Jerry Cotton 3290 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3290 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich wurden zu einem Tatort gerufen. Das Opfer war Jacob Trent, ein stadtbekannter Mafioso. Es gab keine Kameraaufzeichnungen von dem Mord, also hörten wir uns in der Gegend um und versuchten so, an Informationen zu kommen. Eine erste heiße Spur ergab sich, als unser IT-Genie Ben Bruckner die Kameraaufzeichnungen der Umgebung analysierte und dabei beobachtete, wie unbekannte Männer einen jungen Mann verfolgten. Phil und ich waren uns ziemlich sicher, dass der Typ den Mord gesehen hatte und nun die Massini-Familie hinter ihm her war. Auch wir setzten alles daran, ihn zu finden. Doch die Jagd nach ihm war wie die Suche nach der Nadel im Heuhaufen - nur viel gefährlicher ...

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EPUB
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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Jagd auf den Zeugen

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Frenzel / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7325-9958-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Jagd auf den Zeugen

»Nein, Mister Massini, bitte nicht!«, flehte der kniende Mann mit Tränen in den Augen.

»Don!«, erwiderte der. »Nicht Mister. Ich bin Don Massini!«

»Ja, natürlich, Don Massini. Bitte, verschonen Sie mich. Ich … ich werde auch nichts sagen. Meine Lippen sind versiegelt.« Um seine Worte zu verstärken, strich sich der Mann mit den Fingern über die Lippen.

Don Massini schaute in die Runde. »Was meint ihr, Männer? Soll ich dieses Stück Dreck verschonen? Ihm Gnade zuteil werden lassen? Nach allem, was der Kerl uns angetan hat?«

Die Männer reagierten nicht. Sie kannten ihren Boss. Und wussten, dass er keine Antwort erwartete.

»Ich weiß nicht, soll ich dich verschonen?«, sinnierte Don Massini. »Ja … oder nein …?«

Eine Kugel aus der Waffe des Don traf den Mann mitten in die Stirn. Er war sofort tot.

Justin Marsters genoss es, nachts in der Gegend des Hudson River spazieren zu gehen oder zu laufen. Dort kannte er ein paar ruhige Ecken, wo er keiner Menschenseele begegnete. Genau das, was er nach einem Tag wie diesem in Manhattan brauchte. Ruhe. Entspannende Ruhe. Und keine Menschen!

Er joggte für sein Leben gern. Nach gut zwanzig Minuten hatte er sich eine Verschnaufpause verdient. Er verlangsamte seine Schritte und ging weiter. Atmete die kühle Nachtluft tief ein und aus.

Gerade als er wieder loslaufen wollte, bemerkte zwei Fahrzeuge auf einem dunklen Gelände in der Nähe des Flusses. Normalerweise war es verlassen.

Neugierig näherte er sich.

Erst konnte er niemanden sehen. Dann machte er schemenhaft eine Gruppe von fünf Männer aus, die gut achtzig Yards von den Fahrzeugen entfernt standen.

Einer der Männer kniete.

Schlagartig wurde Marsters misstrauisch und versteckte sich hinter einem der Wagen.

Da stimmt was nicht. Nein, ganz und gar nicht!

Der Mann auf den Knien flehte und bettelte. Und der Mann, der vor ihm stand, hielt ihm eine Waffe an den Kopf.

»Verdammt!«, fluchte Marsters und wurde sich bewusst, dass auch er in unmittelbarer Gefahr schwebte.

Ich rufe besser die Cops, dachte er und wollte sich gerade abwenden, als ein Knall ertönte.

Der Mann mit der Waffe hatte ohne Zögern geschossen. In den Kopf seines Opfers. Brutal und schockierend!

»Nein!«, stieß Marsters erschrocken hervor und schaute in das Gesicht des Mörders.

Der starrte ihm direkt in die Augen. Zögerte einen Augenblick und hob die Waffe erneut.

Marsters sprang zur Seite und rannte um sein Leben. Eine Kugel verfehlte ihn knapp. Die zweite streifte seine Schulter. Ihm war klar, dass die Männer auch mit ihm kurzen Prozess machen würden, wenn sie ihn in die Finger kriegten.

Marsters spürte sein Herz rasen. Seine Beine funktionierten präzise wie ein Uhrwerk. Innerhalb von Sekunden hatte er fast hundert Yards zurückgelegt.

Als er sich umdrehte, sah er zwei Männer, die ihn zu Fuß verfolgten. Und einen, der in eines der Fahrzeuge stieg.

Er war sich ziemlich sicher, dass er die beiden Männer abhängen konnte. Aber den Wagen? Das stand auf einem anderen Blatt. Dort wo die Wege breit waren, hatte er sicher keine Chance. Also musste er vom asphaltierten Weg runter!

Bei der nächsten Gelegenheit lief er eine mit Sträuchern bewachsene Böschung hinunter. Einige Äste schlugen ihm ins Gesicht.

Sein Vorteil war, dass er das Gelände kannte. Er war schon oft hier gewesen, wusste, wo sich die schmalen, verschlungenen Schleichwege befanden.

Das war es, was ihm das Leben rettete.

Gut zehn Minuten später hatte er seine Verfolger abgeschüttelt.

Keuchend lehnte er sich gegen eine Ziegelsteinmauer.

»Verdammt! Verdammt! Verdammt!«, fluchte er.

So hatte er sich seinen Feierabend nicht vorgestellt.

Kaum hatte Don Massini abgedrückt, ertönte ein Schrei.

Erschrocken fuhr er herum. Hinter seinem Wagen stand jemand. Ein junger Mann. Und er schaute ihn direkt an.

Der Don riss die Waffe erneut hoch, richtete sie auf den Mann und drückte ab. Zeugen konnte er nicht gebrauchen.

Die Kugel verfehlte ihr Ziel und schlug in die Karosserie des Wagens ein. Der Don feuerte weiter, doch der junge Mann war zu weit entfernt.

»Los, schnappt ihn euch!«, rief er seinen Männern zu. »Und erledigt ihn!«

Die Männer rannten los.

Der Don richtete den Blick nach unten. Zu dem Mann, den er getötet hatte.

Er versetzte der Leiche einen Tritt. »Du hast nur bekommen, was du verdient hast! Ich werde nicht zulassen, dass irgendjemand versucht, mir wegen dir etwas anzuhängen.«

Langsam ging er zu seinem Wagen und nahm auf dem Beifahrersitz Platz. Das andere Auto war bereits losgefahren, um den jungen Mann zu verfolgen.

Der Don öffnete das Handschuhfach, entnahm eine Schachtel Zigarillos und zündete eines an. Er genehmigte sich einen tiefen Zug.

»Nach getaner Arbeit gibt es nichts Besseres, als zu rauchen«, sagte er zu seinem Fahrer. »Außer zwei junge Frauen natürlich, die man nacheinander vernaschen kann.«

»Da kann ich nicht widersprechen«, sagte der Fahrer beflissen und schaute auf die Uhr. »Wir sollten aufbrechen. Jemand könnte die Schüsse gehört und die Cops gerufen haben.«

Der Don nickte. »Ja, fahr los. Die anderen können nachkommen. Wir warten in angemessener Entfernung.«

Der Fahrer nickte und startete den Motor.

Keine fünf Minuten später hielt er unter einer Brücke. »Ist es hier recht, Boss?«

Der Don schaute sich um und verzog das Gesicht. »Nein, ich denke, es ist besser, wenn du mich nach Hause fährst. Ich habe Hunger. Auf was Deftiges. Maria soll etwas vorbereiten, damit ich nicht warten muss, wenn wir eintreffen.«

Der Fahrer folgte den Anweisungen.

Da es schon nach Mitternacht war, waren auf den Straßen nur wenige Fahrzeuge unterwegs.

Am Ziel angekommen stiegen sie aus.

»Schicke die Jungs zu mir, wenn sie wieder da sind«, sagte er zum Fahrer und betrat das Mehrfamilienhaus, in dem er und seine Familie lebten.

Für sie hatte er die beiden oberen Stockwerke reserviert. Unten wohnten seine engsten Vertrauten.

Von seiner Familie waren nur seine Frau und seine jüngste Tochter anwesend. Die beiden Söhne studierten in Kalifornien.

»Hallo, Daddy!«, begrüßte ihn die sechzehnjährige Tochter und umarmte ihn. »Geht es dir gut? Du siehst erschöpft aus.«

»Alles okay, mein Engel. War nur mal wieder ein anstrengender Arbeitstag«, antwortete er lächelnd.

Sie schaute besorgt drein. »Du solltest dich schonen! Das habe ich dir schon so oft gesagt. Aber du willst einfach nicht hören.«

»Ein Mann in meiner Position muss tun, was ein Mann in meiner Position tun muss«, sagte er charmant und zog ein kleines, in Geschenkpapier gewickeltes Päckchen aus der Tasche. »Hier. Das ist für dich!«

Sie nahm das Päckchen entgegen und öffnete es hastig. Zum Vorschein kam eine Smartwatch.

Sie umarmte ihn ganz fest. »Danke, Daddy, das ist genau die, die ich mir gewünscht habe!«

»Dann lass dich nicht aufhalten und probiere sie gleich aus«, sagte er.

Sie nickte. »Darauf kannst du wetten. Das werde ich sofort meinen Freundinnen twittern.«

»Und geh anschließend ins Bett. Da solltest du nämlich schon längst sein!«

Wenige Augenblicke später war sie in ihrem Zimmer verschwunden.

Jetzt bemerkte der Don den angenehmen Geruch frisch gekochten Essens, der aus der Küche kam. Seine Haushälterin Maria stand vor dem Herd und kochte sein Lieblingsgericht.

»Das riecht hervorragend.« Er stellte sich hinter sie und umschloss mit beiden Händen ihre Brüste. »Und es fühlt sich gut an.«

Sie lächelte verlegen und versetzte ihm einen zärtlichen Stoß in die Rippen. »Lass das. Deine Frau ist noch nicht schlafen gegangen. Ich möchte nicht, dass sie uns sieht und …«

»Lass das meine Sorge sein«, erwiderte er. »Emilia und ich, das ist eine andere Geschichte. Ich habe Lust auf dich.«

Sie drehte sich um, nach wie vor ein Lächeln auf ihren Lippen. »Dann lass es dir schmecken. Und später kannst du mir ja einen Besuch abstatten, in meinem Apartment.«

»Das werde ich«, sagte er, setzte sich an den Tisch und wartete, dass sie ihm sein Essen brachte.

Es gab eine heftige Explosion. Trümmer flogen durch die Luft, Scheiben zerbarsten. Der Held des Films, den ich gerade mit Phil im Kino schaute, blieb wie durch ein Wunder unverletzt.

»Völlig realistisch!«, gab ich mit leisem Sarkasmus von mir.

Phil lächelte und flüsterte: »Ist so eine Art Zauberkraft. Der Typ wird vom magischen Drehbuch geschützt. Aber was soll’s? Unterhaltung muss nicht realistisch sein.«

In dem Moment fing mein Handy an zu vibrieren.

Ich zog es aus der Tasche. »Mister High«, sagte ich, erhob mich und lief in Richtung Ausgang.

Mein Freund und Partner nickte und folgte mir.

»Guten Abend, Sir«, meldete ich mich, als wir den Kinosaal verlassen hatten.

»Hallo, Jerry«, erwiderte Mr. High. »Ich hoffe, Sie sind nicht zu beschäftigt.«

»Nein«, antwortete ich knapp.

»Gerade ist eine Leiche gefunden worden«, begann er ohne Umschweife. »In der Nähe des Hudson. Der Mann wurde erschossen. Nach ersten Erkenntnissen handelt es sich um Jacob Trent, ein Mitglied der Trulli-Familie.«

»Verstehe«, sagte ich. »Phil und ich fahren sofort zum Tatort. Können Sie uns alles schicken, was Sie wissen?«

»Helen erledigt das gerade«, antwortete unser Chef. »Geben Sie mir bitte Bescheid, wenn Sie vor Ort sind und sich einen ersten Überblick verschafft haben.«

»Natürlich, Sir«, erwiderte ich.

Dann beendeten wir das Gespräch.

»Und?«, fragte Phil gespannt.

»Eine Leiche. Am Hudson. Es hat jemanden von der Mafia erwischt. Einen gewissen Jacob Trent. Kommt dir der Name bekannt vor?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, da klingelt nichts bei mir.«

»Mister High möchte, dass wir uns die Sache ansehen. Sofort.«

Phil warf einen Blick zurück zum Eingang des Kinosaals. »Dann werden wir wohl nie erfahren, wie der Held die ganzen Bösewichte fertigmacht und die Frau rettet.«

»Da das Script bisher keine Überraschungen und unerwarteten Wendungen zu bieten hatte, ist kaum anzunehmen, dass der Rest vom üblichen Hollywoodschema abweicht«, erwiderte ich.

»Auch wieder wahr«, stimmte mir Phil zu.

Wenige Minuten später saßen wir im Jaguar.

Die Informationen von Mr. High hatten wir inzwischen erhalten.

Während ich mich aufs Fahren konzentrierte, durchforstete Phil die Datenbank des FBI. »Jacob Trent, dreiundvierzig, hinterlässt eine Frau, keine Kinder. Nach dem, was ich hier sehe, eher ein Kleinkrimineller. Diebstahl, Fahrerflucht und eine Menge Tickets wegen Falschparken. Und er konnte sich oft nicht an die vorgeschriebenen Geschwindigkeiten halten. Aber weder irgendeine Form von Körperverletzung noch sonst gewalttätige Neigungen. Schon gar kein Mord oder etwas in der Art.«

»Trotzdem wurde sein Leben gewalttätig beendet«, murmelte ich. »Steht da, welche Position er in der Trulli-Familie innehatte?«

»Er war einer von den Fußsoldaten«, antwortete Phil. »Oder jemand, der kleine Dinger dreht. Auf jeden Fall gehörte er nicht zur Führungsriege. Was glaubst du, wer hat ihn auf dem Gewissen?«

Ich zuckte mit den Schultern. »Keine Ahnung.«

»Tatsächlich?«, meinte Phil. »Ich tippe auf seinen Arbeitgeber. Oder eine andere Familie. Die Frau … Nein, wahrscheinlich nicht, oder? Moment, mal sehen, was wir über sie haben. Nein, nichts. Entweder hat sie es geschafft, unterhalb des Radars zu operieren, oder sie hat eine weiße Weste.«

»Apropos Frau, irgendein Vermerk in den Akten, dass Trent eine Geliebte hatte? Oder vielleicht sogar zwei?«

Phil schüttelte den Kopf. »Nein, da steht nichts dergleichen. Muss aber nichts heißen. Trent war keine Mafiagröße. Und wahrscheinlich auch keiner ihrer Killer oder Schwerverbrecher. Entsprechend werden ihm unsere Leute und die Kollegen vom NYPD nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt haben. Was wohl auch für sein Liebesleben gilt.«

»Also wissen wir im Moment so gut wie gar nichts.«

Phil nickte. »Im Moment. Das wird sich mit Sicherheit bald ändern.«

Justin Marsters schwitzte, als er das Apartmenthaus in Manhattan erreichte, in dem er wohnte. Er war stundenlang unterwegs gewesen, hatte es nicht gewagt, die Subway zu benutzen oder ein Taxi heranzuwinken.

Sein Herz schlug ihm bis zum Hals. Er hatte das Gefühl, keine Luft zu bekommen, spürte einen unheimlichen Druck auf seine Brust. Von den Seitenstichen ganz zu schweigen. Zwar war er ein guter Läufer, doch war er noch nie vor irgendwelchen Leuten auf der Flucht gewesen, die ihn töten wollten.

»Verdammt! Verdammt!«, fluchte er leise, während er das Gebäude beobachtete.

Er hatte lange überlegt, ob er es wagen sollte, nach Hause zurückzukehren. Der Mörder hatte ihn gesehen. Ihm direkt ins Gesicht geschaut. Was in einer Stadt wie New York nicht viel bedeute. Bei der Millionenbevölkerung einer der größten Städte der Erde war unwahrscheinlich, dass sich die beiden jemals wiedersehen würden.

Und dennoch …

Marsters war klar, dass er es mit einem Kriminellen zu tun hatte. So kaltblütig, wie der Mann den Abzug durchgezogen hatte …

Marsters schauderte beim Gedanken an das, was er gesehen hatte. Ein Mensch war gestorben. Getötet worden! Direkt vor seinen Augen. In Gedanken konnte er das Blut spritzen und den Körper auf dem Boden aufschlagen sehen. Diese Nacht hatte sich tief in sein Gedächtnis gebrannt. Es war das erste Mal, dass er den Tod eines Menschen selbst miterlebt hatte. Gerade noch war der Mann am Leben gewesen, dann war es vorbei. Alles, was er gefühlt hatte, seine Ziele, Träume, alles beendet durch ein Stück Blei!

Marsters spürte Übelkeit in sich aufsteigen. Er wollte den Brechreiz unterdrücken. Doch es gelang ihm nicht. Er musste sich übergeben.

Die Magensäure brannte in seinem Rachen. Er nahm einen Schluck Wasser aus der Trinkflasche, die er dabei hatte, um sich den Mund auszuspülen.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich derart elend gefühlt. Nicht einmal damals, als ihn seine erste Freundin unerwartet verlassen hatte und mit einem anderen Kerl durchgebrannt war. Er hatte gedacht, dass das der Tiefpunkt seines Lebens gewesen wäre. Aber wie er jetzt feststellen musste, ging es noch schlimmer.

Nachdem er sich über den Mund gewischt hatte, schaute er sich um. Alles sah aus wie sonst. Keine verdächtigen Personen.

Und im Inneren?

Zur Sicherheit nahm er den Hintereingang. Er betrat den Hausflur, ohne das Licht einzuschalten. Um etwas sehen zu können, schaltete er sein Handy ein. Das schwache Licht des Displays erhellte die kahlen Wände und steinernen Stufen.

Vorsichtig arbeitete er sich nach oben, darauf Bedacht, keinen Lärm zu verursachen.

Als er die erste Etage erreicht hatte, flammte plötzlich das Licht im Treppenhaus auf. Einen Augenblick war er geblendet. Kurz darauf hatten sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt.

Eine dunkle Gestalt kam die Treppe heruntergeschossen. Marsters zuckte unwillkürlich zusammen, rechnete damit, gepackt oder geschlagen zu werden.

«Hallo, Justin!«, hörte er die vertraute Stimme seines Nachbarn. »Was ist los? Du siehst fertig aus! Und warum schleichst du im Flur herum, ohne das Licht einzuschalten? Ist mit dir alles in Ordnung?«

»Ich … es ist gerade ausgegangen. Ich habe … den Schalter gesucht«, brachte Marsters unsicher heraus.

Sein Nachbar, ein blonder Hüne, musterte ihn argwöhnisch. »Alles klar, Mann. Und sonst?«

»Geht schon«, antwortete Marsters. »Bin nur etwas ausgepowert. Vom Laufen.«

Sein Nachbar klopfte ihm auf die Schulter und verschwand die Treppe hinunter, ohne ein weiteres Wort zu verlieren.

Als er das Haus verlassen hatte, atmete Marsters tief durch. Diese Begegnung hatte ihn ganz schön mitgenommen.

Er ging die Treppe hoch zu seinem Apartment, blieb vor der Tür stehen und lauschte. Nichts zu hören. Durch den Türspion war kein Licht zu sehen.

Er schloss vorsichtig auf, öffnete die Tür und schaute in allen Ecken nach, um sicherzugehen, dass er allein war. Dabei unterließ er es, das Licht einzuschalten. Niemand sollte sehen können, dass er zu Hause war.

Erschöpft sank er auf sein Bett. Was für ein Albtraum. Aber nach ein paar Stunden Schlaf würde er die Ereignisse des Tages sicher vergessen haben.

Er setzte sich an den Schreibtisch, schaltete sein Notebook ein und recherchierte, ob im Internet etwas über den Mord zu finden war.

Und tatsächlich, es gab eine kurze Notiz. Die Leiche war gefunden worden. Es handelte sich um einen gewissen Jacob Trent. Ein mutmaßliches Mafiamitglied.

Marsters zuckte zusammen.

Mafia!

Mit einem Mal wurde sein Mund staubtrocken, und er wagte kaum noch zu atmen. Wenn das Opfer von der Mafia war, was war dann mit dem Täter? War er etwa auch Mitglied der ehrenwerten Gesellschaft? Und wenn ja, über welche Möglichkeiten verfügte er, einen zufälligen Zeugen zu identifizieren und aus dem Weg zu räumen?

»Ich muss hier weg!«, sagte Marsters zu sich selbst. »Hier bin ich nicht sicher! Die werden mich finden!«