Jerry Cotton 3312 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3312 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

New York versank im tiefsten Winter. Doch Phil und mich hielt es nicht lange in unserem beheizten Büro, denn im East River, oberhalb der Hell Gate Bridge, war eine Frauenleiche angeschwemmt worden. Das Kuriose daran: Die Tote lag in einem Leichensack. Die Kollegen des NYPD hatten das Opfer schnell als Kongressabgeordnete Sally Steilman identifiziert. Sie hatte sich zu Lebzeiten einige Feinde gemacht und in dem Ruf gestanden, Kontakte zum organisierten Verbrechen zu pflegen. Und bevor wir das Rätsel mit dem Leichensack lösen konnten, erwartete uns die nächste Überraschung ...


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Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Die Tote aus dem East River

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Olivier Gasperoni Ph / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0674-2

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Die Tote aus dem East River

Die beiden dick vermummten Männer hievten den geschlossenen Leichensack aus dem Kofferraum und legten ihn auf dem gottverlassenen Pier an der südlichen Bronx ab. Ein eiskalter Nordostwind trieb die Schneeflocken fast waagerecht über den nächtlichen East River, direkt in das Lichtermeer Brooklyns am gegenüberliegenden Ufer hinein. Rikers Island vor ihnen geizte dagegen mit seinen Lichtern.

Der kleinere Mann öffnete den Reißverschluss des Leichensacks ein Stück, der von den Autoscheinwerfern angeleuchtet wurde. Die weit aufgerissenen Augen einer Frau starrten ihn an. Er zog ihr das Pflaster vom Mund.

»Was wollen Sie von mir?«, rief sie panisch.

Sein Gesicht blieb ausdruckslos. »Sie haben einen unverzeihlichen Fehler begangen, Ma'am. Das soll ich Ihnen ausrichten.« Er schloss den Leichensack.

Die Männer warfen ihn mitsamt dem strampelnden Inhalt in den Fluss. Die schrillen Schreie endeten abrupt, als der Sack in den Fluten versank.

FBI Field Office, Manhattan und North Brooklyn

Wir saßen bereits den ganzen Morgen in unserem gut geheizten Büro. Während ich mit unterstützenden Recherchen in einem Betrugsfall mit Mafiahintergrund beschäftigt war, den die Kollegen Joe Brandenburg und Les Bedell bearbeiteten, übertrug Phil ergänzende Informationen unseres letzten Falls in die Datenbank des National Crime Information Center 2000. Das tat er mit der geforderten Sorgfalt, obwohl er »Schreibkram« normalerweise widerwillig anging. Denn das NCIC war quasi das Herz des FBI, weil dort alle jemals gespeicherten Kriminalakten zu finden waren.

Immer wieder warf ich einen Blick durchs Fenster. Über dem Thomas Paine Park tanzten die Schneeflocken so dicht, dass das Federal Courthouse und der County Supreme Court auf der anderen Seite nur noch als graue Schemen zu sehen waren. Auf der verschneiten Centre Street tief unter mir schoben sich die Autos im Schneckentempo voran. Auch sie konnte ich bestenfalls erahnen.

Die Tür ging auf, Zeerookah kam herein. Der Cherokee brachte einen Schwall frischer Winterluft mit, die sich in seinem teuren Kamelhaarmantel festgesetzt hatte. Und drei Becher Kaffee auf einem Tablett.

Er grinste. »Hallo, Jerry, Phil. Ich komme gerade vom Außeneinsatz und brauche dringend ein Warmgetränk. Ihr habt sicher Lust, mir dabei Gesellschaft zu leisten. Eine kleine Pause schadet keinem.«

Ich grinste zurück. »Klar, Zeery. Bevor du wegen Depressionen aus dem Fenster springst ...«

»Nicht, wenn's so schweinekalt ist.« Sein Grinsen verstärkte sich. »Kuschelig warm habt ihr's. Hier kann man es aushalten.«

»An Tagen wie diesen kann ich der Büroarbeit tatsächlich etwas abgewinnen«, erwiderte Phil, während unser indianischer Kollege den Mantel auszog.

In seinem dunkelgrauen Maßanzug wirkte er wie aus dem Ei gepellt. Die orangefarbene Seidenkrawatte zeigte Dschungelbuch-Motive. Zeerookah machte seinem Ruf als bestangezogener G-man im ganzen Staat New York alle Ehre.

Wir setzten uns in die Besprechungsecke. Bevor wir es uns richtig gemütlich gemacht hatten, klingelte Phils Festnetzapparat. Gleichzeitig blinkte eine grüne Lampe.

»Helen«, sagte Phil. »Das sehe ich von hier.« Er stand auf und nahm den Anruf entgegen. »Alles klar, Helen, wir kommen sofort.« Er legte auf. »Pech für dich, Zeery. Mister High will Jerry und mich umgehend sehen. Das NYPD hat einen Mord gemeldet, der anscheinend in unsere Zuständigkeit fällt.« Er seufzte. »Adios kuscheliges Büro. Wir hätten so einen wunderbaren Nachmittag miteinander verbringen können.«

Unser ADIC empfing uns mit ungewöhnlich ernstem Gesicht. »Jerry, Phil, setzen Sie sich. Ich fürchte, es wartet Arbeit auf Sie. Ein Captain Myers vom NYPD hat sich gemeldet. Im East River, oberhalb der Hell Gate Bridge, ist eine Frauenleiche angeschwemmt worden. Anscheinend in einem Leichensack. Laut Myers handelt es sich dabei um die Kongressabgeordnete Sally Steilman ...«

Phil pfiff leise durch die Zähne.

Mr. High nickte. »Wenn dem tatsächlich so ist, muss der Fall mit der nötigen Diskretion und großem Fingerspitzengefühl angegangen werden. Sie beiden übernehmen. Und Sie bekommen jede Unterstützung, die Sie brauchen, notfalls die ganze T. A. C. T. I. C. S. Fahren Sie umgehend los. Captain Myers meinte, dass er Sie unbedingt am Leichenfundort empfangen wolle. Warum, hat er nicht gesagt.«

Ich nickte. »Na dann.«

In meinem Jaguar kämpften wir uns im dichten Schneetreiben über den Franklin D. Roosevelt Drive am East River entlang nach Norden. Es ging quälend langsam. Über die Ed Koch Queensboro Bridge wechselten wir nach Brooklyn hinüber. Zwei Stunden später erreichten wir schließlich den Fundort nördlich der Hell Gate Bridge. Der Schneefall hatte fast schlagartig wieder aufgehört.

Ein CSI-Team des New York Police Departement hatte den Fundort weiträumig mit Absperrbändern abgeriegelt. Einige Patrol Cars standen auf dem Shore Boulevard. Ich parkte dahinter. Ein mittelgroßer stämmiger Mann mit Vollbart Anfang fünfzig stieg aus dem einzigen Interceptor, als er uns kommen sah. Trotz der dicken Vermummung erkannte ich ihn sofort wieder. Captain Myers. Wir waren uns bei einem anderen Fall schon einmal über den Weg gelaufen.

»Die Agents Cotton und Decker«, begrüßte er uns, und seine mürrische Miene hinter der Atemfahne hellte sich kurzzeitig auf. »Wenn das mal keine Überraschung ist. Eine angenehme, darf ich hinzufügen, was ich definitiv nicht über alle Mitglieder aus Ihrem Laden sagen würde. Dann dürfen Sie sich jetzt also mit dem Mist herumschlagen. Doch bei Morden an unserer politischen Elite ist, wetterunabhängig, nun mal unser glorreiches FBI zuständig.«

Phil nickte gewichtig. »So ist es, Captain, so ist es.«

Er zuckte mit den Schultern. »Sie fragen sich jetzt sicher, warum ich Sie vor Ort haben wollte, Agents.«

Phil grinste. »Weil Sie ein Sadist sind, der nicht sehen kann, dass brave Feds in ihrem wohlgeheizten Büro ermitteln, während er sich selbst den Arsch abfrieren muss.«

Myers grinste zurück. »Eine derart umfassende Menschenkenntnis hätte ich beim FBI nicht erwartet. Aber nein. Ich möchte eine kleine Bootstour mit Ihnen unternehmen, nachdem Sie sich selbst ein Bild von der Lage gemacht haben.«

»Interessant«, murmelte ich. »Und wozu soll das gut sein?«

Myers grinste erneut. »Das werden Sie dann sehen. Wenn Sie mir bitte folgen wollen?«

Wir durchquerten den schmalen Baumgürtel und stiegen hinunter zum Ufer. Dabei mussten wir höllisch aufpassen, dass wir nicht ausrutschten. Ein großes Patrouillenboot des NYPD dümpelte nicht weit vom steinigen Ufer entfernt zwischen den im Wasser treibenden Eisschollen. Sie kamen in ziemlich hohem Tempo angeschossen, knallten vor uns ans Ufer, bäumten sich auf und schoben sich knirschend ineinander. Nachdem die Strömung sie wieder entzerrt hatte, trieben sie weiter flussabwärts. Dabei nahmen sie rasch Tempo auf.

Vier Mitglieder des CSI-Teams waren noch mit der Spurensicherung beschäftigt. Ein Mann im Taucheranzug stand, mit Leinen gesichert, bis zu den Hüften im Wasser und untersuchte einen Spalt zwischen zwei Steinbrocken.

Niemand kümmerte sich um uns. Auf dem felsigen Ufer lag der teilweise zerfetzte Leichensack. Mit der Schuhspitze befreite Myers eine Stelle in Höhe des Fußes vom Schnee und zeigte darauf. »Das ist die allergrößte Sauerei. Die haben einen unserer Säcke benutzt. Ich weiß nicht, was ich davon halten soll.«

Phil und ich wechselten einen Blick. Der handtellergroße NYPD-Aufdruck an einem der Fetzen war nicht zu übersehen.

Myers bückte sich und öffnete den Reißverschluss ein Stück. Weiterer Schnee rutschte ab. Ein friedlich wirkendes Gesicht erschien, das eine ungesunde gräuliche Farbe angenommen hatte.

Der Captain hustete und zog die Nase hoch. »Der friedliche Eindruck täuscht«, sagte er. »Ich habe ihr die Augen zugedrückt, ich konnte nicht anders. Sie waren panisch aufgerissen, als wir den Leichensack geborgen haben. Mehr kann ich Ihnen im Moment nicht sagen. Warten wir die weiteren Untersuchungen ab.«

Phil, der die Hände tief in den Manteltaschen vergraben und den Kragen hochgestellt hatte, nickte. »Wer hat die Leiche entdeckt?«

»Eine Spaziergängerin, der der Hund abgehauen ist. Reiner Zufall. Der Leichensack hatte sich in den Ufersteinen verfangen. Hätte sie ihrem Vieh nicht hinterhersteigen müssen, wäre er womöglich viele Tage oder gar Wochen nicht entdeckt worden. Oder nie, weil er abgetrieben worden wäre. So zugefroren, wie er ist, hätte man ihn kaum von den Eisschollen drumherum unterscheiden können.«

»Haben Sie Mrs. Steilman erkannt, Captain?«, fragte ich. »Ich meine, ich kenne die Frau nicht mal vom Namen her.«

Myers lächelte unfroh. »Wer kann sich schon alle vierhundertfünfunddreißig Kongressabgeordneten merken, die unser Repräsentantenhaus bevölkern? Zumal sie nicht annähernd so populär sind wie die Senatoren. Normalerweise geht es mir da so wie Ihnen. Selbst von den achtundzwanzig New Yorker Abgeordneten kenne ich die wenigsten. Allerdings hat Mrs. Steilman vergangenes Jahr nach den Kongresswahlen für Aufsehen gesorgt. Na ja, nicht sie selbst, aber ihr unterlegener Konkurrent. Wie hieß er noch mal? Arner, ja. Kenneth Arner. Arner ist damals wutentbrannt in ihre Wahlparty geplatzt und hat sie bedroht, dass sie das noch bitter bereuen werde. Dann hat er zu randalieren begonnen, sodass ihn die Kollegen vorübergehend festnehmen mussten.« Er schaute uns verwundert an. »Das war lokal in allen Medien. Sie erinnern sich nicht daran?«

»Leider nein, Captain«, antwortete Phil. »Zu dieser Zeit haben wir im Washingtoner Hauptquartier für Uncle Sam gearbeitet, da war der Big Apple nicht ganz so präsent.«

Myers nickte. »Wollen Sie die Tote näher begutachten? Wenn nicht, schlage ich vor, dass wir unser Gespräch im Boot fortsetzen. Dort ist es deutlich angenehmer.«

»Ich habe in der Zwischenzeit so eine Ahnung, auf welche Art von Bootstrip Sie uns mitnehmen wollen, Captain«, sagte ich. »Es hat etwas mit den Eisschollen zu tun, stimmt's?«

»Sie sind wirklich gut, Agent«, gab Myers unumwunden zu. »Der Winter ist nicht meine Jahreszeit, manchmal hat er auch was Gutes. Sie wissen ja wahrscheinlich, wie tückisch die Strömungsverhältnisse im East River sind. Da dachte ich mir, dass wir die aktuelle Strömung anhand der treibenden Eisschollen bequem und ziemlich präzise nachverfolgen können. Möglicherweise erhalten wir dann eine Ahnung davon, wo die Leiche in den Fluss geworfen worden sein könnte.«

»Geniale Idee«, erwiderte Phil. »Ich wusste gar nicht, dass das NYPD derartige Intelligenzbestien beschäftigt.«

»Jetzt wissen Sie's, Agent. Und weil ich weiß, wie lange es dauert, bis ihr Feds eure Boote mal klar Schiff zum Gefecht habt, dachte ich mir, dass ich Ihnen unseres zur Verfügung stelle, wenn es ohnehin vor Ort ist. Morgen können die Strömungsverhältnisse schon wieder ganz anders aussehen.« Myers winkte zum Boot hinüber.

Ein Officer kletterte über eine Leiter ins Schlauchboot, warf den Außenborder an und lenkte es langsam in unsere Richtung.

Phil warf einen letzten Blick auf die tote Abgeordnete. »Ihre Schultern sind nach hinten verdreht. Sie ist gefesselt, richtig?«

»Mit Kabelbinder, Agent Decker. Und zwar so fest, dass es ihr das Blut abgeschnürt hat. Fester als nötig.«

»Sie meinen, dass da Hass im Spiel gewesen sein könnte?«, erwiderte ich. »Dieser ... Arner?«

»Wie ernst muss man Drohungen politischer Konkurrenten nehmen?«, intervenierte Phil. »Vor allem, wenn sie direkt nach einer Wahlniederlage ausgestoßen wurden?«

»Schon klar«, sagte der Captain. »Moment.« Er zückte sein Handy. »Ihr könnt die Leiche jetzt abtransportieren, Jeff.«

Wir stiegen ins Schlauchboot, das uns zum Patrouillenboot übersetzte. In der Kabine war es angenehm warm, die beiden diensthabenden Officer begrüßten uns respektvoll. Der Steuermann startete das Boot, der Dieselmotor begann zu tuckern.

»Wo waren wir stehen geblieben?«, fragte Myers. »Bei Arners Drohungen, ja. Normalerweise würde ich das so sehen wie Sie, Agent Decker, aber jetzt haben wir eine Leiche. Das macht Arner automatisch zu einem Verdächtigen. Zu mehr nicht.«

»Was genau ist passiert?«, fragte ich.

Myers überlegte einen Moment. »Nun, wenn ich mich richtig erinnere, ging es um Gerrymandering. Ich meine, der republikanische Mister Arner hatte sehr gute Chancen, den dreizehnten New Yorker Wahlbezirk gegen seine demokratische Konkurrentin Mrs. Steilman zu gewinnen ...«

»... was im vorwiegend demokratisch geprägten New York eine echte Sensation gewesen wäre«, vollendete ich den Satz.

Myers nickte. »Worauf Sie einen lassen können. Tatsächlich umfasste Wahlkreis dreizehn ursprünglich Staten Island und Teile von Brooklyn. Arner hatte so gut wie alle Staten-Island-Wähler auf seine Seite gezogen, was ihm eine komfortable Zweidrittelmehrheit gesichert hätte. Er ist Investor und hat versprochen, jede Menge bezahlbaren Wohnraum auf Staten Island zu schaffen. Das hat gezogen. Als diese Tendenz in den Vorumfragen deutlich wurde, scheint Mrs. Steilman im New Yorker Parlament für eine Neueinteilung einiger Wahlbezirke getrommelt zu haben. Zumindest hat Arner das behauptet. Aber selbst wenn's so war, das Parlament hätte die Bezirke geändert, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche.«

Ich nickte.

»Es teilte die Nummern zehn bis fünfzehn neu ein. Da haben Arner sein ganzes Geld und sein Einfluss nichts geholfen. Nun umfasste der dreizehnte Wahlbezirk plötzlich Teile Manhattans und der Bronx. Dort waren Arner wie Steilman kaum bekannt, weswegen sich am Ende die demokratische Kandidatin durchsetzte. Und da die Staten-Island-Wähler mit dem neuen republikanischen Kandidaten nichts anfangen konnten, wählten auch sie großteils den demokratischen Konkurrenten. Die hätten Arner gewollt, das wäre eine reine Persönlichkeitswahl gewesen. Ein klassischer Fall von Gerrymandering zur Beeinflussung von Kongresswahlen, würde ich sagen.«

»Weil das New Yorker Parlament mehrheitlich demokratisch geprägt ist. Der Senat genauso wie das Abgeordnetenhaus«, sagte Phil. »Da dürfte Mrs. Steilman offene Türen eingerannt haben.«

Myers nickte. »Sicher. Das hat Arner natürlich gewusst. Ihm muss klar gewesen sein, dass es zum Gerrymandering kommt, nachdem er in den Umfragen weit vorne war. Das gehört mit zum politischen Spiel. Trotzdem hat er seine ganze Wut auf seine direkte Konkurrentin projiziert, nachdem seine Niederlage feststand. Hm. Wenn Sie mich fragen, war das reine Show, um noch einmal auf das stattgefundene Gerrymandering aufmerksam zu machen. Durch diese direkte Attacke hatte er größere mediale Aufmerksamkeit als durch ein reines politisches Statement. Zumal ohnehin niemand mehr einem Verlierer zuhören will.«

»Da könnte was dran sein«, murmelte ich. »Hat Arner seine Attacken auf Mrs. Steilman später fortgesetzt?«

»Nicht dass ich wüsste.«

»Wir werden ihn natürlich trotzdem im Kreis der Verdächtigen behalten«, sagte ich. »Wissen Sie, ob Mrs. Steilman richtige Feinde hatte?«

»Nicht konkret. Aber eine Kongressabgeordnete macht sich automatisch Feinde. Vor allem, wenn sie ihre Meinung so lautstark in der Öffentlichkeit vertritt, wie es Mrs. Steilman getan hat.«

Officer Fanelli hatte das Boot zwischenzeitlich gedreht. Wir tuckerten gegen die Strömung den East River hinauf. Zwischen den entgegentreibenden Schollen kam ich mir vor wie auf einem Eisbrecher. Links erstreckte sich die Küste von Randalls Island, rechts die von Astoria, einem Stadtteil von Queens. Auf Höhe des Nordwestufers von Randalls Island öffnete sich der Fluss zu einem weiten Becken, in dem der Bronx River und der East River zusammenflossen. Der nachlassende Schneefall wurde durch aufziehenden Nebel und die langsam einbrechende Dunkelheit ersetzt. Im Zentrum des Beckens sahen wir zu unserer Rechten Rikers Island. Die Lichter brannten bereits. Das Nordufer des Beckens bildeten die Stadtteile Port Morris und Hunts Point, die beide zur South Bronx gehörten.

Officer Fanelli durchpflügte das Becken, und wir wurden Zeugen eines seltsamen Strömungsphänomens, das wir im Sommer mit bloßem Auge niemals wahrgenommen hätten. Die Eisschollen, die vom nördlich gelegenen Long Island Sound und aus dem Bronx River kamen, sammelten sich an der Nordostküste von Rikers Island oder wurden entlang des La Guardia Airport in die südlich gelegene Flushing Bay abgetrieben. Keine der Eisschollen schaffte es an Rikers Island vorbei. Die Strömungsverhältnisse ließen es nicht zu. Die Schollen, die in Richtung Hell Gate Bridge abgetrieben wurden, hatten sich allesamt an der Küstenlinie der South Bronx oder den beiden nordwestlich von Rikers Island gelegenen Miniinseln South Brother Island und North Brother Island gebildet.

Captain Myers nickte zufrieden. »Ich habe mir so was Ähnliches schon gedacht, weil ich bereits mit den tückischen Strömungsverhältnissen im East River zu tun hatte. Damit dürfte klar sein, dass die Abgeordnete nicht östlich von Rikers Island ins Wasser geworfen worden sein kann. Sonst wäre sie ebenfalls in der Flushing Bay gelandet.«

Ich nickte langsam. »Da kann ich Ihnen nur beipflichten, Captain. Wirklich eine brillante Idee, dieser kleine Bootsausflug.« Ich starrte zur South Bronx hinüber, deren Lichter allmählich im immer dichter werdenden Nebel verschwanden. »Und wenn ich es mir richtig überlege, komme ich auf die Küstenlinie von Port Morris oder Hunts Point. Sagen wir, zwischen Stony Point und dem Floating Pool. Soweit ich mich erinnern kann, gibt es dort einige gottverlassene Piers und Küstenabschnitte, wo sich nachts höchstens die Ratten rumtreiben.«

»Die vierbeinigen, nicht die zweibeinigen«, bemerkte Phil.

»Ja. Der Lawrence Point in Astoria käme möglicherweise noch infrage«, sinnierte ich. »Aber da ist weitaus mehr los als am Bronx-Ufer. Das gilt für das gesamte Astoria-Ufer und für Randalls Island. Wenn ich Mobster wäre und die Wahl hätte, würde ich mich immer für das abgelegenere Bronx-Ufer entscheiden.«

»Genauso sehe ich das auch«, sagte Captain Myers.

Rockefeller Center, Manhattan