voll da.«
»Wenn es Sie denn tröstet, Agent Decker, Sie sind nicht alleine in die ewigen Jagdgründe eingegangen«, sagte Lavelle. »Auch wenn Sie grausam langsam beim Erfassen der Situation waren, so hat Ihr Schuss die Killerin doch noch sauber getroffen.«
»Ja, danke, das tröstet mich ungemein«, erwiderte Phil mit düsterer Miene und starrte auf das Standbild des interaktiven Simulators. »Ich könnte heulen vor Freude.«
Lavelle ließ den Zugriff noch einmal laufen. Phil war der einzige echte Akteur in dieser virtuellen Szenerie, in der zwei Dealer festgenommen werden sollten. Er war wirklich nicht bei der Sache gewesen. Ich selbst hatte sofort erfasst, wo die Gefahr lauerte, als die Frau ihre rechte Hand hinter den Rücken des Mannes gesenkt und dort eine Pistole aus seinem Gürtel gezogen hatte.
Lavelle nickte. »Das war ein Ausreißer, Agent Decker. Aber noch kein Problem. Wenn Sie sich in Hogans Alley genauso gut schlagen wie beim Fahr- und beim Schießtraining, werden Sie diese Trainingseinheit trotzdem noch erfolgreich abschließen, ohne dass wir Sie ein zweites Mal hier einbestellen müssen. Aber in der Alley dürfen Sie sich nun keine weiteren Unkonzentriertheiten erlauben.«
»Na, wenn’s so ist …« Phil entspannte sich wieder. »Ich dachte tatsächlich schon, ich hätt’s weitgehend versaut. Und jetzt mach du deinen Job, Jerry, damit wir in die Alley kommen. Dieser Makel hier lastet schwer auf mir. Ich kann’s kaum erwarten, ihn wieder auszubügeln.«
Wir befanden uns im Firearms Training Center in Quantico, Virginia. Jeder FBI Agent musste einmal jährlich zur Abfrage seines Leistungsstandes in der legendären FBI-Akademie antreten. Wer durchfiel, hatte mit intensiven Nachschulungen in allen Bereichen und möglicherweise sogar psychologischer »Betreuung« zu rechnen. Das war weder Phil noch mir bisher passiert.
Ich löste mein virtuelles Situationsspiel deutlich besser als Phil. Mit einem – ebenfalls virtuellen – Kollegen zusammen musste ich eine junge Frau vor einem Warenhausregal festnehmen. Sie behauptete, nicht in die Knie gehen zu können, und überwältigte den Kollegen plötzlich mit Karatetritten, als er die Handschellen zückte und kurz abgelenkt war.
»Sofort die Hände hochnehmen, oder ich schieße!«, brüllte ich.
Sie ignorierte mich und rannte auf mich zu. Obwohl sie keine Schusswaffe besaß, zögerte ich dennoch nicht mit dem Schuss. Ich traf sie, als sie gerade absprang. Der Einschlag schleuderte sie zurück. Schwer knallte sie auf den Boden und hob stöhnend die Schulter.
»Gut gemacht, Agent Cotton«, lobte mich der Supervisor. »Hätten Sie nur eine Zehntelsekunde gezögert, hätte sie Ihnen mit ihrem Tritt den Kehlkopf eingetreten. Dann wären Sie jetzt ebenfalls tot. Sie haben schnell erfasst, dass ihre Tritte ebenso tödlich wie Schusswaffen sein können.«
Nach dem Lunch fuhren wir zu Hogans Alley, einer kleinen, nachgebauten Stadt mit Casino, Bank, Post, Apotheke, Waschsalon, Billardsalon, Kino und einer Bar. Ein aus den Teilnehmern gebildetes SWAT-Team, das ich anführte, bekam die Aufgabe, ein Geiseldrama im Kino zu beenden. Dabei mussten wir uns in voller Montur von anfliegenden Hubschraubern abseilen, zwei Türen aufsprengen und die Geiselnehmer, die nicht wussten, wie wir angriffen, mit Blendgranaten außer Gefecht setzen. Wir machten beinahe eine Bilderbuchaktion daraus.
Nach zwei Tagen und bestandenem Training waren wir froh, wieder nach New York zurückkehren zu können. Special Agent in Charge Steve Dillaggio »erwischte« uns auf dem Rückweg. Mein Jaguar steckte gerade im Abendverkehr von Baltimore auf der Interstate 95 fest, als Phils Handy klingelte. Er stellte auf Lautsprecher.
»Phil, Jerry, hi«, begrüßte uns Steve. »Gratulation zum bestandenen Training. Die Auswertungen liegen mir bereits vor. Ihr macht unserer ganzen Task Force Ehre, das freut mich sehr, auch wenn Phil einen kleinen Durchhänger hatte. Welche blonde Schönheit hat dir da die Sinne vernebelt?«
»Du ganz sicher nicht«, erwiderte Phil in Anspielung auf Steves flachsblondes Haar und starrte grinsend auf die von der Spätnachmittagssonne beschienene Skyline von Baltimore, die sich ein paar Meilen vor uns erhob.
»Da bin ich aber froh. Ich hätte dir einen Korb geben müssen. Also, auch Mr. High hat sich bereits lobend über euch geäußert. Okay, an Zeery seid ihr beide nicht vorbeigekommen, aber das ist auch extrem schwierig. Wahnsinn, der Typ. Äh, ich weiß ja, dass ihr euren Feierabend mehr als verdient habt. Trotzdem möchte ich euch bitten, noch im Field Office vorbeizuschauen. Ich habe vor einer halben Stunde einen Fall auf den Tisch bekommen, den ich euch beiden anvertrauen möchte. Das NYPD hat ihn zu uns abgeschoben.«
»Um was geht’s?«, fragte ich.
»Ich erklär es euch, wenn ihr da seid. Gute Fahrt.«
Brighton Beach, Brooklyn, New York, zwei Tage zuvor
Eine von Vladimir Wolkows Lieblingsweisheiten hieß: Mit Schwund muss man rechnen.
Er selbst war bereits in sieben Fällen für diesen Schwund verantwortlich gewesen. Höchstpersönlich. In aller Regel berührte ihn das nicht.
Der Schwund, mit dem er sich im Moment auseinandersetzen musste, ließ ihn allerdings vor Wut fast durch die Decke gehen. Soeben hatte er, noch im Bett liegend, die Nachricht vom gewaltsamen Dahinscheiden Harry Dahlkempers erhalten.
Brüllend warf er das Handy gegen die Wand. Das Display zersprang.
»Was hast du denn, Darling?«, fragte seine Frau Jekaterina, die durch seinen Wutausbruch aufgewacht war, nun im Bett saß, die Decke vor ihren Busen zog und ihn ängstlich anstarrte.
»Dahlkemper ist tot«, sagte er knurrend und sprang aus dem Bett. »Und ich weiß auch schon, wer dafür verantwortlich sein könnte.«
Im Schlafanzug hastete er durch die riesige, protzig eingerichtete Villa, in der die größte Ikonensammlung der Vereinigten Staaten hing. Im Moment hatte er allerdings keinen Blick für die Heiligenbilder, die über vierhundert Millionen Dollar wert waren.
Über die breite Treppe ging er, zwei Stufen auf einmal nehmend, in den ersten Stock. Ohne anzuklopfen, stürmte er in das Apartment seines Sohnes. Dabei stieß er die Tür so brutal auf, dass sie gegen die Wand krachte.
»Anton, wo bist du?«, brüllte er und blieb mitten im Wohnzimmer stehen.
Antons Schuhe und seine Jeans lagen auf dem Boden, er hatte sie einfach ausgezogen und liegen lassen. Der akribisch denkende, ordnungsliebende Wolkow verzog angewidert das Gesicht.
»Anton!«, brüllte er ein zweites Mal, während er die Tür zum Schlafzimmer seines Sohnes öffnete.
Dort war es dunkel. Er nahm ein lautes Schnarchen wahr sowie einen undefinierbaren Geruch, in dem Schweiß und Wodka dominierten.
Wolkow hieb auf den Schalter neben der Tür, Licht flammte auf. Antons rotes Hemd lag vor dem Bett, er selbst darin, auf dem Rücken, mit weit geöffnetem Mund, nur mit Unterhose und Socken bekleidet. Als Wolkow neben das Bett trat, drehte sich Anton mit einem besonders lauten Schnarcher auf die Seite.
Wolkow verachtete seinen zweiten Sohn in Augenblicken wie diesen, da war sein Erstgeborener Mischa von ganz anderem Kaliber. Aber Anton war eben doch sein Fleisch und Blut – was für ihn allerdings kein Grund war, sonderlich sanft mit ihm umzuspringen.
»Anton, wach sofort auf«, befahl er und rüttelte ihn brutal an der Schulter.
Anton murmelte etwas, schlug zwei Mal um sich und drehte Wolkow dann den Rücken zu.
Wolkow verzog das Gesicht. Die Alkoholfahne war fast unerträglich.
Er knurrte, ging ins Bad, nahm einen dort stehenden Putzeimer und füllte ihn mit Wasser. Der eiskalte Schwall, der sich über Anton ergoss, ließ ihn grunzend hochfahren. Nach Luft japsend, saß er im Bett. Schlagartig war er wieder nüchtern geworden.
»Dad, was … was soll das?«, fragte er, zog aber instinktiv den Kopf ein, als er seinen wütenden Vater wie einen Rachegott vor dem Bett stehen sah.
»Dahlkemper ist heute Nacht abgemurkst worden«, sagte Wolkow gefährlich leise. »Warst du das etwa?«
Anton sah ihn verwirrt an. »Dahlkemper? Harry? Nein … ich … natürlich war ich das nicht. Wie kommst du denn darauf, Dad?«
»Du weißt genau, wie ich darauf komme. Wegen dieser … Sache.«
Anton fror und zitterte, wagte aber im Angesicht seines Vaters nicht, sich vom Bett herunterzuschieben.
»Nein, das ist doch längst erledigt«, versicherte er. »Ich hab ihm das Messer unter die Nase gehalten, und damit war’s gut.«
»Ganz sicher?«
»Klar. Ich wär ja blöd, ich brauche den doch noch.«
»Du hättest ihn gebraucht, muss es heißen, du Kretin«, zischte Wolkow. »Aber das ist der unwichtigere Teil des Ganzen. Jetzt ist eines meiner Geschäftsmodelle am Arsch. Komplett, verstehst du?«
»J-ja, klar, das ist wirklich scheiße. Aber ich schwör dir, ich …«
»Wo warst du heute Nacht?«
»Äh, saufen mit meinen Kumpels, in der Velvet Rope Lounge. Du kannst sie fragen.« Er grinste verzerrt. »Ich habe sechs gute Alibis. Wir … waren bis um drei dort und haben im Hinterzimmer gebechert. Und zwei Nutten haben wir auch noch kommen lassen. Mit denen haben wir …«
»Es interessiert mich einen Scheiß, was ihr mit denen gemacht habt!«, schrie Wolkow.
»Äh, ja, klar.« Anton hob entschuldigend die Hände. »Sind eigentlich also acht Alibis. Um drei sind wir dann mit zwei Taxis heimgefahren. »Dann wären das ja sogar neun Alibis, der Fahrer hat mich schließlich bis zur Tür gebracht. Alleine wär’s tragisch geworden. Ich … war so sturzbesoffen, ich hätte nicht mal mehr eine Fliege abmurksen können …«
»Schlaf deinen Rausch weiter aus, du Nichtsnutz«, erwiderte Wolkow und verspürte dabei plötzlich Lust, Anton zu schlagen und zu treten. Er beherrschte sich nur mühsam. »Eins sage ich dir. Wenn ich Dahlkempers Killer in die Finger kriege, wird es grausam. Er wird sich irgendwann einen schnellen Tod wünschen. Oder dass er nie geboren worden wäre. Das würde auch für dich gelten, wenn du mich hintergehst.«
Wolkow machte auf dem Absatz kehrt und ging hinaus. Dort nahm er Antons Hose und schnüffelte daran. Sie roch getragen, aber der Eisengeruch von Blut fehlte vollkommen.
»Glück gehabt, Bürschchen«, murmelte Wolkow.
Er traute seinem Sohn trotzdem nicht. Anton war verschlagen.
FBI Field Office, Manhattan
Wir erreichten den Big Apple nach Einbruch der Dämmerung. Über den Broadway schoben sich noch Massen von Leuten, und vor dem Jacob K. Javits Federal Building schoss gerade eine Touristengruppe Selfies mit zwei Jungs vom NYPD, die das Gebäude bewachten. Sie machten den Spaß mit.
Wir fuhren in die Tiefgarage und nahmen den Aufzug in den dreiundzwanzigsten Stock. Dort klopften wir an Steves Tür und fanden ihn in einer Besprechung mit Zeerookah vor, Steve hemdsärmelig und verschwitzt, Zeerookah auch zu dieser späten Stunde immer noch wie aus dem Ei gepellt und ohne jedes Schweißtröpfchen auf der Stirn.
»Da kommen ja die alten Männer«, begrüßte uns Zeery grinsend, umarmte uns und klopfte uns auf die Schultern. »Ich hab’s schon mitbekommen, dass ihr für eure Verhältnisse ganz gut abgeschnitten habt. Ich gratuliere euch herzlich.«
Phil grinste zurück. »Lass stecken, Cochise. Wenn du frech wirst, hänge ich dich an deiner eigenen Krawatte auf.« Er zog zweimal an Zeerookahs orangefarbener Seidenkrawatte, die Motive aus dem Dschungelbuch zeigte.
»Uh, jetzt kriege ich aber Angst. Anstatt unschuldige Agents mit dem Tode zu bedrohen, solltest du lieber mal Geschichtsunterricht nehmen, Phil. Cochise war Apache. Ich hingegen bin ein Cherokee.«
»Cherokee kenne ich nur als SUV von Jeep. Und du hast keine vier Räder«, antwortete Phil im Brustton der Überzeugung.
»Jetzt ist es aber gut«, ging Steve dazwischen, bevor es ausuferte.
Phil und Zeery boxten kurz ihre rechten Fäuste gegeneinander, dann wurde es wieder ernst. Wir setzten uns an den kleinen Besprechungstisch. Zeerookah blieb ebenfalls dabei.
»Also, Steve, was steht an?«, fragte ich.
»Ich habe euch die Ermittlungsakten bereits auf eure Rechner geschickt«, antwortete der SAC. »Ein gewisser Harry Dahlkemper ist ermordet worden. Durchgeschnittene Kehle. Ich würde mal sagen, dass er keinen schönen Tod hatte.«
Ich nickte.
»Seine Sekretärin, Rose Sonnett hat ihn gefunden«, ergänzte Steve.
»Dahlkemper sagt mir jetzt erst mal gar nichts«, warf Phil ein. »Müssten wir den kennen?«
»Nicht unbedingt.« Steve lächelte. »Ich kannte ihn ja auch nicht. Polizeilich war er ein unbeschriebenes Blatt. Kein einziger Eintrag, nicht mal falsch geparkt hat er. Zumindest hat er sich nicht erwischen lassen. Dahlkemper scheint ein durch und durch gesetzestreuer Bürger gewesen zu sein. Allerdings hatte er Kontakte zu Vladimir Wolkow.«
»Wolkow?« Ein kleiner schmerzhafter Knoten bildete sich in meinem Magen.
Wolkow war russischer Abstammung und einer der großen Mafia-Paten von New York. Möglicherweise war er sogar der Big Boss der Russenmafia, die Brighton Beach beherrschte.
Wolkow gehörte einer äußerst gefährlichen Vereinigung an, die sich »Diebe im Gesetz« nannte. Wir hatten schon zwei Mal mit Wolkow zu tun gehabt und äußerst unangenehme Erinnerungen an ihn. Er hatte uns vor einigen Monaten sogar eine Todesdrohung zukommen lassen. Passiert war bisher allerdings nichts.
»War Dahlkemper also ein Mafioso?«, fragte Phil.
Steve gähnte ungeniert. »Sorry, so langsam überkommt’s mich. Äh, darüber haben wir keine Erkenntnisse. Das werdet ihr herausfinden. Der Tote war Inhaber eines Consulting-Unternehmens namens The Fabulous Key Institute mit Sitz in Brooklyn Heights. Dahlkempers Geschäftsmodell bestand darin, die nur durchschnittlich begabten Kinder reicher Eltern gegen sicherlich hohes Entgelt auf die berüchtigten Aufnahmeverfahren der Universitäten vorzubereiten …«
»Die SAT-Tests, vermute ich«, sagte Phil.
»Ja, genau«, fuhr Steve fort. »Mischa, Vladimir Wolkows erster Sohn, war Kunde bei Dahlkemper, der anscheinend eine sehr hohe Erfolgsquote hatte. Mischa Wolkow beispielsweise brachte er am LIU Post in Brookville unter.«
»Die Long Island University mit mehreren Niederlassungen und ihrem größten Campus, dem C. W. Post Campus, allgemein nur LIU Post genannt, ist eine der renommierteren Hochschulen des Landes«, mischte sich nun Zeerookah ein. »Keine der absoluten Eliteuniversitäten wie Harvard, Princeton oder Yale, aber auch die LIU verlangt meines Wissens beim SAT-Test eine Punktezahl, die deutlich über dem Schwellenwert von 1550 Punkten liegt, um überhaupt in die engere Auswahl zu kommen. Anscheinend hat Mischa Wolkow das gepackt, obwohl er nicht der Allerschlaueste gewesen sein kann.« Zeerookah grinste. »Ich meine, sonst hätte er ja nicht den Umweg über Dahlkempers Institut gehen müssen.«
»Vielleicht hat Dahlkemper ja noch auf andere Art und Weise für Wolkow gearbeitet und ist Opfer eines Mafiamordes geworden?«, fragte Phil.
»Es gibt ein Überwachungsvideo, das möglicherweise den Täter zeigt. Im Moment deuten die Umstände eher auf einen bewaffneten Raubüberfall hin, bei dem Dahlkemper ein zufälliges Opfer geworden sein könnte. Aber ich bin einfach zu müde für Spekulationen«, sagte Steve. »Diese Verbindung Dahlkempers in die Kreise des organisierten Verbrechens ist auf jeden Fall der Grund, warum das NYPD den Fall an uns übergeben hat. Und weil ihr schon mal mit Wolkow zu tun hattet, habt ihr ihn jetzt, Jerry, Phil.«
»Alles klar, Steve.« Ich nickte. »Aber nur, weil Wolkow seinen Jungen bei Dahlkemper im Institut hatte, können wir doch keine engeren Verbindungen konstruieren.«
»Anscheinend wurde Dahlkemper öfters als Gast bei Partys und Feierlichkeiten von Wolkow gesichtet, umgekehrt war das genauso. Es gibt also durchaus private Verbindungen.« Steve stand auf, streckte sich und schlüpfte in sein Jackett, das zuvor über der Stuhllehne gehangen hatte. »Das steht irgendwo in den Akten, die ich euch übermittelt habe. Ich will damit erstmal nichts mehr zu tun haben, heute Abend schon gar nicht mehr. Gute Nacht allerseits. Und hinterlasst mir hier bloß keine Sauerei.«