Jerry Cotton 3306 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3306 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ich erwachte in einem fremden Zimmer in einem ebenso fremden Haus. Es befand sich offensichtlich irgendwo in einer ländlichen Gegend. Allerdings hatte ich keinen blassen Schimmer, wo. Als ich in den Spiegel schaute, der an der Wand hing, starrte mir ein Fremder entgegen. Bevor ich mich von dem Schock erholen konnte, öffnete sich die Tür - und mir verschlug es erneut den Atem!


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Seitenzahl: 146

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Mann ohne Erinnerung

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Only_NewPhoto / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0481-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Mann ohne Erinnerung

Ich erwachte langsam und setzte mich auf, die Augen immer noch geschlossen. Mein Kopf fühlte sich so leicht an wie nach einem langen, schweren Fieber. Nur, dass ich mich nicht daran erinnern konnte, Fieber gehabt zu haben.

Ich atmete tief durch und brachte meine widerstrebenden Lider dazu, sich zu öffnen.

Der Raum, den ich vor mir sah, war rustikal und heimelig. Eine hölzerne Kommode gegenüber dem Fußende meines Bettes, links von mir ein hölzerner Nachttisch. Auch die Außenwand bestand aus Holz, genauer gesagt aus Baumstämmen, deren Zwischenräume verputzt waren, wie ich es von Blockhütten her kannte. Vor dem einzigen, von Vorhängen eingerahmten Fenster wiegten sich Bäume in einer sanften Brise.

Ich hatte keine Ahnung, wo ich mich befand.

Was, zur Hölle ...?, dachte ich und kam auf die Beine, die so wackelig waren wie die eines Kleinkinds und mich kaum bis zu dem Spiegel trugen, der neben der Tür an der Wand hing. Schwer atmend, als hätte ich sechs Runden gegen Joe Louis durchgehalten, lehnte ich mich mit ausgestrecktem Arm gegen die Wand und hob den Blick.

Aus dem Spiegel starrte mir ein Fremder entgegen.

Das Gefühl, nicht zu wissen, wo ich war, war schlimm genug, doch wesentlich schwerer wog, dass ich nicht die leiseste Ahnung hatte, wer ich war.

Für einen Moment fühlte ich Panik in mir aufwallen, unterdrückte sie und konzentrierte mich auf meine Umgebung, versuchte, irgendetwas zu erkennen. Irgendetwas, das mit bekannt vorkam.

Das Ergebnis blieb dasselbe – da war nichts.

Ich blickte an mir hinunter. Ich trug nur eine Pyjamahose, um meinen nackten Oberkörper verlief eine feste Bandage. Als ich mich leicht zur Seite drehte, stöhnte ich unwillkürlich auf.

Neben mir öffnete sich die Tür. Mein Kopf ruckte in Richtung des leisen Geräuschs herum. Erneut verzog ich das Gesicht, als ein weiteres Stechen meinen Oberkörper durchfuhr.

Eine junge Frau stand in der Türöffnung. Zweifelsohne hatte sie den Ausdruck auf meinem Gesicht bemerkt.

»An Ihrer Stelle würde ich hektische Bewegungen vermeiden. Ich schätze, Sie haben sich ein oder zwei Rippen angebrochen. Und das ist nicht alles ...«

Ihre Augen wanderten zu meiner Schläfe hinauf. Automatisch legte sich meine Hand auf die Stelle, auf der ihr Blick verharrt war. Ich unterdrückte einen Fluch. Es tat weh. Kein Wunder, denn meine Finger hatten sich zielstrebig auf eine Wunde gelegt, die mein Haaransatz im Spiegel bisher vor mir verborgen hatte.

»Ich habe die Schramme nur versorgt, allerdings nicht verbunden oder abgeklebt«, erklärte die Frau. »Ich hielt es für besser, dass etwas Luft daran kommt. Und das bisschen Blut auf dem Kissen«, ihr Kopf drehte sich beiläufig zum Bett, und ein Lächeln legte sich auf ihre schön geschwungenen Lippen, »kann man auswaschen.«

Es gelang mir, einen kleinen Schritt auf sie zuzumachen, dann knickten meine Knie ein. Die Frau fing mich ab und stützte mich, während ich mich mühsam aufrichtete. Ihr Griff um meine Oberarme war fest, aber nicht unangenehm. In ihren Augen spiegelte sich Besorgnis.

»Übertreiben Sie es nicht, Mister.«

»Wie lange bin ich schon hier?«, fragte ich. Meine Stimme, die ich offensichtlich längere Zeit nicht mehr benutzt hatte, klang wie ein Reibeisen.

»Seit etwas über zwei Tagen. Ich habe Sie ein paar Meilen entfernt am Flussufer gefunden.«

Was für ein Fluss?, dachte ich. Bevor ich meine Frage laut aussprechen konnte, dirigierte sie mich hinüber zum Bett. Die Schritte waren noch etwas wackelig, doch ich konnte spüren, wie ein wenig meiner Kraft zurückkehrte, wenn auch im Schneckentempo. Dann hatten wir das Bett erreicht, und sie wartete geduldig und in Reichweite neben mir, als ich mich auf der Matratze niederließ. Ich blieb auf dem Bettrand hocken, während sie zur Kommode trat und Unterwäsche, ein Hemd und eine Hose daraus hervorholte, die sie, sauber gefaltet, neben mir auf die Bettdecke legte.

»Stiefel stehen dort in der Ecke«, sagte sie und ging auf die Zimmertür zu. »Ziehen Sie sich an, und kommen Sie in die Küche. Sie können sie nicht verfehlen. Folgen Sie einfach dem Kaffeegeruch.«

Unter der Tür blieb sie stehen und wandte sich noch einmal zu mir um. »Und dann können Sie mir erzählen, wer Sie sind.«

Sachte zog sie die Tür hinter sich zu.

Verdammt, dachte ich. Und ich hatte gehofft, dass sie mir das hätte sagen können.

Ich fand das Badezimmer am anderen Ende des Flurs, wusch mich und kehrte in mein Zimmer zurück, um die herausgelegten Sachen anzuziehen. Dann folgte ich dem Kaffeeduft, in den sich etwas Speckgeruch mischte, und stand schon bald in der Tür zur Küche. Sonnenlicht fiel durch zwei Fenster in den großzügig geschnittenen Raum, in dem die Frau dabei war, zwei Kaffeebecher, aus denen einladender Dampf aufstieg, neben zwei Tellern auf dem Küchentisch abzustellen.

Da sie mich noch nicht bemerkt hatte, nahm ich mir ein paar Sekunden, um sie zu betrachten. Sie musste um die dreißig sein. Ihr schulterlanges honigfarbenes Haar umrahmte ein Gesicht mit hohen Wangenknochen. Die Farbe ihrer Augen war blau, das wusste ich von unserer Begegnung eben, auch wenn ich sie jetzt nicht sehen konnte, da sie sich vorbeugte. Sie war schlank, aber nicht zerbrechlich. Vielmehr schien sie körperliche Arbeit gewohnt zu sein, wie ich, als sie mich vorhin gestützt hatte, bemerkt hatte. Sie war ähnlich gekleidet wie ich, Jeans, kariertes Flanellhemd und feste Arbeitsstiefel. Ich wusste es zwar nicht mit Sicherheit, doch nach allem, was ich bisher gesehen hatte, nahm ich an, dass ich mich auf einer Ranch oder Farm befinden musste.

Die junge Frau richtete sich wieder auf und sah mich.

»Ah, Sie sind fertig.« Einladend deutete sie auf einen der Stühle. Als ihr Blick über meinen Körper glitt, verdunkelte er sich kurz, als würde eine Wolke darüber hinweghuschen. Vermutlich lag es an den Sachen, die ich trug und die nicht mir gehörten. Was mich daran erinnerte, dass ich meine Retterin unbedingt fragen musste, was mit der Kleidung geschehen war, in der sie mich gefunden hatte. Vielleicht würde die mir einen Hinweis darauf geben, woher ich kam und wer, zum Henker, ich war.

Als ich auf den Tisch zusteuerte, streckte mir die junge Frau die Hand entgegen. »Mein Name ist Kate«, sagte sie. »Kate Ahearn.«

Ich schüttelte die mir dargebotene Hand und staunte erneut über den kräftigen Druck, der von einer gewissen Sanftheit begleitet wurde. Eine angenehme Mischung.

»Hallo, Kate«, erwiderte ich. »Es freut mich, Sie kennenzulernen. Ich bin ...« Hilflos zuckte ich mit den Schultern. »Ich will verdammt sein, wenn ich auch nur den leisesten Schimmer einer Ahnung habe, wer ich bin.«

Ihr Blick bohrte sich in den meinen, als wollte sie überprüfen, ob ich ihr keinen gehörigen Bären aufband. Offenbar zufrieden mit dem, was sie in meinen Augen lesen konnte, nämlich, dass ich die Wahrheit sagte, nickte sie, und wir ließen uns am Tisch nieder.

»Dann haben wir jetzt ein Problem«, meinte sie. »Wie soll ich Sie nennen?«

Ich überlegte kurz und grinste schief. »Ich schätze, John Doe wäre angebracht«, antwortete ich, den Namen benutzend, den Behörden gemeinhin offiziell nicht identifizierten Männern gaben.

Einen Moment lang erwiderte sie nichts, dann spiegelte ihr Gesicht mein Grinsen wider. »Freut mich, John.«

Während des Essens kamen wir kaum dazu zu reden, denn ich merkte mit einem Mal, dass ich einen Mordshunger hatte, was nicht weiter verwunderlich war, wenn Kate Ahearn mich vor zwei Tagen gefunden und ich seitdem bewusstlos gewesen war. In Rekordzeit vertilgte ich drei Eier mit Speck und zwei French Toast, die ich mit zwei Bechern Kaffee hinunterspülte. Die nicht einmal zehn Minuten, die ich dafür brauchte, halfen mir dabei, mich nach meinem verwirrenden Aufwachen weiter zu sammeln. Als ich mit dem Essen fertig war, half ich Kate dabei, den Tisch abzuräumen.

»Ich nehme an, wir haben beide eine Menge Fragen. Lassen Sie uns draußen reden!«

Ich folgte ihr auf die Veranda und fand die Bestätigung, dass ich mich tatsächlich in einem Blockhaus befunden hatte, wenn auch in einem ziemlich großen, solide gebauten mit zwei Stockwerken. Es war ein typisches Ranchhaus, wie man es überall im Westen des Kontinents finden konnte.

»Wo genau sind wir eigentlich?«, fragte ich und ließ mich auf einer robusten Holzbank neben der Eingangstür nieder. An sich hätte mich die Frage nach meiner Identität wesentlich mehr interessiert, doch da darauf ohnehin keiner von uns die Antwort kannte, blieb mir nichts anderes übrig, als mit etwas einzusteigen, das weniger Probleme bei der Beantwortung darstellen würde.

Sie lehnte sich an einen der schmalen Holzpfeiler, die das Verandadach stützten. »In British Columbia. Im südlichen Cariboo Regional District.«

Ich war also in Kanada, irgendwo im zentralen, südlichen British Columbia, wenn ich nicht falsch lag.

»Der nächste Ort ist Clinton, bis dorthin sind es jedoch über drei Stunden Fahrt, meist über holprige Pisten«, fuhr Kate fort. »Das wollte ich Ihnen in Ihrem Zustand nicht zumuten, nachdem ich Sie gefunden hatte. Zu diesem Zeitpunkt regnete es außerdem ausgesprochen heftig, und ich war schon froh, Sie heil hierherzubekommen. Da Ihre Lage wiederum nicht zu kritisch zu sein schien und ich niemanden anrufen konnte, weil die Telefonleitung durch den Starkregen mal wieder unterbrochen war, beschloss ich, Sie bei mir zu behalten und mit der Fahrt zu warten, bis Sie wieder auf den Beinen sind.«

Ich sah sie an. »Sie pokern wohl gerne, was?«

»Nein«, erwiderte sie, »aber ich war früher Krankenschwester in Vancouver. Bevor mein Vater mir unsere alte Ranch hinterließ.«

Sie streckte den Arm aus und machte eine ausholende Bewegung, die das ganze Land um uns herum einschloss.

»Sollte man zum Betreiben einer Ranch nicht eine landwirtschaftliche Ausbildung haben anstatt einer medizinischen?«, fragte ich.

»Ich bin hier aufgewachsen. Glauben Sie mir, ich habe die beste ... und längste ... landwirtschaftliche Ausbildung erhalten, die man sich nur vorstellen kann.«

Während sie sprach, ließ ich meine Augen über das Land schweifen, das uns umgab. Es war hügelig, schroffe Hänge wechselten sich mit sanften Wellen ab. Hinter einer dicht bewaldeten Hügelkette ragten höhere Berge auf. Das Gras war von einem hellen Braun, als hätte die Sonne ihm alle Farbe entzogen. Und obwohl es früher Herbst war, woran ich mich erstaunlicherweise erinnerte, war die Luft noch angenehm warm.

Von der Veranda aus hatte man einen guten Blick auf eine direkt vor uns liegende Koppel, in der sich drei Pferde befanden. Rechts von uns erhob sich eine große Scheune, daneben ein Stall und daran anschließend ein kleiner Schuppen. Alles war liebevoll gepflegt und gut in Schuss, nur auf dem Dach der Scheune schienen einige Schindeln lose zu sein.

»Bewirtschaften Sie das alles allein?«, fragte ich.

Sie nickte. »Im Frühjahr, Sommer und Herbst engagiere ich wie früher normalerweise zwei Hilfskräfte, aber dieses Jahr waren die schwer zu bekommen. Ich hatte bis vor ein paar Wochen nur einen einzigen Arbeiter hier, der frühzeitig gekündigt hat und weitergezogen ist.«

Ich deutete auf das Scheunendach. »Deshalb das ungeflickte Dach.«

Kate nickte. »Das muss vor dem Winter dringend repariert werden. Der Regen vor einigen Tagen war schon schlimm genug für das gelagerte Heu, der Schaden war jedoch einigermaßen zu verschmerzen. Spätestens wenn die richtigen Regenfälle und der Schnee einsetzen, muss das Dach gedeckt sein.«

»Wo wir gerade vom Regen sprechen ...«, nahm ich den Faden auf. »Als Sie mich gefunden haben, hat es also ziemlich heftig geregnet ...«

»Ja. Ich war unterwegs, um nach den Kühen auf dem westlichen Teil meines Lands zu sehen, dem Teil, der an den Fraser River grenzt. Dabei setzte auf einmal der Regen ein. Ich befand mich gerade unten am Ufer, um ein paar Ausreißer wieder zur restlichen Herde oben auf dem Plateau zurückzutreiben. Dabei sah ich zufällig zum Fluss und etwas, das im Wasser trieb und so gar nicht nach einem Baumstamm aussah.«

»Mich«, mutmaßte ich. Man musste nicht Sherlock Holmes sein, um auf diese Annahme zu kommen.

»Richtig. Sie waren nah an den Rand und ins flachere Wasser getrieben worden, dorthin, wo die Strömung Sie nicht mehr erfassen konnte, die sie vorher zwischen zwei Felsen getrieben hatte. Ich band mein Pferd fest, watete zu Ihnen hinaus und schleifte Sie an Land.«

Was sie gerade so lapidar erzählte, musste in Wirklichkeit eine ziemliche Plackerei gewesen sein. So wie ich sie bisher erlebt hatte, schien es jedoch zu ihr zu passen, dass sie kein großes Aufheben darum machte.

»Sie bluteten am Kopf und waren absolut nicht ansprechbar. Nachdem ich Sie kurz untersucht hatte, schaffte ich Sie auf mein Pferd, setzte Sie vor mir in den Sattel und kehrte zur Ranch zurück«, berichtete sie weiter.

»Wie lange hat das gedauert?«

»Der Ritt zurück?« Sie zuckte mit den Schultern. »Etwa drei Stunden.«

Wenn man bedachte, dass sie meinen bewusst- und völlig kraftlosen Körper die ganze Zeit festgehalten haben musste, konnte das für sie kein angenehmer Ritt gewesen sein. Besonders nicht, da all dies bei strömendem Regen geschehen war.

Ich blickte sie ernst an und sagte nur: »Danke.«

Sie lächelte leicht. »Ein Kalb, das man zu seiner Mutter zurücktransportiert, wiegt zwar einiges weniger als Sie, doch es war schon okay. Gern geschehen.«

Ich lachte leise.

Nach einer Weile fuhr sie fort. »Hier angekommen, untersuchte ich Sie etwas genauer, versorgte Sie, und danach haben Sie eigentlich nichts anderes getan, als zwei Tage und drei Nächte durchzuschlafen.« Sie fasste mich genauer ins Auge. »Wie fühlen Sie sich jetzt?«

»Ein bisschen schlapp, aber besser als vor dem Frühstück«, erwiderte ich grinsend. Und es stimmte. Seit ich gegessen hatte, waren meine Lebensgeister merklich erwacht.

»Und Sie erinnern sich wirklich an gar nichts?«, fragte Kate. »Nicht, wie und warum Sie im Fraser gelandet sind? Und auch nicht, wer Sie sind?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich wünschte, ich könnte es.«

Am Frühstückstisch hatte es einen kurzen Moment gegeben, an dem ich so etwas wie den Hauch einer Erinnerung verspürt hatte. Etwas, das in meinem Hinterkopf rumorte, aber nicht ganz herauskommen wollte. Je länger der Moment hinter mir lag und je mehr ich mich darauf konzentrierte, desto mehr wich die Erinnerung meinen tastenden Gedanken aus. Das Einzige, was ich wusste, war, dass ich bei meiner Bemerkung, Kate solle mich »John Doe« nennen, einen Augenblick lang das Gefühl gehabt hatte, der Klang des Namens brachte eine Saite in mir zum Klingen. Warum dem so war, konnte ich nicht sagen.

Versuche, dich nicht darauf zu konzentrieren, dann fällt es dir bestimmt ein, dachte ich. Das Dumme war nur, dass es mir in meiner Situation, in der ich gierig auf Antworten war, verteufelt schwer fiel, mich nicht auf dieses Problem zu konzentrieren.

Ich atmete tief durch.

»Was haben Sie mit der Kleidung gemacht, die ich getragen habe, als Sie mich gefunden haben?«, fragte ich. Vielleicht würde mein Versuch, einer anderen Spur zu folgen, meinem Gehirn genug Zeit verschaffen, sich des Problems mit dem Namen anzunehmen. Es war ein sehr dünner Strohhalm, nach dem ich griff, viel mehr konnte ich in diesem Augenblick jedoch nicht tun.

Kate deutete mit dem Daumen über ihre Schulter. »Die habe ich gewaschen und, da ich Sie nicht kannte, genauestens durchsucht, in der Hoffnung festzustellen, wer Sie sind. Und glauben Sie mir, da ist nichts, was einem nur den kleinsten Hinweis gibt.«

Ich versuchte, mir meine Enttäuschung nicht allzu sehr anmerken zu lassen, doch es war offensichtlich, dass es mir nicht sonderlich gut gelang.

»Lassen Sie uns hineingehen, dann bringe ich Ihnen die Sachen, damit Sie sich selbst davon überzeugen können. Wer weiß, vielleicht erkennen Sie ja das ein oder andere Stück wieder.«

»Es ist erstaunlich, dass ich mich zwar daran erinnern kann, wo British Columbia liegt«, sagte ich, während wir das Haus betraten, »nicht aber an so etwas Grundlegendes wie meinen Namen oder, wo ich herkomme, geschweige denn, was in den letzten Tagen passiert ist. Alles, was mit mir persönlich zu tun hat, scheint aus meinem Gehirn gelöscht zu sein. Was sagt die ehemalige Krankenschwester dazu?«

»Die sagt ›retrograde Amnesie‹«, meinte Kate, die neben mir im Flur stehen geblieben war. »Vereinfacht gesagt, erlaubt Ihnen Ihre Psyche aus irgendeinem Grund im Moment keinen Zugriff auf diese Informationen. Doch das ist nur ein temporärer Schutzmechanismus vor einem Trauma, wahrscheinlich hervorgerufen durch die Verletzung an Ihrem Kopf.« Sie wies auf meine Wunde. »Von einem Sturz, einer Kollision mit einem Stein oder was immer Sie dort erwischt hat.«

»Eine Kugel«, erwiderte ich, bevor mir selbst klar war, dass ich es sagen würde.

Kates Augen weiteten sich. »Sie meinen, das ist ein Streifschuss?«

Ich nickte.

Sanft strichen ihre kühlen Finger meine Haare zur Seite, und sie warf einen Blick auf die Wunde. »Sie könnten recht haben. Mit Schusswunden hatte ich in meinen Jahren im Krankenhaus glücklicherweise nie etwas zu tun, wenn ich mich dagegen an Bilder aus Lehrbüchern erinnere ...«

Eine Weile schwiegen wir, dann sprach ich das Offensichtliche aus. »Mir wäre nur wohler, wenn mir klar wäre, woher ich das weiß. Und ich bin mir verdammt sicher, dass ich richtig liege.«

»Da gibt es wohl zwei Möglichkeiten: Entweder Sie haben Erfahrung mit so etwas, oder ein kleines Fetzchen Erinnerung ist zurückgekehrt. Wie der Rest es tun wird. Geben Sie sich nur etwas Zeit.«

»Wenn wir mal davon ausgehen, dass ich wirklich von einer Kugel gestreift wurde«, sagte ich langsam, »stellt sich bloß die Frage, wie viel Zeit ich habe, auf die Rückkehr meines Gedächtnisses zu warten.«