1,99 €
Rick McAllister war demokratischer Präsidentschaftskandidat. Eines Nachmittags nahm er in Harlem an einer Kundgebung gegen Rassismus und die rechtsextreme Gruppierung Aryan Blood Wing teil. Vor das Podium trat ein maskierter Mann. Bevor es McAllisters Leibwächter verhindern konnten, erschoss der Fremde den Kongressabgeordneten und floh. Wir vom FBI stürzten uns sofort in die Ermittlungen und erhielten Unterstützung vom NYPD. Und fast zu spät erkannten wir, dass unser Gegner mächtiger war, als wir gedacht hatten ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Das Tier auf dem Grund der Seele
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Antonio Guillem / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0565-3
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Das Tier auf dem Grund der Seele
Im selben Moment, als der Uhrzeiger der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage auf zwölf sprang, krachte ein Schuss!
Der charismatische Politiker Rick McAllister, der mit einem Mikrofon auf dem provisorischen Podium vor dem roten Sandsteingebäude stand, zuckte wie unter einem Peitschenhieb zusammen. Ungläubig griff er sich mit der freien Hand an die Brustseite seiner dick gefütterten Winterjacke und stürzte mit starrem Blick wie ein gefällter Baum auf das Podest.
Die Kugel, die aus nächster Nähe auf ihn abgefeuert worden war, hatte sein Herz durchschlagen. Dunkelrotes Blut sprudelte aus der Schusswunde.
Das Publikum, das sich an diesem bitterkalten Novembertag um ihn herum versammelt und ihm kurz zuvor noch frenetisch zugejubelt hatte, brach in Angst und Panik aus. Entsetzte Schreie gellten. Passanten rannten wild durcheinander, kauerten sich mit über den Köpfen erhobenen Händen hin oder warfen sich auf den gefrorenen Asphalt.
Ein schwarz gekleideter Mann mit Kapuzenjacke und einem Schal über der unteren Gesichtshälfte nutzte den aufbrandenden Tumult, um unerkannt von dem Platz zu verschwinden.
Die Bodyguards des Getöteten versagten komplett. Auch jetzt kümmerten sie sich nicht um den Todesschützen, sondern vielmehr um den reglos daliegenden Politiker zu ihren Füßen. Allerdings kam für den Mann jede Erste-Hilfe-Maßnahme zu spät.
Um Punkt zwölf Uhr war der demokratische Präsidentschaftskandidat Rick McAllister mitten in Harlem Opfer eines Attentats geworden.
Das ganze Land war über den am helllichten Tag ausgeführten Mordanschlag auf den Politiker entsetzt. Alle zur Verfügung stehenden Einsatzkräfte in der bevölkerungsreichsten Stadt der Vereinigten Staaten suchten nach dem Attentäter, von dem so gut wie nichts bekannt war.
Die T. A. C. T. I. C. S. des FBI-Distrikts New York unter Assistant Director in Charge John D. High übernahm die Ermittlungen. Als Teamleiter wurde ich bestimmt.
Zur Task Force gehörten außerdem mein Partner Phil Decker und zwei Polizisten des NYPD-Reviers 28th Precinct, Central Harlem. Es handelte sich um Detective Sergeant Donald »DD« Dunnigan und Detective Francine Boice. Die beiden Cops kannten den Stadtteil, in dem der Tatort lag, so gut wie ihre eigene Westentasche. Das war auch der Grund, weshalb sie auf Amtshilfegesuch von Mr. High von ihrer Dienststelle für uns freigestellt worden waren.
Zur ersten Teambesprechung trafen wir uns in Phils und meinem gemeinsamen Büro. Detective Dunnigan lümmelte sich bereits auf einem Stuhl, als wir eintraten. Er beäugte uns wie ein Gerichtsmediziner, vor dem eine frische Leiche auf dem Seziertisch lag. So jedenfalls kam es mir vor. Insbesondere für unser Outfit schien er nicht viel übrig zu haben, denn wie immer trugen wir Anzüge.
Er selbst hingegen war mit einem dünnen hellblauen Rollkragenpulli und einer dunkelgrauen Levis bekleidet. Die mit Stahlkappen versehenen Doc-Martens-Schuhe eigneten sich ideal zum Eintreten von Türen. Seine gefütterte schwarze Lederjacke hing über der Stuhllehne. An seiner Hüfte trug er ein Holster mit einer Sig Sauer P226. Daneben schimmerte die goldene Dienstmarke. Seine Straßenkluft unterschied sich kaum von der irisch-amerikanischer Einwohner des Big Apple.
Donald Dunnigan war Anfang vierzig, athletisch gebaut, fast einen Kopf größer als ich, hatte das schwarze Haar kurzgeschoren und wies einen starken Bartwuchs auf. Die eisigen, grauen, sehr irischen Augen schienen keinen Spaß zu verstehen. Die mehrfach gebrochene Nase und eine lange Narbe vom Kinn am rechten Mundwinkel vorbei bis zum Nasenflügel, die unverkennbar von einer Messerklinge stammte, vervollständigten diesen Eindruck. Wahrscheinlich war das nicht die einzige zurückbehaltene Schramme an seinem Körper. Aus seiner Akte wusste ich, dass er viele Jahre undercover gearbeitet hatte, vor allem in der Drogen- und Menschenhandelszene. Er war gewiss ein harter Kerl, und die Gegner, die sich mit ihm anlegten, hatten sicher nicht viel zu lachen.
Erst beim zweiten Blick fiel mir die schlanke Blondine auf, die in der Ecke unseres Büros stand und aus dem Fenster auf das Bleigrau des Winters sah, das sich konturenschärfend über die Häuserschluchten senkte.
Als sie sich jetzt zu uns umwandte, stockte mir kurz der Atem. Was soll ich sagen? Für manche Frauen würde sogar ein Bischof ein Loch ins Kirchenfenster treten. Ich glaube, Raymond Chandler, der Erfinder des vielleicht berühmtesten amerikanischen Privatdetektivs Philip Marlowe, hatte das einmal geschrieben.
Phil ließ den Blick auffallend lange auf ihr ruhen. Nicht indiskret, aber dennoch so, wie Männer eben schöne Frauen anschauten. Nicht als Belästigung, sondern als Kompliment.
Detective Boice war an den richtigen Stellen üppig gebaut, was ihr weißer Mohairpullover gut zur Geltung brachte. Eine Mähne aus kräftigem weizenblonden Haar rahmte ein edel geschnittenes, etwas blasses Gesicht ein. Die Augen, die über der Stupsnase saßen, schimmerten blaugrün wie ein Bergsee. Ihr ungeschminkter Mund war breit und sinnlich.
Im Gegensatz zu DD schenkte sie uns ein strahlendes Lächeln und gab mir und meinem Partner die Hand.
»Nennen Sie mich einfach Fran. Francine rufen mich nur meine Mutter und meine Feinde.« Ihr erneutes Schmunzeln zauberte herrliche Grübchen auf ihre Wangen und ließ den grauen Novembermorgen vergessen.
Phil und ich setzten uns hinter unsere Schreibtische, die NYPD-Ermittler auf die Stühle davor. Wir erläuterten, was wir bislang über das Attentat wussten. Viel war es allerdings nicht.
»Kongressabgeordneter Rick McAllister trat bei der Kundgebung – eigentlich nichts anderes als eine Wahlveranstaltung – gegen Rassismus und die rechtsextreme Gruppierung Aryan Blood Wing auf, kurz ABW«, erklärte ich. »Dafür ist Harlem das richtige Pflaster. Das wusste er natürlich.«
»Und dort fühlte er sich nicht nur verstanden, sondern auch sicher«, ergänzte Phil.
»Was Sie nicht sagen«, grätschte Dunnigan dazwischen. Er kaute auf einem Chewing Gum herum, was ihn nicht gerade sympathischer machte. »Vermutlich waren es Nazis, die ihm das Lebenslicht ausgelöscht haben. Es war weiß Gott nicht die einzige Veranstaltung der letzten sechs Monate, in denen er sich den Aryan Blood Wing als Zielscheibe für seinen Wahlkampf ausgesucht hat.«
»Ob die Rechtsextremen etwas mit dem Anschlag zu tun haben, ist reine Spekulation«, gab Phil zurück. »Obwohl der Verdacht naheliegt ...«
»Glauben Sie denn, es waren Afroamerikaner, Decker? Haben Sie jemals Ihren feinen Anzug gegen Straßenklamotten getauscht, um in SoHa undercover zu ermitteln?«
Nicht erst seit Kurzem nannten einige Zeitgenossen Harlem einfach »SoHa«, ähnlich wie »SoHo«, das südlich der Houston Street lag. Ich selbst hatte es mit der Gentrifizierung dieser Namen nicht so. Außerdem passte mir der Ton, den der Cop in diese Teambesprechung einbrachte, ganz und gar nicht.
»Ich habe wahrscheinlich schon mehr Straßengeruch geschnuppert als Sie, Dunnigan«, konterte Phil.
Zum ersten Mal ergriff Fran das Wort. »So kommen wir nicht weiter, DD. Vielleicht kannst du dich einfach mal am Riemen reißen!« Das war keine Frage, sondern eine Feststellung.
Allerdings wollte der Detective weder vor ihr und schon gar nicht vor uns das Gesicht verlieren.
»Ich habe es mir nicht ausgesucht, mit diesen Schlipsträgern in einer Task Force zusammenzuarbeiten«, knurrte er. »Das war ein Befehl von oben.«
Jetzt platzte auch mir die Hutschnur. »Wenn es Ihnen nicht passt, Detective Dunnigan, dann sollten wir diese Kooperation beenden, bevor sie richtig begonnen hat. Wir können gleich rüber in Mister Highs Büro, damit er das mit Ihrem Captain klärt!«
Francine Boice knuffte ihren Partner unsanft in die Seite, was ihn wieder zur Räson brachte. Eine seltsam vertraute Geste, wie ich fand.
Phil spießte den NYPD-Ermittler geradezu mit seinem Blick auf.
»Die Adresse der Kirche Jesu Christi der Heiligen der Letzten Tage, vor der McAllister erschossen wurde, lautet dreihundertsechzig Malcolm X Boulevard«, versuchte Fran, weiter Spannung aus der Besprechung herauszunehmen. »Für mich stellt sich die Frage, ob der Kongressabgeordnete irgendwie mit den Mormonen verbandelt war. Denn die Church of Jesus Christ of Latter-day Saints ist eine christliche Glaubensgemeinschaft, die zusammen mit kleineren Splittergruppen zur Konfessionsgruppe der Joseph-Smith-Gläubigen gehört.«
Diese konstruktive Art des weiblichen Detective gefiel mir sehr gut. Im Gegensatz zu ihrem immer noch schmollenden Kollegen.
»Wir haben das bereits von unserem IT-Experten Doktor Bruckner überprüfen lassen«, erwiderte ich. »McAllister unterhielt keinerlei Verbindungen zu den Mormonen oder zu anderen Konfessionen. Eigentlich war er Atheist, was er jedoch nicht an die große Glocke gehängt hat, um diesbezügliche Wählergruppen nicht abzuschrecken. Die Rede vor dieser Kirche war letztlich nur seiner Wahltaktik geschuldet, um mit den Attacken auf die Rechtsextremen die afroamerikanischen Wähler davon zu überzeugen, für ihn zu stimmen.«
»Und was ist mit den Fernsehaufnahmen?«, hakte Fran nach.
»Zur Stunde des Attentats war einzig CNN dabei, berichtete allerdings nicht live, sondern zeichnete die Kundgebung auf, um sie in den Hauptnachrichten zu einem kurzen Newsbeitrag zusammenzuschneiden.« Phil räusperte sich. »Wir haben das Rohmaterial gesichtet. Der mit einer schwarzen Kapuzenjacke bekleidete Täter ist darauf jedoch nur von hinten zu sehen. Einige wenige Zeugen erinnern sich zwar an ihn, konnten sein Aussehen aber nicht beschreiben, da er über der unteren Hälfte des Gesichts einen Schal trug.«
»Aus welchem Beduinenzelt stammen eigentlich McAllisters Bodyguards?«, stichelte DD, das Thema wechselnd. »Denen würde ich nicht mal den Schutz meiner altersschwachen, bettlägerigen Großmutter anvertrauen, so kläglich haben die Jungs versagt!«
Damit sprach der Detective einen Punkt an, über den wir uns ebenfalls schon informiert hatten.
»Normalerweise steht keiner der Präsidentschaftskandidaten, natürlich mit Ausnahme des Präsidenten selbst, unter dem Schutz des Secret Service«, erklärte ich. »Gesetzlich bewacht der lediglich den Amtsinhaber und seinen Vize sowie deren Familien und einige andere hochrangige Regierungsbeamte. Hätte McAllister um diesbezüglichen Personenschutz gebeten, wäre das allerdings möglich gewesen. Eine entsprechende Befugnis wurde bereits nach der Ermordung von Robert F. Kennedy in den Sechzigern erteilt. McAllister hat einen solchen nie angefordert.«
»Dann waren das Bodyguards eines privaten Sicherheitsdienstes?«, wollte Dunnigan wissen.
Ich nickte. »Wir haben jeden Einzelnen von ihnen unter die Lupe genommen. Alles gesetzestreue Securitymitarbeiter, die nicht noch nicht mal ein Knöllchen wegen Falschparkens haben.«
Fran räusperte sich, wohl genauso froh wie alle anderen, dass die Teambesprechung nun in normalen Bahnen verlief. »Mit welcher Waffe wurde McAllister erschossen?«
»Laut den Ballistikern mit einer Beretta zweiundneunzig FS, Kaliber neun Millimeter Luger«, gab ich bekannt. »Eine Pistole, die es wie Sand am Meer gibt.«
Damit waren die wichtigsten Fragen beantwortet. Ich teilte die Akte aus, die alle Informationen zum jetzigen Stand der Ermittlungen enthielt, und erläuterte das weitere Vorgehen.
Zunächst würden wir den Aryan Blood Wing unter die Lupe nehmen. Die rechtsextreme Bewegung war über ganz New York verstreut. Allerdings konzentrierten wir uns auf die Führungsspitze. Diese bestand aus Bunchie Waltemeyer und seiner Nummer zwei, Curt Epps. Ihre Wohnadressen waren in Staten Island gemeldet.
»Das ist zwar richtig, aber dort halten sich die beiden momentan nicht auf.« DD schien sich nun im Griff zu haben. »Wie ich von meinen Informanten auf der Straße gehört habe, sind die Nazis in Harlem gesehen worden. Vielleicht haben sie direkt vor Ort das Attentat geplant, wer weiß?«
Ich war dankbar für diesen Burgfrieden. »Haben Sie auch die Adressen, wo wir die beiden finden können, Detective?«
Kaugummi kauend nickte Donald Dunnigan.
Das war zumindest mal ein Anfang.
Schon hatte ich beabsichtigt, dass wir in gemischten Teams ermitteln würden, um unsere Erfahrungen als Special Agents und Cops so effektiv wie möglich zu nutzen.
Aus diesem Grund wollte ich mir mit Dunnigan Bunchie Waltemeyer vorknöpfen, und Phil sollte sich mit Fran um Curt Epps kümmern.
Keine Frage, dass er hocherfreut darüber war. Hätte ich ihn mit DD losgeschickt, hätte die Gefahr bestanden, dass sich die beiden an die Kehle gegangen wären, bevor sie im Dienstwagen gesessen hätten.
Es war schon lange her, dass sich Phil so gut fühlte wie jetzt. Das lag natürlich nicht an dem eiskalten Wetter im Big Apple, sondern an der Begleitung, die neben ihm am Steuer saß.
Francine Boice hatte es sich nicht nehmen lassen, ihren eigenen Dienstwagen zu fahren. Mit dem schnittigen Ford Mustang waren sie unterwegs zu Curt Epps, der sich in der 100 W. 124 Street in der Lenox Avenue, ganz in der Nähe des Harlem Shake, eines der besten Burgerlokale der City, verkrochen haben sollte.
Die Fahrt dorthin nutzte Phil, um etwas mehr über seine NYPD-Kollegin zu erfahren. Allerdings gab sie sich ziemlich wortkarg, sodass er die vagen Versuche schnell aufgab, um nicht aufdringlich zu erscheinen.
»Kennen Sie Detective Sergeant Dunnigan schon lange?«, fragte er stattdessen.
Fran nickte. »Wenn man es genau nimmt, eine halbe Ewigkeit.« Sie verstummte kurz. »Machen Sie sich nichts daraus, dass er ab und an übers Ziel hinausschießt. Er ist ein harter Hund mit Eisen im Blut, der einiges hinter sich hat. Nichtsdestoweniger aber ein guter Cop.«
Phil schwieg und verliebte sich gerade in Frans Grübchen.
»An was denken Sie gerade, Phil?«
Er fühlte sich ertappt und sah schnell zum Seitenfenster hinaus. »An den Herocop Ihres Reviers.«
Die Antwort kam zu abrupt, als dass sie der Wahrheit hätte entsprechen können.
Doch selbst wenn Fran das auffiel, ließ sie sich davon nichts anmerken.
Den Rest der Fahrt sprachen sie über die Nazibewegung, die sich, wie in allen US-Bundesstaaten, längst in New York breitgemacht hatte. Nicht erst seit den Ausschreitungen der Ultrarechten in Charlottesville in Virginia tobte in den USA ein regelrechter Kulturkampf. Der kruden Weltanschauung der Rechtsextremen nach, sollte die »White Supremacy«, also die »weiße Vorherrschaft«, wieder ins Land einziehen. Der ebenso rassistische und gewalttätige Ku-Klux-Klan erfreute sich regen Zulaufs. All das verhieß nichts Gutes für den Landesfrieden ...
Endlich tauchte das Harlem Shake vor ihnen auf. Epps wohnte eine Querstraße weiter.
Als der Ford Mustang an dem kleinen, gemütlichen Restaurant vorbeifuhr, legte Phil dem weiblichen Officer hinter dem Steuer unvermittelt eine Hand auf den Unterarm, zog sie jedoch gleich wieder zurück.
»Suchen Sie einen Parkplatz, Fran. Da drüben ist Epps!«
Tatsächlich saß der Gesuchte, dessen Aussehen sie von Ermittlungsfotos her kannten, am Fenster des touristisch bekannten Lokals in Harlem, in dem er sich offensichtlich einen Hamburger genehmigt hatte.
Fran tat wie geheißen, hatte Glück, dass ein Taxi gerade vom Bordstein wegfuhr.
Sie stiegen aus, wollten die wenigen Yards zum Eingang des Burgerrestaurants zurücklegen. In diesem Moment öffnete sich die mintgrüne doppelflügelige Tür, und Epps kam heraus.
Er war untersetzt, dickbäuchig, mit roten Stoppelhaaren, die sein breites, ausdrucksloses Gesicht mit den runden grünen Augen und der klobigen Nase noch unvorteilhafter erscheinen ließen. Bekleidet war er mit einem Bisampelzmantel, der im Volksmund »Rattenpelz« genannt wurde.
Epps schien nicht in Eile und hatte natürlich keine Ahnung davon, dass er gesucht wurde. So lief er Phil und Fran sprichwörtlich in die Arme.
Als er an ihnen vorbei wollte, versperrte ihm Phil den Weg, zückte den Dienstausweis und fragte ihn nach dem Namen.
Der Nazi war so überrascht, dass er bereitwillig Auskunft gab. Das war aber auch schon alles. Denn ansonsten blieb er ziemlich zugeknöpft, verweigerte die Antworten auf Fragen zu seinem Aufenthalt am Tag des McAllister-Attentats und ließ offen, ob er dafür ein Alibi hatte.
»Denken Sie etwa, das ich irgendwie an dem Anschlag beteiligt gewesen sein könnte oder zu irgendwelchen Mitverschwörern gehöre?« Speichel sprühte von Epps' Lippen, so empört war er.
Phil unterdrückte ein Seufzen. »Um genau das zu klären, würden wir gerne in Ruhe mit Ihnen sprechen. Da Sie das ablehnen, fordere ich Sie auf, uns auf die Dienststelle zu begleiten.«
»Sie wollen mich tatsächlich verhaften?«
»Das ist keine Festnahme ...«
Epps wirbelte herum, wollte Fersengeld geben. Fran, so zierlich sie war, stellte sich ihm jedoch in den Weg, wich keinen Yard von ihrer Position.
Phil legte unter der gesteppten Winterjacke, die er trug, die Hand auf den Kolben der Glock.
Epps lenkte ein. »Alles klar, beruhigt euch, ich komme mit.« Er entblößte zwei Reihen schlechter Zähne. »Aber ich werde euch trotzdem nichts sagen.« Er sah Fran an und leckte sich über die Lippen. »Selbst wenn die Cops immer schärfer werden!«
Phil spürte einen Stich im Herzen und packte den Nazi härter am Arm, als es normalerweise der Fall gewesen wäre.
Es war für November ungewöhnlich kalt im Big Apple. Schnee war noch nicht gefallen, doch er würde sicher bald kommen. Dafür pfiff der Wind mit Karacho durch die Straßenschluchten und machte den Aufenthalt im Freien nicht gerade angenehm. Nur die Kids freuten sich, denn die Seen und Teiche in den Parks waren bereits zugefroren, und so konnten sie Schlittschuh laufen oder Eishockey spielen.
Ich saß mit Dunnigan in meinem Jaguar. Die Sitzheizung ließ Ungemütlichkeit gleich gar nicht aufkommen. Unser Ziel war ebenfalls Harlem, dort wo sich neben Epps Bunchie Waltemeyer versteckt hielt, aus welchen Gründen immer.
Das Rückgrat dieses Viertels war die Lenox Avenue, die außerdem »Malcolm X Boulevard« genannt wurde. Beide Straßennamen waren offiziell anerkannt. Sie stellte die Nord-Süd-Route durch Harlem dar, führte vom Farmers Gate in Central Park North, also von der 110th Street zur 147th Street.
»Wissen Sie, wie man den Verkehr auf dieser Straße nennt, Cotton?« DD sah mich vom Beifahrersitz her an und kaute mit offenem Mund auf einem Chewing Gum.