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Ein Hilferuf riss mich aus dem Schlaf. Der Barbesitzer Damien Tucci, ein jahrelang zuverlässiger Informant des FBI, hatte Angst ermordet zu werden. Als Phil und ich bei ihm eintrafen, lebte er tatsächlich nicht mehr. Jemand hatte ihn mit siebzehn Messerstichen getötet. Im Mund des Toten steckte ein Zettel: Nummer 1. Da der Mörder das Opfer nummeriert hatte, stand zu befürchten, dass weitere Bluttaten folgten ...
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Seitenzahl: 142
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Tod eines Informanten
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Alina Rosanova / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0479-3
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Tod eines Informanten
Die Lupara, die mir der Mann vors Gesicht hielt, hatte hässliche pechschwarze Augen. Im Grunde genommen war die gesamte Situation abgrundtief hässlich, denn ich war nur noch einige wenige Herzschläge von einem verdammt schnellen Tod entfernt. Nichts konnte mich mehr retten.
Ich war verloren. Der Kerl brauchte nur den Finger zu krümmen, dann war alles vorbei. Kein Mensch überlebt eine abgefeuerte Schrotladung aus dieser geringen Entfernung. Ich war gezwungen, mit meinem Leben abzuschließen …
Das Schrillen des Telefons „entschärfte“ meine brenzlige Lage schlagartig von einer Sekunde zur anderen. Ich riss die Augen auf, schreckte hoch und begriff, dass ich nur ganz schlecht geträumt hatte.
Den Mann mit der Lupara gab es zum Glück nicht. Was für ein Segen. Mein Blick fiel auf die Nachttischuhr. Ich hatte mich erst vor einer Dreiviertelstunde hingelegt – und war gleich mit einem dermaßen eindrücklichen Traum „beschenkt“ worden. Erleichtert griff ich zum Telefon und meldete mich. Am anderen Ende der Leitung war jemand, der so viel Angst hatte, dass er kaum ein klares Wort herausbrachte.
„Wer ist da?“, platzte ich in das unverständliche Gestammel.
Der Unbekannte machte so verworren weiter.
„Beruhigen Sie sich!“
Aus dem Hörer drangen unartikulierte Laute.
„Ich verstehe kein Wort.“
Nebulöses Brabbeln.
„Reißen Sie sich zusammen, Mann!“, rief ich energisch. „Wie ist Ihr Name?“
Als er ihn nannte, war mir, als hätte er mir eine Ice Bucket Challenge aufgezwungen. Dieser kurze Hype hatte vor einigen Jahren auf die Nervenkrankheit Amyotrophe Lateralsklerose aufmerksam machen sollen, um Spendengelder für deren Erforschung und Bekämpfung zu sammeln.
Der Anrufer verhaspelte sich ununterbrochen. Mir gelang es trotzdem, einige weitere Details aus seinem Gestotter herauszufiltern und versprach, so schnell wie möglich zu ihm zu kommen.
Dann legte ich auf und rief Phil an. Er war noch wach, hatte sich nicht einmal hingelegt, obwohl Mitternacht schon eine halbe Stunde vorbei war.
Er war an einer TV-Serie mit Rita Moreno hängen geblieben. Hatte nur mal kurz reinschauen wollen, es aber dann nicht geschafft, den Apparat abzuschalten.
„Wir müssen noch mal los, Phil“, sagte ich hastig.
„Was ist passiert?“
„Damien Tucci ist in Schwierigkeiten.“
„In was für Schwierigkeiten?“, wollte mein Partner wissen.
„Er hat Angst, ermordet zu werden.“
„Berechtigte Angst?“
„Mit Sicherheit“, antwortete ich. „Du hättest ihn reden hören sollen. Er war fast nicht zu verstehen … Ich hole dich ab. Den Rest erzähle ich dir unterwegs.“
Ich legte auf, sprang in meine Klamotten, flitzte aus der Wohnung, saß wenig später in meinem roten Jaguar F-Type und war zu Phil unterwegs.
Damien Tucci besaß in der 46th Street, in der Nähe des Times Square, eine Bar namens Papillon. Wir kannten ihn sehr gut. Er sprach mit jedem so, als wäre er sein Freund, war sympathisch, sah gut aus und hatte Humor, was sowohl bei Männern als auch bei Frauen – vor allem bei diesen – gut ankam.
Tucci versorgte das FBI seit Jahren mit wertvollen Ganglandfakten, war einer unserer zuverlässigsten Informanten, den wir begreiflicherweise nicht verlieren wollten. Da, wo ich Phil schon heute Morgen an Bord genommen hatte, stieg er wieder zu mir in den Wagen.
„Gut, dass ich noch vor der Glotze gesessen habe“, meinte er.
Ich fuhr los. „Ich bin Damien dankbar, dass er mich mit seinem Anruf aus einem äußerst unangenehmen Traum gerissen hat.“
Mein Partner feixte. „Hast du mit gezinkten Karten gepokert, und deine Mitspieler haben es bemerkt?“
„Schlimmer.“ Ich berichtete ihm von meinem abscheulichen Traum, der so beängstigend echt gewesen war.
Phil wackelte mit dem Kopf. „Da hat dich Tuccis Anruf gerade noch vor dem Schlimmsten bewahrt. Wieso träumst du so grauenvolle Sachen?“
„Keine Ahnung. Frag mein Unterbewusstsein.“
Ich versorgte meinen Freund wie versprochen mit sämtlichen Facts, die ich hatte, während wir zu Tucci unterwegs waren. Unser Informant wohnte jenseits der Stadtgrenze in Freeport. Er hatte da ein Haus gekauft, um das ihn viele beneideten, weil es einen solch neuen, gepflegten und sauberen Eindruck machte.
Ein weißer Traum mit Doppelgarage, überdachtem Erker und bunten Blumen vor dem großen Wohnzimmerfenster. 87 Smith Street, lautete die Adresse.
Dort wartete Tucci auf uns. Vermutlich in Angstschweiß gebadet. Jemand war über ihn hergefallen, als er seine Bar verlassen hatte. Buchstäblich aus dem Nichts war der Kerl aufgetaucht und hatte unseren Informanten mit einem Messer attackiert. Damien Tucci hatte den Angreifer zwar irgendwie abgewehrt, war dabei aber an der Hand und am Arm verletzt worden. Glücklicherweise war es ihm gelungen, sich in seinen Wagen zu retten und sofort loszurasen, doch der Unbekannte, der ihm ganz offensichtlich aus einem Grund, den er nicht kannte, nach dem Leben trachtete, wollte ihn nicht entkommen lassen.
Er war ihm gefolgt. Bis nach Freeport. Dort hatte Tucci ihn – so nahm er an – abgehängt. Da er befürchtete, dass der Täter seine Adresse kannte, hatte er sich in seinem Haus verbarrikadiert und mich angerufen.
„Wer kann es auf ihn abgesehen haben?“, überlegte Phil laut.
Ich überholte ein gelbes Taxi, einen blauen SUV und eine schwarze Stretchlimousine. „Vielleicht kann er uns das sagen, sobald er sich beruhigt hat.“
„FBI-Informanten haben nicht nur Freunde“, sagte mein Partner.
„Das ist klar“, erwiderte ich, während wir uns der Stadtgrenze näherten.
Es war nicht mehr allzu weit bis nach Freeport. Dennoch war zu befürchten …
Ich wollte diesen Gedanken lieber nicht zu Ende denken.
Damien Tucci hatte sämtliche Fenster und Türen verriegelt und im Bad die Schnittwunden an Hand und Arm versorgt. Die antiseptische Tinktur hatte wie die Hölle gebrannt.
Er hatte laut gebrüllt, als sich die Flüssigkeit in seine Wunden gebissen hatte, doch niemand hatte ihn gehört. Inzwischen trug er einen weißen Verband und blutete nicht mehr. Aber er hatte Schmerzen.
Deshalb warf er zwei kleine weiße Tabletten ein, spülte sie mit Whisky runter, obwohl er wusste, dass man das nicht tun sollte, und lief konfus durch sein Haus.
Er besaß zwar keine Schusswaffe, jedoch einen Baseballschläger, und den suchte er verzweifelt. Verdammt, wo hatte er das Ding bloß hingetan?
Er konnte sich nicht erinnern, wann er den Schläger zuletzt benutzt hatte. Vor vier, fünf Jahren vielleicht? Es konnte auch schon sechs, sieben zurückliegen.
Fest stand nur eines – dass er ihn nicht weggegeben hatte. Er war mit Sicherheit noch im Haus. Die Frage war nur, wo. Möglicherweise lag er auf dem Dachboden. Zusammen mit Dingen, von denen sich Tucci zwar nicht trennen wollte, die er allerdings kaum noch einmal in die Hand nehmen würde.
Er öffnete in großer Eile mit einer armlangen Stange die Verriegelung der Deckenluke, zog eine Aluminiumleiter herunter, kletterte hektisch die Sprossen hinauf und rutschte zweimal ab, weil er so nervös und unachtsam war.
Es gab insgesamt vier Dachfenster aus Drahtglas, durch die fahles Mondlicht in den Speicher sickerte. Dennoch stieß sich Tucci mehrmals den Kopf, weil er nicht daran dachte, sich tief genug zu bücken.
Er stolperte über einen geflochtenen Wäschekorb, der mit allerlei Krimskrams gefüllt war, und entdeckte dahinter den Baseballschläger.
Erleichtert griff er danach und fühlte sich gleich ein wenig sicherer. Ich schlage dem verfluchten Mistkerl den Schädel ein, dachte er aufgewühlt. Wenn er mich noch einmal angreift, mache ich ihn fertig!
Im selben Moment glaubte er, irgendwo unten Glas klirren zu hören. Er war sich seiner Sache nicht sicher, richtete sich ein wenig auf, hielt den Atem an und lauschte angestrengt. Eine muffige Stille umgab ihn.
Alles hier oben war fingerdick mit Staub bedeckt. Tucci befürchtete, gleich laut niesen zu müssen. Das Kitzeln in seiner Nase war kaum zu ertragen.
Zwischen den massiven Dachbalken zitterten graue Spinnennetze. Tucci umschloss den Schläger etwas fester. Zum Glück ließ das Kitzeln etwas nach.
Die Schmerztabletten dämpften und beruhigten ihn, machten ihn ein wenig benommen, stumpften seine Empfindungen ab. Die Wunden taten ihm kaum noch weh. Er überlegte, ob er hierbleiben oder die Aluleiter wieder hinuntersteigen sollte.
Ehe er gedanklich zu einem Ergebnis gekommen war, hatte er den Dachboden bereits verlassen und die Luke geschlossen. Obwohl kein verräterisches Geräusch mehr zu hören war, hatte Tucci das unangenehme Gefühl, nicht allein zu sein. Er schlich die glänzende Holztreppe hinunter und ließ die Stufen aus, von denen er wusste, dass sie knarrten.
Unhörbar erreichte er das Erdgeschoss und spürte einen Lufthauch über seinen Nacken streichen, den es eigentlich bei geschlossenen Fenstern nicht geben durfte.
Damien Tucci ging dem Luftzug nach und gelangte in die Küche. Auf dem Boden lagen Glasscherben. Jemand hatte das das Fenster in der Tür eingeschlagen, um hereingreifen und aufschließen zu können.
Tucci sprangen sofort wieder Angst und Panik an. Er ist im Haus, hallte es in ihm. Er versteckt sich in einem der Räume und wartet auf seine zweite Chance.
Tucci hob den Baseballschläger.
Er nahm all seinen Mut zusammen und rief: „He, du gottverdammter Hurensohn! Ich weiß nicht, was du gegen mich hast … Vielleicht bist du hinter dem falschen Mann her … Auf jeden Fall lass dir gesagt sein, dass ich bewaffnet bin … Hörst du? Ich halte einen verflucht harten Baseballschläger in den Händen, mit dem ich deine blöde Birne mühelos zu Matsch dreschen kann! Und das werde ich auch tun. Darauf kannst du dich verlassen.“
Er sprach in irgendeine Richtung, weil er nicht wusste, wo sich der Unbekannte befand. Es war die falsche Richtung, denn der Mann, der sein Leben wollte, stand hinter ihm.
Wir erreichten Freeport in Rekordzeit. Schneller hätte die Strecke nicht einmal der amtierende NASCAR-Weltmeister zurücklegen können, wenn er sich wie ich an die Verkehrsvorschriften gehalten hätte. Ich bog in die Smith Street ein.
Um diese Zeit waren kaum noch Menschen auf der Straße zu sehen. Und in den Häusern, an denen ich vorbeifuhr, brannte auch kein Licht mehr.
Alle hatten sich zur Ruhe begeben. Nur Nummer 87 hatte noch die Festbeleuchtung an. Alle Fenster im Erd- und Obergeschoss waren erhellt.
Ich stoppte meinen Jaguar davor. Wir stiegen aus. Zwischen zwei gut bewässerten, saftig grünen Rasenflächen führte ein betonierter Weg auf das Haus zu.
Er endete vor fünf Steinstufen. Wir eilten hinauf. Ich läutete, doch Damien Tucci öffnete nicht. Ich läutete noch einmal. Nichts.
Ich schlug mit der flachen Hand gegen die Tür. „Damien!“, rief ich.
Keine Reaktion.
„Vielleicht hat er sich vor lauter Angst im Keller verkrochen“, nahm Phil an.
„Damien, mach auf!“, rief ich etwas lauter. „Wir sind es! Jerry und Phil!“
Als Tucci weiterhin nicht reagierte, glaubten wir zu wissen, was es geschlagen hatte.
Der Messermann hatte Damien Tuccis Haus auf dem gleichen Weg verlassen, auf dem er es betreten hatte. Kaum war er draußen, kam ein roter Jaguar F-Type an.
Er hielt vor der Nummer 87. Zwei Männer stiegen aus und liefen über den schmalen grauen Betonweg. Der Unbekannte, der sich hinter einer dichten Eibenwand versteckt hatte, hörte sie läuten, klopfen und rufen.
„Er kann euch nicht mehr hören“, zischte er hasserfüllt. „Ist tot … Hat das Zeitliche gesegnet … Ist über den Jordan gegangen … Wurde zum Fall für den Leichenbeschauer … Wie auch immer … Den dreckigen Bastard gibt es nicht mehr …“
Hinter ihm knurrte plötzlich ein Hund. Er zuckte heftig zusammen, erstarrte und bekam eine Gänsehaut, die so rau war, dass man darauf einen Apfel hätte reiben können. Kaltes Blut floss durch seine Adern.
Verdammt, schoss es ihm durch den Kopf, während er sich langsam wie in Zeitlupe umdrehte. Das Tier, dessen Rasse niemand bestimmen konnte, war immerhin so groß, dass man es ernst nehmen musste.
Der Unbekannte versuchte, ihm nicht in die Augen zu starren, um ihn nicht noch aggressiver zu machen. Aber er hielt sein Messer bereit, um blitzschnell zuzustechen, falls der Vierbeiner ihn angreifen sollte.
Der Hund kam schleichend näher. Der Unbekannte regte sich nicht. Er erlaubte sich nicht einmal, mit der Wimper zu zucken, und ließ mit seiner unterwürfigen Körperhaltung erkennen, dass das offenbar herrenlose Tier nichts von ihm zu befürchten hatte. Damit trug er sehr zur Entspannung der Situation bei. Als der Hund an seinen Beinen schnüffelte, dachte er: Verdammt, hau ab, du blöder Köter! Schweiß glänzte auf seiner Stirn. Verschwinde! Verzieh dich!
Es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis das Tier ihn genug beschnüffelt hatte und von ihm abließ. Es trottete gemächlich davon, bepinkelte eine Ecke des Hauses Nummer 85, lief weiter die Straße hinunter und war bald nicht mehr zu sehen.
Dem Unbekannten fiel ein Stein vom Herzen. Er atmete erleichtert auf. Ihm hätte es nicht leid um den Hund getan, wenn er ihn hätte töten müssen.
Es wäre ihm nur nicht recht gewesen, von den Männern bemerkt zu werden, die den Barbesitzer zu dieser nachtschlafenden Zeit besuchen wollten.
Gerade gingen diese nächtlichen Besucher um Damien Tuccis Haus herum. Gleich werdet ihr eine große Überraschung erleben, dachte der Unbekannte zynisch, und dann stahl er sich auf leisen Sohlen unbemerkt davon.
Wir erreichten die Küchentür. Phil brauchte mich nicht auf das eingeschlagene Glas aufmerksam zu machen. Ich sah es im selben Moment wie er.
Er rümpfte die Nase. „Ich habe ein verdammt schlechtes Gefühl, Jerry.“
Die Tür stand offen. Wir griffen nach unseren Pistolen. Obwohl damit zu rechnen war, dass Damien Tucci nicht antworten würde, rief ich dennoch seinen Namen, bevor ich eintrat.
Stille. Wie erwartet.
Glassplitter knirschten unter unseren Schuhen. Wir suchten Tucci, und ich ahnte schon, wie wir ihn vorfinden würden. Es war nur noch die Frage, wann.
Phil zog plötzlich die Luft scharf ein und starrte auf schwarze Schuhe, deren Spitzen nach oben gerichtet waren. Ich ging darauf zu.
Damien Tucci lag auf dem Rücken in einer großen dunkelroten Blutlache. Seine Augen waren weit aufgerissen. Er schien nicht begreifen zu können, dass ihn jemand gezwungen hatte, die Ziellinie des Lebens jetzt schon mit gerade einmal zweiundvierzig Jahren zu überschreiten. Wir konnten nichts mehr für ihn tun. Sein Mörder hatte x-mal – offenbar mit großem Hass – auf unseren Informanten eingestochen. Ich beugte mich über ihn und berührte seinen Hals.
Er war noch so warm, dass er erst seit kurzer Zeit tot sein konnte. Verdammt!, dachte ich aufgewühlt. Zwei rote Ampeln weniger auf dem Weg hierher und wir hätten ihn retten können. Phil äußerte die Vermutung, der Mörder könnte sich noch im Haus befinden.
Wir begaben uns mit schussbereiten Glocks auf die Suche, gingen so vorsichtig und so gründlich wie möglich vor, entdeckten den brutalen Killer aber nirgendwo.
Mein Partner blickte sich enttäuscht um. „Wenn die Wände reden könnten …“
Ich nickte grimmig. „Das haben wir uns schon oft gewünscht.“
Da waren auf einmal vier liederliche Gestalten. Als wären sie von einer Sekunde zur anderen aus dem Boden gewachsen. Die haben mir gerade noch gefehlt, dachte der Mann, der in Damien Tuccis Haus ganze Arbeit geleistet hatte.
Ausgerechnet jetzt mussten ihm diese Typen in die Quere kommen. High bis in die Socken. Nicht auf Streit aus, sondern auf Kohle, die sie brauchten, um „oben“ bleiben zu können. Geld für Nachschub.
Sie stellten sich ihm in den Weg. Primitive Idioten. Mit einem IQ wie ein Feldweg. Süchtig und nicht fähig, davon loszukommen. Er senkte den Kopf und wollte ihnen wortlos ausweichen, doch das ließen sie nicht zu. Sie kreisten ihn ein. Auf ihren Schirmmützen standen Namen: Han Solo, R2-D2, Yoda und Chewbacca. Star-Wars-Fans, dachte er.
„Hast du ein bisschen Kleingeld für uns, Alter?“, fragte R2-D2 mit schwerem Zungenschlag und glasigen Augen. Auf seiner Oberlippe glänzte Rotz.
Han Solo kicherte idiotisch. „Immer freundlich. Immer höflich.“ Er rieb sich die Koksnase und fletschte dann aggressiv die Zähne. „Brieftasche!“, schnauzte er ihn an. „Aber ein bisschen plötzlich. Sonst machen wir dich alle!“ Er wandte sich an R2-D2. „So redet man mit diesen Arschlöchern. Mit dem Hut in der Hand kommst du bei denen nicht weit. Güte ist Schwäche. Merk dir das.“
„Scheiße“, sagte Chewbacca, allem Anschein nach völlig unmotiviert.
„Hä?“, machte Yoda. Er war am meisten stoned, bekam offensichtlich alles nur ganz nebenbei mit, schwebte auf einer dicken, weichen Drogenwolke – halb im Delirium und unbeschreiblich selig. Bereit, die ganze wunderschöne bunte Welt zu umarmen und zu küssen.
„Der Dämlack hat sich von oben bis unten mit Ketchup bekleckert“, stellte Chewbacca fest.
Han Solo schüttelte den Kopf. „Blödsinn.“
„Sieh mal genauer hin“, verlangte Chewbacca.
Han Solo kniff die Augen zusammen. „Das ist kein Ketchup.“
„Was denn sonst?“, fragte Chewbacca.
„Blut“, sagte Han Solo trocken. „Der Typ hatte vermutlich einen Unfall.“ Er wandte sich an den Mann in ihrer Mitte. „Hattest du doch, oder?“
„Ja“, antwortete er und hoffte, dass sie von ihm abließen.
„Wo?“, wollte Han Solo wissen. „Wo hattest du den Unfall?“
„Zwei Blocks von hier.“
„Mit dem Auto?“, fragte Han Solo.
Er nickte.
„Bist du mit einem anderen Fahrzeug zusammengestoßen oder gegen einen Baum gekracht?“
„Baum“, sagte er.
Der große, kräftige Chewbacca kürzte das „Verfahren“ ab, indem er ohne jede Gefühlsregung einen dicken schwarzen Totschläger hervorholte und den Mörder kurzerhand von hinten niederschlug.
„Tot?“, fragte Yoda lahm. „Ist er tot?“
„Nein“, antwortete Han Solo. „Chewbacca hat ihn bloß schlafen gelegt.“
Yoda nickte. „Aha.“ Es hätte ihm in seinem Zustand nichts ausgemacht, wenn der Fremde nicht mehr gelebt hätte. Ihn kratzte im Moment überhaupt nichts mehr, und das fand er großartig. Dermaßen high zu sein, war das schönste Geschenk, das ihm das Leben machen konnte.