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Phil und ich wurden von zwei Detectives vom NYPD an den Fundort einer Leiche in den Queensbridge Park gerufen. Der Mann war unter verdächtigen Umständen auf einer Bank gestorben. Was den vermeintlichen Mord zu einem Fall fürs FBI machte: Das Opfer, Sergeij Koroljow, war Betreiber eines bekannten Restaurants in Brighton Beach - auch als "Little Odessa" bekannt -, das von Mitgliedern der russischen Mafia frequentiert wurde. Kurz darauf stellte sich heraus, dass Koroljow vor seiner Einreise in die USA Agent des alten KGB gewesen und kurz vor Ende des Kalten Krieges in die USA übergelaufen war. Hatte ihn nun seine Vergangenheit eingeholt? Oder hatten wir es mit einem klassischen Mord im Umfeld des organisierten Verbrechens zu tun?
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
(K)alte Krieger
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Straight 8 Photography / Bruno Passigatti / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9651-5
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
(K)alte Krieger
Phil und ich wurden von zwei Detectives vom NYPD an den Fundort einer Leiche in den Queensbridge Park gerufen. Der Mann war unter verdächtigen Umständen auf einer Bank gestorben. Was den vermeintlichen Mord zu einem Fall fürs FBI machte: Das Opfer, Vitali Koroljow, war Betreiber eines bekannten Restaurants in Brighton Beach – auch als »Little Odessa« bekannt –, das von Mitgliedern der russischen Mafia frequentiert wurde. Kurz darauf stellte sich heraus, dass Koroljow vor seiner Einreise in die USA Agent des alten KGB gewesen und kurz vor Ende des Kalten Krieges in die USA übergelaufen war. Hatte ihn nun seine Vergangenheit eingeholt? Oder hatten wir es mit einem klassischen Mord im Umfeld des organisierten Verbrechens zu tun?
Moskau – einen Monat zuvor
Das Auto, ein schwarzer Kombat T-98 mit fünfzig Millimeter dickem Sicherheitsglas, armiertem Unterboden und einer spezialverstärkten Karosserie, die dem Beschuss aus allen gängigen Schusswaffen mühelos standhielt, rauschte die Nijinskystraße hinunter und bremste beinahe lautlos direkt am Bürgersteig. Der Motor erstarb, und drei Bewaffnete sprangen ins Freie. Ihre schwarzen Kampfanzüge und Sturmmasken hätten jeden Zeugen ihres Auftritts sofort an Angehörige einer Spezialeinheit denken lassen, wenn es denn Zeugen für ihr Erscheinen gegeben hätte.
Doch die gab es nicht. Zum einen war es mitten in der Nacht, zum anderen waren alle sonst noch funktionierenden Laternen an der Straße ausgeschaltet worden. Tausend US-Dollar, bar auf die richtige Hand bezahlt, können sehr überzeugend sein.
Die drei Männer hielten auf das Haus zu, vor dessen Eingang sie geparkt hatten. Ihre Schritte knirschten leise in der schmutzig-grauen Schicht alten Schnees, die sich noch auf dem Bürgersteig hielt.
Sekundenbruchteile später sprang die Haustür des alten, ehemals hochherrschaftlichen Gebäudes aus der Zarenzeit auf, und die Männer verschwanden in seinem Inneren.
In der dritten Etage fuhr Nikolai Barisow, ein schlanker Mann Ende fünfzig, aus dem Schlaf auf.
Irgendetwas hatte ihn geweckt. Ein Geräusch oder ein Ausbleiben desselben, er konnte es nicht mit Bestimmtheit sagen. Wichtig war nur, dass er spürte, dass etwas nicht stimmte. Und auf dieses Gefühl hatte er sich immer verlassen können.
Seine Hand griff zum Nachttischchen und der darauf liegenden schallgedämpften Pistole. Alte Angewohnheiten waren schwer abzulegen.
Dann glitt er, nur in Unterhemd und Pyjamahose gekleidet und die Waffe in der Hand, aus dem Bett. Die Kälte der Dielen biss in seine nackten Sohlen, während er zur Schlafzimmertür schlich und in den Gang hinaus lauschte.
Von der Wohnungstür her erklang, kaum wahrnehmbar, ein Geräusch, das er überall erkannt hätte: das leise Zurückziehen eines Pistolenschlittens. Dann, wenn auch stark gedämpft, ein Schaben.
Der Bewaffnete oder, was wahrscheinlicher war, die Bewaffneten machten sich am Schloss seiner Wohnungstür zu schaffen. Nach vier Sekunden, er zählte im Kopf mit, brach das Geräusch ab. Amateure.
Leise glitt die Tür zu Nikolai Barisows Wohnung auf, und drei vermummte Gestalten drangen in den Flur vor. Die beiden vorderen Eindringlinge gingen in die Knie und sicherten zu den Seiten hin, während der Teamleiter geduckt hinter ihnen Stellung bezog, die Augen und seine Maschinenpistole geradeaus gerichtet.
Im grünen Schein seines Nachtsichtgeräts sah er wohl einen geschmackvoll eingerichteten Flur vor sich, der sich jedoch in Sekundenbruchteilen in ein einziges grünes Strahlen verwandelte, als Nikolai Barisow aus dem Schlafzimmer trat und mit einer knappen Bewegung den Lichtschalter umlegte.
Instinktiv rissen die drei Männer die Hände vor die geblendeten Augen.
Was folgte, war außerhalb des Hauses kaum zu hören. Nur wer wirklich ganz aufmerksam lauschte, hätte das dreimalige kurze Spucken einer schallgedämpften Pistole vernommen. Danach kehrte wieder Stille ein, und das Haus lag so ruhig und friedlich da wie seine Nachbargebäude in der Nijinkystraße.
Keine fünf Minuten später trat Nikolai Barisow in Hemd, Pullover, Cordhose und einer gefütterten Jacke auf die Straße. Von seiner Schulter baumelte eine kleine Umhängetasche, und in dieser steckte seine rechte Hand, die wiederum den Griff der entsicherten Pistole umfasste, mit der er vor ein paar Minuten seine Angreifer ausgeschaltet hatte.
In seiner Linken hielt er einen Autoschlüssel. Ein Druck auf den Knopf, und alle vier Warnleuchten am Kombat T-98 blinkten kurz auf.
Nikolai warf einen Blick auf das Fahrzeug und schüttelte den Kopf.
»Schöne neue Welt«, sagte er. »Die modernen Panzer der Perestroika. Na, mir soll es recht sein.«
Damit stieg er in den Wagen und ließ den Motor an. Kurz darauf waren Mann und Auto in der Dunkelheit verschwunden.
New York – heute
Als Phil und ich die Einsatzfahrzeuge des NYPD sahen, die auf der anderen Straßenseite am südlichen Eingang zum Queensbridge Park standen, wussten wir, dass wir unser Ziel erreicht hatten.
Ich lenkte den Jaguar auf den kleinen Parkplatz und stellte den Motor ab. Phil und ich stiegen aus. Schnellen Schrittes überquerten wir den Vernon Boulevard, betraten den Park und folgten dem breiten Fußweg.
Wir hatten das Ufer des East River fast erreicht, als wir auf das gelbe Absperrband stießen, mit dem die New Yorker Cops den Fundort einer Leiche abgesperrt hatten, zu dem man uns gerufen hatte. Routinemäßig hielten wir den beiden uniformierten Beamten, die das Flatterband bewachten, unsere Dienstausweise vor die Nasen. Sie hoben das Band ein Stück in die Höhe, und Phil und ich duckten uns darunter hindurch.
Wir verließen den gepflasterten Weg und gingen über die Wiese, an deren Rand, nicht weit von der kleinen Uferpromenade entfernt, sich eine Gruppe von Männern in Overalls geschäftig um eine Bank herum bewegte. Auf dieser saß regungslos eine einzelne Person.
Phil warf mir einen knappen Blick zu. »Bin gespannt, was dieser Detective Gallagher von uns will. Wegen eines simplen Toten ruft das NYPD doch nicht das FBI.«
»Die werden schon ihre Gründe haben.«
Zügig näherten wir uns der Gruppe. Einer der Männer bemerkte uns und sah in unsere Richtung. Anders als seine Kollegen, trug er keinen Overall, gehörte also offensichtlich nicht zum Spurensicherungsteam. Regungslos erwartete er unsere Ankunft. Ich brauchte kein Raketenwissenschaftler zu sein, um mir denken zu können, dass es sich um Detective Gallagher handeln musste.
Er war groß und massiv gebaut, wirkte aber keinesfalls saft- und kraftlos. Eher wie ein ehemaliger Preisboxer, mit dem man immer noch zu rechnen hatte.
»Detective Gallagher?«, sagte ich, als wir ihn erreichten.
Er nickte bestätigend.
Ich stellte Phil und mich vor. »Sie haben unseren Vorgesetzten angerufen und gesagt, dass uns das hier interessieren könnte«, sagte ich.
»Allerdings.« Er gab uns mit einem Handzeichen zu verstehen, dass wir ihm die paar Schritte bis zur Bank folgen sollten. Er deutete auf den Toten. »Darf ich vorstellen? Vitali Koroljow.«
Er hielt mir einen Führerschein hin, auf den ich einen kurzen Blick warf. Zweifellos, bei dem Mann auf dem Bild handelte es sich um den Toten.
»Koroljow gehört ein Lokal in Brighton Beach. Das Puschkin«, ergänzte Gallagher, als er sah, dass Phil und ich trotzdem noch ein wenig ratlos dreinblickten.
Mir schwante, worauf er hinauswollte. Brighton Beach, im Volksmund auch »Little Odessa« genannt, war Dreh- und Angelpunkt der Aktivitäten der russischen Mafia in New York.
»Sorry, dass es ein wenig gedauert hat«, entschuldigte ich uns. »Agent Decker und ich hatten es in der letzten Zeit mehr mit der italienischen Variante des organisierten Verbrechens zu tun.«
»Aber beim Puschkin klingelt es«, ergänzte Phil. »Dort treffen sich ganz gerne mal russische Mafiosi, wenn ich das richtig im Kopf habe.«
»Genau.« Gallagher nickte. »Es ist kein Haupttreffpunkt der Russenmafia, aber gelegentlich hat das Puschkin Gäste, die wir wiederum gerne zu Gästen auf Rikers Island machen würden. Angeblich kommen die aber nur ins Puschkin, weil das Essen so gut ist.«
»Und? Ist es das?«
»Allerdings«, bestätigte er.
»Wie kommt es, dass Sie so gut darüber informiert sind?«, fragte ich.
Gallagher lächelte leicht. »Meine Frau stammt aus Brighton Beach.«
»Verstehe.«
Ich warf einen genaueren Blick auf den verblichenen Vitali Koroljow. Er war schätzungsweise Ende sechzig, adrett gekleidet und – was noch viel wichtiger war – wies keinerlei Anzeichen einer Verletzung auf. Aber das musste nicht heißen, dass bei seinem Tod alles mit rechten Dingen zugegangen war, wie die Erfahrung mich gelehrt hatte.
»Wenn ich das also richtig verstehe«, begann Phil, der den Toten ebenfalls genau in Augenschein genommen hatte, »haben Sie unseren Boss angerufen, weil Sie sicherstellen wollen, dass das FBI gleich in etwaige Untersuchungen involviert ist, falls Ihre Ermittlungen sich auf das organisierte Verbrechen ausweiten sollten. Vorausgesetzt, dieser Mann hier ist keines natürlichen Todes gestorben.«
»Messerscharf kombiniert.« Gallagher grinste. »Ihr FBI-Jungs habt es echt drauf.«
Phil und ich erwiderten sein Grinsen. Gallagher gefiel mir. Er tat seinen Job, dachte ergebnisorientiert und behielt dabei das Gesamtbild im Auge. Da war nichts zu spüren von dem Konkurrenzdenken, auf das man gelegentlich traf, wenn sich die Wege von FBI und »normalen« Cops kreuzten. Und der Detective trug es mit Humor, was ihn noch sympathischer machte.
»Mein Partner und ich«, Gallagher wies auf einen kleineren, schmaleren Mann, der sich in einiger Entfernung mit einem anderen unterhielt, »hielten es auf jeden Fall für eine gute Idee, Sie umgehend mit einzubeziehen.«
»Unbedingt«, bestätigte ich. »Mit wem spricht Ihr Partner da gerade?«
»Mit unserem einzigen Zeugen.«
Phil hob die Hand. »Und der hat etwas gesehen, das Sie stutzig werden ließ?«
»Sie meinen, abgesehen von meinen grundsätzlichen Bedenken, wenn jemand, selbst wenn dieser Jemand nur in entfernter Verbindung zum organisierten Verbrechen steht, einsam auf einer Parkbank das Zeitliche segnet?«
Kommentarlos wechselten Phil und ich einen schnellen Blick.
»Na dann«, sagte ich, »lassen Sie uns mal mit Ihrem Zeugen sprechen.«
Als wir uns Gallaghers Partner und dem anderen Mann näherten, unterbrachen die beiden ihr Gespräch und warteten, bis wir sie erreicht hatten.
»Das ist Mister Wakefield«, erklärte Detective Parisi, Gallaghers Partner. »Er hat zufällig beobachtet, wie Koroljow verstorben ist.«
Wakefield lächelte uns unsicher an. Zu seinen Füßen hockte ein kleiner Pinscher.
Wakefield selbst war mittelgroß und mittelalt, ein ganz normaler Bürger, der vermutlich nicht damit gerechnet hatte, dass er in eine polizeiliche Ermittlung hineingezogen werden würde, als er seine Wohnung verlassen hatte, um sich und seinem Vierbeiner etwas Frischluft zu gönnen.
Phil und ich stellten uns vor. Als das Wort »FBI« fiel, konnte man förmlich sehen, wie die Anspannung bei Wakefield wuchs, während sich gleichzeitig sein Ego angesichts der neugewonnenen Wichtigkeit steigerte. Ich konnte nur hoffen, dass sich das nicht auf seine Zeugenaussage auswirken würde.
»Was können Sie uns zum Tod dieses Mannes sagen, Sir?«, fragte ich, auf die Bank hinter mir deutend.
»Nun, das war so … Chap und ich waren unterwegs, um … damit Chap …«
»Schon klar«, unterbrach ihn Phil mit einem Seitenblick auf ein Schild, das am Rand der Wiese aufgestellt worden war.
Darauf hockte das Piktogramm eines Hundes, der dabei war, sein Geschäft zu erledigen, in einem roten Kreis. Kreis und Hund waren durchgestrichen. Die Aussage des Schilds ließ einem nicht allzu viel Interpretationsspielraum.
»Sie beide waren … spazieren«, vervollständigte er den Satz.
«Exakt«, bestätigte Mr. Wakefield schnell. Vor lauter Erleichterung vergaß er weiterzusprechen.
»Und?«, hakte ich also nach.
»Als wir dort drüben aus den Bäumen traten«, er deutete in die entsprechende Richtung, »sahen wir den Toten. Also, da war er noch nicht tot. Aber er wankte auf die Bank zu. Deswegen habe ich überhaupt genauer hingesehen. Er schwankte, griff nach der Lehne der Bank und stützte sich daran ab, bevor er sich auf die Bank sinken ließ. So, als ob er keine Kraft mehr in den Beinen hätte. Im ersten Moment dachte ich, er sei betrunken, aber dann sah ich, wie er sich an den Oberkörper fasste.«
»Ans Herz?«, erkundigte ich mich.
Immerhin war es möglich, dass Koroljow einen Herzinfarkt gehabt hatte. Was zwar bedeuten konnte, dass er eines natürlichen Todes gestorben war, aber gleichzeitig nicht ausschloss, dass trotzdem jemand bei seinem Tod nachgeholfen hatte.
»So genau konnte ich es nicht sehen, er saß ja mit dem Rücken zu mir. Möglicherweise hat er sich auch nur an den Hals gegriffen, weil er keine Luft mehr bekam.«
Was ebenfalls einen Herzinfarkt nicht ausschloss.
»Was passierte dann?«, fragte Phil.
»Auf einmal begannen seine Schultern heftig zu zucken. Er warf seinen Kopf hin und her. Das sah gar nicht gut aus, kann ich Ihnen sagen.«
Es war ja auch nicht gut ausgegangen, dachte ich.
»Ich klemmte mir also Chap unter den Arm und rannte zur Bank. Aber als ich dort ankam, schaute mich der Mann nur aus weit aufgerissenen Augen an. Ich hatte allerdings nicht den Eindruck, dass er mich überhaupt noch wahrnahm. Dann holte er ein-, zweimal krampfhaft Luft und sank in sich zusammen.«
Wakefield hatte sich in Rage geredet, und sein Blick wanderte zwischen uns und den beiden Cops hin und her, als würde er auf Applaus für seine Schilderung warten. Als keiner kam, fuhr er fort.
»Ich holte mein Handy heraus, rief einen Krankenwagen und wartete, bis er eintraf. Die Sanitäter haben dann die Polizei informiert und mich gebeten, auf deren Eintreffen zu warten.«
Er sah auf Chap hinunter, der zu seinen Füßen hockte und mit dem Schwanz zu wedeln begann, als sein Herrchen sich ihm zuwandte. Auf diese Weise kam Wakefield doch noch zu einer Art Beifall.
»Haben Sie sonst noch etwas beobachtet?«, fragte Phil. »War Koroljow allein? Oder hatte er vor seinem Tod auf der Bank noch Kontakt mit jemand anderem?«
Wakefield schüttelte den Kopf. »Wenn ja, dann habe ich nichts gesehen.«
»Ist Ihnen sonst vielleicht noch etwas aufgefallen?«, hakte ich nach.
»Nein.« Wakefield schüttelte energisch den Kopf. »Er war allein auf der Wiese, als ich ihn entdeckte. Allerdings sah ich hinten am Uferweg einen Mann weggehen. Und ein paar Leute spazierten in die andere Richtung. Außerdem saß ein Pärchen drüben am Wasser und genoss den Ausblick auf den Fluss. Die hatten aber alle die Wiese im Rücken, daher ist es unwahrscheinlich, dass sie etwas von dem Drama hier bemerkt haben. Aber das hier ist ein Park, da sind dauernd Leute.«
Und die perfekteste Umgebung, um jemanden unbemerkt zu töten, dachte ich, ist in einer Gruppe von Menschen. Aber ob das jemand im Fall von Vitali Koroljow getan hatte, mussten wir erst noch herausfinden.
Nachdem wir Wakefield und Chap nach Hause hatten gehen lassen, wandte sich Phil an Gallagher und Parisi.
»Und dieser Wakefield ist der einzige Zeuge?«, vergewisserte er sich.
»Ja«, bestätigte Detective Parisi.
Hinter uns erklang ein Motor. Ein Wagen der Gerichtsmedizin war eingetroffen. Deren Mitarbeiter luden den toten Koroljow in einen Zinksarg und transportierten ihn ab, vermutlich in das forensische Labor im Kings County Hospital hier in Brooklyn.
»Kümmern Sie sich darum, dass auch ein Toxscreening durchgeführt wird?«, bat ich Gallagher.
Der große Mann nickte. »Wenn wir mehr wissen, werden Sie die ersten sein, die es erfahren.«
»Und Sie, wenn wir auf etwas stoßen«, versprach ich.
»Sie bleiben also an der Sache dran?«
»Bis sich herausstellt, dass Koroljow eines natürlichen Todes gestorben ist, werden wir zumindest schon Mal ein wenig unsere Fühler ausstrecken.«
Und damit schüttelten wir den beiden Detectives die Hände und machten uns auf den Rückweg zu unserem Dienstwagen.
»Was meinst du?«, fragte Phil, als wir wieder in Richtung Manhattan fuhren. »Hat da jemand nachgeholfen, oder machen wir nur die Pferde scheu?«
»Keine Ahnung. Das werden wir wohl auch erst wirklich wissen, wenn der Obduktionsbericht auf unserem Tisch liegt. Aber bis dahin kann es kaum schaden, wenn wir uns ein bisschen über Koroljow informieren, um festzustellen, ob er überhaupt eine ernstzunehmende Verbindung zum organisierten Verbrechen hatte.«
»Stimmt,« pflichtete Phil mir bei. »Auch russische Mafiosi müssen irgendwo essen. Und was konnte Koroljow dafür, wenn das Essen bei ihm so gut war, dass seine Gäste nicht nur aus der gesetzestreuen Ecke kamen?«
»Eben.«
Nachdem wir den Wahnsinn des Nachmittagsverkehrs überwunden und endlich wieder im Federal Building angekommen waren, klemmten wir uns hinter unsere Computer.
Auch Ben Bruckner, unser hauseigenes Computergenie, baten wir, einmal den elektronischen Spuren nachzugehen, die der verblichene Vitali Koroljow hinterlassen hatte. Vielleicht war ja etwas Interessantes dabei.
Kurz vor Dienstschluss hatten wir zumindest in Erfahrung gebracht, dass der Mann vor etwa fünfundzwanzig Jahren in die USA eingewandert war und sich in New York niedergelassen hatte. Eine Weile später hatte er sein Restaurant eröffnet, in dem sich, wie wir aus Datenbanken der wichtigsten Tageszeitungen erfuhren, über die Jahre hinweg auch immer wieder russische Mafiosi eingefunden hatten. Dank der gelegentlichen Berichterstattung über die organisierte Kriminalität in »Little Odessa« handelte es sich bei diesem Umstand also eher um ein offenes Geheimnis. Darüber hinaus war das Restaurant aber auch gerade bei normalen Gästen überaus beliebt.
»Klingt das irgendwie nicht koscher für dich?«, fragte Phil über seinen Schreibtisch hinweg.
»Ganz alltäglich, würde ich sagen. Ich schätze, du hattest eben auf dem Rückweg recht. Wenn man in einer Gegend wie Brighton Beach ein Lokal eröffnet, das sich auch noch lange hält und einen gewissen Bekanntheitsgrad hat, hat man zwangsläufig eine recht gemischte Klientel.«
Phil sah nachdenklich drein. »Dir ist aber schon klar, dass die wenigsten Lokale sich so lange halten, oder? Ich habe neulich irgendwo gehört, dass etwa achtzig Prozent aller Restaurants innerhalb von einem bis anderthalb Jahren pleitegehen oder aus anderen Gründen aufgeben müssen.«