Jerry Cotton 3307 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3307 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Am JFK wurde ein Eishockeyspieler der National Hockey League brutal ermordet. Er war nachts im Flughafenhotel erstochen worden - vermutlich mit einem Speer. Der Fall erregte großes Aufsehen, weil der Sportler erst kürzlich in einen Skandal verwickelt gewesen war. Bei einem wichtigen Spiel attackierte er einen Gegner so hart, dass der unglücklich stürzte, sich das Genick brach und starb. Danach hatte der NHL-Star unzählige Morddrohungen erhalten. Das Motiv für die Tat schien auf der Hand zu liegen, doch schon schlug der Airport-Killer wieder zu ...


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Jagd auf den Airport-Killer

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Grindstone Media Group / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0563-9

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Jagd auf den Airport-Killer

Der Lärmpegel im voll besetzten Gerichtssaal war an der Grenze des Erträglichen. Seit Stunden warteten die Zuhörer auf die Urteilsverkündung durch die zwölf Jurymitglieder. Niemand hatte seither den Raum verlassen, niemand wollte seinen hart erkämpften Platz verlieren. Die Stimmung war explosiv.

Als sich endlich die Tür zum Beratungszimmer öffnete, verebbten die Gespräche. Eine angespannte Stille trat ein.

»Wir erklären den Angeklagten in allen Punkten der Anklage für nicht schuldig«, verkündete der Sprecher.

Er setzte zu einer Erklärung an, doch diese ging gänzlich in dem Tumult unter, der seinen Worten folgte. Pfiffe ertönten, Protest und empörte Drohungen. Nicht erst die Tomate, die den Freigesprochenen traf, verdeutlichte ihm, dass er an diesem Tag der meistgehasste Mann in ganz New York war.

Georgie McGee atmete tief ein, nachdem er den Gerichtssaal durch den Hintereingang verlassen hatte. Der klebrige Saft der Tomate tropfte von seiner Stirn auf das weiße Hemd, das er trug. Die Flecken würden nie mehr rausgehen. Vielleicht sollte er das Kleidungsstück als Andenken an den zugleich besten und drittschlechtesten Tag seines bisherigen Lebens aufbewahren. Der zweitschlechteste war der Tag des Unglücks gewesen, weswegen er vor Gericht gestanden hatte. Der allerschlechteste ... Aber nein, an Amy wollte er jetzt lieber nicht denken.

Der süßliche Tomatenmatsch lief über sein Gesicht und bahnte sich einen Weg auf seine Lippen. Gedankenverloren leckte er ihn ab und musste augenblicklich einen Brechreiz unterdrücken.

Angeekelt wischte er sich mit dem Ärmel sauber. Das Hemd würde er sowieso wegwerfen. Ein Andenken an diesen rabenschwarzen Tag war eine Schnapsidee.

Sein Anwalt beglückwünschte ihn und vereinbarte einen Termin für die Abschlussbesprechung und die Rechnungsstellung. Dann nickte er ihm mit einer knappen Geste zu und verschwand im Aufzug.

McGee seufzte. Selbst der Rechtsverdreher schien es eilig zu haben, aus seinem Dunstkreis zu verschwinden.

Er wusste, dass er das Schlimmste noch nicht überstanden hatte. Als freier Mann blieb ihm nichts anderes übrig, als das Gerichtsgebäude durch den Vordereingang zu verlassen. Die Hintertür war den Angestellten und Verurteilten vorbehalten.

Die Meute dort draußen würde nicht zimperlich mit ihm umgehen. Ihn schauderte. Es war ja nicht so, dass er Menschenansammlungen verabscheute. Ganz im Gegenteil. Er liebte das Bad in der Menge. Aber normalerweise wurde er bejubelt und gefeiert, wenn er sich dem Publikum stellte. Damit war heute nicht zu rechnen.

»Georgie!«, erklang in diesem Moment eine wohlbekannte Stimme, und eine Hand schlug ihm kraftvoll auf die Schulter. »Du hast es geschafft. Ich wusste es, alter Knabe.«

McGee drehte sich um und lächelte halbherzig. So weit war es also schon gekommen. Sein Trainer war der Einzige, der sich nach dem Prozess um ihn kümmerte. Und der tat es sicher nicht aus reiner Nächstenliebe, geschweige denn aus Freundschaft. Chuck Evens wollte nur seinen besten Spieler nicht verlieren.

»Na, komm schon, Georgie-Boy!« Der Coach streckte ihm die Hand entgegen. »Ich begleite dich zum Hotel. Wir wollen dich nicht ganz allein in die Höhle des Löwen schicken.«

McGee war seinem Trainer für die Fürsorge dankbar. Gemeinsam machten sie sich auf nach draußen. Kurz bevor sie ins Freie traten, zog sich McGee mit einem entschlossenen Ruck seinen Blazer über den Kopf. Er schütze ihn nicht nur vor den bösen Blicken der versammelten Meute, sondern auch vor weiteren Wurfgeschossen.

»Mörder!«, schrie jemand. »Du wirst sterben!«

Sie bahnten sich einen Weg durch die Menschentraube. Zwei Cops, die extra dafür da waren, halfen ihnen dabei.

»Gleich haben wir es geschafft«, sagte Evens vergnügt. Ihm schien das Ganze großen Spaß zu machen.

McGee lugte unter seiner Jacke hervor und sah, wie der Coach ein Taxi heranwinkte. Kurze Zeit später hielt der Wagen, und McGee riss erleichtert die Tür auf.

»Zum Airport ...«, begann er, doch als er gerade einsteigen wollte, erkannte ihn der Fahrer.

Sein Gesicht verzerrte sich vor Hass, er spuckte symbolisch auf seinen Fahrgast und gab Gas.

»Verdammter Yankee!«, knurrte Evens. »Mach dir keine Sorgen, Georgie-Boy. Zu Hause in Dallas sieht die Welt rosiger aus.«

Beim nächsten Taxi hatten sie mehr Glück. Am Steuer saß ein gut gelaunter Latino, der sich entweder nicht für Eishockey interessierte oder ein Anhänger der Dallas Stars war. Vielleicht erkannte er den prominenten Fahrgast auch gar nicht.

»Zum TWA Flight Center Hotel am JFK«, gab Evens an.

Das Taxi fuhr los, und als es schließlich die Brooklyn Bridge erreichte, atmete McGee endlich auf. Sein Coach holte zwei Gläser und eine Flasche Champagner aus dem Beutel, den er bei sich trug.

»Auf deinen Freispruch.« Er zwinkerte.

McGee war nicht nach Feiern zumute. »So langsam glaube ich, eine Verurteilung wäre besser für mich gewesen«, knurrte er. »Und für die Dallas Stars auch.«

»Blödsinn, Georgie. Ich sagte ja schon, in Texas sehen die Leute das anders. Du wirst nach sechs Monaten Disziplinarstrafe wieder im ersten Sturm spielen, und sie werden dich feiern wie eh und je.«

»Glaubst du?« McGee war skeptisch. »Ich wollte das alles nicht, Chuck. Du kennst mich. Ich bin ein Hitzkopf auf dem Eis, dieser Unfall war jedoch nicht geplant. Herrgott, ich bin kein Mörder! Auch wenn alle Welt das derzeit zu glauben scheint.«

»Natürlich nicht. Das hätte jedem passieren können. Deshalb haben sie dich ja freigesprochen.«

»Es ist aber nicht jedem passiert, Chuck. Es ist mir passiert.« Er seufzte.

Sie schwiegen, bis das Taxi vor der großen Möwe hielt, dem denkmalgeschützten Gebäude am Terminal 5 des JFK Airport, in dem sich seit Kurzem das TWA Flight Center Hotel befand.

»Soll ich mit reinkommen?«, erkundigte sich Evens.

»Nein, Chuck. Ich danke dir für deinen Beistand, aber jetzt wäre ich gern allein. Es war ein harter Tag, weißt du?«

Der Coach nickte und drückte ihm die Hand, bevor er ausstieg. Vielleicht hatte er ihn falsch eingeschätzt. Vielleicht war Chuck Evens doch so etwas wie ein Freund.

In der riesigen Lobby kam sofort eine hübsche Blondine auf ihn zu.

»Herzlichen Glückwunsch, Mister McGee. Ich habe von Ihrem Freispruch gehört. Kann ich etwas für Sie tun? Möchten Sie das Abendessen wieder auf Ihrem Zimmer einnehmen?«

»Nein danke, Glenda. Ich habe heute keinen Hunger. Ich möchte nur früh schlafen gehen. Sorgen Sie einfach dafür, dass mich niemand stört.« Er versuchte ein Lächeln.

»Selbstverständlich, Mister McGee.«

Er wandte sich zum südlichen Gebäudeflügel des Nostalgiehotels, in dem alles ein bisschen wie in den 1960er-Jahren wirkte. Die Örtlichkeit hatte er mit Bedacht ausgewählt, damit er nach dem Prozess so unauffällig wie möglich mit dem nächstbesten Flieger aus dieser Stadt verschwinden konnte. Um den Rummel abzuwehren, hatte er sich den Luxus gegönnt, einen komplettes Stockwerk anzumieten. Keine Fotografen, keine Presse, keine entrüsteten Fans der New York Rangers. Nur er und Glenda vom Personal.

Jetzt war er froh über seine weise Voraussicht. Ein menschenleerer Gebäudetrakt war genau das, was er brauchte. Er bot ihm die Gelegenheit, sich die Beine zu vertreten, ohne jemandem zu begegnen.

Ein bitteres Lachen huschte über sein Gesicht. Spazieren gehen im Hotel! Das war eindeutig eine neue Erfahrung für ihn.

Er betrat die röhrenförmige ehemalige Fluggastbrücke, die die Lobby mit dem eigentlichen Hotel verband. Weiche rote Teppiche verschluckten seine Schritte.

Georgie McGee hoffte sehr, dass sein Trainer recht behalten würde. Dass sich die Wogen glätten und in einem halben Jahr niemand mehr an den Vorfall denken würde. Eishockey war sein Leben. Es konnte nichts anderes, als dem Puck hinterherjagen. Und er wollte auch nichts anderes.

Als er die Röhre hinter sich hatte, die in der vierten Etage des Hotels endete, musste er das Treppenhaus nach unten nehmen, denn der Aufzug war seinetwegen für das Erdgeschoss blockiert. Nur er selbst und das Hotelpersonal besaßen einen Schlüssel zu der Eingangstür seines Trakts.

Als er sie wieder hinter sich verschlossen hatte, nahm er in der schwachen Beleuchtung des Flurs plötzlich eine Bewegung wahr.

Verdammt, hatte sich doch jemand hineingemogelt? Diese Paparazzi fanden schließlich immer einen Weg!

McGee schlich zu der Ecke, hinter der die Gestalt verschwunden war, die er zu sehen geglaubt hatte.

Nur da war niemand.

Dann entdeckte er etwas, was ihm zuvor nicht aufgefallen war. Die Tapete war an dieser Stelle nicht ganz gleichmäßig. Bei genauerem Betrachten zeichnete sich eine niedrige Tür ab, die nahezu unsichtbar war, solange sie komplett schloss. Jetzt stand sie einen Spaltbreit offen.

Georgie McGee seufzte. Wenn er in dieser Nacht Ruhe finden wollte, musste er wohl nachsehen, ob sich hier jemand eingeschlichen hatte.

Mit einer kraftvollen Bewegung zog er die Tür ganz auf.

Ihr Wecker piepste wie jeden Morgen um Viertel nach zwei. Schon beim dritten Klingeln schlug Marcia Domingo ihn aus. Sie war bereits zwei Minuten vor dem Alarm wach gewesen, ihre innere Uhr funktionierte genauso präzise wie jede andere Uhr.

Im zweiten Bett in dem stockfinsteren fensterlosen Raum drehte sich ihr zwölfjähriger Sohn auf die andere Seite.

»Schlaf weiter, Julio«, flüsterte Marcia, während sie sich aufsetzte und in ihre Pantoffeln fuhr. »Ich bin’s nur.«

Bald wird er dreizehn, dachte sie. In wenigen Tagen hat er Geburtstag.

Wie schnell die Zeit verging! Eben war er noch ein Junge, bald würde er erwachsen sein. Mit dreizehn sollte man eigentlich nicht mehr das Schlafzimmer mit seiner Mutter teilen. Marcia Domingo wusste das wohl, doch sie sah keine andere Lösung. Das kleine Apartment in Queens hatte nur zwei Räume: den fensterlosen und eine größere Wohnküche. Sie suchte seit Monaten nach einem geräumigeren Apartment, aber ihr bescheidener Lohn als Putzfrau ließ einen Traum nach dem anderen platzen.

Gedankenverloren wusch sie sich mit einem nassen Lappen und putzte sich so leise wie möglich die Zähne. Nur einmal pro Woche gönnte sie sich eine heiße Dusche. Warmes Wasser war teuer, und wenn sie an solchen Dingen sparte, konnte sie das Geld zurücklegen und Julio vielleicht die Playstation zum Geburtstag kaufen, die er sich so sehr wünschte.

Im Stehen trank sie eine Tasse Kaffee, nebenbei deckte sie den Frühstückstisch für ihren Sohn und schrieb ihm ein paar Zeilen.

Viel Glück bei der Mathearbeit. Heute Abend gibt es Moqueca de peixe.

Sie schrieb auf Amerikanisch, obwohl es ihr schwerfiel. Julio sollte nicht wie ein Brasilianer aufwachsen. Er war ein schüchterner, aber intelligenter Junge, er konnte es in diesem Land zu etwas bringen.

Später in der Subway spürte Marcia, wie die Müdigkeit sie überrollte. Die Nacht war wieder einmal zu kurz gewesen, und das Schlingern des Wagens, die gleichförmigen Geräusche wirkten einschläfernd. Auch die andere Fahrgäste schwiegen, die meisten hatten wie sie selbst dunkle Ringe unter den Augen. Geschäftsreisende, Junkies und ein paar Schichtarbeiter. Die übliche Klientel.

Als der Zug an der AirTrain-Haltestelle Jamaica hielt, gähnte Marcia Domingo, dann rieb sie sich mit den Händen den Schlaf aus den Augen. Auch wenn es kaum jemand aus ihrem Bekanntenkreis glauben wollte, sie mochte ihren Job. Sie hatte ihr Leben lang geputzt, es machte ihr nichts aus, den Dreck anderer Leute zu beseitigen. Das Ergebnis bescherte ihr stets ein vages Gefühl von Zufriedenheit. Sauberkeit machte sie glücklich. Dazu kam etwas anderes. Am Flughafen atmete sie immer etwas vom Duft der weiten Welt. Sie wusste nicht einmal, ob sie selbst gerne verreist wäre, denn das lag außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten. Doch die Idee davon begeisterte sie.

Am Airport war sie Teil dieser Welt. Sie war ein bisschen Geschäftsfrau, ein bisschen Touristin, sie spürte, wie fremde Kulturen die Finger nach ihr ausstreckten. Sie war exotischen Ländern wie Ägypten, China oder Italien ganz nahe.

Zielstrebig steuerte sie auf den zentralen Dienstraum der Putzkolonne zu. Carlos, ein Kollege, kam ihr bereits mit einer der Aufsitzputzmaschinen entgegen, mit denen die Böden jede Nacht auf Hochglanz gebracht wurden.

Sie selbst hatte erst dreimal auf einer solchen Maschine gesessen. Ihr Zuständigkeitsbereich waren nicht die Böden, sondern die Wartebereiche und die Toiletten. Diese Woche war das Terminal 5 der jetBlue Airways ihr Revier.

Auch das gefiel ihr an dem Job. Er war abwechslungsreich. Die Dienstpläne wurden wöchentlich erstellt, und da innerhalb der Putzkolonne ein reges Kommen und Gehen herrschte, wechselte ihr Einsatzort ständig. Manche Kollegen stöhnten darüber, doch Marcia gefiel es.

Sie füllte gewissenhaft ihren Wagen auf, streifte die Gummihandschuhe über und machte sich auf den Weg.

Neunundzwanzig Gates. Das bedeutete neunundzwanzig Wartebereiche und acht Toilettenanlagen. Ihre Schicht begann um vier Uhr morgens und endete mittags um eins. Am liebsten waren ihr dabei die ersten vier Stunden. Zwar schlief der Flughafen nie, aber vor acht Uhr war deutlich weniger los als danach. Bis dahin hatte sie die meisten Bereiche geputzt, in der zweiten Hälfte des Arbeitstags waren dann die Diensträume, Personaltoiletten und eine zweite Runde an der Reihe.

Ein wenig sehnsüchtig blickte Marcia zu dem erst vor Kurzem eröffneten Luxushotel im historischen Originalgebäude, das irgendein berühmter Architekt aus Europa vor sechzig Jahren entworfen hatte. Zimmermädchen in einem solchen Hotel wäre sie gerne gewesen! In den schönen Zimmern Betten machen, Staubsaugen und Wasserhähne polieren, ja, das würde ihr Spaß machen.

Leider wurde das Hotel nicht von der Putzkolonne des Flughafens betreut. Die hatten ihre eigenen Leute.

Es war nicht Marcias Art, trübsinnig zu werden und verpassten Chancen nachzutrauern, deshalb schob sie ihren Wagen schwungvoll auf die erste Toilettenanlage zu.

In einer Ecke saß zusammengesunken eine magere Frau, die leise vor sich hin brabbelte. Eine Obdachlose. Auch solche gab es auf dem Flughafen. Das riesige Gelände bot genügend Möglichkeiten, sich zu verstecken und sich ein paar Tage lang dem langen Arm der Sicherheitskontrolleure zu entziehen.

Marcia kramte in der Tasche ihrer bequemen Jogginghose, die sie am liebsten bei der Arbeit trug, und steckte der Frau am Boden eine Fünfdollarnote zu. Das war zwar auch für sie viel Geld, aber ihr tat die Alte leid. Sie hatte mit Sicherheit schon lange keinen heißen Kaffee mehr getrunken.

»Sbaßiba«, krächzte die Frau. Oder so ähnlich. Marcia wusste nicht, was das für eine Sprache war.

Auf den Toiletten war nichts los. Die Kabinen schienen alle leer zu sein. Am Boden entdeckte Marcia jedoch einige rostrote Flecken. Blut! Jemand hatte sich verletzt.

Die Spur führte zu einer Kabine, deren Tür geschlossen war.

»Hallo?«, rief die Putzfrau. »Ist jemand da drin?«

Sie bekam keine Antwort.

Jetzt wurde ihr mulmig zumute. Sie sah, dass auch die Tür mit Blut verschmiert war.

»Ist alles in Ordnung bei Ihnen?«, fragte sie zaghaft. Doch noch immer rührte sich nichts.

Mit klammen Fingern drückte Marcia die Klinke nach unten. Die Tür war nicht verschlossen und öffnete sich sofort.

Leer. Die Kabine war leer, und Marcia atmete auf. Doch dann stutzte sie. Auch die Klobrille war verschmutzt und die Schüssel bis oben hin verstopft. Rostrote Schlieren zogen sich über das Toilettenpapier, das fast überquoll. Mittendrin steckte noch etwas anderes.

Mit angewidertem Gesichtsausdruck streckte Marcia die Hand aus und fischte den Gegenstand heraus.

Was war das? Es sah aus wie ... Sie dachte nach. Ja, wie eine abgebrochene Speerspitze! Oder eine Lanze. Auch sie glänzte blutrot.

Missmutig schüttelte Marcia den Kopf. Obwohl sie ihren Job mochte, wunderte sie sich oft, wie achtlos manche Leute waren. Warum warfen sie ihre Abfälle nicht in die dafür vorgesehenen Mülleimer, sondern verstopften die Toiletten? Warum spülten sie verschmutztes Papier nicht hinunter? Warum säuberten sie die Brille nicht, wenn sie sie vollgetropft hatten? Ein solches Verhalten war Marcia gänzlich fremd.

Sie warf den merkwürdigen Gegenstand in ihren großen Müllbeutel, betätigte die Spülung und beseitigte den Schmutz mit ihrem Lappen.

Auf die Idee, den seltsamen Fund und die Entdeckung der Blutspuren der Polizei zu melden, wäre sie im Traum nicht gekommen.

»Mit einem Speer?«

Phil und ich sahen Mr. High mit identisch verdutztem Gesichtsausdruck an. Wir saßen im Büro unseres Chefs und hielten jeder eine Tasse von Helens göttlichem Kaffee in der Hand.

Mr. High blickte ähnlich ratlos drein wie wir. »Das ist zumindest die vorläufige Meinung des Arztes, der den Tod festgestellt hat, Phil«, erklärte er. »Auf das Ergebnis der Gerichtsmedizin werden wir selbstverständlich noch eine Weile warten müssen.«

»Hatten wir jemals einen Fall, in dem ein Speer zum Mordinstrument wurde?«, fragte mein Partner nachdenklich.

»Bestimmt«, erwiderte ich. »Er fällt uns nur gerade nicht ein.«

Mr. High hatte uns zu sich gebeten, weil im TWA Flight Center Hotel ein Mann erstochen in seinem Bett aufgefunden worden war. Als Tatwaffe vermutete man einen Speer, wie die indigenen Völker am Amazonas ihn benutzten. Oder Leichtathleten.

»Wer ist das Opfer?«, wollte ich wissen. »Ein Missionar aus Brasilien? Ein Zehnkämpfer? Könnte der Speer irgendeine symbolische Bedeutung haben?«

»Nicht so schnell, Jerry«, bremste mich der Chef. »Und keine voreiligen Schlüsse. Es kommt nämlich noch besser. Der Tote ist Georgie McGee.«

Phil pfiff durch die Zähne, und ich runzelte die Stirn.

»Der Eishockeyspieler?«, vergewisserte ich mich. »Stand er nicht gestern hier in New York vor Gericht?«

»Genau der«, bestätigte Mr. High.

»Dann hätte ich eher auf einen Hockeyschläger getippt«, stellte Phil nüchtern fest. »Aber zumindest liegt das Motiv in diesem Fall klar auf der Hand.«

Mr. High hob kaum merklich die Brauen und schüttelte den Kopf. »Was ich Jerry eben sagte, gilt auch für Sie, Phil, keine voreiligen Schlüsse bitte. Das verstellt den Blick. Nur weil das halbe Land McGee derzeit die Pest an den Hals wünscht, muss das noch lange nicht das Mordmotiv sein. Genauso gut könnte jemand die allgemeine Stimmung gegen den Mann für seine eigenen Interessen genutzt haben.«

Wir wussten natürlich, dass unser Chef recht hatte. Aber manchmal war es einfach zu verlockend, auf das Naheliegende zu tippen.