Jerry Cotton 3280 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3280 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Drei Mitarbeiter einer Pharmafirma, die die Zulassung eines neuen Medikaments gegen psychische Erkrankungen forcierte, sollten gemeinsam der fahrlässigen Tötung angeklagt werden. Bei einem Test an erkrankten Menschen hatten sich drei Probanden das Leben genommen. Trotz oder wegen des Medikamentes?
Dann wandte sich Emma Stevenson, selbst Probandin der Testgruppe, an Iris McLane. Sie berichtete von Gesprächen zwischen den drei Mitarbeitern, in denen sie sich über die Risiken des Medikamentes unterhalten hatten.
Am Tag darauf, noch bevor sie die Beweise vorlegen konnte, starb Emma Stevenson bei einem Unfall. Mit Hochdruck arbeiten Phil und ich daran, Beweise dafür zu finden, dass sie ermordet wurde ...

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Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Tödliche Nebenwirkungen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelfoto: Pixel-Shot/shutterstock

Datenkonvertierung eBook: César Satz & Grafik GmbH, Köln

ISBN 978-3-7325-9646-1

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Tödliche Nebenwirkungen

Vivienne Becker setzte sich in ihren Wagen und startete den Motor. Sie war optimistisch an diesem Morgen, geradezu euphorisch. Das lag bestimmt daran, dass das Medikament, das sie seit einer Woche bekam, endlich anschlug.

Sie fuhr aus der Garage, bog in die Madison Avenue ein und fuhr das Fenster herunter. Die Sonne schien, und der Fahrtwind streichelte ihr Gesicht. Schon lange hatte sie sich nicht mehr so wohl gefühlt.

Sie wollte eben das Radio lauter drehen, als etwas, was aussah wie eine Mischung aus einem Hund und einem Alligator, auf ihre Motorhaube sprang. Sie spürte, wie ihr Herz in einem alles überwältigenden Schmerz zu explodieren drohte, verlor die Kontrolle über ihren Wagen und rammte mit voller Wucht den Müllwagen, der von links aus der 42th Street kam.

Vivienne Becker war tot, bevor sie realisieren konnte, dass da nichts gewesen war, außer einer Taube, die gegen die Windschutzscheibe geflogen war.

Es klingelte an der Tür zu ihrem Apartment. Dr. Iris McLane ging zur Tür, zog sich flüchtig ihre bequeme Jogginghose, die sie immer trug, wenn sie zu Hause einen gemütlichen Tag verbringen wollte, hoch und öffnete.

Es war Emma Stevenson, eine Freundin aus Studienzeiten, mit der sie sich in den letzten Jahren ab und an getroffen hatte.

Iris war etwas überrascht. Sie standen sich eigentlich nicht so nahe, dass man an einem Sonntagmorgen einfach an der Tür erschien, ohne sich vorher anzumelden. Trotzdem ließ sie Emma sofort herein.

Die ehemalige Kommilitonin setzte sich auf das bequeme Sofa, das direkt neben Iris’ Arbeitstisch im Wohnzimmer stand, und sie bot ihr einen Tee an.

»Nein, danke«, lehnte Emma lächelnd ab. »Ich will dich nicht lange stören. Ich habe da nur eine Frage. Ein Glas Wasser würde mir reichen.«

Iris McLane ging in die Küche, goss Wasser in zwei Gläser und kam zurück ins Wohnzimmer. Sie hatte sofort bemerkt, dass Emma über irgendetwas beunruhigt war. Sie lächelte, aber ihre Augen lächelten nicht mit.

Außerdem hatte Iris bemerkt, dass ihre Bekannte ungeschminkt war und ihre Nägel abgekaut. Emma war immer eine sehr auf Äußerlichkeiten bedachte Frau gewesen, schon zu Studienzeiten. Und auch in den letzten Jahren, in denen sie bereits an Depressionen erkrankt gewesen war, hatte sie immer sehr viel Wert darauf gelegt, zumindest den Schein zu wahren.

Irgendetwas musste passiert sein, was sogar ihre Mauer aus Routinen, die bei Depressionen häufig den letzten Schutzwall bildeten, zum Einsturz gebracht hatten.

Iris setzte sich Emma gegenüber, reichte ihr das Wasser und sah ihr fragend in die Augen.

»Was ist los, Emma?«, fragte sie mitfühlend. In ihrem Tonfall schwang sowohl ihre Professionalität als Psychologin als auch ihre freundschaftliche Verbundenheit mit.

Emma trank einen Schluck Wasser und sah sich um.

»Hübsch hast du es hier«, sagte sie, wieder mit diesem Lächeln, das ihre Augen nicht erreichte. »Schöner als damals in unserer Studentenbude.«

Iris McLane war ihrem Blick nicht gefolgt. Ruhig sah sie ihre Freundin an.

Sie kannte das. Sowohl von ihren früheren Patienten als auch von den Kriminellen, mit denen sie es seit Jahren beim FBI zu tun hatte.

Aber sie würde sich nicht auf ein Ablenkungsmanöver einlassen. Auch bei einer alten Freundin nicht.

»Geht es um die Pillen, die du bei der Testreihe einnehmen musst?«, fragte sie geradeheraus und beobachtete scharf jede noch so kleine Reaktion ihres Gegenübers. »Wirken sie nicht?«

Emma schüttelte den Kopf, kratzte sich mit einer Hand nervös am Knie und stellte das Glas auf den Tisch. Etwas zu heftig, sodass Wasser überschwappte.

»Doch«, versicherte sie mit leicht zitternder Oberlippe. »Doch, wunderbar. Es geht mir schon viel besser als vor ein paar Monaten. Danke, dass du mir die Teilnahme da empfohlen hast. Nein, es geht um etwas anderes … Etwas …«

Sie unterbrach sich und sah Iris jetzt das erste Mal direkt an.

»Oder eigentlich doch«, sagte sie, jetzt mit festerer Stimme. »Es geht um Layland Pharmaceutics. Ich dachte, ich rede mal mit dir darüber. Mir geht es ja gut, aber es ist eine ziemlich ernste Sache. Hast du denn nicht mitbekommen, was da passiert ist?«

»Nein«, antwortete die Psychologin. »Ich war einige Wochen nicht in New York. Ein kurzer Urlaub, dann ein Kongress in San Diego … Ich bin erst gestern Abend spät nach Hause gekommen. Hatte noch nicht einmal Zeit, meine Post abzuholen, geschweige denn einzukaufen. Was ist denn passiert bei Layland?«

»Nein, nein«, rief Emma, beide Hände abwehrend erhoben. »Es stand ja auch noch nichts in den Zeitungen. Es ist nicht deine Schuld. Ich wollte nur fragen, wie du mit … Nun ja, wie du mit Layland so stehst? Du hast ja damals sogar für sie gearbeitet. Und da wollte ich mal hören … weil du mir ja gesagt hast, ich soll das mal versuchen. Und jetzt …«

Emma brach mit einem Stöhnen ab und vergrub ihr Gesicht in beiden Händen.

Bei Iris McLane schrillten inzwischen alle Alarmglocken. Hier schien es um etwas Ernstes zu gehen. Das hier war nicht nur der sonntägliche Besuch einer Freundin, die etwas von der Rolle war.

Sie stand sofort auf, ging um den Tisch herum, setzte sich neben Emma und nahm sie in den Arm. Emma weinte jetzt hemmungslos, und Iris versuchte, ihrer Verwirrung Herr zu werden.

Vor ungefähr drei Monaten hatte sie ihre Freundin das letzte Mal gesehen. Das letzte Mal nach einer Reihe von Treffen, bei denen Emma ihr – mit der bei solchen Erkrankungen nicht unüblichen Scham – eröffnet hatte, dass sie seit Jahren unter schweren Depressionen litt.

Stück für Stück hatte Iris ihr entlocken können, dass sie zunächst gar nicht in Behandlung gewesen war, sondern versucht hatte, mit Naturheilmitteln gegen ihre Stimmungsschwankungen anzugehen. Dann hatte sie sich, notgedrungen, in Behandlung bei einem Psychiater begeben, der ihr auch sofort eine ganze Reihe von Psychopharmaka verschrieben hatte – die sich aber allesamt als nicht ausreichend erwiesen hatten. Die dunklen Phasen, wie Emma es nannte, waren immer schwärzer und länger geworden, und schließlich hatte sie sogar einen Suizidversuch unternommen.

Iris McLane war nicht erstaunt gewesen über diese Eröffnung. Geahnt hatte sie so etwas schon seit Längerem, aber wirklich gewusst eben nicht. Kein Wunder, schließlich funktionierten viele Menschen mit einer depressiven Erkrankung nach außen hin gut.

Irgendwann hatte sie Emma dazu gebracht, mit ihrem Psychiater über einen Wechsel der Behandlungsmethode zu sprechen. Natürlich hatte sie sich nicht einmischen können – Emma war nicht ihre Patientin –, aber sie hatte von der Entwicklung einer Reihe von neuen, auf natürlichen Substanzen beruhenden Pharmazeutika bei Layland Pharmaceutics gehört, die besonders erfolgversprechend zu sein schienen. Außerdem hatte Iris ihr – natürlich in Absprache mit Emmas Psychiater – empfohlen, sich bei Layland für die Teilnahme an einer Testreihe zu bewerben.

Emma beruhigte sich langsam. Sie nahm den Kopf hoch, ließ sich von Iris die Haare aus dem Gesicht streichen und sah sie aus verquollenen Augen an.

»Wie waren die denn so … Damals, als du für sie gearbeitet hast?«, wollte sie wissen.

McLane war sich nicht ganz sicher, was hier lief, aber sie wusste, dass sie jetzt absolut ehrlich sein musste. Emmas Vertrauen ihr gegenüber stand auf dem Spiel, das spürte sie so deutlich, wie sie ihr Gesicht vor sich sah.

»Sehr gut«, sagte sie mit fester Stimme. »Sie waren wirklich immer sehr gründlich. Haben alles nochmal und nochmal getestet, bevor sie etwas den Leuten gegeben haben. Und wenn Zweifel auftauchten, haben sie die Testreihen sofort beendet. Ich habe damals direkt mit dem damaligen Chief Operating Officer, der für die Ausrichtung der Testreihen verantwortlich war, zusammengearbeitet. Er war mein Mentor an der Uni. Leider ist er vor zwei Jahren gestorben. Ich hätte dir Layland nicht empfohlen, wenn ich nicht absolut sicher gewesen wäre, dass dort alles mit rechten Dingen zugeht!«

Sie nahm Emmas Gesicht in beide Hände und sah ihr tief in die Augen.

»Das ist es doch, was du hören wolltest, oder?«, fragte sie.

Mein Handy klingelte, als ich mich gerade bereit machte, mir das gestern Abend aufgezeichnete Spiel der New York Yankees anzusehen. Es war Iris McLane.

»Ah, wieder zurück?«, fragte ich. »Wie war dein Urlaub? Und der anschließende Kongress?«

»Der Urlaub war wunderbar«, erwiderte die Kollegin. »Für den Kongress hatten sie uns in einem absolut mittelmäßigen Hotel untergebracht, davon abgesehen: alles gut. Aber das ist nicht der Grund, warum ich anrufe! Ich habe eine Freundin bei mir und würde gern bei dir vorbeikommen. Wir haben ein Problem!«

Mit einem Seufzer sah ich zu der geöffneten Flasche Light Beer, der Schüssel mit Erdnüssen daneben und auf die Fernbedienung, die schon erwartungsvoll rot blinkte. Die Yankees würden wohl noch warten müssen.

Als die beiden Frauen angekommen waren, setzten wir uns in die Küche, und Iris McLane machte uns kurz miteinander bekannt. Dabei betonte sie, dass ich nicht nur ein Kollege, sondern auch absolut vertrauenswürdig sei. Emma solle keine Bedenken haben, mir alles zu erzählen. Wie wir mit den Informationen dann umgehen würden, würden wir gemeinsam festlegen.

Ich bestätigte ihren Plan mit einem Nicken.

»Sagt Ihnen der Name Layland Pharmaceutics etwas?«, fragte mich Emma daraufhin.

»Seit knapp dreißig Jahren internationaler Marktführer in Sachen Psychopharmaka«, erwiderte ich. »Haben im Moment Probleme mit einer Reihe ungeklärter Todesfälle. Innerhalb einer Woche sind drei Probanden einer Testreihe gestorben. Für Anfang übernächster Woche hat der zuständige Staatsanwalt eine Sitzung der Grand Jury einberaumt, auf der entschieden werden soll, ob Anklage erhoben wird. Die Beweislage ist – wie immer in solchen Fällen – schwierig.«

Emma nickte. »Ich habe an der Testreihe teilgenommen, bei der es zu den Todesfällen gekommen ist.«

»Und?«, hakte ich vorsichtig nach. »Können Sie etwas zu den Todesfällen sagen?«

Emma Stevenson sah unsicher zu meiner Kollegin hinüber.

»Sie hat ein Gespräch belauscht, aus dem hervorgeht, dass bei der Testreihe nicht alles mit rechten Dingen zugegangen ist«, übernahm Iris. »Die erste Testreihe wird in der Regel mit gesunden Probanden durchgeführt. Es wird lediglich getestet, wie sich der Wirkstoff im menschlichen Körper verhält. Die zweite Testreihe wird dann mit erkrankten Personen durchgeführt. Hier zeigt sich, ob der Wirkstoff wirklich gegen die spezifischen Beschwerden hilft.«

Sie räusperte sich kurz.

»Ich hatte Emma die Teilnahme empfohlen, weil die bisherigen Medikamente bei ihr nicht richtig anschlugen«, fuhr sie dann fort. »Gewöhnlich dauert es mehrere Jahre, bis ein Medikament zugelassen wird, aber dieses Medikament sollte wohl deutlich schneller auf den Markt geworfen werden. Emma hat gehört, wie ein paar Männer …«

Sie berührte ihre Freundin mit der Hand am Ellenbogen, um ihr zu bedeuten, dass jetzt sie weiterreden musste.

»Ich habe gehört, wie sich die beiden Männer, die die Tests mit uns durchführen, gestritten haben«, fuhr Emma fort. »Sie haben wohl etwas an der Zusammensetzung des Medikamentes geändert, was es wirksamer machen sollte.«

Ich sah Emma erwartungsvoll an und wartete, was da noch kommen sollte.

»Emma hat gehört, wie die beiden sich stritten«, übernahm das Reden nun wieder Iris. »Dann ist ein dritter Mann dazugekommen, der ihnen befohlen hat, wichtige Untersuchungen über die Wirkungsweise des Medikamentes auf die inneren Organe abzukürzen oder ganz zu streichen, um das Gesamtprojekt zu beschleunigen.«

Ich hob meine Augenbrauen.

»Das ist alles?«, fragte ich.

Die beiden Frauen nickten.

Ich sah Iris an und sah in ihren Augen, dass sie auch nicht gerade glücklich war mit dem, was ihre Freundin da belauscht hatte. Aber ihr Blick hatte etwas Bittendes, Unbedingtes.

Ich wusste, dass sie früher einmal für Layland gearbeitet hatte und tippte, dass sie sich verantwortlich fühlte, weil sie der Freundin die Teilnahme an den Tests empfohlen hatte. Jetzt steckte Emma in Schwierigkeiten, und Iris wollte ihr helfen.

Das konnte ich verstehen. Aber ich wusste auch, dass die Aussage einer Frau, die an Depressionen litt, schon etwas präziser sein musste, um einen Staatsanwalt und erst recht eine Jury zu überzeugen. Da musste schon noch mehr kommen.

Doch genau so deutlich, wie ich sah, dass Iris’ Urteilsvermögen durch die Freundschaft zu Emma Stevenson zumindest belastet war, sah ich auch, dass Emma uns etwas verschwieg. Sie schaute von Iris zu mir und wieder zu ihrer Freundin, als versuchte sie abzuschätzen, wem von uns beiden sie mehr vertrauen könnte. Das bedeutete, dass ihr Verhältnis zu Iris ebenfalls belastet war. Offenbar war sie sich nicht sicher, ob sie ihr vollständig vertrauen konnte oder ob das Urteil der Freundin durch ihre ehemalige Verbindung zu Layland Pharmaceutics nicht voreingenommen war.

Und das wiederum hieß, dass sie vielleicht nicht alles sagte, was sie wusste, sondern zunächst einmal abwartete, wie wir reagierten. Was diese Frau brauchte, war Vertrauen. Vertrauen in die Institutionen, die für die Aufklärung solcher Fälle nun mal zuständig waren.

Also entschloss ich mich dazu, den freien Sonntag endgültig abzuschreiben und stattdessen alle Hebel in Bewegung zu setzen, damit sie dieses Vertrauen aufbauen konnte.

»Okay«, sagte ich. »Ich werde jetzt den zuständigen Staatsanwalt anrufen. Zufällig kenne ich ihn, wenn auch nur flüchtig. Vielleicht kann er mit Ihrer Aussage etwas anfangen.«

Staatsanwalt Dean Walker lebte mit seiner Familie in einem Haus am Strand von Manhattan Beach. Als wir aus Iris’ Wagen stiegen, kam er gerade mit seinen beiden Kindern, seiner Frau und dem Hund vom Morgenspaziergang zurück.

Walker war noch recht jung, wir hatten erst zwei oder drei Mal miteinander zu tun gehabt. Doch bei diesen Begegnungen hatte ich immer den Eindruck gehabt, dass er zwar manchmal übers Ziel hinausschoss, aber immer bereit war, sich für die Gerechtigkeit einzusetzen.

Nachdem wir uns alle kurz vorgestellt und die Kinder mit dem Hund im oberen Stockwerk des Hauses verschwunden waren, bereitete seine Ehefrau in der Küche den Sonntagsbraten zu.

Walker kam mit einem Stapel Akten zu uns ins Wohnzimmer und setzte sich.

»Sie deuteten schon an, Agent Cotton, dass es um Layland Pharmaceutics geht«, kam er sofort zur Sache. »Was haben Sie für mich?«

»Mrs. Stevenson ist Teilnehmerin einer Testgruppe für das Medikament, das zu den Todesfällen geführt hat«, übernahm Iris McLane das Wort und deutete auf Emma. »Sie kam heute Morgen zu mir, um mir zu erzählen, dass sie etwas belauscht hat, was Sie interessieren könnte.«

Walker nickte Emma ermutigend zu.

»Reden Sie, Mrs. Stevenson«, bat er. »Aber seien Sie sich bitte im Klaren darüber, dass ich alles, was Sie sagen, zu den Akten nehmen muss. Dies ist zwar keine offizielle Befragung, aber wenn Sie Relevantes zu berichten haben, kann ich das für die weiteren Ermittlungen der Staatsanwaltschaft nicht ignorieren.«

Ich sah Emma an, dass sie innerlich fast zusammenbrach. Ich hatte das Gefühl, dass sie etwas Ermutigung brauchte, um alles zu sagen, was sie wusste.

»Entschuldigung, wenn ich unterbreche«, warf ich ein. »Mich würde zunächst einmal interessieren, was Sie Layland Pharmaceutics konkret vorwerfen.«

Walker überlegte einen Augenblick, dann nahm er eine der Akten zur Hand und öffnete sie.

»Das kann ich verstehen«, sagte er. »Also werde ich Ihnen so viel erzählen, wie ich preisgeben darf. Bei der Sitzung der Grand Jury am übernächsten Montag wird sowieso alles zur Sprache kommen, und die Presse wird sich auch darauf stürzen.«

Er zog eine schmale Lesebrille aus seiner Hemdtasche, setze sie sich auf und schaute in die Akte.

»Die Anklage, wenn denn die Jury entscheidet, dass es zu einer Anklage kommt, lautet auf fahrlässige Tötung. Layland wird vorgeworfen, dass die Testreihen zu dem Antidepressivum mit dem vorläufigen Namen Formolon schlampig durchgeführt wurden. In den letzten Wochen sind drei Probanden der zweiten Testreihe ums Leben gekommen. Wir …«

»Entschuldigung, dass ich noch einmal unterbreche«, machte ich mich weiter ein wenig unbeliebt. »Wie genau sind diese Leute ums Leben gekommen?«

Walker blickte von seiner Akte auf und sah mich leicht verärgert an. Ich ahnte, dass ich einen wunden Punkt getroffen hatte.

»Einer der Probanden, ein Mann namens Muller, ist aus einem Fenster gesprungen. beziehungsweise …« Walker machte eine etwas hilflose Geste. »… beziehungsweise gefallen. Beweisen kann man weder das eine noch das andere wirklich. Der zweite Proband hat sich mit einer Schrotflinte in den Mund geschossen. Eindeutig Selbstmord. Er hat sogar einen Abschiedsbrief hinterlassen, in dem er von fürchterlichen Visionen spricht, die er einfach nicht mehr aushalten konnte.«

Er räusperte sich.

»Die dritte Person, eine Frau namens Vivienne Becker, fuhr mit ihrem Wagen am helllichten Tag mit vollem Tempo in einen Müllwagen, ohne dass eine irgendwie sichtbare gefährliche Situation vorgelegen hätte. Als man sie aus dem völlig zerstörten Wagen zog, murmelte sie etwas von einem Alligator, der auf ihr Auto gesprungen sei. Kurz darauf verstarb sie.« Er sah mich eindringlich an. »Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass da nirgends ein Alligator war!«

»Also ein eindeutiger Selbstmord, ein Unfall und ein ungeklärter Sturz aus dem Fenster«, fasste ich mit Blick auf Emma zusammen. »Und das alles würde erst Sinn ergeben, wenn man beweisen könnte, dass die erwähnten Halluzinationen jeweils die auslösende Situation waren?«

Walker nickte grimmig. »Ich weiß selbst, dass wir nicht viel haben, Agent. Aber wir stehen unter Zeitdruck. Ich konnte nicht einfach zusehen, wie sich weitere Opfer das Leben nehmen – oder noch Schlimmeres.«

»Was meinen Sie?«, hakte ich nach. »Was könnte denn noch schlimmer sein?«

»Nun, was, wenn jemand, von Visionen verführt, einen Amoklauf begeht? Ich musste die Jury einberufen, damit sie über eine Anklage entscheiden kann. Es hat bereits Gespräche mit den Verantwortlichen bei Layland Pharmaceutics gegeben. Die Anwälte von Layland behaupten, dass die Visionen, die bei dem Fall mit der Schrotflinte zumindest schriftlich belegt sind, gerade davon herrühren, dass das Medikament bei diesem Probanden noch nicht angeschlagen hat.«

»Und die anderen beiden?«

»Der Fenstersturz sei ein Unfall gewesen, ebenso wie der Autounfall. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass so etwas eben vorkommt. Zwei Unfälle mit einer gewissen zufälligen Nähe der Opfer zueinander, mehr nicht.«

Er seufzte.