Jerry Cotton 3311 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3311 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Phil und ich ermittelten in einem äußerst besorgniserregenden Fall. Die bisherigen Opfer waren durch Kopfschüsse förmlich hingerichtet worden. Auf den ersten Blick schienen sie nichts gemeinsam zu haben, bis wir herausfanden, dass alle zu Lebzeiten eine Nahtoderfahrung gemacht hatten. Aus irgendeinem Grund wollte der Mörder sie aus dem Weg räumen - und er hatte nicht vor, seinen blutigen Feldzug zu beenden!

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Im Licht der Tod

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: robypangy / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0673-5

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Im Licht der Tod

Du wirst sterben!

Diese drei Worte brannten sich wie Salzsäure in Edward Greers Gehirnwindungen. Worte, die niemand laut ausgesprochen hatte, sondern die ihm eine Phantomstimme in seinem Kopf zuflüsterte, ihn um den Verstand brachte.

Der afroamerikanische Besitzer des kleinen Stores an der Ecke 135th Street in Harlem verschloss in seinem winzigen Büro den Tresor mit den spärlichen Tageseinnahmen, die er am nächsten Morgen zur Bank bringen wollte.

Es war bereits nach zehn Uhr abends. Es wurde Zeit für Greer, nach Hause zu gehen. Weit hatte er es nicht, denn seine Wohnung lag direkt über dem Laden. Er brauchte nur die Treppen hochzugehen. Seine Frau Cathy schlief bestimmt schon.

Du wirst sterben!

Der Ladenbesitzer schüttelte den Kopf, als könnte er damit die lästigen Gedanken verscheuchen. Doch in dem Moment, als er das Licht in seinem Büro ausmachte, spürte er jäh, dass er nicht mehr alleine war. Irgendjemand war hinter ihm! Seine Nackenhaare stellten sich auf. Sein Herz raste.

Als er mit weit aufgerissenen Augen herumwirbelte, den hageren maskierten Mann mit der Pistole samt aufgeschraubtem Schalldämpfer erblickte, dachte er nur noch: Jetzt sterbe ich zum zweiten Mal!

Gleich darauf klang auch schon das dumpfe »Plopp« auf. Die Kugel zerschmetterte Edward Greers Stirn.

Für einen winzigen Sekundenbruchteil, in dem seine Hirnfunktionen noch intakt waren, registrierte er den schattenhaften Tod in einem blendend grellen Licht. Gleich darauf wurde er jedoch hinab in eine bodenlose, finstere Tiefe gerissen, aus der es keine Wiederkehr gab.

Nie mehr.

»Der heimtückische Mord an Edward Greer ist bereits der dritte innerhalb von nur wenigen Tagen. Alle Opfer wurden mit gezielten Kopfschüssen regelrecht hingerichtet. Das ist das Einzige, was die Fälle miteinander verbindet. Die Getöteten stammen allesamt aus unterschiedlichen sozialen Milieus und kannten sich, soweit bisher feststeht, untereinander nicht.«

Mr. High hielt inne, sah uns der Reihe nach an. Mein Freund und Partner Phil, der IT-Experte Dr. Ben Bruckner und ich saßen an diesem grauen, eiskalten Dezembermorgen im Büro unseres Chefs, aufgewärmt durch Helens köstlichen heißen Kaffee.

»Das erste Opfer heißt Stacy McLeahn, eine Fitnesstrainerin aus dem texanischen Dallas, die im Big Apple einen Städtetrip gemacht hat«, fuhr Mr. High fort. »Zu jeder Jahreszeit, auch im Urlaub, verzichtete sie nicht auf ihre täglichen Joggingrunde. Sie wurde frühmorgens im Central Park, in den Strawberry Fields erschossen. Zeugen gibt es keine.«

Die Strawberry Fields waren ein knapp ein Hektar großer Parkabschnitt im Central Park West auf Höhe der 72nd Street, deren Name sich auf den gleich lautenden Beatles-Song gründete. 1980 war das Bandmitglied John Lennon vor dem Dakota Building direkt gegenüber von Mark David Chapman mit fünf Kugeln niedergestreckt worden. Seitdem gab es in den Strawberry Fields eine Gedenkstätte für Lennon.

Ein Runzeln kerbte Mr. Highs Stirn. »Das zweite Opfer ist Ken Bannon, ein Investmentbanker aus Phoenix, Arizona. Er ist von seinem Arbeitgeber für drei Monate nach New York beordert worden, um in der hiesigen Geschäftsstelle neue Kollegen einzuweisen. Er starb mit einer Kugel im Kopf, als er abends ins Rockefeller Center zum Schlittschuhlaufen wollte. Der dritte Tote ist, wie gerade erwähnt, Edward Greer, hingerichtet in seinem eigenen Store. Weil die Mordopfer aus verschiedenen Bundesstaaten stammen, übernimmt das FBI die Ermittlungen.«

Ich legte die langen Beine übereinander. »Selbst wenn die drei Ermordeten offensichtlich nichts miteinander zu tun hatten, lässt der Modus Operandi etwas anderes vermuten.«

Die Anwesenden wussten, dass ich damit die Art der Durchführung der Verbrechen beziehungsweise die Verhaltensweisen von Tätern meinte, die im Tathergang zum Ausdruck kamen.

»Sie meinen wegen der Kopfschüsse, Jerry?«, fragte der Chef nach.

»Ja, Sir. Tatsächlich müssen die Killer Profis sein, die es gewohnt sind, derartige Exekutionen durchzuführen. Der sogenannte Clean Headshot Kill, der gezielte Todesschuss in den Kopf, wird eigentlich an Polizeischulen und in der U. S. Army gelehrt, mitunter auch bei Geheimdiensten. Dazu benötigt man eine ruhige Hand, innere Ruhe und Kaltblütigkeit, will man nicht daneben schießen.«

Mr. High nickte. »Aber nicht nur in den Vereinigten Staaten wird diese spezielle Schusstechnik gelehrt und trainiert. Schon die Armee und die Polizei in Nordirland bediente sich zusammen mit loyalistischen Killerkommandos genau dieser Strategie. Sie ist weiter verbreitet als allgemein vermutet. Folglich können Profischützen aus fast allen militärischen, polizeilichen, geheimdienstlichen und kriminellen Kreisen kommen. Dennoch ist Ihr Gedanke vollkommen richtig, Jerry.«

Mr. High wies Ben, den besten IT-Experten und Internetrechercheur des FBI-Distrikts New York und ganz gewiss weit darüber hinaus, an zu überprüfen, ob es in letzter Zeit unehrenhafte Abgänge bei Ermittlungsbehörden und Armydienststellen gegeben hatte. Speziell bei jenen, in denen der Clean Headshot Kill trainiert wurde. Vielleicht handelte es sich bei den Killern tatsächlich um Ex-Cops oder Ex-Soldaten.

»Was sagen die Ballistiker zu den verwendeten Tatwaffen?«, meldete sich Phil zu Wort.

»Bei allen drei handelt es sich um Pistolen. Stacy McLeahn wurde genauso wie Greer mit einer Walther PPQ M3, Kaliber 9 Millimeter Luger erschossen. Bannon mit einer Glock 33, Kaliber .357 SIG.«

Gewiss war es müßig, darüber zu spekulieren, dass zwei Waffen deutsche Fabrikate waren, denn diese überschwemmten den Markt in den Vereinigten Staaten genauso wie Modelle anderer ausländischer Hersteller. Außerdem benutzten wir beim FBI ebenfalls Glocks als Dienstwaffen, allerdings das Modell 17M.

»Normalerweise wird ein Profi die Waffe zur Ausführung seiner Taten nicht wechseln«, gab Phil zu bedenken. »Damit scheint festzustehen, dass es sich um zwei Killer handelt.«

Wir stimmten ihm zu. Nun galt es herauszufinden, ob die gezielten Tötungen mit Kopfschüssen reine Zufälle waren oder ob die Mörder voneinander wussten und vielleicht sogar zusammenarbeiteten.

Mr. High strich sich durch das silbergraue Haar. »Dieser Fall hat eine Logik, ein verborgenes Muster, das wir erkennen müssen.« Er sah mich über den Konferenztisch hinweg an. »Jerry, Sie werden die Ermittlungen leiten.«

Damit war die Besprechung beendet.

Nun galt es, den Dreh- und Angelpunkt zu finden, der unseren Nachforschungen die richtige Richtung gab. Dazu mussten wir die Mordfälle noch einmal genau analysieren, nach zusammenhängenden Details suchen, vorausgesetzt, es gab überhaupt welche. Danach würden wir mit den Hinterbliebenen sprechen, die ihre erste Aussage bereits bei den Kollegen der Morddezernate der zuständigen NYPD-Reviere gemacht hatten. Vielleicht erinnerten sie sich an weitere wichtige Einzelheiten, die sie in den vorherigen Befragungen vergessen hatten.

Die Bar Berty's Coffin Nail war so ziemlich wie jede andere in der South Bronx. Dunkel, kühl und muffig. War man in einer, kannte man die übrigen. Hier konnte man sich den Frust von der Arbeit oder von zu Hause von der Seele trinken. Ein Lokal, in dem jeder vor dem Saufgelage dein Freund und danach dein Feind war.

Baldwin Kramer saß so am Tresen, dass er sich in dem großen Spiegel hinter der Flaschenbatterie betrachten konnte. Er sah aus wie jemand, der hart arbeitete und viel an die frische Luft kam. Das tat er als Arbeiter auf dem Fischmarkt von Sheepshead Bay ganz gewiss. Trotz der anstrengenden Tätigkeit hatte er einen Bauchansatz, der lediglich vom übermäßigen Alkoholkonsum herrührte, jedoch von seiner stämmigen Statur regelrecht absorbiert wurde. Das flachsblonde Haar passte gut zu seinem breiten, gebräunten Gesicht mit den hellgrauen Augen. Eigentlich kam er beim zarten Geschlecht gut an, vorausgesetzt, er hatte nicht gerade einen über den Durst getrunken und wurde streitsüchtig. Das mochten die Ladys nämlich gar nicht. Das war auch der Grund, weshalb er nie verheiratet gewesen war und alleine in seinem Apartment lebte.

Um diese Zeit war noch nicht viel los in der Bar. Deshalb beschränkte sich Kramers einziger Thekennachbar auf Nathan Young, wie er sich vorgestellt hatte und der nur ab und zu hierherkam.

Berty Lee, Besitzer, Barkeeper und Namensgeber des Lokals, ein grobschlächtiger Kerl mit platt geschlagener Nase und Blumenkohlohren, wusste, dass Young ein schäbiger Dealer war, der seinen Stoff drei Blocks weiter verkaufte, um den Junkies die tägliche Dröhnung zu verpassen. Das jedenfalls hatte er Kramer gesteckt, als Young kurz auf der Toilette verschwunden war, um sich einen Joint reinzuziehen.

Als der Dealer wieder bekifft zurückkam, enterte er erneut den Barhocker neben dem Arbeiter.

Young war hager und ungepflegt, hatte knochige Schultern und zu lange Arme in zu kurzen Ärmeln des beigefarbenen Winterpullovers. Das Haar, das aussah wie ein schlecht sitzendes Toupet, war braun und stumpf, der Mund nur ein dünner, blutleerer Strich. Die schmalen Augen funkelten wie unreines Onyx. Die Jeans war seit Wochen ungewaschen, Schuhe und Socken schwarz und löchrig. Alles in allem machte er den Eindruck eines Stadtstreichers, obwohl er auf der Straße nicht schlecht verdiente, wie er mit seinem dopevernebelten Hirn regelmäßig hochspurig verkündete. Bei klarem Verstand tat er das nicht, wollte mit dem schäbigen Aussehen vielmehr von allzu neugierigen Fragen zu seinem Job ablenken.

»Sag mal, willst du einem armen Hungerleider wie mir nicht einen Drink ausgeben?«, bettelte er jetzt in vollem Ernst und mit glasigen Augen seine Nebensitzer an.

Der Angesprochene schüttelte den Kopf. »Warum sollte ich?«

Young knuffte ihn in die Seite und kassierte dafür einen finsteren Blick. »Na los, Mann, wenn du mir einen spendierst, dann erzähle ich dir, wie es ist, tot zu sein.«

Baldwin Kramer, der ihn bislang durch den Spiegel beäugt hatte, drehte sich ein wenig zu ihm herum.

»Wie meinst du das?« In seiner Stimme klang unterdrückter Zorn mit.

»Erst einen verfluchten Drink, Herrgott noch mal!«

Auf Kramers Wink hin stellte Lee dem Dealer einen doppelten Bourbon auf den Schanktisch, den sich der sofort in die Kehle schüttete. Er selbst leerte sein halbvolles Glas mit einem Zug.

»Wie hast du das gemeint, du wüsstest, wie es wäre, tot zu sein?«

Young sah ihn an wie einen Geist, der gerade aus der Flasche geschwebt war. Dann verzog sich sein Bleistiftmund zu einem hässlichen Lächeln, das ihm das Aussehen einer gerupften Krähe verlieh. »Hast du den Scheiß etwa geglaubt, Mann? Ich habe doch nur einen Witz gemacht!«

Kramers Rechte schoss vor, packte den Dealer am Kragen und schüttelte ihn durch. »Damit macht man keine Scherze!«

Lee mahnte den Marktarbeiter zur Besonnenheit. Er duldete keine Handgreiflichkeiten in seinem Laden, genauso wenig Drogenkonsum, wollte er doch wegen ein paar Vollidioten nicht seine Lizenz verlieren. Wenn sich einer mal auf der Toilette einen Joint genehmigte, war das etwas anderes.

Kramer ließ seinen Sitznachbarn wieder los.

Der fixierte ihn mit seinen schmalen, wässrigen Augen. »Wenn du mir noch einen Drink spendierst, dann entschuldige ich mich, Mann!«

Nach dieser Ansage hatte Young Glück, dass der Arbeiter nicht völlig ausrastete. Schließlich aber beruhigten sich beide wieder, nachdem Lee ihnen zur Versöhnung einen Freidrink ausgab.

»Warum flippst du so über meine Bemerkung über den Tod aus, Mann?«, wollte Young irgendwann wissen, als der Abend weiter fortgeschritten war und sich die Bar langsam füllte.

»Weil man darüber keine Scherze reißt.«

»Und warum nicht, Herrgott noch mal?« Dafür dass der Dealer erneut seine Stimme hob, schenkte ihm Lee einen warnenden Blick.

Kramer wirkte nun völlig in sich gekehrt. Er hatte nichts Aggressives mehr an sich. »Der Tod ist nicht der Tod.«

Es dauerte zwei, drei Sekunden, bis die Worte in Youngs Bewusstsein sickerten. Dann blickte er den stämmigen Mann neben sich mit gerunzelter Stirn und verengten Augen an. »Wie meinst du das, Mann?«

»So wie ich es gesagt habe. Der Tod ist nicht das, was man sich normalerweise darunter vorstellt.«

»Verstehe ich nicht! Kommt eine Leiche etwa wieder als Scheißlazarus zurück, oder was?«

Damit spielte der Dealer auf Lazarus von Bethanien an, den Jesus der Bibel nach von den Toten auferweckt hatte.

»Halt die Klappe, sonst fängst du dir wirklich eine!«

»Oder als Zombies? Uahhhhh ...« Young frotzelte weiter.

»Ich sag's dir noch mal im Guten. Das ist nicht lächerlich, kapiert!«

»Herrgott noch mal, das ist ja wie bei der American Horror Story! Ich scheiße mir gleich in die Hose, wenn ich dein ernstes Gesicht sehe. Was hast du erlebt?«

Der Arbeiter gab sich nun völlig zugeknöpft. »Merk dir einfach, der Tod ist nicht der Tod, und jetzt nerve mich nicht weiter!«

Young, der genauso viel wie sein Sitznachbar intus hatte, begriff nicht, dass er dabei war, den Bogen völlig zu überspannen. »Deshalb also hängst du in einer Bar herum, die Coffin Nail heißt? Bisschen morbide, oder nicht? Von wegen Sargnagel und so ...«

»Halt einfach deine verdammte Fresse, sonst poliere ich sie dir!« Kramers Wut war wieder da.

Doch Young hörte nicht auf, stichelte weiter, wandte sich an eine Nutte, die ihre besten Tagen längst hinter sich hatte und aussah wie eine hochfrisierte, vergessene und alternde Schauspielerin aus einem dieser Schwarz-Weiß-Filme aus den Vierzigern. Sie hockte völlig in Gedanken an ihre verblühte Jugend und Schönheit versunken neben ihm.

»Hey, Sweetheart, kennst du meinen Freund hier schon?«

Die Bordsteinschwalbe hob den Kopf und sah zu Kramer hinüber, sagte aber nichts.

»Das ist ein Scheißlazarus, sage ich dir! Auferstanden von den Toten ...«

Der Schlag kam ansatzlos und so hart, dass Nathan Young, wie von einer Orkanböe erfasst, vom Barhocker gefegt wurde.

Kramers Gesicht war wutverzerrt, die Augen blitzen. Er wollte den am Boden Liegenden mit Tritten traktieren. Doch da kam schon Lee hinter dem Tresen hervor und nahm ihn in den Polizeigriff.

»Du machst jetzt am besten die Fliege, Kumpel!« Berty Lee zerrte den Arbeiter zur Tür, die bereits von einem Gast geöffnet worden war, und schubste ihn hinaus. Gleich darauf warf er ihm den Wintermantel hinterher.

Draußen zog Baldwin Kramer wegen der eisigen Kälte, die ihn plötzlich umfing, die Schultern zusammen und streifte sich den Mantel über.

Nur langsam verrauchte sein Zorn. Dabei sollte er sich von einem solchen bekifften Dealer nicht provozieren lassen. Schließlich hatte er schon viel Schlimmeres erlebt.

Der Tod ist nicht der Tod ...

Ganz New York stöhnte unter dem arktischen Winter. Die Temperaturen lagen seit drei Wochen weit unter dem Gefrierpunkt. Dazu der Schnee, der unablässig von dem blassgrauen Himmel herunterrieselte und oftmals zu einem Verkehrschaos führte. Dabei fuhren die wenigsten Menschen bei diesem Wetter mit dem eigenen Wagen. Die meisten standen zusammengequetscht in der U-Bahn oder dem Bus. Dementsprechend verwaist waren die Bürgersteige, auf denen hart gefrorene Schneewälle natürliche Grenzen zwischen den Fahrbahnen bildeten.

Bei all diesen Widrigkeiten hatte ich meinen Jaguar gegen einen Dienstwagen aus der Fahrbereitschaft des Field Office getauscht. Der schwarze getunte Chevrolet Tahoe LS lag um einiges besser auf den winterlichen Straßen als mein Sportflitzer.

»Du glaubst gar nicht, wie ich den Frühling herbeisehne«, gab Phil melancholisch zum Besten, der neben mir auf dem beheizten Beifahrersitz saß.

Ich konnte ihm nur zustimmen. Das einzig Gute an diesen Wetterverhältnissen war die Tatsache, dass es nun im Big Apple zu bestimmten Zeiten so gut wie keine Staus gab. Deshalb kamen wir ausnahmsweise ohne das obligatorische Stop-and-go vorwärts. In Rekordzeit schafften wir es, zur 135th Street in Harlem zu kommen. Dort lag der kleine Store von Edward Greer, über dem seine Frau wohnte, die nun Witwe war.

Wir wollten sie aufsuchen, um sie zu befragen. Denn die Hinterbliebenen von Opfern, Freunde und Verwandte konnten bei Ermittlungen wichtige Hinweise geben, ganz nach dem Motto: Über die Nebenflüsse kommt man zur Quelle.

Auf Anhieb fand ich vor dem Laden einen freien Parkplatz. Als wir ausstiegen, schlug ich mir den Kragen der dick gefütterten Winterjacke hoch, um den schneidenden Wind wenigstens etwas zurückzuhalten.

Als wir durch eine Hofeinfahrt auf die Rückseite des Gebäudes stiefelten, rutschte Phil auf einer vom Schnee bedeckten Eisplatte aus. Geistesgegenwärtig konnte ihn gerade noch auffangen.

»Für alte Männer, die sich nicht mal mehr auf den Beinen halten können, wird es langsam Zeit, den Dienst zu quittieren«, frotzelte ich.

»Mach nur weiter so, dann kannst du dir selbst helfen, wenn ich dir mal unter die Arme greifen muss«, erwiderte mein Freund und Partner lakonisch und fiel beinahe wieder hin. Diesmal konnte er sich an der Hauswand abstützen.

»Gott sieht alles! Sogar deine Sommerschuhe.« Ich grinste übers ganze Gesicht, wusste ich doch, dass Phil erst vor Kurzem neue und sehr teure Wintertreter gekauft hatte, die aber anscheinend das Geld nicht wert waren, das sie gekostet hatten.

An der Eingangstür angekommen, klingelte ich. Es dauerte nur ein paar Sekunden, dann öffnete uns Cathy Greer. Wir hatten uns zuvor telefonisch angemeldet, und sie schien uns bereits erwartet zu haben.