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In Brooklyn explodierte ein Transporter bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug in einem gewaltigen Feuerball. Der Fahrer, ein Kleinkrimineller, der sich in Mafiakreisen bewegte, überlebte den Unfall nicht. Da der Mann in Verbindung mit dem organisierten Verbrechen stand, nahmen Phil und ich die Ermittlungen auf. Dabei deckten wir einen groß angelegten Betrug auf - und bemerkten nicht, dass wir einen Schatten hatten, der es auf unser Leben abgesehen hatte!
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
New York on Fire
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Stas Ponomarencko / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0480-9
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
New York on Fire
»Wo hat der seinen Führerschein gemacht?«, wetterte Danny White und hupte wild.
Den Fahrer des weißen Transporters vor ihm schien das nicht zu stören. Er schlich weiter auf die nächste Ampel zu, die noch Grün zeigte.
Seine Frau berührte sanft seinen Arm. »Vielleicht hat er nur einen schlechten Tag, Darling.«
»Schlechten Tag?«, stieß White zornig hervor, als die Ampel auf Rot wechselte und das Fahrzeug vor ihm sachte abbremste. »Der hält den ganzen verdammten Verkehr auf!«
Er scherte aus, überholte den Lieferwagen und blieb links neben ihm stehen. Am Steuer saß ein schlecht rasierter Mann Ende dreißig.
»Was ist denn mit Ihnen los?«, brüllte White, nachdem er das Fenster auf der Beifahrerseite heruntergelassen hatte.
Der Fahrer des Transporters schaute ihn an und wandte den Blick wieder ab.
»Mann, ich rede mit Ihnen!«, schrie White.
Statt etwas zu sagen, hob der Fahrer den Mittelfinger.
»Das ist zu viel!« White kochte vor Wut und sprang aus seinem Wagen.
Bevor er den Transporter erreicht hatte, fuhr das Fahrzeug los.
»Es ist rot!«, rief White noch, da wurde der Lieferwagen auch schon von einem Truck erfasst und herumgeschleudert.
Im nächsten Augenblick fing der Transporter an zu brennen.
»Verdammt! Verdammt!«, fluchte White, und an seine Frau gewandt: »Raus aus dem Wagen! Schnell!«
Sie hatten sich gerade in Sicherheit gebracht, als eine gewaltige Explosion Splitter und Metallteile durch die Luft fliegen ließ.
»Hatte der Kerl Dynamit geladen, oder was?«, brachte White erstickt hervor.
Phil und ich diskutierten gerade darüber, wer derzeit die beste Schauspielerin sei, als Helen aufgeregt zu uns ins Büro kam. »Mister High möchte euch sehen!«
»Was ist los?«, fragte Phil und erhob sich.
»Es hat einen Unfall gegeben«, antwortete sie und trat in den Flur.
Wir warfen uns einen fragenden Blick zu und folgten ihr zum Büro des Chefs.
Mr. High stand vor dem Monitor an der Wand, auf dem ein Nachrichtensender Bilder eines brennenden Autowracks zeigte.
»Geht es um den Unfall, Sir?«, fragte ich.
Mr. High nickte.
»Ist das nicht eher Angelegenheit der Verkehrspolizei?«, wandte Phil ein.
»Der Unfall an sich schon«, antwortete unser Chef. »Bei den Aufnahmen handelt es sich um eine Wiederholung. Der eigentliche Unfall liegt gut eine halbe Stunde zurück. Ein Transporter ist in Brooklyn bei einem Zusammenstoß mit einem anderen Fahrzeug explodiert. Genaue Details habe ich noch nicht. Abgesehen davon, dass der Fahrer des Lieferwagens durch die Luft geschleudert wurde und tot ist. Er heißt James T. Floyd.«
»Nie gehört«, bemerkte Phil.
Ich schüttelte den Kopf. »Geht mir genauso.«
»Unser Computer hat aufgrund des Namens eine Meldung ausgespuckt«, erklärte Mr. High. »Ben hat das System so programmiert, dass unsere Task Force gegen das organisierte Verbrechen informiert wird, sobald in einem Polizeibericht ein Name auftaucht, der mit der Mafia zu tun hat.«
»Und das ist bei James T. Floyd der Fall?«, wollte Phil wissen.
»In der Tat«, antwortete der Chef ruhig. »Ich habe die Meldung gerade erst erhalten und weiß daher nicht, mit welcher Familie er in Verbindung stand. Das können Sie während der Fahrt in Erfahrung bringen. Sie sollten sofort aufbrechen. Ihr Auftrag besteht darin zu klären, was passiert ist, und herauszufinden, ob es sich um eine Angelegenheit handelt, für die unsere Task Force zuständig ist.«
»Wird erledigt, Sir«, sagte ich und machte kehrt.
Trotz Phils schmachtendem Blick gingen wir ohne Halt an Helens Kaffeemaschine vorbei zum Fahrstuhl. Wenige Minuten später waren wir mit dem Jaguar unterwegs. Während ich mich aufs Fahren konzentrierte, recherchierte Phil auf seinem Notebook.
»James T. Floyd, Spitzname Jimmy, achtunddreißig Jahre alt, ledig, keine Kinder. Mehrfach vorbestraft, hat auch schon für ein paar Monate gesessen. Eher der kleinkriminelle Gelegenheitsverbrecher, wenn ich mir seine Akte so ansehe. Kein Schläger und kein kriminelles Supergenie.«
»Für welche Familie hat er gearbeitet?«
»Keine Ahnung, Jerry«, antwortete Phil. »Zumindest steht hier nichts Aktuelles. Floyd hat sich seit vier Jahren unauffällig verhalten. Er hat lange in einem Möbelhaus gearbeitet. Wenn ich weiter zurückgehe, sind da zwei Mafiafamilien, mit denen er in Verbindung gebracht wurde, die Pondelettos und die Firanells. Es gibt keine Aufzeichnungen darüber, ob er aktuell für sie tätig gewesen ist.«
»Sollte nicht allzu schwer sein, das herauszufinden«, überlegte ich laut. »Und was ist mit dem Unfallbericht? Irgendetwas Auffälliges, Phil?«
»Der abschließende Bericht liegt noch nicht vor. Wie es aussieht, handelte es sich um einen Unfall. Ein Truck hat Floyds Transporter erwischt, als Floyd bei Rot über eine Kreuzung gefahren ist. An sich ein ganz normaler Unfall, wäre da nicht die Explosion gewesen. Floyds Transporter ist vollkommen zerstört.«
»Was hatte er denn geladen? Sprengstoff?«
Phil zuckte mit den Schultern. »Steht hier nicht. Das werden wir wohl vor Ort klären müssen.«
Eine knappe Stunde später erreichten wir den Unfallort. Die Kreuzung war gesperrt worden. Um die Absperrung herum hatten sich Schaulustige und Reporter versammelt und sahen den Kollegen bei der Arbeit zu. Einige filmten das Geschehen mit ihren Handys.
»Mit etwas Glück finden wir auf YouTube einen Film über den Unfall«, brummte Phil.
»Mit Sicherheit über das, was danach geschehen ist.« Ich seufzte. »Die Leute haben keinen Anstand. Nutzen das Leid anderer, um in den sozialen Medien ein paar Klicks mehr zu bekommen. Wahrscheinlich müssen wir die Tatorte demnächst mit Sichtschutzwänden ausstatten.«
An der Absperrung zeigten wir unsere Dienstmarken vor. Ein Cop nickte uns zu und ließ uns durch. Wir waren nicht mal drei Yards weit gekommen, da bedrängte uns auch schon eine Reporterin mitsamt Kamerateam.
»Ermitteln Sie in diesem Fall? Handelt es sich um einen Terroranschlag? Was werden Sie dagegen unternehmen?«, stellte sie drei Fragen auf einmal.
Wir beantworteten keine, sondern ignorierten sie.
»Das überlasse ich gerne unserer Pressestelle«, flüsterte Phil mir zu.
Ein Mann Mitte vierzig mit grau meliertem Vollbart trat auf uns zu. Er zog das rechte Bein nach und ging leicht gebückt.
»Sie müssen die Agents sein, die man mir angedroht hat«, sagte er lächelnd. »Detective Miller. Ich bin auch erst vor zehn Minuten eingetroffen und weiß daher nicht viel mehr als Sie.«
»Die Agents Decker und Cotton«, erwiderte ich freundlich. »In zehn Minuten kann man einiges in Erfahrung bringen.«
Der Detective lächelte erneut. »Auch wieder wahr. Also gut, ich sage Ihnen, was ich weiß. Der Transporter ist aus dieser Richtung gekommen und laut Zeugenaussage bei Rot losgefahren. Der Truck hat ihn von rechts erfasst. Der Transporter fing sofort an zu brennen und ist explodiert. Der Fahrer wurde zehn Yards durch die Luft geschleudert. Dadurch ist er nicht vollständig verbrannt, was auch für die Papiere gilt, anhand derer er identifiziert wurde. Der Fahrer des Trucks wurde dagegen nur leicht verletzt, ebenso ein paar Passanten. Soweit ich weiß, nichts Ernstes.« Während er redete, deutete er mit den Händen in die entsprechenden Richtungen.
»Irgendein Hinweis darauf, dass ein Verbrechen vorliegt?«, wollte ich wissen.
»Sieht alles nach einem normalen Unfall aus«, antwortete er. »Abgesehen davon, dass der Transporter explodiert ist. Das war ganz und gar nicht normal.«
»Nein, absolut nicht«, mischte sich auf einmal eine gut aussehende, schlanke Frau Anfang dreißig ein.
Anhand ihrer Schutzkleidung war nicht schwer zu erraten, dass sie zur Crime Scene Unit gehörte.
»Doktor Walton«, stellte sie sich vor. »Mein Team ist noch dabei, die Spuren zu sichern. Aber eines kann ich Ihnen jetzt schon sagen: Was da explodiert ist, war nicht der Tank des Transporters. Aufgrund der Stärke der Explosion und den Überresten von Fässern, die wir gefunden haben, kann man darauf schließen, dass der Transporter einige Hundert Gallonen Benzin transportiert hat. Eine Zündvorrichtung haben wir nicht entdecken können. Von daher gehe ich im Moment davon aus, dass der Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge die Fässer beschädigt und das Benzin entzündet hat.«
»Einige Hundert Gallonen, Doktor?«, wiederholte Phil ungläubig. »Das ist eine ganze Menge.«
Sie nickte. »Ist es. Hat ja auch einen ganz schönen Knall gegeben. Wenn Sie sich umschauen, werden Sie sehen, dass einige Scheiben zersprungen sind. Die Personenschäden halten sich zum Glück in Grenzen.«
»Sie sind also der Meinung, dass es sich nicht um einen terroristischen Anschlag handelt?«, hakte ich nach.
Dr. Walton schüttelte den Kopf. »Ich bin Wissenschaftlerin. Grundsätzlich ziehe ich Tatsachen Meinungen vor. Und wenn ich die bisherigen Daten auswerte, die wir gesammelt haben, ist das das Ergebnis. Kein Anschlag, nur ein Unfall. Wobei sich die Frage stellt, warum der Transporter so viel Benzin geladen hatte und was der Fahrer damit vorhatte. Das herauszufinden, fällt in Ihren Bereich.«
Ich nickte und wandte mich an den Detective. »Wir würden gern mit ein paar Zeugen reden. Ich nehme an, die Leute, die Sie befragt haben, sind noch hier.«
»Sind sie«, antwortete er und schaute erst zur Leiterin der Crime Scene Unit und dann zu Phil und mir. »Sind Sie so weit fertig?«
»Wir werden uns später noch mit Doktor Walton unterhalten«, erwiderte Phil.
Der Detective nickte zustimmend und führte uns zu einem Paar. Er war Mitte zwanzig, kräftig gebaut, mit kurzen rötlichen Haaren, sie Anfang zwanzig, ziemlich aufwendig gestylt mit blondierter Mähne und blasser Haut.
»Das sind Danny und Anastasia White«, sagte er und stellte Phil und mich vor. »Sie haben den Unfall beobachtet.«
Danny White nickte. »Das haben wir, aus der ersten Reihe. Erst fährt der Kerl wie eine Schnecke und dann einfach über die rote Ampel. Der war echt irre.«
»Jetzt mal schön der Reihe nach«, meinte Phil. »Wann ist Ihnen der Transporter oder dessen Fahrer zum ersten Mal aufgefallen?«
»Als er vor uns her gefahren ist«, antwortete seine Frau.
»Eher geschlichen als gefahren«, korrigierte White. »Hatte nicht mal die vorgeschriebene Geschwindigkeit drauf. Und wir hatten es eilig. Ich habe gehupt, aber er hat einfach stur seine Geschwindigkeit beibehalten. An der Ampel dort hat er mir den Mittelfinger gezeigt. Da bin ich ausgerastet ... Na ja, es hat mich aufgeregt und ich wollte das mit ihm besprechen. Daher bin ich ausgestiegen. Bevor ich nur ein Wort mit ihm wechseln konnte, ist er losgefahren. Und dann hat es gekracht. Der Truck ist direkt auf ihn drauf gefahren. Gab einen ziemlichen Knall. Und einen größeren, als der Transporter explodiert ist. Wir können von Glück sagen, dass wir noch leben.«
Phil nickte. »Ja, das hätte ins Auge gehen können. Ist Ihnen sonst etwas aufgefallen? Saß jemand neben dem Truckfahrer? Hat er telefoniert?«
White schaute kurz zu seiner Frau und dann zu meinem Partner. »Er war allein. Zumindest haben wir niemanden gesehen. Telefoniert hat er nicht. Sonst ist mir nichts aufgefallen.«
»Mir auch nicht«, fügte seine Frau hinzu und lächelte Phil eine Idee zu freundlich an, was ihrem Mann nicht entging.
Er warf ihr einen wütenden Blick zu.
Wir ließen uns die Daten der beiden geben und wandten uns wieder Detective Miller zu.
»So weit, so gut. Ist der Truckfahrer vernehmbar?«
Der Detective nickte. »Sicher, Agent Cotton. Ich habe den Krankenwagen gebeten, auf Sie zu warten. Dem Fahrer geht es den Umständen entsprechend gut. Der Notarzt will nur sichergehen, dass er keine Gehirnerschütterung und kein Schleudertrauma hat, und ihn untersuchen lassen. Er ist gleich dort.«
Miller deutete zu einem Rettungswagen, der gut vierzig Yards entfernt stand. Dort fanden wir den Truckfahrer auf einer Bahre liegend vor.
»Mussten wir Ihretwegen warten?«, fragte ein junger Arzt.
»So ist es. Danke dafür«, sagte ich. »Nur ein paar Fragen, dann können Sie los.«
Er grummelte etwas, das ich nicht verstand, beschwerte sich aber nicht weiter.
Der Truckfahrer war ein bärtiger Mann Anfang fünfzig. Er hatte den Kopf verbunden und einige Schrammen im Gesicht. Dafür dass er gerade einen schweren Unfall gehabt hatte, sah er recht passabel aus.
»Die FBI Agents Decker und Cotton«, stellte ich uns vor.
»Wieso kümmert sich das FBI um einen Verkehrsunfall?«, fragte der Fahrer sofort.
»Reine Routine«, antwortete ich und merkte, dass er mir kein Wort glaubte. »Können Sie uns kurz den Hergang des Unfalls schildern?«
Er nickte. »Ich war ganz normal unterwegs, wollte Ladung für meinen Truck abholen. Dabei fahre ich gemütlich über die Kreuzung – hatte ja grün –, als der Transporter plötzlich Gas gibt. Ich wollte bremsen, aber es war zu spät. Mein Truck hat den Transporter erfasst und zur Seite geschleudert. Dann gab es einen lauten Knall, und irgendetwas hat die Scheiben meines Trucks getroffen. Ich konnte ihn kurz darauf zum Stehen bringen und bin herausgesprungen, um zu sehen, ob ich etwas für den Fahrer tun kann. Doch dafür war es bereits zu spät.«
»Sonst war niemand an dem Unfall beteiligt?«, hakte ich nach.
Er schüttelte vorsichtig den Kopf. »Nein, zumindest habe ich niemanden gesehen.«
Wir stellten noch ein paar Fragen, die jedoch nicht zu weiteren Erkenntnissen führten, und verabschiedeten uns. Der Truckfahrer wurde ins Krankenhaus gebracht.
Der Detective zeigte uns als Nächstes Floyds Leiche. Sie sah nicht gut aus. Von einer Benzinexplosion erfasst und durch die Luft geschleudert zu werden, war mehr, als ein menschlicher Körper verkraften konnte. Trotzdem konnte man sein Gesicht noch erkennen. Es handelte sich eindeutig um James T. Floyd.
»Ist wohl ziemlich schnell zu Ende gewesen. Ansonsten sieht es nach einem normalen Unfall aus«, meinte Phil.
Ich nickte. »Ja, sieht so aus. Abgesehen von all dem Benzin. Was wollte Floyd damit?«
Detective Millers Handy klingelte, er ging ran und entfernte sich ein paar Schritte von uns.
Kurz darauf wandte er sich wieder uns zu. »Der Transporter war auf Floyd zugelassen, nicht auf irgendeine Firma. Ich hatte das prüfen lassen.«
»Also wissen wir nicht, ob er im Auftrag für jemanden unterwegs war«, folgerte ich nachdenklich. »Das sollten wir besser herausfinden. Irgendetwas stimmt hier nicht.«
»Sehe ich auch so«, stimmte Phil mir zu.
»Dann werden Sie weiter ermitteln?«, wollte Detective Miller wissen.
»Ja, das werden wir«, antwortete ich.
Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, dass uns jemand beobachtete. Jemand, der jeden unserer Schritte verfolgen sollte.
Eine halbe Stunde später standen wir vor der Tür von James T. Floyds Apartment. Er hatte in einem der heruntergekommenen Bezirke von Brooklyn gewohnt. Die Backsteinfassade der Mietskaserne hatte wahrscheinlich einmal gut ausgesehen – vor dreißig oder vierzig Jahren. Inzwischen hatte der Zahn der Zeit an ihr genagt. Drinnen sah es nicht besser aus. Die Wände des Treppenhauses und der Flure hatten schon lange einen neuen Anstrich nötig. Es roch nach Essen. Immerhin war es sonst einigermaßen sauber.
Als wir das Apartment erreicht hatten, stand eine Frau von Anfang dreißig in der Tür und musterte uns argwöhnisch. Sie trug einen weiten roten Pullover und eine Bluejeans. Ihre brünetten Haare hatte sie zu einem Zopf zusammengebunden. Sie sah gut aus, hatte aber zu viel Make-up im Gesicht.
»Wer sind Sie denn? Vertreter?«, fragte sie unfreundlich.
Ich zeigte meine Marke. »Nein, FBI New York, die Agents Decker und Cotton. Und Sie sind?«
»Wenn Sie vom FBI sind, sollten Sie das doch wissen, oder?«, erwiderte sie schnippisch und fügte hinzu: »Laura Thorn. Ich wohne hier. Zusammen mit meinem Freund. Falls Sie zu ihm wollen, haben Sie den Weg umsonst gemacht. Er ist nicht hier. Ist heute schon früh raus.«
»Unser Besuch hat in der Tat mit Ihrem Freund zu tun. Leider haben wir keine guten Nachrichten. Mister Floyd hatte einen Unfall. Er ist gestorben.«
Einen Moment lang schien sie nicht zu registrieren, was ich gesagt hatte. Dann änderte sich ihr Gesichtsausdruck, und ihre Atmung beschleunigte sich. Ihre Augen wurden feucht, Tränen flossen ihre Wangen hinunter.
»Tot? Jimmy ist tot?«, brachte sie mit heiserer Stimme heraus. »Kann es sich dabei nicht vielleicht um einen Irrtum handeln? Ich meine, sind Sie sich sicher?«
Ich nickte. »Ja, wir sind uns sicher. Können wir reinkommen?«
Sie nickte wortlos und ließ uns in die Wohnung.
Es war sauber und aufgeräumt. Die Möbel sahen aus, als wären sie in einem Secondhandshop gekauft worden. An den Wänden hingen neben zwei großen Fernsehern eine Menge Bilder. Hauptsächlich Fotos von Floyd und Laura Thorn.
Sie bewegte sich unruhig hin und her, als wüsste sie nicht, was sie tun sollte.
»Möchten Sie etwas trinken?«, fragte sie uns schließlich.