Jerry Cotton 3289 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3289 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Vernon Goldsmith, ein alternder CIA-Agent, schrieb seine Memoiren. Als diese Nachricht an die Öffentlichkeit drang, entging der ehemalige Spion nur knapp einem Mordanschlag.
Das FBI wurde eingeschaltet, und schnell waren vier Hauptverdächtige gefunden: allesamt ehemalige Agenten, mit denen Vernon einmal im Monat in einem exklusiven Club Poker spielte.
Doch während Phil und ich zumindest zwei der Verdächtigen von der Liste streichen konnten, geschah ein neuer Mordanschlag auf Vernon - diesmal trug er eindeutig die Handschrift der Profikillerin Tricia Manzetti, von der es hieß, sie habe schon für die CIA gearbeitet. Steckte gar die Behörde selbst hinter den Anschlägen?

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2020

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Impressum

Club der toten Spione

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: syrotkin / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9655-3

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Club der toten Spione

Lautlos wie eine Schwalbe segelte das zusammengefaltete Papier zu Boden. Keiner der fünf Männer, die fröhlich am Tisch pokerten, schien es zu bemerken.

»Full House«, triumphierte der Älteste von ihnen, ein vornehmer Herr im maßgeschneiderten Anzug.

Schulterzuckend schoben die anderen ihm ein paar Dollar hin. Rentner, die einer harmlosen Leidenschaft frönten.

Doch der Schein trog. Die fünf älteren Herren, die hier zusammensaßen, waren alles andere als harmlos. Sie waren es gewohnt, ihre Aufmerksamkeit auch auf kleinste Bewegungen und Vorfälle zu richten.

Der Vornehme bückte sich, um seinen Schuh zu binden. Dabei ließ er ganz unauffällig den Brief in seiner Socke verschwinden und pokerte dann weiter, als sei nichts geschehen.

Noch ahnte er selbst nicht, was für ein gnadenloses Spiel er damit in Gang setzte …

Das Auto schoss mit Höchstgeschwindigkeit auf die Abbruchkante zu. Es war ein Aston Martin Valhalla. Ein Schmuckstück von einem Auto, mehr als eine Million Dollar wert.

Der Fuß auf der Bremse tat sein Bestes, doch das Beste war nicht gut genug. Irgendjemand musste den Schlitten manipuliert haben.

Natürlich hatte ich einen Verdacht, wer das gewesen sein könnte. Das Wissen nützte mir nur nichts, denn der Wagen raste im Höllentempo weiter, dem Abgrund entgegen. Wenn jetzt kein Wunder geschah, war nichts mehr zu retten.

Es war unmöglich, das Steuer herumzureißen. Rechts und links der staubigen Piste türmten sich, nur wenige Yards entfernt, hohe Felswände auf, gegen die der Valhalla krachen würde.

Als mir klar wurde, dass die Situation gänzlich ausweglos, eine Rettung unmöglich war, schloss ich unwillkürlich die Augen.

Verflucht, warum tat man das? Warum schloss man im Angesicht des Todes die Augen? Es machte keinen Sinn, im Gegenteil! Sollte es noch eine letzte Chance geben oder ein Quantum Trost, dann verpasste man es womöglich!

Es half nicht einmal gegen das Grauen. Der grelle Blitz der Explosion traf mich dennoch, ich hörte den Knall, als es den Aston Martin beim Aufprall zerriss.

Vor meinem inneren Auge tanzten Flammen. Fast war mir, als könnte ich den Feuerball riechen, die Hitze spüren.

Dann folgte eine langanhaltende Stille. Sie war fast noch unerträglicher als die Spannung zuvor. Der Abgesang, die Trauer, die Endgültigkeit, wenn ein guter Freund unwiederbringlich verloren ist. Ich schluckte hart.

»Du kannst die Augen wieder öffnen, Jerry«, flüsterte rechts neben mir eine vertraute Stimme. Phil wies auf die Leinwand. »Er hat überlebt.«

Die wohlbekannte Musik setzte ein, und aus dem Straßenstaub erhob sich James Bond, unversehrt natürlich, nur ein wenig derangiert. Er musste aus dem Wagen gesprungen sein, während ich weggesehen hatte.

Jetzt ordnete er seine Kleider und zupfte zunächst einmal die Manschettenknöpfe zurecht. Ein echter Held.

Gemeinsam mit ihm trat ich an den Rand der Klippe und blickte auf die Reste des Valhalla hinunter. Es war nicht viel von dem Prachtkerl übrig.

»Du hast doch nicht ernsthaft geglaubt, Bond könnte etwas zustoßen?«, wisperte mein Partner amüsiert.

Ich hob die Augenbrauen.

Phil teilte meine Leidenschaft für schnelle Autos nicht. Die wahre Tragödie der Szene war ihm deshalb entgangen. Ich konnte nur hoffen, dass die digitale Tricktechnik inzwischen gut genug war, um einen solchen Crash zu simulieren. Hoffentlich benötigte man keine echten Autos dazu.

Mit leiser Trauer im Herzen verfolgte ich, wie der Held die Welt vor dem Bösen rettete. Als der Film schließlich endete, war mir nach einem Drink zumute.

»Wir könnten den Abend ganz stilecht drüben im Casino Royale ausklingen lassen!«, schlug Phil vor.

Der Club mit dem klangvollen Namen befand sich gleich gegenüber dem Movie Palace.

Normalerweise zog ich einen guten Italiener oder eine moderne Bar einem solch altehrwürdigen und elitären Etablissement vor, aber an diesem Abend war mir danach. Das schwülstige Ambiente mit viel Plüsch und Kristallkronleuchtern passte zur Stimmung. Wir bestellten zwei Martini, geschüttelt, nicht gerührt.

»Kein Mensch kann der Druckwelle einer Explosion davonlaufen«, analysierte Phil das Filmgeschehen.

Es war uns zu einer lieben Gewohnheit geworden, nach einem neuen James-Bond-Film die technischen Fehler herauszufiltern. Nicht dass es uns den Spaß an der Handlung verdorben hätte, aber es bereitete uns einfach Vergnügen, klüger als die Drehbuchautoren zu sein.

»Eine Detonationswelle ist schneller als die Schallgeschwindigkeit! Da kannst du rennen wie ein Weltmeister, das nützt dir gar nichts.«

»Bei hundertfünfzig Meilen pro Stunde springst du auch nicht unverletzt aus einem fahrenden Aston Martin.« Ich seufzte und durchlebte noch einmal den Moment des Crashs.

»Seitlich auf zwei Rädern fahren, halte ich für völligen Humbug«, fuhr Phil fort. »Außerdem explodiert ein Auto nicht zwangsläufig, wenn es in einen Abgrund stürzt.«

»Das mit den zwei Rädern würde ich gerne mal ausprobieren«, gab ich zu. »Wenn die Voraussetzungen stimmen, könnte es über eine begrenzte Distanz funktionieren.«

»Nie im Leben«, konterte Phil.

Während wir weiter über Fallhöhen, Fahrtechniken, den Schusswaffeneinsatz im Inneren eines Helikopters und Explosionsgeschwindigkeiten spekulierten, beobachtete ich, wie sich das Casino Royal langsam leerte. Direkt neben uns saßen, um einen runden Tisch, fünf ältere Herren und pokerten um geringe Geldbeträge. Anders als bei Bond gab es aber keine attraktiven Frauen, die sich ins Spiel mischten.

Als wir fast den ganzen Film durchgekaut hatten, erhob sich einer der Männer und verabschiedete sich. Die anderen vier rückten enger zusammen und beugten sich über ein Papier, das der älteste von ihnen zu meiner Verwunderung aus seiner Socke gezogen hatte.

Ich machte Phil darauf aufmerksam, und wir versuchten, das Gespräch zu belauschen. Es gelang uns nicht, die Männer flüsterten zu leise.

»Eine Verschwörung?«, mutmaßte Phil.

Ich nickte. »Eine Geheimorganisation, mit dem Ziel, die Weltherrschaft an sich zu reißen.«

»Auf jeden Fall ein Mordkomplott«, ergänzte mein Partner.

Wir lachten beide und bestellten einen letzten Drink, nicht ahnend, wie nah wir der Wahrheit in diesem Moment gekommen waren.

Nachdem sich Vernon Goldsmith als Erster von seinen Pokerfreunden im Casino Royale verabschiedet hatte, winkte er vor dem Club ein Taxi heran.

»Fifth Avenue«, gab er Anweisung.

Der Fahrer versuchte, ihn in ein Gespräch über den neuesten James Bond zu verwickeln, aber Goldsmith war müde und wollte seine Ruhe. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung, ältere Menschen bräuchten weniger Schlaf, war es bei ihm genau umgekehrt. Mit jedem Lebensjahr stieg sein Bedürfnis nach nächtlicher Erholung.

Dafür war er tagsüber topfit, und kaum jemand hätte ihn auf die neunundsechzig Jahre geschätzt, die er tatsächlich auf dem Buckel hatte. Mit seiner schlanken Figur, dem noch üppigen, wenn auch ergrauten Haar und den wachen, braunen Augen wäre er glatt als Mittfünfziger durchgegangen.

»Um den Valhalla hat es mir leidgetan!«, sagte der Taxifahrer, aber Vernon Goldsmith hörte gar nicht richtig zu.

Was seine Pokerfreunde wohl zu seinen Plänen sagen würden, wenn sie je davon erführen?

Er lächelte still vor sich hin. Leider würde er das nie herausfinden, denn seine Pläne mussten ein Geheimnis bleiben, sonst waren sie nichts wert. Er hatte einige Zeit gezögert, bevor er angefangen hatte, sie in die Tat umzusetzen. Aber jetzt war ein erster Schritt getan.

Nach einer guten Viertelstunde hielt das Taxi vor einem eleganten Wohnturm in Midtown Manhattan. Goldsmith zahlte und gab dem Fahrer ein üppiges Trinkgeld. Es gehörte seiner Überzeugung nach zu einem stilvollen Leben dazu, Geringverdienende großzügig zu behandeln. Vom sprichwörtlichen Geiz mancher Superreichen hielt er überhaupt nichts.

Im Penthouse war alles dunkel. Nur aus dem Schlafzimmer drang noch der Schimmer einer Nachttischlampe, einer Funzel, die seine Frau gern brennen ließ. Angeblich war das Licht gut gegen Migräne.

Goldsmith hängte gerade seinen Mantel, edles Kamelhaar, an die Garderobe, als er hinter sich eine Bewegung spürte. Blitzschnell schoss er herum und warf sich einen halben Yard zur Seite. Reflexartig griff er dabei nach dem Schirmständer, der unter der Garderobe stand.

Lautes Hecheln erklang, dann ein freudiges Bellen.

Vernon Goldsmith entspannte sich.

»Blofeld!«, rief er. »Wie kommst du in die Wohnung?«

Normalerweise war der Hund, ein Golden Retriever, in einem Extraraum untergebracht, damit er sein Frauchen nicht wecken konnte. Blofeld neigte zu nächtlichem Winseln.

»Darling?«, ertönte jetzt die Stimme von Grace Goldsmith. »Bist du es?«

»Wer denn sonst?«, knurrte Vernon, leicht verärgert, weil er sich von seinem eigenen Hund hatte erschrecken lassen.

»Es tut mir leid, Darling. Ich fürchte, du musst noch mal mit Blofeld raus. Ich hatte eine grässliche Migräneattacke und musste mich schon am frühen Abend hinlegen. Aireen hat ihren freien Tag.«

»Schon gut«, beschwichtigte Vernon seine Gattin. »Kein Problem.«

Er drehte gern abends noch eine kurze Runde mit dem Hund. Die frische Nachtluft blies die Sorgen des Tages aus dem Kopf und sorgte für ein schnelles Einschlafen.

Blofeld wedelte erfreut mit dem Schwanz, als sein Herrchen nach der Leine griff.

»Na, komm schon, alter Schurke.«

Draußen war noch einiges los, die Uhr der Presbyterian Church schlug gerade erst elf. Früher, in seinen jungen Jahren, hätte die Nacht für Vernon Goldsmith jetzt erst richtig begonnen. Doch diese Zeiten waren vorbei. Er trauerte ihnen nicht nach.

Auf dem Gehsteig vor einem Blumenladen saß ein Obdachloser, von dem Goldsmith wusste, dass er Eagle Eye genannt wurde, weil er behauptete, indianische Wurzeln zu haben.

»Na, mein vierbeiniger Freund!«, krächzte der Mann heiser und tätschelte das Fell des Hundes.

Blofeld, der den strengen Geruch des Kerls mochte, winselte leise und leckte den Hals des Mannes, was dieser mit einem rauen Lachen quittierte.

»Danke, Kamerad. Wieder ein paar Cent für das öffentliche Waschhaus gespart.«

Gemäß seiner Devise »Spare nicht bei den Armen« drückte Vernon dem Obdachlosen eine Fünfdollarnote in die Hand.

»Gott segne Sie, Mister!«, schnarrte Eagle Eye.

Es war sein Standardspruch. Er saß nicht ohne Grund an dieser Stelle, sondern weil er dem Spaziergänger im Kamelhaarmantel so manches furiose Besäufnis verdankte.

Plötzlich näherte sich den beiden ungleichen Männern eine Gestalt. Sie trug einen Kapuzenpulli, unförmige Hosen und eine Wollmütze, die tief ins Gesicht gezogen war. Es schien sich um einen Betrunkenen zu handeln, zumindest ließ das der torkelnde Gang vermuten.

Genau in dem Moment, in dem Vernon Goldsmith seinen Hund von dem Obdachlosen wegzog, um seine Runde fortzusetzen, rempelte der Fremde ihn an. Goldsmith drehte sich zur Seite, wie er es auch in seinem Hausflur getan hatte. Er hörte Blofeld aufjaulen, als wäre der Kerl ihm auf die Pfoten getreten.

»Hey!«, rief er der Gestalt hinterher, die um die nächste Hausecke verschwand. »Passen Sie doch auf!«

»Eine Schande, diese betrunkenen Jugendlichen!«, lallte Eagle Eye. »Kein Benehmen. In deren Alter habe ich ordentlich gearbeitet, unten an den Docks.«

Vernon Goldsmith zog Blofeld weiter. Er wartete, bis der Hund sein Geschäft verrichtet hatte, entsorgte gewissenhaft die Hinterlassenschaften und kehrte dann nach Hause zurück.

»Zeit zum Schlafen, alter Schurke«, sagte er liebevoll.

Im Penthouse hörte er seine Gattin bereits leise schnarchen. Er ließ Blofeld im Wohnzimmer zurück, seufzte, zog sich aus und schlüpfte zu Grace unter die Decke.

Wenige Minuten später schlief auch er tief und fest, und kein Laut drang mehr aus dem Apartment der Goldsmiths.

Phil wartete bereits, als ich ihn am Montagmorgen an der üblichen Ecke einlud. Mein Jaguar schnurrte wie eine zufriedene Katze, die durch den New Yorker Morgenverkehr streunt. Ich war dem FBI mehr als dankbar dafür, dass es uns für wilde Verfolgungsjagden Autos aus der Fahrbereitschaft zur Verfügung stellte und nicht etwa erwartete, wir würden dafür unsere eigenen opfern.

Im Büro an der Federal Plaza empfing uns Helen mit frisch gebrühtem Kaffee. Die Woche begann nach Maß.

»Morgen, Moneypenny«, begrüßte Phil die Kollegin augenzwinkernd.

»Hast du ihn auch schon gesehen?« Helen lächelte. »Mir tat es nur um den Valhalla leid.«

»Um wen?« Phil blickte irritiert drein.

Bevor wir ihn aufklären konnten, erklang die Stimme von Mr. High aus der Sprechanlage.

»Guten Morgen, Helen. Schicken Sie Jerry und Phil gleich zu mir rein, sobald sie kommen.«

Bedauernd ließen wir den Kaffee stehen und betraten das Büro unseres Chefs.

»Wir haben einen missglückten Mordanschlag in der Fifth Avenue«, kam er gleich zur Sache. »Am besten, Sie fahren sofort hin und machen sich selbst ein Bild.«

Ich nickte. Oft war es von Vorteil, vor dem ersten Eintreffen am Tatort keine allzu detaillierten Informationen zu haben. Die konnten sonst schnell den Blick trüben.

»Man sieht, was man weiß«, lautete ein schlaues Sprichwort. Aber manchmal war es besser, nichts zu wissen.

»Was müssen Sie uns mitteilen?«, fragte ich deshalb.

»Tut mir leid«, erwiderte Mr. High bedauernd. »Ich habe selbst kaum Informationen. Mister Goldsmith wollte am Telefon nicht reden.«

»Warum ist es dann ein Fall für uns?«, erkundigte sich Phil.

Die Frage war berechtigt. Ein Mord ohne speziellen Hintergrund war Angelegenheit des New York City Police Departments. Für Familientragödien oder gewalttätige Auseinandersetzungen im Kleinkriminellenmilieu waren wir nicht zuständig.

»Das ist einer der Punkte, die Sie klären sollen«, erwiderte Mr. High. »Das Opfer des Anschlags hat gar nicht erst das NYPD benachrichtigt, sondern sich direkt an uns gewandt. Der Mann gibt an, ein ehemaliger CIA Agent zu sein. Der Anschlag könnte damit zusammenhängen.«

»Ein Spion?«, entfuhr es Phil. »Das ist nicht Ihr Ernst, oder?«

Auf dem Gesicht unseres Chefs erschien ein kleines Lächeln.

»Ich glaube, diese Bezeichnung wird heute nur noch in Hollywood verwendet«, sagte er, dann wurde er wieder ernst. »Behandeln Sie den Kerl am besten wie ein rohes Ei. Sie wissen ja selbst, was die CIA für eine Truppe ist! Ihre Missionen sind so geheim, dass nicht einmal der Präsident alles weiß, was die Agency so treibt. Die CIA steht immer mit einem Bein außerhalb der Legalität. Behalten Sie das im Auge. Aber das muss ich Ihnen natürlich nicht extra sagen.«

»Nein, Sir.« Ich seufzte. »Dann wollen wir uns das Ei mal aus der Nähe ansehen.«

Da keine Verfolgungsjagd zu erwarten war, fuhren wir mit meinem Jaguar nach Midtown Manhattan.

»Er braucht Auslauf«, verkündete ich. »Ein Raubtier wie ihn kannst du nicht ständig im Zwinger halten.«

Phil runzelte die Stirn, sagte aber nichts.

Mr. Goldsmith bewohnte das Penthouse eines noblen Wolkenkratzers. Noch bevor wir an seiner Tür klingeln konnten, surrte der Öffner. Wahrscheinlich hatte der Concierge, dem wir unsere Ausweise gezeigt hatten, unseren Mann benachrichtigt.

»Danke, dass Sie so schnell kommen konnten«, empfing er uns.

Er trug einen Hausanzug aus Seide, die Füße steckten in Pantoffeln, die nach echtem Krokodilleder aussahen. Sein graues Haar war ordentlich frisiert, die glatten Wangen dufteten nach einem exquisiten Rasierwasser. Offenbar hatte er seit dem Mordanschlag genügend Zeit gefunden, seine Morgentoilette zu erledigen.

Ich betrachtete sein Gesicht genauer. Irgendwie kam es mir bekannt vor.

»Agent Cotton«, stellte ich mich vor.

Er nickte. »Ich weiß.«

Unauffällig schaute ich mich im Empfangsraum um. Alles war ordentlich aufgeräumt, nichts deutete auf einen Tatort hin.

»Er liegt im Wohnzimmer«, erklärte Vernon Goldsmith.

»Führen Sie uns zu ihm«, ordnete Phil an, der, genau wie ich, keine Ahnung hatte, wovon der Mann eigentlich sprach.

Goldsmith öffnete die Tür, und uns verschlug es den Atem. Die Bezeichnung Wohnzimmer war eine massive Untertreibung. Das Penthouse, in das er uns führte, hatte die Größe eines Tanzsaals!

An drei Seiten war es verglast, außerdem gab es eine begrünte Terrasse. Der Blick auf Manhattan, das Empire State Building und den Hudson River war spektakulär. Eine Goldgrube, wenn es ein Café gewesen wäre. Ich mochte gar nicht daran denken, was ein solches Penthouse kostete.

Ich fing Phils Blick auf.

Wir arbeiten für die falsche Behörde, Jerry, las ich darin.

»Dort drüben.« Vernon Goldsmith deutete auf ein weißes Ledersofa, auf dem ein Golden Retriever friedlich schlief.

Ich wunderte mich ein wenig, dass es dem Hund gestattet war, auf dem teuren Möbel zu liegen. Davon abgesehen, konnte ich nichts Auffälliges entdecken.

»Seien Sie vorsichtig. Ich glaube zwar nicht, dass eine Gefahr besteht, aber fassen Sie ihn besser nicht mit bloßen Händen an.«

Jetzt erst bemerkte ich, dass mit dem Hund etwas nicht stimmte. Musste er nicht wenigstens den Kopf heben, um nachzusehen, wer die Wohnung betrat? So fest schlief kein Tier, dass es uns nicht bemerkt hätte. Ich konnte auch keine Atemtätigkeit erkennen. Der Brustkorb bewegte sich nicht.

Kein Zweifel, der Golden Retriever war tot.

»Es muss ein schnell wirkendes Gift gewesen sein«, erklärte Vernon Goldsmith. »Gestern Abend war Blofeld noch putzmunter. Heute Morgen fand meine Frau ihn hier auf dem Sofa. Da war er schon eiskalt.«

Ich wechselte einen Blick mit Phil. Wir dachten wohl beide dasselbe: Litt der Mann unter Verfolgungswahn?

»Wie kommen Sie auf die Idee, dass es ein Mordanschlag war?«, fragte mein Partner schließlich vorsichtig. »Ihr Hund könnte einfach nur Rattengift gefressen haben.«

»Nein. Rattengift wirkt nicht sofort. Das Opfer leidet lange Qualen, es übergibt sich, hat einen fruchtbaren Todeskampf. Nichts davon trifft auf Blofeld zu.« Er machte eine Kunstpause, bevor er weitersprach. »Außerdem war ich dabei, als der Anschlag verübt wurde. Er richtete sich gegen mich, aber ich habe es nicht gleich bemerkt.«

Jetzt hatte er unsere volle Aufmerksamkeit.

»Sie waren dabei?«, hakte ich nach.

»Ja. Gestern Abend.« Er berichtete uns von einer nächtlichen Runde mit seinem Hund, von einem Betrunkenen, der ihn angerempelt hatte und wieder im Nichts verschwunden war.

»Blofeld jaulte auf«, schloss er. »Zuerst dachte ich, der Kerl wäre ihm auf den Schwanz getreten. Aber das war es nicht. Der Attentäter hat ihm eine Giftspritze verpasst. Natürlich war sie für mich bestimmt. Ich habe mich zur Seite gedreht, als der Kerl auf mich zu torkelte. Reflexe, wissen sie? So etwas sitzt tief. Deshalb hat er nicht mich, sondern meinen armen Hund getroffen.«

Meine Skepsis war noch nicht ganz gewichen. Vielleicht war man als ehemaliger Spion von Natur aus etwas überempfindlich. Vielleicht war Blofeld nur einem Herzinfarkt erlegen.

»Fragen Sie Eagle Eye, wenn Sie mir nicht glauben.«