Jerry Cotton 3276 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3276 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Malcolm Butler, der Sicherheitschef eines internationalen Modelabels, nahm sich das Leben.
Ein Schock für alle, die ihn gekannt hatten, niemand konnte sich diese Verzweiflungstat erklären. Während Phil und ich dieses Rätsel zu lösen versuchten, begann in New York eine mysteriöse Mordserie. Im Wohnmobil eines Kriegsveteranen ging eine Bombe hoch, einem Journalisten, der jahrelang aus dem arabischen Raum berichtet hatte, wurde die Kehle durchgeschnitten, ein Dolmetscher wurde aus dem Hinterhalt erschossen. Niemand wäre auf die Idee gekommen, diese Gewaltverbrechen miteinander in Zusammenhang zu bringen, hätte sich nicht immer jemand dazu bekannt, der sich "The Shadow" nannte.
Doch wer war das? Und warum mordete er? Phil und ich bemühten uns, auch in dieses Dunkel Licht zu bringen ...

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EPUB
MOBI

Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

The Shadow

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Andrei Kobylko/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9276-0

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

The Shadow

Malcom Butler stand auf einem Sims, das so schmal war, dass seine Schuhspitzen darüber hinausragten. Der Wind, der vom Battery Park kam und durch die kantige Straßenschlucht wehte, zerzauste Butlers dichtes blondes Haar. Eine Menge Adrenalin schoss durch seine Adern, aber er blickte furchtlos in die Tiefe. Seine Entscheidung war gefallen. Er würde das durchziehen. Konsequent und kompromisslos.

»Ist verdammt hoch«, murmelte er. »Einundzwanzig Stockwerke. Das gibt eine Riesensauerei auf dem Bürgersteig, wenn ich unten ankomme.«

Auf dem gegenüberliegenden Gehweg wurden die ersten Passanten auf ihn aufmerksam, und es bildete sich sofort eine rasch größer werdende Menschentraube vor dem schlank in den Himmel ragenden und an den Wolken kratzenden Tomasi-Tower. Alle gafften zu Malcom Butler hoch.

Einige entsetzt und bleich. Andere sensationsgeil und mit erwartungsvoll geröteten Wangen. Die einen wünschten sich, dass er gerettet wurde.

Die anderen hofften, dass er sprang. Sie holten sogar ihre Smartphones hervor, um die nicht ganz alltägliche Situation gezoomt zu fotografieren oder zu filmen, damit sie das Grauenhafte später überall stolz herumzeigen konnten.

»Seht her. Ich war dabei, als der Typ den Abflug gemacht hat. Ich konnte fast nicht hinschauen. Unglaublich, wie lange der geflogen ist. Und dann der Aufprall. Meine Güte, war das entsetzlich. Eklig. Grauenvoll. Der reinste Horror.«

Im Tower wusste noch niemand, was Malcom Butler, der Sicherheitschef des international bekannten und bestens etablierten Modelabels Tomasi, vorhatte, und bis man davon Kenntnis hatte, würde niemand mehr auch nur das Geringste für ihn tun können, denn er sprang … jetzt. Springen konnte man es eigentlich nicht nennen, er beugte sich nämlich nur nach vorn und ließ sich einfach fallen. Und jene, denen es im Kino wie im echten Leben niemals blutig genug zugehen konnte, kamen wenig später voll auf ihre Kosten.

Als Phil und ich vor dem Tomasi-Tower aus meinem roten Jaguar stiegen, war der Gehsteig schon wieder so sauber, als wäre er vor einer Stunde erst fertiggestellt worden. Nichts ließ erkennen, welches Drama sich hier kürzlich zugetragen hatte. Man hatte sämtliche Spuren restlos beseitigt.

Ich rief mir die grausigen Fotos ins Gedächtnis, die der Polizeifotograf von dem Toten – in Serie und gestochen scharf – geknipst hatte.

Mir kam es irgendwie paradox vor, dass sich ausgerechnet der Tomasi-Sicherheitschef hier das Leben genommen hatte. Vor der großen Glastür stand ein schwarzer Riese. Er trug eine schicke Fantasieuniform und musterte uns distanziert. Ohne Mütze war der Bursche bestimmt sechseinhalb Fuß groß. Mit Mütze entsprechend größer.

Ich zückte meinen Dienstausweis und musste den Kopf heben, um dem Uniformträger in die Augen sehen zu können.

»FBI. Ich bin Special Agent Cotton.« Ich zeigte auf Phil. »Das ist mein Partner, Special Agent Decker.«

Der baumlange Schwarze entspannte sich. »Wie kann ich Ihnen helfen?«, erkundigte er sich entgegenkommend.

»Wie ist Ihr Name?«, fragte ich.

»Moses Zane, Sir.«

»Wo waren Sie, als Malcom Butler …?«

»Ich war hier, Sir«, sagte der uniformierte Türsteher. »Mister Butler fiel mir direkt vor die Füße. Das war vielleicht ein Schock für mich, das kann ich Ihnen sagen.«

»Dennoch stehen Sie schon wieder hier«, warf Phil ein. »Hätten Sie sich nicht ablösen lassen können?«

»Doch«, antwortete Moses Zane, »aber man hat schließlich ein Pflichtbewusstsein, und die Grübelei daheim bringt ja nichts.«

»Wie haben Sie den Suizid des Sicherheitschefs erlebt?«, wollte mein Partner wissen.

»Zuerst blieben dort drüben ein paar Leute stehen und schauten irgendwie komisch nach oben. Ich dachte mir nicht gleich etwas dabei. Die Gruppe wurde rasch größer. Ehe ich richtig begriff, was los war, war’s auch schon passiert. Ob Sie’s glauben oder nicht, der Körper schlug auf und sprang zwei Fuß hoch, ehe er noch einmal landete und liegen blieb. Ich war total …« Moses Zane brach ab und schüttelte fassungslos den Kopf.

»Wie gut haben Sie Malcom Butler gekannt?«, erkundigte ich mich.

Der Uniformierte sammelte sich, und nachdem er sich geräuspert hatte, gab er zurück: »Na ja, er war hier der Sicherheitschef. Sehr viel mehr weiß ich nicht von ihm. Wenn Sie von mir wissen wollen, warum er’s getan hat, muss ich leider passen.«

Wir hatten im Moment keine weiteren Fragen an den großen Schwarzen und betraten den pompösen Tomasi-Tower.

Er sah sich gerne als Fährmann, weil es sein selbst erwählter Beruf war, Menschen von hier nach drüben, also vom irdischen Dasein ins Jenseits, zu befördern, und er machte seine Sache so gut, dass es nie eine Beschwerde, geschweige denn einen Leerlauf gab.

Er hatte immer ausreichend zu tun. Bisweilen konnte er sich der Aufträge kaum erwehren und musste so manchen gut bezahlten Job sausen lassen, weil auch sein Arbeitstag bedauerlicherweise nicht mehr als vierundzwanzig Stunden hatte.

Ein bisschen Privatleben musste für ihn schließlich noch drin sein, denn was hatte er von vielem Geld, wenn er keine Zeit hatte, es auszugeben.

Der Rubel musste rollen. Sonst machte das Leben keinen Spaß und hatte seiner Ansicht nach keinen Sinn. Er konnte jene krankhaft veranlagten Sparfüchse nicht verstehen, die schon voll damit zufrieden, ja geradezu überglücklich waren, wenn sie ihr Bankkonto wachsen sahen.

Mehr, mehr, der Schotter musste immer mehr werden. Wozu, wenn sie ihn lediglich horteten und niemals ausgaben? Für wen sparten sie?

Wo sie doch wissen mussten, dass ihr letztes Hemd keine Taschen hatte. Er gab das Geld, das er mit Auftragsmorden verdiente, lieber aus, denn jeder Tag konnte genau genommen sein letzter sein.

Niemand wusste besser als er, wie schnell man gezwungen sein konnte, den Löffel abzugeben, und dann wollte er von seinem Leben wenigstens etwas gehabt, es voll genossen und total ausgereizt haben.

Während er im Stau steckte, dachte er an die Bombe, die sich im Kofferraum seines Wagens befand. Er liebte die Abwechslung, differierte die Tötungsarten, damit keine Langeweile aufkam. Einfallslos immer auf die gleiche Weise zu killen, wäre ihm zu monoton gewesen.

Außerdem hätten sich bei zu viel Routine folgenschwere Fehler einschleichen können. Variationen machten die Sache spannend, sagten dem Stumpfsinn den Kampf an, hielten die Aufmerksamkeit wach und die Fehlerquellen niedrig. Deshalb gab es heute zur Abwechslung mal eine Bombe.

Wumm.

Ein Mordsspaß …

Alle waren erschüttert. Besonders der italienischstämmige Modezar Aldo Tomasi, eine geniale Ikone der Modebranche.

Seine geschmackvollen Kreationen fanden auf den weltweit prominentesten Laufstegen Jahr für Jahr Anerkennung. Tragbare Eleganz, gepaart mit vornehmer Ästhetik. Nie übertrieben. Der schlanke Mann war seit mehreren Dezennien ein Trendsetter, eine Institution und schon lange nicht mehr aus der internationalen Modeszene wegzudenken.

Sein transplantiertes Haar war pechschwarz gefärbt. Er trug ein schmales, ebenfalls schwarz gefärbtes Oberlippenbärtchen, eine blau getönte Brille und an jedem Finger mindestens einen teuren Ring.

Der mitternachtsblaue Anzug saß wie angegossen, darunter trug er ein weißes Rüschenhemd. Bei mir oder Phil hätte das kitschig ausgesehen. Oder lächerlich. Bei ihm nicht. Bei einem Modezaren erwartete man diese unaufdringliche Extravaganz geradezu.

Ich schätzte ihn auf Ende fünfzig, Anfang sechzig. Wir saßen mit ihm, seinem Anwalt Ian Gault und seinem PR-Chef Mike McKidd an einem großen, schweren Konferenztisch aus massiver, auf Hochglanz polierter Eiche.

Der nahezu tennisplatzgroße Raum mit den riesigen Panoramafenstern war bis in den letzten Winkel von Erschütterung, Betroffenheit und Ratlosigkeit erfüllt. Vor allem bei Aldo Tomasi saß der Schock merklich tief.

»Es ist mir ein Rätsel, warum Malcom das getan hat«, sagte er betroffen. Sein Akzent, den er nicht zu verbergen versuchte, ließ unschwer erkennen, dass er auf einem anderen Kontinent zur Welt gekommen und aufgewachsen war. »Malcom Butler war ein ausgezeichneter Sicherheitsmann. Er ragte so sehr aus der Mannschaft heraus, dass ich ihn nicht übersehen konnte. Als ich ihn zum Chef des Sicherheitsteams ernannt habe, hatte keiner seiner Kollegen etwas dagegen einzuwenden, weil jeder wusste, dass er der Beste von allen war. Er war pflichtbewusst, zuverlässig und loyal. Der Job war für ihn kein Beruf, sondern eine Berufung. Er war ein von gesundem Ehrgeiz erfüllter Mann, dem man blind vertrauen konnte. Der Tomasi-Tower war bei ihm in besten Händen.«

»War er depressiv?«, erkundigte sich Phil.

Aldo Tomasi schüttelte entschieden den Kopf. »Mit Sicherheit nicht.«

»Aber einen leichten Hang zum Zynismus konnte man ihm nicht absprechen«, warf Ian Gault ein.

Der schmalgesichtige Anwalt war sehr korrekt und äußerst konservativ gekleidet. Er schien viel Zeit im Freien zu verbringen.

Auf dem Golfplatz, auf dem Tenniscourt oder auf dem Wasser – irgendwo, wo er viel Sonne abbekam. Sonst wäre er nicht so auffallend braun gewesen.

»Das war oft seine Art, Dingen, die ihm nicht behagten, zu begegnen«, bemerkte Mike McKidd, der die PR-Abteilung des Tomasi-Imperiums leitete. Ein überdurchschnittlich großer Mann mit kurz geschnittenem, grau meliertem Haar und abfallenden Schultern. »Er war allerdings nie verletzend, gefühllos oder gar menschenverachtend.«

»Halten Sie es für möglich, dass er krank war?«, fragte mein Partner.

»Sie meinen unheilbar oder so?«, fragte McKidd zurück.

Phil nickte.

»Malcom war bestimmt nicht unheilbar krank«, meldete sich Aldo Tomasi mit fester Stimme zu Wort, als wäre er Butlers Hausarzt und über dessen Gesundheitszustand bestens informiert.

Gault und McKidd konnten sich das genauso wenig vorstellen. Sie meinten, sie hätten einen so guten Draht zu Butler gehabt, dass er mit ihnen bestimmt darüber gesprochen hätte.

»Hat er jemals Stimmen oder etwas in der Art gehört?«, wollte Phil wissen.

»Mir ist nichts dergleichen bekannt«, sagte Ian Gault.

»Mir auch nicht«, sagte Mike McKidd.

»Mir ebenfalls nicht«, sagte Aldo Tomasi. Alle Welt wusste, dass seine Wiege in Neapel gestanden hatte und er in ärmlichen Verhältnissen aufgewachsen war. Vor uns saß ein Selfmademillionär, vor dem alle den Hut zogen.

»Könnte Malcom Butler von irgendeiner Sucht in die Enge getrieben worden sein?«, fragte Phil. »Glücksspiel? Alkohol? Drogen?«

»Drogen lehnte er entschieden ab«, gab Gault mit ernster Miene zur Antwort. »Alkohol trank er sehr wenig. Er war Nichtraucher, hatte sich nie einen Joint genehmigt und war ein militanter Feind sämtlicher Glücksspielarten.«

Mike McKidd runzelte die Stirn. »Man könnte fast meinen, wir sprechen hier von einem Heiligen. Malcom hatte keine Laster und war ein Vorbild für alle.«

Das bestätigte der Modezar, indem er heftig nickte.

»Hatte er Schulden, die er nicht mehr stemmen konnte?«, forschte Phil dennoch weiter, weil es schließlich irgendeinen Grund für Butlers Selbstmord geben musste. »Hat er sich irgendwo verspekuliert? Finanziell verhoben?«

»Er hat nie über seine Verhältnisse gelebt und mich kein einziges Mal um einen Vorschuss gebeten«, erwiderte Aldo Tomasi.

»Hatte er Neider?«, wollte ich wissen.

»Bestimmt nicht«, antwortete McKidd.

»Feinde?«

»Schon gar nicht«, behauptete Kidd überzeugt.

»Wie sah es mit seiner sexuellen Orientierung aus?«, erkundigte sich mein Partner.

»Er war hundertprozentig hetero«, erklärte Mike McKidd.

»War er verheiratet?«, fragte ich.

Der PR-Chef verneinte.

»Hatte er eine Freundin?«, hakte ich nach.

»Früher immer wieder eine«, sagte Ian Gault. »Er sah gut aus, hatte Witz und Charme. Aber nachdem er Sarah kennengelernt hatte, gab es für ihn nur noch sie.«

»Sarah?«, fragte ich.

»Sarah Sweeney«, ergänzte der Anwalt des Modezaren.

Phil notierte den Namen, und Ian Gault nannte uns Sarahs Adresse.

Ein Mann ohne Makel, gesund, offenbar glücklich und zufrieden, ohne Schulden und ohne Feinde nimmt sich ohne jeden Grund das Leben, fasste ich im Geist zusammen. Das gibt es nicht. Das glaube ich nicht. Es muss irgendwo der Wurm drin sein, einen Haken geben. Nur wo? Aldo Tomasi, Ian Gault und Mike McKidd wissen es nicht. Und wir auch nicht. Noch nicht …

Der Mann, der sich gerne als Fährmann sah, steuerte ohne Eile den Norden von Queens an. Dort befanden sich zwischen vielen Ein- und Mehrfamilienhäusern – mit unterschiedlich großen und verschiedenartig geformten Swimmingpools im Garten – Stellplätze für Wohnwagen und Wohnmobile. Eines davon gehörte seinem nächsten Opfer.

Dem Mann, den in Kürze eine Bombe zerfetzen würde.

Der Wagen des professionellen Todesengels näherte sich einem markierten Fußgängerübergang. Eine sehr junge Mutter stand, leicht überfordert, mit zwei zappeligen Kindern an der Hand – und schon wieder schwanger –, am Straßenrand.

»Seid fruchtbar und vermehrt euch«, ätzte der Killer, ohne die Lippen zu bewegen.

Er bremste, setzte ein falsches Lächeln auf und bedeutete der jungen Frau mit einer einladenden Handbewegung übertrieben höflich, sie solle die Fahrbahn überqueren. Sie bedankte sich mit einem kurzen Nicken und setzte sich mit ihren nervenden Bengeln in Bewegung.

»Noch ein Kind«, giftete der Killer mit menschenverachtender Miene. »Und noch eins. Bis kein Platz mehr auf der Welt ist. Ich finde diese Zeugungstollwut in höchstem Maße unverantwortlich. Aber das sehen die wenigsten ein. Obwohl der weise Mann in Rom gesagt hat, seine Schäfchen sollten es nicht tun, vermehren sie sich wie die Karnickel, ohne zu begreifen, was sie unserem Planeten damit antun. Wenn Leute wie ich nicht immer wieder gegensteuern würden …« Er grinste böse und fuhr gemächlich weiter.

Wenig später erreichte er sein Ziel. Er peilte konzentriert die Lage, während er im Schritttempo an der groß bemessenen Abstellfläche für nicht ortsgebundene Heime vorbeifuhr. Es wäre für mindestens hundert Wohnwagen und Wohnmobile Platz gewesen. Aber die große Reisezeit war vorbei, und deshalb zählte der Killer nicht mehr als ein Dutzend Caravans, weit über das Areal verstreut.

Die Bombe, die hier bald zum Einsatz kommen würde, hatte er selbst gebastelt und mehrfach unter extremsten Bedingungen getestet.

Sie hatte jedes Mal bestens funktioniert. Die Bauanleitung hierfür hatte er im Internet gefunden. Das Darknet – verschlüsselt und ohne Zensur und Überwachung – war in jeder Hinsicht eine wahre Fundgrube für Terroristen, Pädophile, revolutionäre Randgruppen, Perverse, Killer …

Früher hätte man dafür eine Menge Bücher wälzen müssen. Heute genügten ein paar Mausklicks und man wusste Bescheid. Das Netz ist echt ein Segen, fand er.

Vor dem primitiv gemauerten Campingplatzbüro lag ein struppiger Hund und döste apathisch in den Tag hinein. Irgendein Drecksmischling. Bestimmt kein Rassehund. Dafür groß. Und wahrscheinlich bissig. Auf jeden Fall unberechenbar. Wie alle verdammten Kläffer. Sie jagen Postboten, fallen ihre Besitzer an, beißen Babys tot. Von wegen »Der tut nichts, der will nur spielen«. Man kann ihnen nicht trauen, muss sich vor ihnen höllisch in Acht nehmen. Ich hasse sie. Man sollte diese nutzlosen Fresser abschaffen. Alle. Ohne Ausnahme. Die braucht keiner.

Er stoppte seinen Wagen, sobald er das Areal passiert hatte, stieg aus und blickte sich um. Niemand schenkte ihm Beachtung. Beste Arbeitsbedingungen, ging es ihm durch den Kopf. So habe ich es gern.

Er holte die Höllenmaschine aus dem Kofferraum. Sie war nicht größer als ein handlicher Reise-Humidor, ein Behältnis zur fachgerechten Lagerung von Zigarren, in dem die Luftfeuchtigkeit reguliert und stabilisiert wird, damit die kostbaren Tabakwaren weder austrockneten noch Schimmel ansetzen.

Hochgehen lassen würde er die Bombe per Fernzündung. Das war seiner Ansicht nach sicherer als eine Sprengfalle oder ein Zeitzünder.

Er schob die harmlos aussehende Schachtel in seine Jacke und machte sich schlendernd auf den Weg.

Sarah Sweeney empfing uns in ihrer kleinen, sauberen Wohnung mit rotgeweinten Augen und vom vielen Putzen stark geröteter Nase. Wir hatten eine gebrochene, zutiefst verzweifelte Frau vor uns, die vor vierundzwanzig Stunden bestimmt noch jung, attraktiv und vital ausgesehen hatte, über Nacht jedoch um Jahre gealtert war. Ich weiß nicht, warum mir ausgerechnet jetzt Dinah Washingtons uralter Song einfiel.

What a difference a day makes, twenty-four little hours …

Auf jeden Fall hatten die letzten vierundzwanzig Stunden Sarah Sweeneys Leben total auf den Kopf gestellt. Ihr langes blondes Haar war irgendwie hochgesteckt. Sie hatte sich damit keine große Mühe gegeben.

Wozu auch? Der einzige Mann, dem sie gefallen wollte, lebte nicht mehr, hatte sich, was niemand begreifen konnte, das Leben genommen.

Sie bot uns Platz an. Wir setzten uns. Sie ließ sich kraftlos, seufzend und mit leidender Miene in einen Sessel fallen und putzte sich einmal mehr die Nase. Ihre Hände zitterten. Sie hatte in der vergangenen Nacht bestimmt kein Auge zugemacht.

»Warum?«, schluchzte sie. »Warum hat er das getan? Ich verstehe das nicht. Er war doch … Wir hatten so viele Pläne … Wir wollten …«

Ich zeigte auf ihre Hand. »Ist das ein Verlobungsring?«

»Ja.« Ihre Tränen flossen gleich heftiger. »Er hat mich letzten Sonntag gefragt, ob ich seine Frau werden möchte …« Ihre Stimme brach. Sie weinte mit zuckenden Schultern in ihr Taschentuch, brauchte eine kurze Pause, um sich zu sammeln. Schließlich fuhr sie heiser fort. »Ich habe Ja gesagt …« Sie schüttelte den Kopf, blickte verzweifelt zur Decke. »Wir waren so … so glücklich.«

Ein glücklicher Selbstmörder, dachte ich irritiert. Das passt nicht.

Im Tomasi-Tower hatte man nichts von Malcom Butlers Heiratsantrag gewusst. Jedenfalls hatte uns niemand davon erzählt. Vielleicht hatte Butler erst in den nächsten Tagen in seinem Arbeitsumfeld die Katze aus dem Sack lassen wollen.

Phil fragte, was Sarah Sweeney beruflich mache. Ihr gehörte ein kleiner Laden in der Nähe des Times Square. Sie verkaufte dort Frozen Yogurt in den unterschiedlichsten Variationen. Angeblich ging das Geschäft sehr gut.