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Ein früherer Warlord lebte unter neuem Namen als Drogenbaron mit besten Kontakten zur New Yorker Unterwelt in Philadelphia. Er hatte in seinem Leben viele Verbrechen begangen und hin und wieder selbst getötet. Doch ausgerechnet den Mord, dessentwegen er lebenslänglich hinter Gitter sollte, hatte er nicht verübt, und man hätte ihn dafür auch nicht drangekriegt, wenn ein Privatdetektiv nicht ein paar Beweise gefälscht hätte. Auf dem Weg zum Trenton State Prison wurde der Gefangenentransporter mit dem Angeklagten überfallen. Der ehemalige Warlord entkam, tauchte bei uns im Big Apple unter - und sann auf blutige Rache!
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2020
Cover
Impressum
Blutige Wahrheit
Vorschau
BASTEI LÜBBE AG
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
© 2020 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Motortion Films / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar (www.3wplusp.de)
ISBN 9-783-7517-0677-3
www.bastei.de
www.luebbe.de
www.lesejury.de
Blutige Wahrheit
Für gewöhnlich laufen Gefangenentransporte unauffällig und reibungslos ab. Ohne besondere Vorkommnisse. Langweilig. Finstere Typen, zu unterschiedlich langen Haftstrafen verurteilt, werden mit apathischen Mienen von A nach B gebracht – und fertig. Doch wenn ein solch prominenter Häftling wie Bruce Leeman an Bord ist, kann das schon mal völlig anders vonstatten gehen ...
Der Überfall erfolgte, sobald der Kastenwagen, auf dem Weg zum New Jersey State Prison, ehemals Trenton State Prison, das Stadtgebiet von Philadelphia verlassen hatte.
Ein Monstertruck rammte ihn mit ungeheurer Wucht und warf ihn um. Schwer bewaffnete, maskierte Männer tauchten auf. Schüsse fielen.
Sprengladungen detonierten. Es gab Tote. Nur einer blieb am Leben: Bruce Leeman, der diesen Anschlag geplant und finanziert hatte.
Zwei Männer befreiten ihn von seinen Ketten und brachten ihn zu einem Hubschrauber. Er stieg ein.
»Gut gemacht, Jungs!«, rief er zufrieden.
»Gut geplant, Sir!«, gaben die Maskierten zurück.
Leeman nickte dem grauhaarigen Piloten zu. Der Sikorsky-Helikopter hob sofort ab und flog mit rasch zunehmender Geschwindigkeit davon.
»Willkommen an Bord!«, begrüßte der Pilot seinen hoch geschätzten Fluggast.
»Hallo, Luke.«
»Das war eine Bilderbuchaktion«, rief Luke Gordon und streckte einen Daumen nach oben.
»Ja, hat wunderbar geklappt. Ich bin zufrieden.«
»Die Jungs sind weit unter der vereinbarten Zeit geblieben.«
»Das sind die Besten der Besten. Jeder ist auf seinem Gebiet ein Ass. Nicht billig, aber wenn man Qualität will, darf man nicht sparen.«
»Die werden in Trenton lange Gesichter machen, wenn sie erfahren, was passiert ist«, sagte Gordon.
»Man wird dort leider auf mich verzichten müssen.«
»Soviel ich weiß, ist das Gefängnis von Trenton in der Klassifikation des US-amerikanischen Gefängnissystems als Maximum Security eingestuft«, sagte der Pilot.
Bruce Leeman nickte. »Dort wäre ein Ausbruch selbst für mich kaum möglich gewesen, deshalb bin ich erst gar nicht hin.«
»Eine weise Entscheidung.«
»Wie geht's zu Hause, Luke?«
Der Pilot lachte meckernd. »Also, gestern ging's noch.«
»Haben inzwischen alle Jungen das Nest verlassen?«
»Ja, alle sind draußen. Ich genieße die Ruhe. Meine Frau nicht. Die langweilt sich, fühlt sich nutzlos. Ich muss ihr irgendeinen Job verschaffen, damit sie nicht auf dumme Gedanken kommt.«
»Schicken Sie sie zu Horatio Shuman«, sagte Bruce Leeman. Shuman vermittelte Teilzeitjobs in allen erdenklichen Berufssparten – von klinisch sauber bis ganz schmutzig. »Der hat bestimmt was Passendes für sie.«
»Das mache ich. Vielen Dank für den Tipp.« Luke Gordon zog die Maschine in eine weite Kurve und nahm Kurs auf New York.
Der Wetterfrosch im Radio – seine Stimme war mir bestens vertraut – sprach im Brustton vollster Überzeugung von einem mächtigen Tief, das die nächsten Tage mit Regen, Sturm und Kälte beherrschen würde.
Ich glaubte ihm trotzdem kein Wort, denn der Himmel über New York war geradezu kitschig blau, und die Wettervorhersagen der vergangenen Wochen hatten auch allesamt nicht gestimmt. Ich stoppte meinen roten Jaguar F kurz an »unserer« Ecke und nahm Phil wie fast jeden Morgen an Bord.
Als ich die Wetterprognose erwähnte, die ich gerade gehört hatte, winkte mein Partner grinsend ab. »Diesen Leuten kaufe ich schon lange nicht mehr ab, was sie sagen.« Er schüttelte den Kopf. »Dass die sich nicht schämen, für ihre täglichen Lügen auch noch reichlich Geld zu nehmen. Und sie entschuldigen sich hinterher nicht einmal für ihre mit medienwirksamen Fachausdrücken gespickten Unwahrheiten. Die verzeichnen nur dann eine hundertprozentige Trefferquote, wenn sie berichten, wie das Wetter gewesen ist.«
Wir erreichten das Field Office an der Federal Plaza ausnahmsweise in einer miserablen Zeit. Der Grund dafür waren eine Großbaustelle und ein damit in unmittelbarem Zusammenhang stehender Monsterverkehrsstau.
Zum Glück sprach uns keiner der Kollegen auf die Verspätung an, für die wir nichts konnten. Das ersparte Phil und mir die ein oder andere unwirsche Antwort.
Kaum saß ich an meinem Schreibtisch, da läutete wie auf Kommando das Telefon. Es war Helen, die Sekretärin unseres Chefs. Eine richtig gute Fee.
»Guten Morgen, Jerry.«
»Hallo, Helen«, erwiderte ich freundlich. Wer zu mir nett ist, zu dem bin ich es auch.
»Ich habe schon mal angerufen.« Sie durfte das sagen. Und sie sagte es auch nicht irgendwie vorwurfsvoll. Es war eine reine Feststellung.
»Wir sind soeben zur Tür hereingekommen.«
»Mister High hat einen neuen Fall für euch.«
Ich atmete so laut auf, dass sie es hören konnte, als wäre ich unendlich erleichtert. »Was bin ich froh. Der Tag ist gerettet. Ich hatte schon befürchtet, in Kürze im zähen Sumpf einer nachhaltig tristen Langeweile zu versinken.«
Ich legte auf. Wenig später betraten wir Helens Büro. Die attraktive, dunkelhaarige Vorzimmerdame unseres Chefs wirkte wie immer frisch und munter. Heute sogar noch ein bisschen munterer, zufriedener, befriedigter. Als wäre die vergangene Nacht für sie besonders schön gewesen. Privatsache. Ich ging nicht näher darauf ein.
Helen deutete auf die Tür, die in Mr. Highs Allerheiligstes führte. »Ich werdet erwartet ... Kaffee?«
Ich schüttelte den Kopf. »Nein.«
Helen sah mich irritiert an. »Nein?«
Ich grinste. »War ein Scherz. Natürlich ja, bitte.«
Sie drohte mir mit dem Finger, ohne mir böse zu sein. Ich klopfte an Mr. Highs Tür.
»Ja?«
Ich öffnete die Tür.
»Ah. Jerry. Phil.« Unser schlanker Chef winkte uns herein und forderte uns auf, Platz zu nehmen. Sein kurzes Haar war silbergrau. Er hatte ein schmales, markant geschnittenes Gesicht und die feingliedrigen Hände eines Pianisten. Sein Blick pendelte zwischen Phil und mir hin und her. »Wie geht es Ihnen?«
Ich schmunzelte. »Wir können gar nicht genug klagen, Sir.«
Unser nüchterner Vorgesetzter schien meine Antwort nicht besonders lustig zu finden, ließ sie mir aber durchgehen, um mir meine gute Laune nicht zu verderben.
Helen brachte ihren unvergleichlichen Kaffee, schenkte uns ein Lächeln der Extraklasse und zog sich in ihr Vorzimmer zurück. Mr. High ging gleich in medias res und machte uns mit unserem neuen Fall vertraut.
Er zeigte uns auf einem großen Monitor Fotos von einer prominenten Unterweltgröße.
»Bruce Leeman«, sagte er. »Hat vor Kurzem seinen fünfzigsten Geburtstag gefeiert. Geboren als Tjark Walidan in Kandahar, Afghanistan. Bevor er in die Staaten auswanderte, war er in seiner Heimat einer der gefürchtetsten Warlords. Er kam nach Amerika, änderte seinen Namen, nahm eine neue Identität an und lebte jahrelang als erfolgreicher Drogenbaron mit besten Kontakten zur New Yorker Unterwelt in Philadelphia. Dieser Mann hat in seinem Leben mehr Verbrechen begangen als Al Capone und John Dillinger zusammen. Hin und wieder hat er auch selbst gemordet. Ein empathieloser Bursche, der eiskalt über Leichen geht. Sie können sich vorstellen, dass ein Heer ehrgeiziger Agents hinter ihm her war, um ihn ins Gefängnis zu bringen. DEA, CIA, FBI, NSA, Crime Prevention Special Forces ...«
»Und keiner hat ihn je gekriegt?«, fragte Phil verwundert.
Mr. High schüttelte den Kopf. »Keiner.«
Mein Partner staunte. »Wie ist das möglich?«
»Er hat paktiert, taktiert, erpresst, wichtige Zeugen entweder gekauft oder verschwinden lassen. Leeman wurde x-mal angeklagt, konnte den Gerichtssaal jedoch immer wieder als freier Mann verlassen.«
»Unglaublich«, brummte Phil.
»Tjark Walidan respektive Bruce Leeman war wie ein Stück nasse Seife. Jedes Mal wenn man ihn zu packen versuchte, flutschte er davon. Es hatte den Anschein, als würde man es nie schaffen, ihn hinter Gitter zu bringen.«
»Ich bewundere ihn trotzdem nicht«, sagte mein Partner grimmig.
Ich trank einen Schluck Kaffee und betrachtete nachdenklich das Gesicht des einstigen afghanischen Warlords. Seine Züge waren fein geschnitten.
Er war ein attraktiver Mann, und seine dunklen Augen bestätigten nichts von dem, was ich gerade gehört hatte. Sein Blick war sanft und gutmütig.
Bruce Leeman machte auf mich den Eindruck eines herzensguten, absolut vertrauenswürdigen Menschen. Dass er schon mal gemordet hatte, war fast nicht zu glauben. Er sah einfach nicht aus wie ein Mörder.
Okay, niemand sieht so aus. Aber diesem Bruce Leeman hätte ich am allerwenigsten ein Gewaltverbrechen zugetraut. Doch Mr. High war mit seinen Ausführungen noch nicht fertig.
»Ironie des Schicksals«, fuhr er mit ernster Miene fort. »Ausgerechnet für einen Mord, den er nicht verübt hat, wie er während eines Prozesses von enormem medialem Interesse immer wieder mit großer Vehemenz betonte, wurde er zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.«
»Behaupten kann man vieles«, sagte mein Partner ungläubig.
»Man hätte ihn auch diesmal nicht drangekriegt, wenn nicht ein New Yorker Privatdetektiv namens Josh Sassa bestimmte schwerwiegende Beweise gefälscht hätte.«
»Sagt wer?«, wollte ich wissen.
»Sagen Bruce Leemans Anwälte«, antwortete Mr. High.
»Und?«, fragte Phil. »Haben sie recht?«
»Es steht Aussage gegen Aussage«, erklärte John D. High.
Er sitzt also jetzt im Zuchthaus, dachte ich. Und wie sieht nun unser Auftrag aus? Sollen wir vielleicht in dem Mordfall, der ihm zum Verhängnis wurde, seine Unschuld beweisen? Das wäre irgendwie paradox.
Mr. Highs Geschichte ging jedoch noch weiter. »Spezialisten haben den Gefangenentransporter, in dem Bruce Leeman mit anderen Kriminellen saß, auf dem Weg zum New Jersey State Prison in Trenton überfallen, die Wachmannschaft und drei Verurteilte erschossen und Leeman befreit.« Er schilderte die Aktion, soweit sie ihm bekannt war.
Phil riss die Augen auf. »Der Ex-Warlord ist frei?«
Unser Vorgesetzter nickte. »Und angeblich bei Freunden in New York untergetaucht.«
Jetzt hatte die Sache Hand und Fuß. Der Mann, der einst Tjark Walidan geheißen hatte, hatte sich auf spektakuläre Weise seiner lebenslangen Freiheitsstrafe entzogen, war abgehauen und untergetaucht – und wir sollten dafür sorgen, dass man ihn doch noch einsperren konnte.
Therom Hathaway gestaltete sein Liebesleben so einfach und unkompliziert wie möglich. Er war viel unterwegs – Mexiko, Thailand, Kanada, Australien ... – und wenig zu Hause. Da er auf gepflegten Sex nicht verzichten wollte, waren für ihn Frauen, die sich dafür bezahlen ließen, die vernünftigste Lösung.
Diesmal hatte ihn Soonya – sie war heißer als ein Sonnenbrand – in seinem Haus am Long Island Sound aufgesucht und seinen Hormonhaushalt routiniert in Ordnung gebracht. Sie hatte ihre Sache gut gemacht. Jetzt duschte sie, und er stand in Jeans, mit nacktem Oberkörper auf der Veranda, lauschte dem vergnügten Zwitschern der Vögel in den nahen Laubbäumen und rauchte genüsslich einen Joint. Er war breitschultrig und muskulös, konnte hart zupacken und, wenn es sein musste, schwere Lasten tragen. Ein Mann in den allerbesten Jahren. Als er sich umdrehte, nahm er aus den Augenwinkeln eine Bewegung wahr, und im selben Moment schoss heiße Wut in ihm hoch, denn er sah im spiegelnden Glas der halb offenen Verandatür, dass Soonya, dieses gottverdammte geldgierige Luder, lange Finger machte und ihm ein paar zusätzliche Scheine aus der Brieftasche zupfte, obwohl er sie schon vorher für ihre Arbeit gut bezahlt hatte.
»Das ist doch wohl ...« Er stürmte ins Wohnzimmer.
Soonya, in ein weißes Badetuch gehüllt, ließ vor Schreck die Brieftasche fallen. Ihr nasses Haar glänzte pechschwarz. »Es ... es ist nicht so, wie es aussieht, Therom«, stammelte sie.
»Ach nein? Wie sieht es denn aus?«
»Ich ...«
»Du Miststück bestiehlst mich?«, brüllte er.
»Nein ... Ich hatte ... Ich wollte ... Ich dachte ...«
»Du dachtest, der Volltrottel merkt es schon nicht, wenn ich mich hinter seinem Rücken ein bisschen bediene!«
Soonya hob hastig die Brieftasche auf und schob die geklauten Banknoten mit zitternden Fingern wieder hinein. »Ich bin ... Es tut mir leid ...«
Er kam langsam näher, starrte ihr in die Augen, als könnte er sie auf der Stelle umbringen.
»Miststück!«, fauchte er.
»Ich habe das Geld wieder zurückgegeben«, krächzte Soonya. »Es fehlt nichts. Du kannst dich davon überzeugen.«
»Aber wenn ich dich nicht ertappt hätte, hättest du's behalten.«
Sie wich vor ihm zurück. »Ich ... ich kann es mir selbst nicht erklären ...«
»Ich schon. Du bist ein dreckiges, charakterloses, geldgeiles Luder. Gibt es irgendetwas, das du nicht für Geld machen würdest? Ich glaube nicht.«
Sie stieß mit dem Rücken gegen die Wand. Weiter konnte sie nicht mehr zurückweichen.
»Bitte tu mir nichts, Therom«, flehte sie. »Ich habe doch schon gesagt, dass es mir leid tut.«
»Ach, und du denkst, damit ist die Sache vom Tisch, wie?«, schnauzte er sie an. Seine Speicheltröpfchen flogen ihr ins bleich gewordene Gesicht. Sie zuckte bei jedem Treffer zusammen. »Ist sie aber nicht!«, blaffte er.
»Ich möchte gehen, Therom. Darf ich mich anziehen?«
Er kniff seine zornfunkelnden Augen zu. »Du wolltest mich bestehlen. Ich habe dich noch nicht bestraft.«
Sie hob beschwörend die Hände. »Ich bitte dich, schlag mich nicht.«
»Das kann ich dir nicht ersparen.«
»Nicht ins Gesicht«, bettelte sie. »Sonst kann ich nicht ...«
Er riss ihr das Badetuch vom Körper, ergötzte sich jedoch nicht mehr an ihrer Nacktheit. Das war vorbei. Jetzt wollte er ihr nur noch wehtun, und das tat er – ausgiebig.
Als sie hustend, wimmernd und würgend auf dem Boden lag, fauchte er: »Das wird dir hoffentlich eine Lehre sein. Wenn du schon unbedingt einen Freier bestehlen musst, dann mach es in Zukunft gefälligst etwas geschickter.« Er befahl ihr aufzustehen. Sie gehorchte schlotternd und ächzend. »Zieh dich an und verschwinde.«
Nachdem sie schluchzend in ihr Kleid geschlüpft war, griff sie nach ihrer Handtasche.
»Moment!«, knurrte er und entriss ihr die Tasche. Er öffnete sie, ignorierte das Pfefferspray, nahm das Geld heraus, das er ihr gegeben hatte, bevor es zur Sache gegangen war, und schob es in seine Hosentasche. »Bußgeld!«
Dann drückte er die Tasche gegen ihren künstlich vergrößerten Busen und warf sie aus seinem Haus.
Soonya stolperte mit vorübergehend gestörtem Gleichgewichtssinn zu ihrem knallgelben Fernost-SUV, stieg ein und fuhr los.
Ein schwarzer BMW kam ihr entgegen, fuhr an ihr vorbei und hielt vor Therom Hathaways Haustür, die er noch nicht geschlossen hatte.
Hugh Elwes, ein Knochenbrecher mit brutalen Zügen und kahl rasiertem Schädel, stieg aus. Sein wulstiger Nacken war tätowiert. In kunstvoll verschnörkelter Schrift stand da: Love is the key. Der Spruch passte zu ihm wie die Faust aufs Auge, und genau aus diesem Grund hatte er sich dafür entschieden.
Er deutete mit dem Daumen über seine Schulter. »War das Soonya?
»Ja«, knurrte Therom Hathaway noch immer sauer.
Elwes trat ein. »War sie gut?«
»Sie wollte mich bestehlen.«
Hugh Elwes grinste. »Und das hat sie überlebt?«
Es gab eine animierte Videorekonstruktion des Überfalls, bei dem sieben Menschen ihr Leben verloren hatten. Nur einer hatte den Angriff überlebt: Bruce Leeman. Wir sahen uns die digitalisierte Dokumentation x-mal in unserem Büro an. Die Befreiungsaktion war generalstabsmäßig geplant gewesen und hatte hervorragend funktioniert. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hatten die ausgesuchten Profis zugeschlagen.
»Die waren bestens aufeinander eingespielt«, stellte Phil fest. »Ich könnte mir vorstellen, dass dieses Team den Einsatz irgendwo etliche Male an einem geheimen Ort geprobt hat, bevor es richtig losgelegt hat.«
Es gab unzählige Zeugenaussagen, die allesamt nicht viel wert waren. Erstens war alles viel zu schnell abgelaufen, und zweitens hatten manche die Aktion nur aus großer Entfernung erlebt.
Niemand konnte zuverlässig sagen, wohin Leemans Befreier verschwunden waren. Einige hatten einen Hubschrauber davonfliegen gesehen. Farbe? Blau. Gelb. Rot. Schwarz. Silber. Fabrikat? Keine Ahnung. Ein Heli eben.
Das Material, das wir von Mr. High bekommen hatten, beinhaltete auch etliche TV-Berichte. Um der Wahrheit die Ehre zu geben, muss ich sagen, dass viele Meldungen seriös waren. Doch einige verantwortungslose Journalisten gingen mit den Fakten bewusst sehr locker um.
Sie spekulierten auf Teufel komm raus, jonglierten mit Halbwahrheiten und drehten hemmungslos am Sensationsrad, um den Zuschauern ordentlich was bieten zu können. Wahr oder fast wahr. Das spielte für sie eine höchst untergeordnete Rolle. Hauptsache, die Quote stimmte hinterher.
Wir standen vor einem Berg von Puzzleteilchen. Sie machten auf mich den Eindruck, als gehörten sie zu mehreren völlig unterschiedlichen Zusammensetzspielen. Passten sie deshalb so gut wie überhaupt nicht zusammen?
»Okay«, sagte Phil und trat mit einem schwarzen Stift an eine an der Wand hängende weiße Tafel. »Wir haben einen Mann, der einmal Tjark Walidan hieß und jetzt Bruce Leeman heißt.«
Er schrieb die Namen ans Whiteboard. Man konnte sie jederzeit wieder löschen.
»Dieser Mann kommt aus Afghanistan. Geboren in Kandahar ... Aufstieg zum Warlord ... Clever. Skrupellos. Eiskalt. Bestens vernetzt ... Eines Tages verlässt er seine Heimat. Warum? Wurde ihm der Boden Afghanistans zu heiß? Wir wissen es nicht.«
Phil setzte zwei Fragezeichen auf die Tafel.
»Er geht nach Amerika, lässt sich in Philadelphia nieder und scheint von da an in vielen Polizeiakten als Drogenbaron mit den besten Kontakten zur New Yorker Unterwelt auf. Er tötet und lässt töten, und alle, die ihn zu kriegen versuchen, raufen sich verzweifelt die Haare, weil es ihnen nicht gelingt, ihm irgendetwas anzuhängen beziehungsweise nachzuweisen. Eines Tages wird jemand umgebracht, und Leeman wird mit diesem Mord in Zusammenhang gebracht.«
Phil schrieb: Name des Opfers?
»Bruce Leeman leugnet auf das Entschiedenste, diese Tat begangen zu haben und behauptet, die Beweise, die der Privatdetektiv Josh Sassa dem Gericht vorgelegt habe, seien gefälscht.«
Phil notierte: Sassa. Welche Beweise? Mordmotiv?