Jerry Cotton 3314 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3314 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Wir ermittelten gegen einen Tierhändlerring, der exotische, teils geschützte Arten ins Land schmuggelte und sie auf dem Schwarzmarkt für horrende Summen verkaufte. Bei der Observierung eines mutmaßlichen Drahtziehers wurden Phil und ich Zeugen eines bizarren Vorfalls. Der Schmuggler wurde unvermittelt von seinem eigenen Hund angegriffen und vor den Augen der entsetzten Käufer zerfleischt. Seltsamerweise zeigte sich das Tier niemand anders gegenüber aggressiv. Und so kamen wir einem weiteren Gegner auf die Spur, der vor nichts zurückschreckte!


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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Inhalt

Cover

Impressum

Tödliche Meute

Vorschau

BASTEI LÜBBE AG

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: KI Petro / shutterstock

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)

ISBN 9-783-7517-0676-6

www.bastei.de

www.luebbe.de

www.lesejury.de

Tödliche Meute

Der Lichtkegel der Stablampe wanderte über den von Unkraut überwucherten Kies, stieg höher und fand schließlich sein Ziel. Zwei bleiche Gesichter in einem Meer aus tintiger Schwärze, deren Besitzer geblendet die Hände vor die Augen rissen.

»Sie kommen zu spät«, meinte Lance Derrickson und ließ den Leuchtkegel wieder zu Boden sinken.

»Wissen Sie, wie lange es dauert, aus Queens in diese Einöde zu gurken?« Dass sie sich auf dem Weg hierher zweimal verfahren hatten, erwähnte der Mann nicht, sondern kam gleich zum Geschäftlichen. »Konnten Sie die Ware besorgen?«

Derrickson trat wortlos zur Seite und deutete auf eine Plastikplane. Er klemmte die Stablampe zwischen die Zähne, zog die Plane wie ein Zauberkünstler beiseite und offenbarte fünf Käfigboxen. Der Widerschein der Lampe war zu schwach, um den Inhalt vollständig auszuleuchten. Aber stark genug, um zehn funkelnde Raubtieraugen aufblitzen zu lassen ...

Lance Derrickson nahm die MagLite wieder in Hand und schwenkte sie über die Gitterstäbe der schmalen Boxen. Die kleinen pelzigen Kreaturen wichen vor dem grellen Licht zitternd zurück in die Schatten.

Es war kurz nach elf, und der Mond verbarg sich hinter einer dicken Wolkendecke, aus der sich immer wieder ein paar Regentropfen lösten. Eine Zugabe des heftigen Schauers, der am Vorabend die zahllosen Schlaglöcher des ungepflegten Geländes in schlammige Pfützen verwandelt hatte. Ein ungemütlicher, unwirtlicher Ort, erst recht um diese Uhrzeit und bei diesem Wetter.

Allerdings war nicht schwer zu erraten, warum Lance Derrickson seine Geschäfte bevorzugt auf diesem, am westlichen Rand von Hoboken gelegenen, stillgelegten Schrottplatz abwickelte, den er vor ein paar Jahren für kaum mehr als eine »Schutzgebühr« zu erworben hatte. Die Abgeschiedenheit war fast greifbar. Weit und breit keine Menschenseele, die zufällig Zeuge seiner dunklen Geschäfte werden konnte.

Die Einfuhr und der private Handel mit Löwenjungen war streng verboten – und genau deshalb so lukrativ. Derrickson, der sich jahrelang als Tierpfleger mehr schlecht als recht über Wasser gehalten hatte, hatte sich innerhalb weniger Jahre mit dem Handel exotischer Tierarten eine goldene Nase verdient. Bis heute war er selbst verblüfft darüber, wie tief manche Menschen bereit waren, für eine australische Meeresschildkröte oder eine südafrikanische Panzergürtelschweifechse in die Tasche zu greifen. Während seiner Ausbildung hatte Derrickson hin und wieder mit Gras gedealt, von vergleichbaren Gewinnmargen dagegen nur geträumt.

»Pantera leo, fünf Stück, acht Wochen alt, alle aus demselben Wurf. Genau wie bestellt.«

Einer der beiden Kunden, ein schlaksiger Mittfünfziger in einem deutschen Bundeswehrparka und mit einer auffälligen Goldkette am Handgelenk, ging vor einer der Boxen in die Hocke und spähte hinein. »Sehen etwas ausgemergelt aus.«

Der Jüngere, vermutlich sein Sohn, rümpfte die Nase. »Die Viecher können sich kaum noch auf den Beinen halten.«

»Ach, was«, winkte Derrickson ab. »Die haben ... Schnauze, Harry!«

Der Befehl galt einem der vier Hunde, die zwanzig Yards weiter in zwei separaten Zwingern unruhig hin und her tigerten. Harry, sein Neuzugang hatte sich als Störenfried erwiesen, der sich kurz nach seiner Ankunft in die Flanke des Mischlingsrüden Caspar verbissen hatte. Derrickson hatte Mühe gehabt, die beiden zu trennen, und beschlossen, Harry bis auf Weiteres in einem separaten Einzelzwinger unterzubringen. Ihm die Flausen vollständig auszutreiben, würde einige Lektionen mit dem Stock erfordern, aber bisher hatte Derrickson noch jeden Hundewillen gebrochen.

Schon den ganzen Abend war Harry scheinbar grundlos in ein aggressives Gebell verfallen, mit einer Ausdauer, die Derrickson Respekt abnötigte. Seit Ankunft der zwei Besucher hatte er sich jedoch schon fast in eine Raserei hineingesteigert. Er bellte, knurrte und wuchtete seinen muskulösen Körper gegen die Zwingertür, als wollte er sie aus den Angeln sprengen.

Derrickson hob einen verrosteten Schürhaken auf, der wenige Yards vor dem Zwinger auf dem schlammigen Boden lag, und schlug damit gegen das Gitter. Harry wich jaulend zurück, um kurz darauf mit noch größerer Inbrunst mit dem Gebell fortzufahren.

Derrickson ballte die Hand zur Faust. Er würde diesem Mistköter den Gehorsam schon einbläuen, aber die Geschäfte gingen vor. Deshalb ließ er den Schürhaken fallen und wandte sich wieder seinen Kunden zu.

»Sorry ... Also, die Viecher haben eine lange Reise hinter sich. Eine Woche auf dem Schiff nach Mexiko und dann weiter auf dem Landweg. Da ist man schon mal etwas hüftschwach. Ein paar Tage mit der Flasche und die Jungs sind so gut wie ... Schnauze, Harry!«

Jetzt warf auch der Kunde im Parka einen grimmigen Blick zum Zwinger. »Was hat Ihr verdammter Köter für ein Problem, Derrickson?«

Der andere, ein blasser Rotschopf, das Gesicht voller Sommersprossen, bückte sich, schaufelte eine Handvoll Kies mit der hohlen Hand auf und schleuderte sie Richtung Zwinger. Vermutlich, um vor seinem alten Herrn Eindruck zu schinden. Unvermeidlich stimmten die beiden anderen Hunde in das Gebell mit ein.

Derrickson bedachte den Jungen mit einem vernichtenden Blick. »Ganz toll. Bist ein mutiger Bursche.«

Mit langen Schritten stapfte er erneut auf die Zwinger zu und zog seinen Schlüsselbund aus der Jackentasche.

»Mal sehen, wann du den Mut verlierst ...«

Dem Rotschopf war anzusehen, dass er am liebsten weggerannt wäre. Um sich nicht die Blöße zu geben, trat er lediglich ein paar Schritte zurück. Sein Dad funkelte Derrickson durch die Dunkelheit an.

»Was haben Sie vor, Derrickson?«

Er drehte sich um und schenkte ihm ein wölfisches Grinsen. »Keine Sorge ...«

Damit hob er erneut den Schürhaken auf, ließ die Spitze drohend in die Handfläche klatschen, dann steckte er den Schlüssel ins Schloss und drehte ihn zweimal um.

Kurz hielt er inne und nahm durch das Gitter Blickkontakt mit dem Hund auf. Der verstummte für eine Sekunde, stützte sich dann auf die Vorderläufe und bleckte sein monströses Gebiss in einem furchteinflößenden Knurren.

»Du willst spielen, Kleiner?«, zischte Derrickson und rüttelte am Gatter. »Lass uns spielen!«

Er riss die verrostete Zwingertür auf.

Mit einem schmerzvollen Quietschen, das kurz das anhaltende Gebell der beiden Hunde im Nachbarzwinger übertönte, schwang ihm die Tür entgegen. Noch im selben Moment machte sich Lance bereit. Wie ein Baseballspieler ging er leicht in die Hocke und umfasste den Schläger mit beiden Händen, um dem Biest zu beweisen, wer hier das Sagen hatte.

Der Hund wirkte tatsächlich verunsichert, um sich anschließend mit den Hinterbeinen abzustoßen.

Für den Bruchteil einer Sekunde sah Lance Derrickson nicht mehr als ein aufgerissenes, mit messerscharfen Zähnen gespicktes, speicheltriefendes Maul.

Der Aufprall schleuderte ihn rücklings zu Boden, bevor das Tonnengewicht mit voller Wucht auf ihm aufkam.

Der Schürhaken landete scheppernd im Kies.

Derrickson sah nur noch das gewaltige Maul, das nach unten stieß.

Instinktiv hielt er den Arm vors Gesicht. Ein glühender Schmerz zuckte durch seinen Unterarm, als die Zähne mühelos den Jackenärmel durchdrangen und sich danach in sein Fleisch bohrten.

Derrickson kreischte wie am Spieß, während der Rotschopf mit aufgerissenen Augen weiter zurückwich.

Der Blick seines alten Herrn streifte unsicher den Schürhaken, als bereits Lance Derricksons Todesschrei durch die Nacht hallte ...

Keiner der drei ahnte jedoch, dass ihr nächtliches Treiben nicht unbeobachtet geblieben war. Dass es vier weitere Zeugen dieses schockierenden Vorfalls gab ...

Diese vier waren Phil Decker, zwei FBI-Kollegen aus der Technik und ich.

Wir hockten in einem unbeschrifteten, mit modernster Überwachungstechnik ausgestatteten Observierungs-Van, der in sicherer Distanz zwischen einem Gebüsch und der Rückseite einer alten Plakatwand am Straßenrand parkte. Dank mehreren, auf dem Gelände versteckten Nachtkameras und den drei Monitoren im Laderaum des Van hatten wir das Geschehen auf dem ehemaligen Schrottplatz zu jedem Zeitpunkt im Blick.

Dieser nächtliche Überwachungseinsatz markierte den vorläufigen Höhepunkt zermürbender Ermittlungsarbeit, die uns die letzten Wochen mehr als nur ein paar Stunden Schlaf gekostet hatte. Im Mittelpunkt unserer Ermittlungen stand ein professionell strukturiertes Netzwerk skrupelloser Krimineller – und ein Milliardengeschäft. Es ging um den illegalen Handel mit exotischen Tierarten. Mit zehn Milliarden Dollar Umsatz im Jahr eines der lukrativsten Geschäftszweige des organisierten Verbrechens. Entsprechend viel Wert legten alle Beteiligten darauf, sich die Suppe nicht versalzen zu lassen.

Dank der Aussage eines Aussteigers hatten wir jedoch Einblicke in eine von New York aus agierende Zelle dieser skrupellosen Geschäftemacher erlangt und die Namen einiger Drahtzieher in Erfahrung gebracht. Einer dieser Namen lautete Lance Derrickson. Nach unseren Informationen ein Zwischenhändler, der auf der mittleren Ebene des Netzwerks agierte. Kein ganz großer Fisch, aber definitiv zu groß, um ihn zurück ins Meer zu werfen.

Nach mehreren abgehörten Telefonaten und gehackten E-Mails war uns schnell klar geworden, dass er tief genug in der Sache drinsteckte, um mit seinen Aussagen den ganzen verfluchten Laden hochgehen zu lassen. Vorausgesetzt, er war bereit auszupacken.

Um seine Kooperationsbereitschaft zu erhöhen, mussten wir ihn bei seinem Treiben auf frischer Tat ertappen. Die Aussicht auf mehrere Jahre Zuchthaus bringt oft selbst den verstocktesten Fisch zum Sprechen. Und nach allem, was wir über den ehemaligen Tierpfleger wussten, durfte sich seine Bereitschaft, für seine Hintermänner in den Knast zu wandern, in Grenzen halten.

Über einen verschlüsselten Chatverlauf hatten wir erfahren, wo der nächste Deal stattfinden würde. Aus diesem Grund hatten wir uns an diesem leicht verregneten Abend an dieser kaum befahrenen Straße im Westen von Hoboken auf die Lauer gelegt, nachdem unsere Kollegen das Schrottplatzgelände bereits am Nachmittag mit Mikrofonen und Kameras »vermint« hatten. Die Show konnte also beginnen.

Worum es sich bei der »Ware« genau handelte, war aus dem Chatverlauf nicht hervorgegangen. Wir waren daher mehr als gespannt, als Derrickson am frühen Abend mit einem Kastenwagen vorgefahren war, zusammen mit einem Helfer fünf Transportboxen von der Ladefläche geladen und sie mit einer Plastikplane zugedeckt hatte.

Die Tiere darin konnten nicht besonders groß sein. Ich rechnete mit irgendeiner Affenart oder Ähnlichem und war daher mehr als erstaunt, als Derrickson die Ware mit dem Fachbegriff »Pantera leo« anpries. Wir brauchten keine Lateinkenntnisse, um zu verstehen, was Derrickson seiner zahlenden Kundschaft an diesem Abend verhökern wollte.

»Acht Wochen alte Löwenbabys«, brachte mein Partner es auf den Punkt.

Mir blutete das Herz noch mehr, als ich hörte, wie sich einer der Käufer über den Zustand der Tiere beschwerte. Bestimmt waren die Kleinen wochenlang ohne Licht und mit wenig Nahrung in diesen Boxen eingepfercht gewesen. Meine Entschlossenheit, Derrickson in die Mangel zu nehmen, war gerade erheblich gestiegen.

Phils finstere Miene verriet mir, dass er es ebenfalls kaum erwarten konnte, was er mit den folgenden Worten unterstrich.

»Krallen wir uns den Mistkerl!«

»Sekunde!« Ich hob die Hand, den Blick gebannt auf den Bildschirm gerichtet. Irgendetwas war seltsam. Das aggressive Gebell eines der Hunde in den Zwingern war schon seit Minuten zu vernehmen und schien auch seinen Besitzer zunehmend zu irritieren.

»Vielleicht reagiert er auf den Geruch der Löwenbabys«, meinte mein Partner.

»Oder er hat einfach nur eine gute Menschenkenntnis«, knurrte Jared, einer der beiden Techniker, die noch länger hier ausgeharrt hatten als wir.

Ungläubig beobachteten wir, wie Derrickson eine Eisenstange in die Hand nahm und damit gegen das Gitter des Zwingers schlug. Seiner entschlossenen Gestik nach zu urteilen, kam der Prügel nicht zum ersten Mal gegen einen seiner Hunde zum Einsatz.

Dann wandte er sich wieder seiner Kundschaft zu.

»Was hat Ihr verdammter Köter für ein Problem, Derrickson?«

Schließlich bückte sich der Jüngste der Runde, sammelte eine Ladung Kies auf und schleuderte sie gegen den Zwinger.

»Reizende Gesellschaft«, brummte Phil.

Ein Wort gab das andere. Schließlich trat Derrickson erneut vor den Zwinger, zückte seinen Schlüssel und nahm den Schürhaken wieder auf.

»Verdammt«, zischte ich. »Der ist imstande und schlägt das Tier tot.«

Phil nickte mir zu. »Zugriff!«

Ich wollte gerade die Hecktür des Vans aufstoßen, als mein Blick erneut den Monitor streifte – und dort gebannt verharrte.

Die Tür des Zwingers stand jetzt sperrangelweit auf. Doch bevor Derrickson auch nur einen einzigen Schlag anbringen konnte, setzte das massige Tier zum Sprung an, brachte sein eigenes Herrchen zu Fall und biss zu!

Derricksons Schmerzensschrei erzeugte in unseren Empfängern eine pfeifende Rückkopplung. Aber wir hatten ohnehin genug gesehen und gehört.

Phil und ich stürmten aus dem Van und rannten auf das fünfzig Yards entfernte Gelände zu.

Das Tor, das Derrickson noch vor einer Viertelstunde dem Pick-up-Truck seiner beiden Besucher geöffnet hatte, war nach wie vor angelehnt. Bevor wir jedoch einen Fuß auf das Gelände setzten, zogen wir unsere Glocks.

Wir stürmten auf den Platz.

»FBI! Hände hinter den Rücken!«

Mein Befehl war an die beiden Kunden gerichtet, die mittlerweile in sichere Distanz zurückgewichen waren. Ich musste meine Worte wiederholen, bevor sie reagierten. Mit offenen Mündern standen sie da und starrten wie hypnotisiert auf das blutige Geschehen, das sich vor ihren – und unseren – Augen ereignete.

Lance Derrickson lag noch immer auf dem Boden, perfekt angeleuchtet durch seine eigene MagLite, die ihm im Sturz entglitten sein musste. Eine Schönheit war er schon davor nicht gewesen, aber jetzt war sein Gesicht eine einzige breiige Masse. Der Hund, wohl irgendeine Art Kampfhund, wog bestimmt zweihundert Pfund, lag halb auf ihm und schnappte in wilder Raserei zu.

Derrickson regte sich schon nicht mehr, und wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen.

Wenige Yards entfernt blieb ich stehen und wägte im Bruchteil einer Sekunde meine Optionen ab. Einen Schuss abzugeben, war zu riskant. Zu groß die Gefahr, den unter dem Hund begrabenen Menschen zu treffen. Auch wenn ich das Gefühl hatte, dass eine Kugel kaum mehr Schaden anrichten konnte.

Schließlich hob ich die Glock und feuerte zweimal in die Luft.

Der Hund reagierte exakt so, wie ich es erhofft hatte. Er schrak von seinem schaurigen Mahl hoch, entfernte sich mit zwei weiten Sätzen, drehte sich wieder in unsere Richtung und fing erneut an, lautstark zu bellen.

Allerdings wirkte er dabei deutlich weniger aggressiv als noch vor wenigen Minuten gegenüber seinem eigenen Herrchen. Ich hatte das Gefühl, dass es Angst war, die ihn so reagieren ließ. Weg war die pure Mordlust, die er kurz zuvor Derrickson gegenüber an den Tag gelegt hatte.

Hatten wir gerade die Rache eines misshandelten Wesens an seinem Peiniger miterlebt?

Ich wusste es nicht, hatte jedoch keine Lust, darauf zu warten, bis sich das Blatt wieder wendete. Deshalb gab ich einen weiteren Schuss ab.

Erneut zuckte der Hund zusammen, machte kehrt und steuerte die vermeintliche Sicherheit seines eigenen Zwingers an. Vermutlich der einzige Ort auf dem weitläufigen Gelände, der ihm vertraut war.

Phil reagierte blitzschnell. Mit wenigen Sätzen eilte er an mir vorbei zum Zwinger, schlug die Tür zu und drehte den steckenden Schlüssel im Schloss.

Wir sahen uns aufatmend an.

Während sich Phil um die anderen beiden Gentlemen kümmerte, ging ich vor Lance Derrickson in die Hocke. Ich musste keinen Puls nehmen, um zu wissen, dass hier nur noch eine sterbliche Hülle vor mir lag. Der Tierhändler sah aus wie durch den Fleischwolf gedreht.

Was für ein Ende eines langwierigen Abends.

Wir waren gekommen, um einen skrupellosen Tierhändler hochzunehmen. Stattdessen waren wir Zeugen von seinem grausamen Ableben geworden.

Mit einem flauen Gefühl im Magen stand ich auf, forderte mit dem Handy Verstärkung an und fragte mich dabei, was, zur Hölle, eigentlich gerade passiert war.

Die kommenden Tage verbrachten wir mit der Aufarbeitung dieses »denkwürdigen« Einsatzes, der uns noch lange in den Knochen steckte. Wenigstens war der ganze Aufwand nicht umsonst gewesen. Bei einer Durchsuchung von Lance Derricksons Apartment wurde umfangreiches Datenmaterial sichergestellt, mit dem über ein Dutzend Hintermänner der skrupellosen Tierschmugglermafia identifiziert werden konnte. Bereits am ersten Tag gab es zahlreiche Verhaftungen im ganzen Land, weitere würden folgen.

Auch für die beiden Kunden, die sich auf Derricksons Hof aufgehalten hatten, hatte das Ganze ein Nachspiel. Zwar war der Verkauf der Tiere nicht zustande gekommen, aber noch in derselben Nacht schwärmten Kollegen in Upstate New York aus und stellten die Ranch der beiden auf den Kopf. Bei der Razzia des heruntergekommenen Anwesens konnten neben einem halben Dutzend verwahrloster Hunde auch zwei ausgewachsene Tiger, ein halbes Dutzend Schlangen und andere Reptilien sowie zwei Kapuzineraffen sichergestellt werden. Alle Tiere waren auf illegalem Wege ins Land gekommen und in einem erbärmlichen Zustand. Aktuell wurden sie, genau wie Lance Derricksons Löwenjunge, auf verschiedene Zoos des Landes verteilt. Wir konnten nur hoffen, dass unter den fachkundigen Händen des Pflegepersonals alle wieder zu Kräften kamen.

Für uns war der Fall damit so gut wie erledigt. Deshalb ahnten wir nicht, was uns erwartete, als uns Steve Dillaggio Tage später in sein Büro bat.

Zu unserer Überraschung war der Special Agent in Charge nicht alleine. Eine rothaarige Frau um die vierzig saß auf einem Besucherstuhl. Sie trug ein marineblaues, einteiliges Kostüm. Ihre Haare waren zu einer modernen Hochsteckfrisur aufgetürmt. Auf ihrer Nase saß eine viel zu große, gelb gepunktete Brille, die die Hälfte ihres Gesichts verdeckte. Dabei war sie durchaus attraktiv, auf eine unkonventionelle Art. Hätte ich raten müssen, hätte ich sie für eine Künstlerin gehalten, doch Steve belehrte mich eines Besseren.

»Ich möchte euch mit Doktor Evelyn Wilcox vom veterinärmedizinischen Institut der Cornell University bekannt machen.«

»Sehr erfreut«, sagte ich freundlich, aber noch etwas ratlos.

»Sind Sie nur wegen uns den ganzen Weg von Ithaca hergekommen?«, fragte Phil, um Smalltalk bemüht.

Die Cornell University lag knapp vier Autostunden von Manhattan entfernt. Eigentlich keine Distanz in einem Land, das sich über sieben Zeitzonen erstreckt, für eine Stippvisite immer noch weit genug.