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In kurzer Folge starben mehrere Mitarbeiter des Brooklyn Museum und des North Shore University Hospital unter mysteriösen Umständen. Alle waren an einem Transport beteiligt gewesen, mit dem der Sarkophag der Pharaonentochter Horatep vom Museum zum Krankenhaus gebracht worden war, um dort eine Computertomografie vorzunehmen. Wir stellten schnell fest, dass der Steinsarg leer und die Mumie verschwunden war. Versuchte jemand, einen Kunstdiebstahl zu vertuschen? Sollte das Museum erpresst werden? Oder wiederholte sich nach beinahe hundert Jahren der Fluch des Pharao wie damals beim britischen Ägyptologen Howard Carter?
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Seitenzahl: 137
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Ein rätselhafter Fall
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Fractal Pictures / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7325-9962-2
www.bastei-entertainment.de
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Ein rätselhafter Fall
Norman Cole fühlte sich hundeelend. Seit ihn in der Mittagspause am Foley Square ein Insekt gestochen hatte, litt er an Schwindel und Schweißausbrüchen. Dankenswerterweise hatte sich sein Boss erbarmt und ihn nach Hause geschickt. Es klingelte, das musste der Pizzaservice sein, endlich! Cole quälte sich vom Sofa. Doch es war nicht das bestellte Abendessen. Als er die Tür öffnete, ragte vor ihm ein riesiger, mannshoher Skorpion auf.
Das Tier war halb durchsichtig, Cole konnte seine Organe erkennen, sah, wie das Blut im Inneren pulsierte. Die Scheren wirkten zierlich, aber sein Schwanz, nervös zuckend aufgerichtet, war riesig. Begleitet von einem Zischen fuhr der Schwanz herab, ein schwarzer Stachel bohrte sich in Coles Brust, dann explodierte ein fürchterlicher Schmerz in seiner Mitte. Cole stolperte ein paar Schritte rückwärts und fiel rücklings hin. Während ihm der Atem wegblieb und die Welt im Dunkel versank, beugte sich etwas über ihn. Ein uraltes, in Fetzen gehülltes mumifiziertes Gesicht, ein Gesicht, dem Augen, Mund und Nase fehlten.
Tony Mason erwachte. Er hatte den ganzen Tag geschlafen, trotzdem fühlte er sich wie erschlagen. Vermutlich brütete er eine Grippe aus. Dutzende Kollegen in den Headquarters waren diese Woche nicht zur Arbeit erschienen, eine regelrechte Epidemie war ausgebrochen. Orientierungslos sah sich Mason im Dämmerlicht um. Die letzten schwachen Sonnenstrahlen fielen durch die halb geöffnete Jalousie herein. Er hatte furchtbaren Durst.
Da war ein Geräusch, sehr leise, fast unhörbar, das irgendwie nicht hierhergehörte. Ein Kratzen, gefolgt von einem stetigen Rieseln.
Mason wälzte sich aus dem Bett, um der Ursache nachzugehen. Benommen sah er sich im Schlafzimmer um, da war jedoch alles in Ordnung. Er ging ins Wohnzimmer. Auch dort alles beim Alten, wenn man über das Chaos eines Junggesellenhaushalts hinwegsah. Er leerte ein Glas Eiswasser.
Morgan stellte das Glas ab und lauschte. Das Rieseln kam von der Eingangstür. Auf leisen Sohlen tappte er in den Flur. Im Halblicht nahm er die Tür in Augenschein. Dort wo der Türspion hätte sein sollen, war nun ein Loch in der Größe eines Dime. Der Spion war vorletzte Woche einfach rausgefallen und lag auf der Arbeitsplatte in der Küche, darauf wartend, dass sein Besitzer ihn wieder einsetzte.
Mason kniff die Augen zusammen. Wenn er nicht rein zufällig verrückt geworden war, wurde das Geräusch von dem verursacht, was durch das Loch in seine Wohnung fiel – feiner gelber Sand. Als lebte Mason mitten in der Wüste statt in New York City. Er trat näher. Wer, zum Henker, stopfte Sand durch sein Guckloch? Wer immer sich da einen Spaß mit ihm erlaubte, würde das bald bereuen. Mason drehte am Knauf. Mit einem gewaltigem Ruck sprang die Tür auf, und eine riesige Welle aus Sand drängte in sein Apartment. In einer Sekunde reichte ihm der Sand fast bis zu den Knien. Mason riss erschrocken den Mund auf, Sand wehte hinein, da stand ihm das Zeug bereits bis zur Hüfte, und es kam immer mehr nach.
Das war völlig unmöglich, sein Verstand musste ihm einen Streich spielen! Aber das Knirschen zwischen seinen Zähnen fühlte sich sehr real an. Mason ruderte zurück, fiel und landete auf seinem Hosenboden. Im Bruchteil eines Augenblicks umspülte die Welle aus Sand seinen Oberkörper. Wenn er nicht sofort die Flucht antrat, würde er in einer Sanddüne ersticken – in seiner Wohnung im elften Stock eines Condos mitten in New York, um Himmels willen!
Unter allergrößter Anstrengung stand er auf und versuchte, sich in Sicherheit zu bringen, und das obwohl sich seine Stirn so heiß anfühlte wie die Wüste, aus der diese völlig absurden Mengen an Sand stammen mochten. Schon waren die Möbel in seinem Wohnzimmer halb im Sand versunken, und durch die offene Tür drang immer neuer Sand ein. Mason stapfte in Richtung Badezimmer, dort hatte er vielleicht noch eine Chance, die Tür zuzubekommen. Seine Lungen explodierten förmlich vor Anstrengung. Mit letzter Kraft drückte er das Holz gegen die bereits durch den Türstock eindringenden Sandmengen und schloss zweimal ab. Das musste ein Albtraum sein, anders konnte er sich diese verrückte Situation nicht erklären. Draußen hörte er Knirschen, das Schloss ächzte. Ewig würde die Tür nicht standhalten.
Ihm wurde deutlich, dass er in mehrfacher Hinsicht einen Fehler begangen hatte. Telefon und Handy waren in der Küche. Im Bad war er von der Außenwelt abgeschnitten und konnte, wenigstens mit den üblichen Mitteln, niemanden um Hilfe rufen. Außerdem hatte das Badezimmer, anders als das Schlafzimmer, keinen Zugang zur Feuerleiter. Von hier ging es aus dem Fenster ohne Sicherheitsnetz und doppelten Boden elf Stockwerke abwärts. Die einzige kleine Chance bestand darin, außen von einem Fenster zum anderen zu klettern. Das Holz knackte. Mason brachte einen Schritt Abstand zwischen sich und die Tür. Er streckte die Hände aus, als könnte das lächerliche bisschen Kraft, das er noch besaß, das Unvermeidliche aufhalten. Dann krachte es, und die Tür wurde aus den Angeln gerissen. Dahinter schwappte die riesige Welle aus Sand ins Bad. In zehn Sekunden steckte Mason bis zum Bauchnabel im Sand, die Badewanne war bereits verschwunden. Er drehte sich unter allergrößter Anstrengung um, riss das Fenster auf und kletterte, ohne groß nachzudenken, hinaus, um sich zu retten. Mit den Zehenspitzen stand er auf einem schmalen Sims, mit den Fingern versuchte er verzweifelt sich festzuklammern.
In der Nachbarwohnung ging ein Fenster auf. Harriett goss die Blumen. Sie sah zu Mason herüber, ihre Augen wurden groß wie Unterteller.
»O Gott, Tony, was machen Sie denn da?«
»Sand, Sand!«, war das Einzige, was Tony Mason noch herausbrachte, bevor seine Finger den Halt verloren und er in die Tiefe stürzte.
Er lächelte, während er fiel, denn erstaunlicherweise spürte er keine Angst. Das war ein Traum, es musste einfach einer sein, eine andere Erklärung dafür gab es nicht, und in dem Moment, in dem er auf der Straße aufschlug, würde er aufwachen.
Es war Montagmorgen, ich holte Phil an der üblichen Ecke ab. Im Radio lief Walk Like an Egyptian von den Bangles, ein uralter Song, dessen Hookline man nie mehr vergaß, sobald man sie gehört hatte. Phil hielt mir die New York World unter die Nase und nippte an seinem Coffee to go.
»Ich kann nicht gleichzeitig Auto fahren und lesen, Partner«, erklärte ich.
»Es reicht, wenn du einen Blick auf die Titelseite wirfst«, erwiderte er.
»FBI Agent nimmt sich das Leben«, las ich laut vor, betrachtete dazu die Bilder eines Condos in Lower Manhattan hinter Absperrband, Tatortmarkierungen und einen dunklen Fleck, der verschütteter Kaffee sein mochte oder getrocknetes Blut oder wer weiß was.
»Jemand, den wir kennen?«, fragte ich.
»Tony Mason.«
»Sagt mir nichts«, entschuldigte ich mich.
»Wir sind gelegentlich in einer kleinen Gruppe Bowlen gegangen. Ich fand ihn nett und witzig«, sagte Phil. Er klang niedergeschlagen.
»Tut mir leid, Partner. Kann ich was für dich tun? Willst du einen Tag freinehmen?«, bot ich ihm an. »Ich kann Helen Bescheid geben. Mister High versteht das sicher.«
Phil schüttelte den Kopf. »Ist schon in Ordnung. Ich war nur ein wenig überrascht, als ich’s erfahren habe.«
»Warum überrascht?«, hakte ich nach, während ich mich in den New Yorker Verkehr einfädelte.
»Er erschien mir nie wie einer, der psychische Probleme hat.«
»Tja, man merkt vielen nicht an, was sie für ein Päckchen mit sich herumtragen«, sagte ich. »Der Job kratzt ganz schön an einem. Nicht jeder steckt das so cool weg.«
Phil stimmte mir zu. »Diesem Fernsehkomiker, der sich vor ein paar Jahren erhängt hat, weil er sein ganzes Leben lang an Depressionen gelitten hat, hätte man das auch nie zugetraut.«
Ich steuerte den Wagen Richtung Federal Plaza. Wir hingen stumm unseren Gedanken nach.
Erst als ich den Jaguar in der Tiefgarage des Jacob K. Javits Federal Building parkte, fand mein Partner wieder Worte. »Trotzdem ist es eigenartig. Wir hatten uns am Freitag noch für diese Woche verabredet. Er hatte sich ehrlich darauf gefreut.«
Eines muss man Mr. High lassen: Wenn der Chef etwas von dir will, tust du besser daran, ihn nicht warten zu lassen. Aber wenn andererseits du ihn in einer dringenden Angelegenheit sprechen musst, unterbricht er sogar eine Sitzung mit dem FBI-Direktor, um sich dein Anliegen anzuhören. Der FBI-Direktor war heute morgen wohl anderweitig beschäftigt, so schickte uns Helen einfach direkt durch in Mr. Highs Büro. Er kritzelte gerade die Namen von ein paar Mafiafamilien auf ein Whiteboard. Vermutlich bereitete er eine Besprechung vor.
Der Chef drehte sich zu uns um. »Guten Morgen, Gentlemen, gut, dass Sie da sind. Ich hätte Sie später ohnehin rufen lassen.«
Phil und ich nahmen Platz. Helen kam und stellte eine Kanne Kaffee auf den Tisch.
»Agent Tony Mason hat Suizid begangen. Hat man Sie informiert?«, fragte Mr. High.
»Darum sind wir hier. Wir haben es aus der Zeitung«, antwortete Phil.
»Sie beide kannten sich, stimmt das?«
Phil nickte. »Entfernt. Wir haben gelegentlich unsere Freizeit miteinander verbracht.«
»Die Beisetzung findet am Donnerstag statt. Falls Sie sich Sonderurlaub nehmen möchten, ist das kein Problem«, schlug der Chef vor.
»Das Angebot nehme ich gerne an«, dankte ihm Phil. »Aber das ist nicht der Grund, warum ich gekommen bin.«
»Schießen Sie los.«
»Tony kam mir nicht vor wie jemand, der lebensmüde ist. Er war immer fröhlich und humorvoll. Er hatte sich auf unseren Bowlingabend diese Woche gefreut.«
Mr. High nickte nachdenklich. »Schließen Sie bitte die Tür, Phil.«
Mein Partner runzelte die Stirn und folgte der Aufforderung.
»Ich lehne mich ein bisschen aus dem Fenster, doch ich denke, ich kann mich auf Ihre Diskretion verlassen. Agent Mason war schon seit einigen Monaten in psychologischer Behandlung«, sagte Mr. High.
»Das ist mir bekannt, Sir. Dabei ging es um die Trennung von seiner Frau. Daraus hat er nie ein Geheimnis gemacht. Und letzte Woche war er beim Bier zuversichtlich, die Mediation bald beenden zu können, da sich er und seine Frau auf die Modalitäten der Scheidung geeinigt hatten.«
»Sie haben den Verdacht, es handelt sich um einen fingierten Suizid, Phil?«, fragte der Chef.
»Ich sage nur, der Selbstmord kommt ein wenig zur Unzeit«, antwortete Phil.
»Woran hat Mason zuletzt gearbeitet?«, wollte ich wissen.
»Er und Agent Cole haben Infantino hinter Gitter gebracht«, erwiderte der Chef.
Luca Infantino war Boss einer der kleineren New Yorker Familien gewesen, soviel wusste ich. Womit sein Clan sein Geld verdiente, ob Schutzgelderpressung, Wettmanipulation oder Drogen, fiel mir im Moment nicht ein.
»Ich befürchte, Sie sind auf dem Holzweg, Phil«, befand der Chef. »Masons Nachbarin hat bezeugt, er sei allein und aus eigenen Stücken gesprungen. Er habe gelächelt, während er gefallen ist. Und es gab keinerlei Spuren von Fremdeinwirkung oder sonst etwas Ungewöhnliches in seiner Wohnung.«
»Haben Sie etwas dagegen, wenn wir uns trotzdem mal mit seinem Partner unterhalten?«, fragte Phil.
Mr. High zeigte seufzend auf den Aktenstapel auf dem Besprechungstisch. »Das sind die Akten zum Fall Infantino. Und weil Agent Mason tot und Agent Cole krank ist, werden Sie beide die bittere Pille schlucken müssen, die Unterlagen durchzuarbeiten. Ende der Woche ist Infantinos Anhörung, und da brauche ich zwei erfahrene Agents, die Infantinos Anwälten Kontra geben.«
»Cole ist krank?«, wurde ich misstrauisch.
»Hat sich wegen der Virusgrippe krank gemeldet. Die hat hier einige Kollegen erwischt. Passen Sie bloß auf, halten Sie Abstand und waschen Sie sich gründlich die Hände.«
»Und wenn wir nach Dienstschluss bei Cole vorbeifahren? Vielleicht hat er etwas Ungewöhnliches bemerkt«, entgegnete Phil.
»Nur solange die Anhörung nicht gefährdet ist«, lenkte der Chef ein.
Wir bedankten uns und schleppten die Infantino-Unterlagen fort. Bevor wir sein Büro verließen, rief uns Mr. High hinterher: »Halten Sie mich wegen Mason und Cole auf dem Laufenden. Ich bezweifle zwar, dass da etwas faul ist, aber man weiß ja nie.«
Norman Cole wohnte in einem mehrstöckigen Gebäude in Crown Heights, Brooklyn. Der Aufzug war defekt, im Flur stand der Geruch von angebrannten Hamburgern, und es ging fünf Stockwerke hinauf. Oben angekommen, mussten wir uns durchfragen, weil wir nicht genau wussten, welches der nummerierten Apartments das von Cole war. Seine Nachbarin trat in den Gang und beäugte uns neugierig. Sie zeigte auf die Tür.
»Norm wohnt da«, krächzte sie und nuckelte an ihrer Zigarette, die sie stilecht in eine Zigarettenspitze geklemmt hatte. Das leuchtend rote Wirrwarr auf ihrem Kopf war ganz eindeutig eine Perücke, aber ihr Lächeln hatte etwas Gewinnendes. »Hab ihn allerdings schon 'ne ganze Weile nicht mehr gesehen.«
»Wie lange genau?«, fragte Phil.
»Paar Tage«, antwortete sie. Ihre Alkoholfahne wehte in meine Richtung. »Er kommt manchmal rüber zum Poker. Und auf einen Drink«, sagte sie zögernd.
Vermutlich nicht nur auf einen, dachte ich. Phil betätigte die Klingel. Keine Antwort.
»Ist Ihnen irgendwas aufgefallen?«, erkundigte ich mich.
»Er sah krank aus. Ich glaube, der hatte Fieber. Liegt bestimmt noch im Bett.«
Phil klingelte noch einmal, klopfte, Cole reagierte jedoch nicht. Ich legte das Ohr an die Tür und schüttelte den Kopf.
Die alte Lady sah beunruhigt aus. »Glauben Sie, ihm ist was passiert?«
Phil schnupperte. »Riechst du das?«
Ich reckte meine Nase in die Luft.
»Nach was riecht es denn?«, fragte die Nachbarin.
»Vor allem nach verbrannten Hamburgern«, scherzte ich.
»Madam, würde es Ihnen etwas ausmachen, zurück in Ihre Wohnung zu gehen?«, bat Phil.
»Wieso, was ist denn los?« In ihre Stimme schlich sich leise Panik.
»Bitte Ma’am, wir rufen Sie, wenn wir Ihre Hilfe benötigen«, sagte Phil.
Widerwillig ließ sie sich von ihm in ihr Apartment bugsieren. Als sie die Tür hinter sich zugezogen hatte, zückte ich meine Kreditkarte und schob sie in den Spalt zwischen Tür und Rahmen. Mit einem Schnappen sprang das Schloss auf. So eine Plastikkarte war doch äußerst nützlich. Man sollte angeblich sogar damit bezahlen können.
Ich drückte die Tür auf. Aus Coles Wohnung schlug uns der Gestank des Todes entgegen.
Der eingetroffene Arzt packte sein Stethoskop wieder ein und richtete sich auf. Vor ihm lag Norman Coles aufgedunsener Körper rücklings und halbnackt auf dem Teppich in seinem Wohnzimmer.
»Haben Sie das Pillenarsenal im Badezimmer gesehen?«
»Was genau sind das für welche, Doc?«, fragte ich.
»Betablocker, Blutdrucksenker, Diabetesmittel. Der Kerl hatte so ziemlich alle Wohlstandskrankheiten, die im Lehrbuch stehen. Ich vermute, das war nicht sein erster Infarkt.«
»War es nicht«, bestätigte Phil, der sich schon bei unserem Analysten Supervisory Special Agent Dr. Ben Bruckner über Cole schlaugemacht hatte. Es gab vermutlich keine Datenbank, die vor Bens Zugriff sicher war, nicht mal die in der Personalabteilung.
»Ist das Ihrer Meinung nach die Todesursache? Ein weiterer Herzinfarkt?«, wollte ich wissen.
»Sehr wahrscheinlich«, bestätigte der Mediziner. »Nach Fremdeinwirkung sieht es jedenfalls nicht aus. Und bei seinem Körpergewicht und der Lebensführung war es vermutlich nur eine Frage der Zeit, bis es ihn erwischte.« Er zückte ein Formular, um den Totenschein auszustellen, unterschrieb und drückte Phil den Wisch in die Hand. »Angehörige?«, fragte er knapp.
Phil zuckte mit den Schultern. »Müssen wir auch erst rausfinden.« Die Nachfragen bei der Personalabteilung waren diesbezüglich bisher unbeantwortet geblieben.
»Jemand sollte ihn recht bald abholen kommen«, empfahl der Arzt. »Bei den Temperaturen kann man ihn nicht allzu lange liegen lassen.«
Das sei bereits organisiert, ließen wir ihn wissen. Er empfahl sich und ließ uns mit Norman Coles sterblichen Überresten zurück.
Phil zog sich einen Stuhl heran und setzte sich an den Tisch. Er überflog den Totenschein. Der Arzt hatte »natürlicher Tod« angekreuzt.
»Ich weiß genau, was du denkst, Partner«, sagte ich, bevor Phil den Mund aufmachen konnte. »Doch das ist sicher ein Zufall. Cole war schwerkrank. Vielleicht hat ihm die Grippe den Rest gegeben, vielleicht war einfach seine Uhr abgelaufen.«
Phil nickte ergeben. »Ungewöhnlich finde ich es trotzdem. Und den Tod seines Partners erklärt es auch nicht.«
»Also, CSI oder nicht CSI, das ist hier die Frage?«, warf ich auf.
»Ich denke, du hast recht, das können wir uns sparen. Norm war einfach zu dick«, gab Phil klein bei.
»Was?«, schnauzte mich Phil genervt an diesem Nachmittag in unserem Büro an.
Ich musste grinsen. »Du bist ein offenes Buch, Partner.«
Seufzend sah er von den Infantino-Akten auf, die wir uns brüderlich geteilt hatten und nun Blatt für Blatt studierten. Seit wir aus Coles Wohnung ins Hauptquartier zurückgekehrt waren, hatte er mit den Füßen gescharrt.
»Mason und Cole lassen dir keine Ruhe, stimmt’s?«, fragte ich.
»Zufälle mag es geben, aber das ist keiner, das sagt mir meine Intuition. Was sagt dir deine?«, wollte er wissen.