1,99 €
Ein vollbesetzter Airbus stürzte ab, und die FBI-Ermittlungen ergaben, dass Daniel Macky, der Pilot, aus Liebeskummer Selbstmord verübt hatte. Doch ein Unbekannter glaubte das nicht. Er machte den Fluglotsen Ben Cavannale für den Absturz verantwortlich. Für ihn war es ein Schuldeingeständnis, dass Cavannale nach der Katastrophe nicht mehr in seinem Job arbeiten wollte. Der Unbekannte rief ihn an und drohte damit, ihn für sein Versagen zur Rechenschaft zu ziehen. Er behauptete, eine Machete zu besitzen, mit der er sich langsam an ihn "herantöten" werde.
Die Angst sollte von nun an Cavannales ständiger Begleiter sein. Und tatsächlich: Nur wenig später wurden in Ben Cavannales Freundes- und Bekanntenkreis Menschen grausam abgeschlachtet. Ein blutiger Fall für meinen Partner Phil Decker und mich. Wer war der "Macheten-Mann"?
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 141
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Die blutige Spur des Macheten-Mannes
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelfoto: 2shrimpS/shutterstock
Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-9644-7
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Die blutige Spur des Macheten-Mannes
Wir crashten – bewaffnet und reichlich unwillkommen – das gemütliche »Kaffeekränzchen« einiger schwerer Jungs, die einander in Süd-Brooklyn im Hinterzimmer einer unscheinbaren Bar namens Kiss me getroffen hatten.
»FBI!«, blaffte Phil. »Aufstehen! Los! Los! Los! Hände hoch! An die Wand! Alle an die Wand!«
Vier gehorchten. Der Fünfte nicht. Er rammte meinen Partner mit enormer Kraft gegen mich und ergriff die Flucht.
Man nannte ihn Sumo. Sein richtiger Name war Dick Hoffman, und der stand auch auf dem Haftbefehl, den ich bei mir trug.
Sumo war ein brutaler Koloss, fast so schwer wie ein voll beladener Güterwaggon. Es hieß, er wäre ein Genickbruchspezialist. Wer diesem kahl geschorenen Brutalo in die Hände fiel, hatte keine Zukunft mehr.
Wie viele Auftragsmorde auf sein Konto gingen, wussten wir nicht. Es waren auf jeden Fall genug, um ihn mindestens dreimal zu lebenslanger Haft zu verurteilen.
Wir hatten bereits mehrmals versucht, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, doch es war wie verhext gewesen, hatte einfach nicht klappen wollen. Es war Sumo immer wieder gelungen, uns ganz knapp zu entwischen und für längere Zeit unterzutauchen.
Doch diesmal sollte sich das Blatt endlich wenden. Jemand, der anonym bleiben wollte, hatte uns angerufen.
»Steht Sumo noch auf eurer Wunschliste?«, hatte er gefragt.
»Klar«, hatte ich geantwortet. »Und zwar ganz oben.«
»Aber ihr wisst nicht, wo er steckt, richtig?«
Ich hatte nicht geantwortet. Wozu auch, wenn er ohnedies Bescheid wusste?
»Ich hab was gegen diesen Drecksack, und davon könnt ihr profitieren«, hatte der Unbekannte gesagt. »Er hätte mir kürzlich beinahe den Hals umgedreht, ist aber in letzter Minute zurückgepfiffen worden, sonst wäre es um mich geschehen gewesen. Sumo trifft sich in einer Stunde mit Freunden im Kiss me. Wenn ihr es clever anstellt, könnt ihr ihn kriegen.«
Wir hatten uns vorgenommen, es clever anzustellen und den Auftragskiller im vertrauten Freundeskreis zu überraschen. Doch der Mann verfügte über erstaunlich gute Reflexe, wie sich soeben herausgestellt hatte.
Nachdem er Phil mit der Wucht einer Dampframme gegen mich gestoßen hatte, verschwand er in einem Tempo, das man ihm aufgrund seiner Leibesfülle niemals zugetraut hätte, durch die Hintertür.
Doch diesmal durfte er nicht entkommen. Während Phil bei Sumos Freunden blieb, hastete ich hinter dem Massigen her.
Er hatte es seiner Jugend zu verdanken, dass er trotz seines enormen Gewichts so schnell sein konnte. Sumo war fünfundzwanzig. Mit fünfunddreißig wäre er bestimmt nicht mehr so wendig gewesen.
Ich verließ knapp nach ihm das Hinterzimmer der Bar.
Sumo stampfte über eine schmale Straße und erreichte eine staubige Baustelle mit zahlreichen Kränen. Von dem vielstöckigen Wohnhauskomplex, der hier hochgezogen werden sollte, stand vorläufig nur ein dürres Stahl-Beton-Gerippe mit nackten Treppen, rohen Zwischendecken und leeren Liftschächten. Gut sichtbar montierte Tafeln wiesen darauf hin, dass Unbefugten das Betreten der Baustelle verboten sei.
Doch darum scherte sich Sumo nicht. Und ich, gezwungenermaßen, auch nicht.
Der Killer fand irgendwo Deckung, und es behagte mir ganz und gar nicht, dass ich ihn nicht mehr sehen konnte. Schließlich wusste ich, wie extrem gefährlich er war. Ich blieb neben einer breiten Stahlsäule stehen, rief aus vollen Lungen seinen Namen und forderte ihn energisch auf, sich zu ergeben. Und zwar unbewaffnet.
Doch er dachte nicht im Traum daran, meinem Wunsch zu entsprechen. Wenn ich ihn kriegen wollte, musste ich ihn wohl oder übel suchen.
Das war zwar riskant, aber ich kniff trotzdem nicht.
Was sein muss, muss sein, sagte ich mir.
Sand knirschte unter meinen Schuhen, während ich mich, mit der schussbereiten Glock in der Faust, langsam vorwärts bewegte. Ich war voll konzentriert. Eine Menge Adrenalin kreiste in meinen Adern und schärfte meine Sinne.
Mir war klar, dass Dick Hoffman mich nicht in seine kräftigen Hände bekommen durfte, weil auch mein Genick nicht aus Titan war. Es würde genauso brechen wie das derer, die ihm bisher zum Opfer gefallen waren.
Ich kniff die Augen zusammen und hoffte, dass er sich mit einem Geräusch verriet, doch diesen Gefallen tat er mir nicht. Er verhielt sich im Moment völlig ruhig, bewegte sich überhaupt nicht, stellte sich tot.
Nüchtern betrachtet, befand er sich in der besseren Position, denn er brauchte nur abzuwarten und konnte mich kommen lassen, während ich ihn suchen musste. Ich würde erst wissen, wo er steckte, wenn ich auf ihn stieß, und in der Zwischenzeit konnte er sich bestens auf seinen Angriff vorbereiten.
Ich machte Sumo unmissverständlich darauf aufmerksam – und meinte das auch so –, dass ich von meiner Dienstwaffe Gebrauch machen würde, wenn er mich dazu zwingen sollte.
Hatte er mich gehört? War er überhaupt noch in der Nähe? Oder war es ihm einmal mehr gelungen, sich klammheimlich davonzustehlen?
Ich ging gespannt weiter. Und plötzlich war er da. Direkt hinter mir. Lautlos wie ein Gespenst. Wie er das geschafft hatte, war mir ein Rätsel.
Ich wirbelte herum. Sumos Gesicht war hassverzerrt. Er hatte mühelos einen schweren Zementsack hochgestemmt und schleuderte ihn mit ungeheurer Wucht gegen meinen Kopf.
Der Sack platzte auf. Puderfeiner grauer Staub bedeckte mich von oben bis unten, verstopfte mir Mund und Nase und nahm mir die Sicht.
Ich schoss, konnte aber nicht sehen, ob meine Kugel den Killer auch getroffen hatte. Vermutlich nicht. Während ich hustete und knirschenden Speichel ausspuckte, rannte Sumo einige Fertigbetonstufen hinauf.
Warum hatte er nicht nachgesetzt und die – für ihn günstige – Gelegenheit, mich gleich nachhaltig auszuschalten, genutzt? Hatte er etwa Hemmungen, einen G-man zu töten? Das konnte ich mir nicht vorstellen.
Ich wischte mir hastig den Staub aus den Augen und verfolgte den Koloss. Er wechselte vom ersten Stock in den zweiten und auch noch in den dritten.
Ich blieb ihm auf den Fersen. Ein Glück, dass es hier keinen Spiegel gab. Ich hätte mich wahrscheinlich selbst nicht wiedererkannt, kam mir vor wie ein Müller, der in sein eigenes Mehl gefallen ist. Das ekelhafte Zementpulver kratzte ganz entsetzlich in meinem Hals und machte mir das Atmen schwer.
Als ich in der dritten Etage ankam, empfing mich Dick Hoffman mit einer langstieligen Schaufel. Ehe ich es verhindern konnte, schlug mir damit schwungvoll die Glock aus der Hand. Dann ließ er die Schaufel fallen und stürzte sich mit vorgestreckten Pranken auf mich.
Sein Kampfstil war höchst unorthodox. Ich konnte mich nur sehr schwer darauf einstellen und kam dadurch immer mehr in Bedrängnis. Mir war klar, dass ich auf gar keinen Fall mit dem Kopf zwischen seine abortdeckelgroßen Hände geraten durfte, weil für mich sonst Feierabend wäre.
Doch genau darauf legte Hoffman es an. Ich ging etwas in die Hocke, stieß seine tödlich gefährlichen Pfoten nach oben und hämmerte im nächsten Moment so brutal auf den Fettwanst ein, dass ihm die Luft wegblieb.
Das brachte ihn aus dem Konzept und machte es mir endlich möglich, Oberwasser zu gewinnen.
Austeilen konnte Sumo gut, das hatte er bewiesen. Jetzt wollte ich sehen, wie gut er im Einstecken war.
Ich testete ihn gleich ordentlich: Magenhaken, Leberhaken, Schwinger, Uppercut. Damit verschaffte ich mir bei Hoffman nicht nur Respekt, sondern brachte den schweren Koloss sogar erheblich ins Wanken. Meine nächsten Kopftreffer machten ihm so sehr zu schaffen, dass er bereits nach wenigen Augenblicken mit kraftlos herabhängenden Armen hin und her taumelte.
Seine linke Augenbraue platzte auf, Blut rann aus seiner Nase. Dennoch hörte ich nicht auf, seinen fleischigen kahlen Schädel wie einen Punchingball zu bearbeiten.
Sein Blick wurde glasig. Ich attackierte seine Leber, die Milz und die Nieren, und bald war er stehend k. o.. Aber selbst dann war er noch verrückt genug, um alles, was er noch zu bieten hatte, auf eine Karte zu setzen.
Er senkte den runden, massigen, schweißglänzenden Kopf wie ein gereizter Corrida-Stier, brüllte laut und wollte mich auf die nicht vorhandenen Hörner nehmen.
Ich brauchte lediglich einen raschen Schritt zur Seite zu treten. Alles andere erledigte sich von selbst. Sumo erledigte sich gewissermaßen von selbst.
Ihm wurde zum Verhängnis, dass es ringsherum in diesem »Vogelhaus« noch keine Wände gab, die ihn hätten aufhalten können. Er stampfte schnaufend, blind und aggressiv vorwärts, übersah die Schaufel, mit der er mir die Pistole aus der Hand geschlagen hatte, stolperte über deren Stiel und stürzte aus dem dritten Stock entsetzt schreiend und mit verzweifelt, jedoch vergeblich rudernden Armen in die Tiefe. Sein fülliger Leib drehte sich während des Fallens, und er landete mit dem Rücken auf einer großen gelben Betonmischmaschine.
Als ich zu ihm hinuntersah, erkannte ich sofort, dass er tot war. Also trat ich zurück und klopfte mir den vielen Zementstaub vom Anzug. Sofort war ich in eine große graue Wolke eingehüllt und hustete bellend.
Nachdem ich meine Glock aufgehoben und weggesteckt hatte, stieg ich langsam die scharfkantigen Betonstufen hinunter.
Den Haftbefehl, auf dem Dick Hoffmans Name stand, konnte ich vergessen. Sumo hatte sich jeglicher irdischer Gerichtsbarkeit selbst entzogen.
Peyton Garrett leitete in Brooklyn mit seinem heißblütigen Sohn Wesley und mit Heath Dawney, dem wegen einiger grober Unregelmäßigkeiten die Anwaltslizenz entzogen worden war, so etwas wie eine Gewerkschaft namens Safeness. Genau genommen war es eine Gang.
Aber so wollte Peyton Garrett seine Interessenvertretung nicht genannt wissen. Weil dieses Wort naturgemäß sehr negativ besetzt war.
Wenn behauptet wurde, niemand sei seinem Verein aus freien Stücken beigetreten, erklärte er empört, das wäre eine glatte Lüge. Tatsächlich aber waren sämtliche Mitglieder entweder von ihm oder von einer ihm nahestehenden Person unter Druck gesetzt worden.
Öffentlich zuzugeben wagte das allerdings niemand. Und es blieb auch ein unbestätigtes »Gerücht«, dass jene, die sich Garretts Druck nicht gebeugt hatten, über Nacht und für immer sang- und klanglos von der Bildfläche verschwunden waren.
Da Peyton Garrett seinen Mitgliedern hohe Beiträge abverlangte, knirschten viele heimlich mit den Zähnen. Doch keiner hatte den Mut, seine Mitgliedschaft zu beenden.
Als Gegenleistung genoss man als Safeness-Mitglied – wenn man seine Beiträge regelmäßig und anstandslos bezahlt hatte – größtmöglichen Rundumschutz und konnte sich mit all seinen großen und kleinen Problemen an den Vorsitzenden wenden. Der entschied dann, wie und auf welche Weise die vorgetragene Angelegenheit aus der Welt geschafft werden sollte.
Als Büro diente dem stets sehr elegant gekleideten Gewerkschaftsboss seine Bar an der Sheepshead Bay. Sie hieß der Einfachheit halber ebenfalls Safeness.
Hier traf man Peyton Garrett sieben Tage in der Woche an. Und wenn er mal nicht da war, wusste einer seiner »Mitarbeiter«, wo er in dringenden Fällen zu erreichen war.
Soeben betrat Heath Dawney das Lokal. Der Mann, der sich mit den Gesetzen bestens auskannte und dem all ihre Schlupflöcher – selbst die allerkleinsten – bekannt waren, der aber seinen Beruf seit einigen Jahren nicht mehr ausüben durfte und bei Safeness eine neue berufliche Heimat gefunden hatte, sah gut aus. Leider war er etwas zu klein geraten und litt ein wenig unter seiner geringen Größe.
Heute vergaß er zu grüßen, was nicht oft vorkam.
»Sumo ist tot«, platzte es aus ihm heraus.
»Sumo?« Garrett, der wie immer an »seinem« Tisch im Hintergrund des Lokals saß, hob den Kopf und sah Dawney konsterniert an. »Sumo?«, wiederholte er und schüttelte ungläubig den Kopf. »Das gibt’s nicht. Tot? Das kann nicht sein, Heath. Den schafft doch keiner, das weißt du ebenso gut wie ich. Der kann sich nur selbst erledigen. Hatte er einen Unfall?«
»Zwei FBI Agents haben ihn im Kiss me aufgestöbert.«
»Wieso ist er mit denen nicht fertiggeworden?«
»Das waren nicht irgendwelche G-men.«
»Sondern?«
»Cotton und Decker.«
»Verdammt.«
Wesley Garrett, der zwanzigjährige Sohn des Gewerkschaftsbosses, kam von der Toilette zurück. Da er sich, als geborener Rebell, von seinem alten Herrn optisch unterscheiden wollte, kleidete er sich betont salopp. Sein Vater nannte es schlampig, doch das kratzte Wesley nicht.
Ihm fielen sofort Dawneys Kummerfalten auf.
»Ist was passiert?«, erkundigte er sich.
»Kann man wohl sagen«, knurrte sein Vater.
»Sumo …«, sagte Dawney.
»Unser starker Arm«, sagte Wesley Garrett feixend. »Was ist mit ihm?«
»Er lebt nicht mehr.«
»Wie, bitte?«
»Er ist tot.«
»Hat er sich aufgehängt, oder was?«
Heath Dawney berichtete, was man ihm gemeldet hatte.
Wesley Garrett war sofort auf hundert. Das ging bei ihm immer sehr schnell.
»Verdammte Scheiße«, wetterte er. »Sumo war doch untergetaucht. Soviel ich weiß, hatte er ein sehr gutes Versteck.«
Dawney seufzte. »Er hätte es nicht verlassen sollen, fühlte sich offenbar zu sicher.«
»Wie haben die Feds ihn gefunden?«
»Jemand hat ihn verpfiffen«, gab Dawney dunkel zur Antwort.
»Wer?«
»Desmond Rudd.«
Wesley Garrett schmetterte seine Faust zornig auf den Tisch.
»Dieses gottverfluchte Aas«, schrie er unbeherrscht.
»Rudd hatte eine Stinkwut auf Sumo«, sagte Dawney, der Safeness-Rechtsexperte, ohne dass er den Mann damit in Schutz nehmen wollte. »Wir wissen, warum.« Er sah Peyton Garrett an. »Wenn du die Sache nicht im letzten Moment abgeblasen hättest, hätte Sumo ihm den Hals umgedreht.«
»Es wäre nicht schade um ihn gewesen«, stieß Wesley Garrett hitzköpfig hervor. »Er hatte sich immerhin erdreistet, Gewerkschaftsgelder zu veruntreuen.«
»Wir haben alles von ihm zurückbekommen, und er hat sich respektvoll entschuldigt«, sagte Peyton Garrett gelassen. »Es ist uns durch ihn kein Schaden entstanden, deshalb habe ich Sumo zurückgepfiffen.«
»Und jetzt?«, fragte Wesley Garrett nörgelnd. »Jetzt haben wir ja doch einen Schaden, weil wir auf Sumos wertvolle Dienste nicht mehr zurückgreifen können. Du hättest ein Exempel statuieren müssen, Dad. Es war ein Fehler, mit diesem Kretin so nachsichtig zu sein. Rudd ist ein hinterhältiger Bastard. Man kann sich auf ihn nicht verlassen. Er wird sich schon bald wieder an unserem Geld vergreifen. Die Katze lässt das Mausen nicht. In meinen Augen lässt dein nachsichtiger Führungsstil erste Anzeichen von Schwäche erkennen, und das ist nicht gut für Safeness.«
Heath Dawney runzelte sorgenvoll die Stirn und schüttelte ernst den Kopf.
»Du solltest deinen Vater nicht auf diese Weise kritisieren, Wesley«, sagte er vorwurfsvoll.
»Was geht dich das an?«, schnauzte Wesley Garrett ihn wütend an.
»Es ist respektlos.«
Peyton Garrett nickte. »Heath hat recht, Wesley. Du solltest dich mäßigen.«
Er sprach leise und unaufgeregt. Doch der Junge wusste, dass sein Vater gerade dann am gefährlichsten war. Deshalb ruderte er hastig zurück und entschuldigte sich für sein ungebührliches Benehmen.
Peyton Garrett zog die Augenbrauen zusammen, als plagten ihn Blähungen. »Ich weiß, dass du ein Heißsporn bist, und ich frage mich manchmal ernsthaft, von wem du das geerbt hast. Deine Mutter, die leider viel zu früh von uns gehen musste, war ruhig und besonnen. Ich bin es auch. Vielleicht schlägt irgendein Großvater bei dir durch, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall wird es allmählich Zeit, dass du dich besser zu beherrschen lernst. Es ist zwar noch lange hin, schließlich bin ich erst fünfundvierzig, aber irgendwann wirst du Safeness übernehmen, und dann musst du diese aufbrausende Art abgelegt haben.«
»Es tut mir ehrlich leid, Dad«, sagte Wesley zerknirscht. »Ich wollte dich nicht beleidigen.«
»Schon gut.« Peyton winkte versöhnlich ab. »Du bist mein Sohn, deshalb kann ich dir nicht richtig böse sein. Vielleicht bin auch ich ein wenig an deinem aufbrausenden Wesen schuld. Kann sein, dass ich dir in der Vergangenheit zu viele Freiheiten gelassen habe. Wahrscheinlich hätte ich bei dir die Zügel etwas straffer halten und dich strenger erziehen müssen.«
Wesley Garrett zwang sich zu äußerlicher Ruhe.
»Was ist nun mit Rudd, Dad?«, fragte er gedämpft. »Was soll mit ihm geschehen?«
Peyton Garrett seufzte, als würde eine schwere Last auf seinen Schultern liegen.
»Wir haben seinetwegen einen sehr wichtigen Mann verloren.« Er betrachtete angelegentlich seine gepflegten Hände. »Sumo ist tot.«
»Lässt du Rudd das auch noch durchgehen?«, erkundigte sich Wesley ernst.
Peyton Garrett schüttelte langsam den Kopf. »Nein, Wesley, das kann ich nicht. Man würde mir diese Güte als Schwäche auslegen, und bald würde jeder nur noch tun, was er will. Unsere Gewerkschaft muss straff organisiert bleiben. Nur dann hat sie Bestand.«
Damit war Wesley sehr einverstanden. »Wenn du erlaubst, kümmere ich mich um den Verräter, Dad.«
Peyton Garrett nickte bedächtig.
»Tu das, mein Junge«, antwortete er. »Ja, tu das«, sagte er, wissend, dass er Desmond Rudd mit diesen Worten zum Tod verurteilte.
Ich stand unter der Dusche und wusch mir mit einem unaufdringlich duftenden Herren-Shampoo so gründlich wie möglich den Zement aus den Poren.
Einen schwächeren Mann hätte Dick Hoffman mit dem schweren Zementsack wahrscheinlich erschlagen, dachte ich. Der Bursche hatte Bärenkräfte. Aber zum Glück haben sie ihm zu guter Letzt nichts genützt.
Nachdem ich sämtliche Schaumflocken in den Abfluss gespült hatte, drehte ich den lauwarmen Wasserstrahl ab, verließ die Kabine und schlüpfte in meinen Bademantel.
Ich zog neue Sachen an, brachte meine stark verschmutzte Kleidung in die Reinigung und fuhr dann zum FBI Field Office an der Federal Plaza.
Phil saß in unserem gemeinsamen Büro am Computer und schrieb an der Rohfassung eines Berichts, den ich später lesen, ergänzen und mit unterschreiben würde, ehe wir ihn »nach oben« weiterleiteten.
»Jetzt siehst du wieder wie ein Mensch aus«, bemerkte mein Partner, nachdem er mich von oben bis unten betrachtet hatte.
»Haben dir deine Eltern nicht beigebracht, mehr auf die inneren Werte eines Menschen zu achten?«
»Hast du denn welche?«