Jerry Cotton 3279 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3279 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Eine Mordserie unter Männern indischer Herkunft rief das FBI auf den Plan. Die Morde erinnerten an Hinrichtungen im Mafia-Milieu, zumal es sich bei einem der vier Toten um den Sohn von Pujan Kapoor handelte - einem indisch-amerikanischen Filmproduzenten, dem nachgesagt wurde, einer der Köpfe eines in Mumbai beheimateten Syndikats zu sein. Angeblich finanzierte er seine Filme mit Drogenhandel und illegaler Prostitution.
Kapoor, wegen dem Tod seines Sohnes am Boden zerstört, machte eine rivalisierende Gang für die Morde verantwortlich und gab seinerseits entsprechende Racheaktionen in Auftrag. Ein Bandenkrieg drohte. Doch Phil und mir kamen schnell Zweifel an Kapoors Theorie. Vielmehr führte uns eine Spur zum Drehort einer bunten Bollywood-Produktion ...

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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Der Mörder von Bollywood

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: IVASHstudio/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9645-4

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Der Mörder von Bollywood

Rafi Kapoor lehnte sich gegen die Wand des lagunenförmigen Beckens, schloss die Augen und genoss die Wärme und die Feuchtigkeit an seinem drahtigen Körper. Dampf wallte wie Theaternebel durch den gekachelten Raum und hinterließ kleine Tröpfchen auf der kaffeebraunen Haut des indischen Geschäftsmannes.

Hier konnte er abschalten. Hier dachte er weder an die Arbeit noch an die zahlreichen Freizeitaktivitäten, die seinen Terminkalender füllten.

Und schon gar nicht dachte er an den Tod, obwohl dieser bereits mit gewetzter Sense neben ihm stand …

An diesem Morgen hatte Rafi das marmorne Dampfbad ganz für sich alleine. Was einer der Gründe war, weshalb er den in Brooklyn gelegenen Hamam, der den griechischen Wohlfühl-Tempeln der Antike nachempfunden war, bevorzugt an einem Mittwochvormittag besuchte.

In seinem Alltag war er stets von Menschen umgeben. Auch in diesem Moment warteten zwei schwarz gekleidete Kleiderschränke mit verspiegelten Sonnenbrillen und geladenen Schusswaffen in einem vor dem Eingang geparkten S-Klasse-Mercedes auf seine Rückkehr.

Heute stand einiges an, aber auch davon ließ sich Rafi nicht aus der Ruhe bringen. Ein entrücktes Lächeln legte sich auf sein Gesicht, während die wohlige Wärme, das sanfte Plätschern und die leise orientalische Meditationsmusik alle Anspannung aus seinem Körper vertrieben.

Er nahm die Hände aus dem Wasser, legte die Arme am Beckenrand ab und blieb, wie gekreuzigt, auf dem Boden der künstlichen Lagune sitzen. Er fühlte sich leicht wie eine Feder …

Zwei Minuten vergingen, dann wurde die Ruhe durch ein Geräusch jäh gestört. Es hörte sich an, als sei die isolierte Tür des blau gekachelten Raumes kurz geöffnet und gleich darauf wieder leise verschlossen worden.

So viel zum Thema Ruhe und Einsamkeit, dachte Rafi, ohne die Augen zu öffnen.

Nicht, dass das ungewöhnlich gewesen wäre. Obwohl er die Stoßzeiten vermied, kam es selten vor, dass er das Becken nicht mit wenigstens einem oder zwei anderen Gästen teilen musste. Solange die sich an die Hausordnung hielten, ihre Gespräche auf ein Minimum reduzierten und ausreichend Abstand hielten, ließ er sich davon nicht aus der Ruhe bringen.

Rafi wartete auf die platschenden Schritte, mit denen der Besucher über die kleine Treppe in das Becken steigen würde. Danach würde er rasch in seinen meditativen Zustand zurückkehren und dort die verbleibenden zwanzig Minuten verharren.

Er wartete. Und wartete.

Erst als auch nach einer gefühlten Minute das vertraute Geräusch ausblieb, öffnete Rafi die Augen und sah sich um – ohne dabei viel zu sehen. Der Dampf war dichter geworden, wallte nicht mehr in Schwaden über das Becken, sondern bildete eine fast schon massive Wand.

Seltsam … Der Inder richtete sich auf, hob erst nur den Oberkörper aus dem Wasser, lauschte weiter, dann stemmte er sich auf die Beine.

Noch immer war nichts zu hören. Nichts außer dem plätschernden Brunnen in der Beckenmitte und der Musik, die erst unmerklich, dann immer weiter anschwoll, bis sie einen fast unangenehmen Lautstärkepegel erreichte.

»Hallo, ist da wer?«

Mit einem seltsamen Pochen in der Magengegend drehte sich Rafi langsam um die eigene Achse. Einen kurzen Moment lang lichtete sich der Nebel. Nur kurz, nur ein wenig, doch lang genug, um den dunklen Schatten zu erkennen, der in diesem Moment am Beckenrand entlanghuschte, bevor er wieder von den Schwaden verschluckt wurde.

Zu den glitzernden Perlen auf seiner Stirn gesellte sich noch eine andere Art von Schweiß. Eine, die er sonst nur bei anderen Menschen wahrnahm – Angstschweiß.

Oft genügte Rafis bloße Gegenwart, um den bei seinem Gegenüber ausbrechen zu lassen. Kapoors Ruf eilte ihm voraus, und er kam nicht von ungefähr. Die Momente, in denen er selbst nackte, lähmende Angst verspürt hatte, konnte er dagegen an drei Fingern abzählen.

Jetzt war ein solcher Moment.

Zeit seines Lebens hatte er sich damit gerühmt, eine Art sechsten Sinn zu haben. Eine Art außersinnlicher Wahrnehmung, die ihn dazu befähigte, Gefahren aus dem Weg zu gehen. Oft genügten schon geringe Abweichungen von der Normalität, um seine Alarmglocken schrillen zu lassen.

Rafi begann, sich im Kreis zu drehen, den Blick auf die wallende Nebelwand gerichtet, die, wie um seine Sinne zu narren, ihrerseits Formen und Schatten bildete.

Erneut glaubte er, durch die sich kurz lichtenden Schwaden eine Gestalt zu erkennen. Dort hinten, bei der Treppe. Eine Person, ganz in Schwarz …

Ein lebender Schatten! Ein Geist!

Nein, natürlich nicht. Sein Gegenüber war aus Fleisch und Blut, davon war Rafi felsenfest überzeugt.

Natürlich kannte er die Sagen und Legenden seines Volkes. Er war damit aufgewachsen, hatte sie förmlich mit der Muttermilch aufgesogen. Die indische Mythologie war voll von Rachegeistern und finsteren Dämonen.

Dennoch wusste er, dass er zu viele menschliche Feinde hatte, die seinen Tod wollten, als dass sich die Geisterwesen eigens aus den Tiefen Narakas, der hinduistischen Unterwelt, in diesen Hamam im Norden Brooklyns bequemen mussten. Und hier hatten sie ihn, wie sie ihn brauchten: fast nackt und vollkommen schutzlos.

Rafi spitzte die Ohren, achtete auf jedes noch so geringe Geräusch, während die Musik im Hintergrund weiter anschwoll.

Ohne die Stelle, an der die Gestalt gerade noch zu sehen gewesen war, aus den Augen zu lassen, bewegte sich Rafi wieder rückwärts durch das Wasser, bis er die Wand des Beckens in seinem Rücken spürte. Er wollte sich gerade umdrehen, um sich mit seinen muskulösen Armen aus dem Wasser zu stemmen, als sich ihm etwas von hinten um seine Kehle legte.

Schon als er die Kühle des dünnen Metalls auf seiner schweißnassen Haut spürte, wusste Rafi, worum es sich dabei handelte. Er hatte diese Waffe selbst schon ein ums andere Mal benutzt. Oft nur, um seinem Gegenüber Angst einzujagen, manchmal aber auch, um es für immer zu beseitigen.

Sein Gegner hatte offenbar letzteres im Sinn, denn die Drahtschlinge zog sich erbarmungslos zu.

Rafi riss die Hände an seinen Hals. Versuchte verzweifelt, seine schlanken Finger unter den Draht zu bekommen, während sein Gesicht bereits dunkelrot anlief und ihm die Augen aus den Höhlen quollen.

Einen kurzen Moment lang dachte Rafi noch an die beiden Idioten, die mit geladenen Waffen draußen beim Wagen warteten und wohl nicht einmal ahnten, dass ihr Boss in diesem Moment einen aussichtlosen Überlebenskampf führte.

Dann dachte er an den Ewigen Kreislauf des Lebens, an den viele seiner Landsleute glaubten. Er konnte nur hoffen, dass das wirklich nur der Aberglaube war, für den er ihn immer gehalten hatte. So, wie er sein Leben gelebt hatte, würde er im nächsten Leben als Stein wiedergeboren werden.

Das war sein letzter Gedanke, bevor sein unsichtbarer Gegner die Schlinge noch einmal anzog. So fest und abrupt, dass Rafi bis zum Bauchnabel aus dem Wasser gehoben wurde.

Dann sackte sein Kopf leblos nach unten. Sekunden später löste sich die Schlinge von seinem Hals. Ganz langsam, wie in Zeitlupe, rutschte der Leichnam an der konkav gekrümmten Beckenwand entlang zu Boden.

Als er bis zur Stirn im heiß blubbernden Wasser verschwunden war, hatte sein Mörder den Hamam schon wieder verlassen.

Ein strenges Räuspern ließ mich abrupt innehalten. Es war hinter mir aufgeklungen und stammte von einer jungen Frau.

Von einer äußerst attraktiven jungen Frau, wie ich mit einem Blick über meine Schulter feststellte. Sie hatte schwarze Haare, dunkle Augen, einen kaffeebraunen Teint, und ihr gertenschlanker, fast knabenhafter Körper steckte in einem fachmännisch geknoteten weißen Sari, der ihre rechte Schulter aussparte.

Weniger anregend war ihr strenger Blick, mit dem sie Phil und mich musterte. Ihr ausgestreckter Zeigefinger zeigte auf ein an der Wand angebrachtes Schild, das in drei Sprachen dazu aufforderte, den Saunabereich des Hamam nicht mit Straßenschuhen zu betreten. Zumindest nahm ich an, dass in der arabischen und der Sanskrit-Fassung dasselbe zu lesen war wie in der englischen.

Phil und ich warfen uns einen kurzen Blick zu, dann zückte ich meinen Dienstausweis, den ich der jungen Inderin am ausgestreckten Arm entgegenhielt. Meist wirkten die drei Buchstaben wie ein Sesam-öffne-Dich, doch unser Gegenüber zeigte keine Spur von Respekt, sondern schüttelte entschieden den Kopf.

»Hören Sie, sprechen Sie Englisch?«, setzte Phil an. »Ich bin Special Agent Phil Decker vom FBI, und das ist mein Partner …«

»Keine Chance, Kollege.« Diese Stimme gehörte zu einem Mann und war wiederum hinter uns aufgeklungen.

Wir drehten uns erneut um, diesmal in Richtung der Tür, hinter der Arbeit auf uns wartete, weswegen wir etwas ungehaltener reagierten als unter normalen Umständen. Dort stand jetzt ein Polizei-Kollege, Sergeant Paul Delaney, dem wir in dieser Woche bereits an den Tatorten zweier weiterer Morde begegnet waren. Immer stammten die Opfer aus der indisch-stämmigen Community. Jedes Mal war als Mordwaffe eine Drahtschlinge zum Einsatz gekommen.

Nicht nur das deutete auf Taten im Mafia-Milieu hin. Aber da wir mit unseren Ermittlungen noch relativ am Anfang standen, war das bisher nur eine Vermutung.

Delaney sah uns mit einem verunglückten Grinsen an. Erst jetzt fiel mein Blick auf die »modischen« Badelatschen, die er zu seiner Anzughose und dem nassgeschwitzten Hemd trug. Obwohl die Anlage ausgeschaltet war, mussten im Saunabereich und im dazugehörigen Dampfband noch immer tropische Temperaturen herrschen.

»Am besten, ihr fügt euch einfach, dann sparen wir uns eine längere Diskussion. Die Dame versteht euch eh nicht.«

Wir drehten uns wieder zu der Inderin um, die uns bereits zwei Paar identische Gummilatschen mit dem Logo des Hamam entgegenhielt. Wo sie diese auf einmal hergezaubert hatte, wusste ich nicht, aber ich nahm sie – genau wie mein Partner – grummelnd entgegen.

Dann zog ich umständlich die Schuhe aus und die Latschen über. Überflüssig zu erwähnen, dass ich mir selten dämlich vorkam, während ich Phil und Delaney unter dem zufriedenen Blick der Inderin durch die Tür in den Saunabereich folgte.

Kollegen der Spurensicherung waren bereits bei der Arbeit. Während wir an ihnen vorbei durch die mondän gestaltete Saunalandschaft in Richtung Dampfbad gingen, gab Delaney uns eine kurze Zusammenfassung dessen, was er bereits wusste.

»Der Tote heißt Rafi Kapoor, gebürtiger Inder, Geschäftsmann … Die Tatzeit lässt sich auch ohne Gutachten schon sehr genau eingrenzen. Kapoor kam hier um kurz nach acht an. Zehn Minuten später fand eine Mitarbeiterin des Hamam seine Leiche im Wasser treibend.« Er sah auf die Uhr. »Also vor etwa einer Stunde.«

»Und keiner hat etwas bemerkt?«, hakte ich ungläubig nach.

Delaney blieb an der Tür zum Dampfbad stehen und drehte sich zu uns um.

»Mittwochvormittag ist um diese Zeit relativ wenig los. Die meisten Gäste kommen wohl erst ab zehn. Man muss Mitglied sein, um dieses Spa zu besuchen. Deshalb kommen fast nur Stammgäste und praktisch keine Laufkundschaft.«

»Und der Tote, dieser Kapoor, der war ganz alleine hier?«

Delany wiegte den Kopf. »Na ja, nicht ganz. Zwei seiner Mitarbeiter haben vor dem Eingang auf ihn gewartet. Einer unserer Kollegen redet gerade draußen im Auto mit ihnen.«

Delaney zog die Tür auf. Ein Schwall heißer Luft kam uns entgegen, wie ein schwül-nasser Tropenwind. Auf meiner Haut bildeten sich augenblicklich Schweißperlen.

Phil und ich folgten Delaney in den gekachelten Raum, der fast vollständig von dem lagunenförmigen Becken eingenommen wurde. Eine Metallleiter führte an einer Seite hinein.

In der Mitte befand sich ein kleiner Brunnen mit einer Amphore, aus der Wasser plätscherte. Und am Beckenrand, nahe dem Eingang, lag die Leiche des orientalisch aussehenden Mannes.

Sein Anblick erinnerte mich im ersten Moment an einen Ertrunkenen: dieselbe bläulich-fahle Gesichtsfarbe. Nur der dünne, blutige Striemen am Hals verriet die tatsächliche Todesursache.

Wir begnügten uns mit einem kurzen Blick, dann verließen wir den Raum wieder. Besonderheiten oder mögliche Spuren würde die rechtsmedizinische Untersuchung zutage fördern. Mich interessierte im Moment etwas ganz anderes.

»Wie ist der Mörder reingekommen?«, fragte ich Delaney, als wir wieder im Saunabereich waren. »Sie sagten, die Begleiter hätten vor dem Eingang gestanden.«

Delaney nickte. »Vermutlich durch den Mitarbeitereingang am gegenüberliegenden Ende des Gebäudes. Ich zeige ihn euch.«

Der Kollege des Morddezernats des NYPD führte uns in einen sterilen Gang, vorbei an den Umkleidekabinen, dann durch eine schwere Tür mit der Aufschrift »Nur für Mitarbeiter«. Dem Geruch nach befanden sich hier die Wäscheräume, außerdem ein Handtuch- und Gerätelager. Hinter einer Gangbiegung trafen wir auf eine weitere Tür, die in einen kleinen Innenhof führte.

»Und diese Tür war geöffnet?«, fragte ich verwundert.

Delaney verneinte. »Abgeschlossen …«

»Aber wie …?«, setzte Phil an, doch Delaney brachte ihn mit einer knappen Handbewegung zum Verstummen.

Er bat meinen Partner, in der geöffneten Tür stehen zu bleiben, während er mich zu den Müllcontainern lotste, die auf der rechten Seite des Innenhofs aufgereiht standen. Dort blieben wir stehen.

Hätten wir es darauf angelegt, uns vor Phil zu verstecken, wäre das mühelos möglich gewesen. Die breiten Container hätten uns beiden ausreichende Deckung geboten.

»Phil, geh in normalem Tempo durch den Toreingang rechts von dir.«

Der Durchgang, den ich erst jetzt von meiner aktuellen Position aus bemerkte, befand sich auf der linken Seite des Hofs. Vom Hintereingang des orientalischen Spas trennten ihn nur wenige Schritte.

Phil tat wie verlangt. Während er schnurstracks, aber ohne besondere Eile auf den Torbogen zuging, der auf die Straße hinausführte, fiel hinter ihm die Tür wie in Zeitlupe zu.

Als Phil aus unserem Blickfeld verschwunden war, rannte Delaney los, geriet dabei jedoch in seinen Schlappen ins Stolpern. Um ein Haar wäre er umgeknickt, doch er fing sich wieder und konnte gerade noch den Fuß in den Spalt stellen, bevor die Tür vor ihm ins Schloss gefallen wäre.

»Verstehe«, sagte ich, während ich ihm langsamer folgte. Auch Phil trat wieder aus dem Tor und kam zu uns zurück. »Der oder die Täter hätten sich also nur verstecken und dann warten müssen, bis ein Mitarbeiter das Gebäude betritt oder verlässt.«

Mein Blick wanderte an den vierstöckigen Fassaden entlang, die den kleinen Hof begrenzten.

»Sind das Büros?«, erkundigte ich mich.

Delaney bejahte. »Meine Kollegen hören sich dort gerade um, aber ich fürchte, für die meisten Angestellten beginnt der Arbeitstag erst ab neun.«

»Uns reicht einer, der vielleicht etwas gesehen hat«, meinte Phil. »Sind irgendwo in diesem Hamam Überwachungskameras installiert?«

»Natürlich nicht im unmittelbaren Bade- oder Saunabereich, aber in einigen Gängen. Viel wird darauf nicht zu sehen sein, aber wir schicken sie euch ins Field Office.«

Ich nickte zufrieden. Die Zusammenarbeit mit dem NYPD klappte, wie fast immer, reibungslos. Delaney schien allerdings auch nicht besonders unglücklich darüber zu sein, dass er den Fall an uns abgeben konnte.

»Ich weiß nicht, wie es dir geht, aber ich würde wahnsinnig gerne mit den beiden Begleitern des Ermordeten sprechen«, meinte Phil.

»Hier ums Eck bei meinen Kollegen«, erklärte Delaney und deutete grob in die Richtung.

»Dann gehen wir doch gleich hier durch«, meinte mein Partner und steuerte den Torbogen an.

»Ähm, Phil …«

Er blieb stehen und drehte sich mit fragendem Blick zu mir um. Ich begnügte mich damit, wortlos auf die Gummischlappen an seinen Füßen zu deuten.

»Hast recht.« Mein Partner nickte bestimmt. »Schnappen wir uns im Vorbeigehen lieber unsere Schuhe …«

Die beiden Männer hießen Amit und Abhinav Sathe, waren Brüder und standen seit über zehn Jahren im Dienste von Rafi Kapoor. Das alles erfuhren wir im Fond des schwarzen Polizeivans, der auf dem kleinen Parkplatz des Hamam parkte.

Woraus diese »Dienste« bestanden, wurde uns auch bei mehrmaligem Nachbohren nicht so ganz klar. Die beiden verstanden sich als eine Art »Mädchen für alles«, aber unter anderem waren sie wohl für den Schutz ihres Brötchengebers verantwortlich. Eine Aufgabe, bei der sie kläglich versagt hatten.

»Sie saßen also seit acht Uhr in Mister Kapoors Wagen und haben dort auf seine Rückkehr gewartet? Und in all der Zeit haben Sie nichts Verdächtiges bemerkt?«

Amit schüttelte den Kopf. Die Venen an seinem dicken Hals traten wie Stahlseile hervor.

»Alles war wie immer«, versicherte er. »Kein einziger Gast hat den Hamam betreten.«

»Erst als es fünf Minuten über der Zeit war, haben wir angefangen, uns zu wundern. Wir haben noch mal fünf Minuten gewartet und sind dann …«

»Warum?«

Der Inder hob überrascht den Kopf und sah meinen Partner an, als habe der etwas unfassbar Dämliches von sich geben.

»Niemand stört Rafi bei seinem Dampfbad.«

»Offensichtlich doch«, sagte ich kaum hörbar.

»Sie haben das Spa dann also betreten …?«, fügte mein Partner schnell hinzu.

Amit nickte eifrig.

»Die Mitarbeiter hatten ihn da schon entdeckt? Polizei und Notarzt trafen wenige Minuten später ein?« Das hatte uns Delaney auf dem Rückweg durch die Anlage erzählt.

Jetzt nickte Abhinav. Die beiden Maßanzugträger schienen sich bei ihren Reaktionen abzuwechseln, so als wollten sie jede unnötige Bewegung vermeiden.

»Haben Sie am Tatort irgendetwas berührt oder gar verändert?«, wollte Phil wissen.

Wieder nur ein stummes Kopfschütteln.

»Na gut.« Ich beschloss, das Thema zu wechseln. »Wissen Sie, ob Ihr Boss Feinde hatte? Wurde er vielleicht bedroht?«

Diesmal musterten mich beide mit einem fast schon bedauernden Blick.

»Wer keine Feinde hat, hat keinen Charakter«, sagte Amit nach einer längeren Pause.

»Gandhi?«, fragte ich stirnrunzelnd.

Amit schüttelte umgehend den Kopf. »Paul Newman.«

»Der Filmschauspieler«, fügte sein Bruder hinzu, nachdem Phil und ich ihn sekundenlang fragend angestarrt hatten. »Unser Boss war ein großer Fan.«