Jerry Cotton 3319 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3319 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sie waren nicht mehr die Jüngsten, jedoch noch immer, jeder für sich, bestens im Geschäft und dem FBI seit ewigen Zeiten ein Dorn im Auge - die Unterweltveteranen George Zucker, Brett Snow, Josh Maverick, Kevin Queen und Dominic Root. Keiner traute dem anderen über den Weg. Deshalb hatten sie bislang noch nie zusammengearbeitet. Nun wollten sie es zum ersten Mal wagen, weil der geplante Giftmüllcoup für einen allein zu groß gewesen wäre. Als einer von Zuckers Leuten auf offener Straße erschossen wurde, übernahmen wir den Fall und gerieten zwischen die Fronten der dreckigen Fünf!


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2021

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Die dreckigen Fünf

Vorschau

Impressum

Die dreckigen Fünf

Der Hass war allgegenwärtig. Deshalb war es niemals ratsam, da wo man nicht hingehörte und Mitglied einer der Gangs war, die die fünf Bezirke New Yorks beherrschten, allein auf die Straße zu gehen.

Adonis Cross war so dumm, sich über dieses ungeschriebene Gesetz hinwegzusetzen, und bezahlte seinen Leichtsinn umgehend mit dem Leben ...

Er wollte es besonders melodramatisch machen, blieb mitten in Queens – also mitten im Feindesgebiet – am Rand des Botanical Garden ganz plötzlich stehen und sagte: »Sekunde, Tessa.«

Passanten gingen an ihnen vorbei. Adonis Cross beachtete sie nicht. Sein junges Herz – er war achtzehn – trommelte wie verrückt gegen die Rippen.

Ihm war heiß.

Er schwitzte.

Du darfst dich jetzt auf keinen Fall blamieren, sagte er sich nervös.

Wenn Tessa ihn auslachte, war alles verdorben. Dann würde er entweder vor Scham im Boden versinken oder fluchtartig das Weite suchen und sich nie wieder bei ihr blicken lassen. Er lebte in permanenter Angst, sich in irgendeiner Situation lächerlich zu machen, war vor allem in Liebesdingen noch sehr unerfahren und unsicher.

»Was ist?«, fragte Tessa Caplan verwundert.

Sie war so alt wie er und für ihn die schönste Frau, mit der er je zusammen gewesen war. Ein blonder Traum. Ein Engel. Eine Göttin. Liebens- und begehrenswert. Mit Augen, die an klare Bergseen erinnerten.

»Was hast du, Adonis?«, fragte Tessa.

Als sie zum ersten Mal seinen Namen gehört hatte, hatte sie gekichert. »Was? Ist das dein Ernst? Heißt du wirklich Adonis, oder nimmst du mich auf den Arm?«

Er wurde sofort tomatenrot und hatte eine Stinkwut auf seine bescheuerten Eltern. Sie mussten total bekifft gewesen sein, als sie ihm diesen dämlichen Namen gegeben hatten. »Ich nehme dich nicht auf den Arm«, antwortete er heiser.

Sie lächelte ihn versöhnlich an. »Tut mir leid. Adonis ist ein schöner Name. Er gefällt mir wirklich sehr gut, ist nur ein bisschen ... ungewöhnlich. Nicht gerade so alltäglich wie Tom, Frank oder Sam.«

»Das ist wahr«, hatte er zurückgegeben. »Deshalb sage ich normalerweise immer, mein Name sei Ad.«

Jetzt schob Adonis »Ad« Cross die Hand in die Gesäßtasche seiner Camouflagehose und zauberte etwas hervor, das Tessa Caplan noch nicht sehen konnte, weil es in seiner geschlossenen Faust verborgen war. Gleichzeitig sank er vor seiner Angebeteten auf die Knie.

»Adonis, was soll das?«, fragte sie nervös und blickte sich verlegen um. »Was tust du denn da? Steh auf, Adonis. Steh bitte sofort wieder auf. Du kannst dich doch nicht hier, vor allen Leuten, vor mich hinknien und ...«

Seine Hand öffnete sich. Ein mitternachtsblaues Schächtelchen kam zum Vorschein. Er klappte es auf, und ein kostbarer Brillantring funkelte sie an.

»O mein Gott«, stöhnte sie, während die Passanten belustigt grinsten.

»Tessa Caplan ... Schönste Frau des Universums ... Willst du mich heiraten?«

»Bitte steh endlich auf, Adonis«, flehte sie.

Er erhob sich, nahm aufgeregt ihre schmale Hand und schob ihr den Ring an den schlanken Finger. Als er merkte, dass sie ihm die Hand entziehen wollte, fragte er verunsichert: »Gefällt dir der Ring nicht?«

»Er ist ...« Sie wusste offenbar nicht, was sie sagen sollte, war total von der Rolle, suchte nach Worten. »Er ist wunderschön ... Du bist verrückt, Adonis ... Er muss ein Vermögen gekostet haben ... Du kannst mir doch kein so wertvolles Geschenk machen.«

»Wieso denn nicht?«

»Weil ... Weil ... Weil ... Wir sind erst seit einem halben Jahr zusammen ...«

»Na und?«

»Heiraten ...«

»Warum nicht? Du machst mich so glücklich, wie ich es noch niemals war. Ich liebe dich, möchte mit dir zusammen sein. Für immer. Wenn du mich ebenfalls liebst ...«

»Das tue ich. Sehr sogar. Aber ...«

»Worauf willst du warten, Tessa?«

»Wir sind noch so jung ...«

»In anderen Ländern heiraten sie schon mit zwölf, dreizehn Jahren. Oder noch früher.«

»Wir haben beide noch keinen Job. Wovon wollen wir ...? Wie stellst du dir das vor?«

Sie wusste es nicht. Er hatte nicht bloß einen Job, sondern viele, gehörte immerhin seit einem Jahr der gefürchteten Zucker-Gang an, die Manhattan regierte.

Und der Ring war zwar tatsächlich verdammt wertvoll, er hatte ihn jedoch nicht gekauft, sondern gestohlen. Geld war für ihn kein Thema.

Als aufstrebendes, vielseitig verwendbares Mitglied der Zucker-Gang – er hatte sogar schon zwei Auftragsmorde verübt – würde er immer welches haben. Seine Taschen würden niemals leer sein. Dafür würde George Zucker, sein Boss, schon sorgen. Auf Tessa Caplan wartete an seiner Seite ein angenehmes, unbekümmertes Leben. Sie brauchte nur Ja zu sagen, seinen Antrag anzunehmen und ihn zu heiraten.

»Adonis ...« Sie suchte schon wieder nach Worten. »Bitte versteh mich nicht falsch ... Das ... das geht mir alles zu ... zu schnell ...«

Er war ein wenig enttäuscht. Sie hatte zum Glück nicht Nein gesagt, sodass seine Hoffnung weiter auf kleiner Flamme köcheln durfte und von Tessa nicht richtig kalt gestellt worden war.

»Brauchst du Zeit?«, fragte er mit belegter Stimme. »Okay.« Er nickte mit einem leicht flauen Gefühl im Magen. »Ich habe dich überrumpelt. Das war nicht fair von mir. Aber ich möchte zu meiner Verteidigung anführen, dass ich in diesen Dingen keinerlei Erfahrung habe. Ich dachte, wenn du für mich genauso viel empfindest wie ich für dich ... Für mich war es Liebe auf den ersten Blick. Ich wusste vom ersten Moment an, dass du die Frau bist, mit der ich ein Leben lang zusammen sein möchte. Doch wenn du ein wenig Zeit zum Überlegen brauchst, ist das für mich in Ordnung. Ich kann warten. Hauptsache, es kommt dabei zu guter Letzt ein Ja heraus.

Sie küsste ihn zärtlich. »Ich muss nach Hause.«

»Sehe ich dich morgen?«

»Ich rufe dich an.«

»Alles klar.«

Tessa drehte sich um und ging. Er blieb stehen und schaute ihr nach. Sie geht nicht, dachte er fasziniert. Sie schwebt. Und wie sie dabei ihren hübschen Po schwingt ... Sensationell.

Plötzlich fiel ein Schuss, und die Kugel, die ihn traf, zerstörte alles. Seine Hoffnung, seine Liebe und sein Leben.

Die Rivalitäten bestanden – gefühlt – seit ewigen Zeiten. Vergeltungsschläge und Rachemorde waren jahrelang an der Tagesordnung gewesen.

Jede Gang hatte ihr Territorium mit unbeschreiblicher Härte und Brutalität verteidigt. Tötest du einen meiner Männer, töte ich einen von deinen.

Auge um Auge, Zahn um Zahn. Das war jahrzehntelang die Maxime der großen Bosse gewesen. Aus diesem Grund wurden sie »die dreckigen Fünf« genannt.

In letzter Zeit hatten sie sich zwar etwas zurückgehalten und ihre Gangmitglieder angewiesen, im eigenen Bezirk zu bleiben und die Konkurrenz nicht zu provozieren, aber ganz ohne Leichen ging es noch immer nicht.

»Die werden sich wohl nie vertragen«, sagte Phil kopfschüttelnd.

Wir saßen in Mr. Highs Büro. Eine Menge Tatortfotos lagen auf dem Schreibtisch unseres Chefs. Er sah uns sorgenvoll an.

»Finden Sie Adonis Cross' Mörder, ehe die Feindseligkeiten wieder an allen Ecken und Enden aufflammen. Bringen Sie den Killer schnellstens hinter Gitter, damit sich das Todeskarussell nicht wieder im Höllentempo zu drehen beginnt. Es muss endlich Schluss sein mit diesen blutigen Bandenkriegen auf New Yorks Straßen.«

Wir waren ganz seiner Meinung.

»Cross hat sich einen schwerwiegenden, einen tödlichen Fehler erlaubt«, sagte mein Partner. »Wie konnte er nur so unvernünftig und unvorsichtig sein, sich – als Zucker-Mann – allein auf Kevin Quinns Territorium zu wagen?«

Mr. High zuckte mit den Schultern. »Er hatte das Pech, sich in ein Mädchen zu verlieben, das im Gebiet der Rivalengang wohnt. Das wurde ihm zum Verhängnis.«

Ich nickte nachdenklich. »Wer geht schon in Begleitung zu einem Date?«

»Es wäre für ihn sicherer gewesen, wenn Tessa Caplan ihn in Manhattan getroffen hätte«, sagte Mr. High. »Dort wäre ihm nichts passiert.«

»Liebe macht blind«, sagte ich.

»Und unvorsichtig«, sagte mein Partner.

Zur gleichen Zeit fand ein Telefonat zwischen den beiden Bossen George Zucker und Kevin Quinn statt.

»Musste das sein?«, fragte Zucker betont vorwurfsvoll.

»Er hatte in unserem Bezirk nichts zu suchen«, entgegnete Quinn am anderen Ende der Leitung rau.

»Das stimmt«, gab Zucker zu, »aber hätte es nicht gereicht, ihn zu verjagen? Der Junge hat nichts getan. Sein einziges Verbrechen hat darin bestanden, dass er sich in die falsche Frau verliebt hat. Es wäre nicht nötig gewesen, ihm eine Kugel zu verpassen.«

»Machst du etwa mich dafür verantwortlich?«, fragte Quinn ärgerlich.

»Du solltest deine Männer besser im Griff haben.«

»Mache ich dir Vorschriften, wie du deine Gang führen sollst?«

»Keiner meiner Leute hätte sich zu einer so sinnlosen Tat hinreißen lassen«, sagte Zucker schneidend. »Ihr habt uns herausgefordert. Wir fühlen uns von euch provoziert. Und das in einer Zeit, wo wir – wie du eigentlich wissen solltest – beschlossen haben, uns alle im Hinblick auf diese große Sache ernsthaft um Deeskalation zu bemühen.«

»Was soll das heißen?«, brauste Kevin Quinn auf. »Was willst du damit sagen? Was erwartest du von mir? Etwa dass ich mich entschuldige?«

»Das würde mir nicht reichen«, gab George Zucker frostig zurück.

»Das würde dir nicht reichen?«, wiederholte Quinn fassungslos.

»Soll es wieder damit losgehen, dass ich einen deiner Männer töte, weil du einen meiner Männer getötet hast, und du deshalb dann wieder einen meiner Leute aufs Korn nimmst?«

»Was verlangst du? Was soll geschehen?«

»Wenn du ernsthaft daran interessiert bist, den vereinbarten Frieden zu bewahren ...«

»Ich werde dir Cross' Mörder nicht ausliefern«, fiel Quinn Zucker harsch ins Wort. »Das kannst du vergessen.«

»Das brauchst du nicht«, sagte George Zucker gelassen. »Es genügt mir, wenn du selbst dafür sorgst, dass er keinen solchen Fehler mehr machen kann.«

Die Tür öffnete sich, und ich erblickte eine alte Frau mit Millionen Falten im Gesicht und Tränensäcken unter den Augen, so dick wie nasse Teebeutel.

Es stellte sich heraus, dass sie Tessa Caplans Großmutter war. Sie hieß Zoe Caplan und war die Mutter von Tessas Vater. Phil und ich wiesen uns aus und fragten nach Tessa.

»Sie ist in ihrem Zimmer«, sagte Zoe Caplan. »Das arme Ding muss in so jungen Jahren schon so hässliche Dinge erleben.«

»Wir hätten ein paar Fragen an Ihre Enkelin«, erwiderte ich.

Zoe Caplan nickte. »Bitte treten Sie ein. Ich hole sie. Mein Sohn und meine Schwiegertochter sind zurzeit außer Haus. Ich bin herübergekommen, damit Tessa nicht allein ist. Ich wohne im Haus gegenüber.«

Sie führte uns in ein Wohnzimmer, das zwar billig, aber geschmackvoll eingerichtet war, entschuldigte sich kurz und verschwand.

Wenig später erschien sie mit ihrer Enkelin. Tessa war sehr hübsch und sehr blass. Tränen glänzten in ihren Augen. Sie trug eng anliegende Stretchjeans und einen überweiten – vielleicht selbst gestrickten – Pullover.

Ihr langes blondes Haar sah nicht so aus, als hätte sie es heute schon mal gebürstet oder gekämmt. An ihrem Finger funkelte ein Ring, der nicht in diese Umgebung passte. So etwas bekam man für gewöhnlich nur in den Prunkpalästen der oberen Zehntausend zu sehen.

Wir befragten sie sehr behutsam. Ihre Großmutter wollte sich zurückziehen, doch wir hatten nichts dagegen, dass sie blieb. Tessa erzählte uns von Adonis Cross' linkischem Heiratsantrag.

»Er hat sich vor allen Lauten vor mich hingekniet, mir den Ring gezeigt und mich gefragt, ob ich ihn heiraten will.«

»Haben Sie seinen Antrag angenommen?«, erkundigte sich Phil.

Tessa schüttelte den Kopf. »Ich habe um Bedenkzeit gebeten.«

»Warum?«

»Ich war so durcheinander ... Ich fühlte mich überrumpelt.«

»Haben Sie ihn geliebt?«

Tessa nickte. Eine Antwort brachte sie nicht zustande.

»Wie hat Adonis reagiert?«, wollte mein Partner wissen. »War er enttäuscht? Verärgert?«

»Er war total verständnisvoll, sagte, er könne warten. Hauptsache es komme am Ende ein Ja heraus.«

»Und dann?«

»Ich sagte, ich müsse heimgehen. Wir trennten uns und ... und ... und ... Auf einmal knallte es. Mir war nicht sofort klar, dass ich einen Schuss gehört hatte, blieb stehen, drehte mich um ... Mir zerriss es fast das Herz. Adonis ... Auf dem Boden ... Er zuckte so eigenartig ... Und da war Blut ... Und es wurde immer mehr ...« Tessa konnte ihre Tränen nicht länger zurückhalten. Sie quollen groß und glänzend aus ihren Augen und rannen über ihre fahlen Wangen.

Wir ließen ihr Zeit, sagten eine Weile nichts, damit sie sich sammeln konnte. Zoe Caplan nahm die junge Frau in die Arme und streichelte sie zärtlich.

»Wissen Sie, was Adonis Cross beruflich gemacht hat?«, erkundigte ich mich, sobald ich erkannte, dass sich Tessa etwas erholt hatte.

Sie wischte sich mit einem Papiertaschentuch, das ihre fürsorgliche Großmutter ihr gegeben hatte, die Tränen ab. »Beruflich? Ich glaube, er hatte keinen Beruf, hielt sich mit Gelegenheitsjobs über Wasser.«

»Er war Mitglied einer Gang«, sagte ich.

»Adonis?«

»George Zucker, sein Boss, regiert Manhattan mit eiserner Hand«, warf Phil ein.

»Davon höre ich jetzt zum ersten Mal«, sagte Tessa Caplan verblüfft. »Adonis Cross war ein ... ein ... ein Krimineller?«

Ich nickte. »Er hat getan, was immer George Zucker ihm befohlen hat. Egal, was.«

»Er stand sogar im Verdacht, zwei Morde verübt zu haben«, ergänzte mein Partner.

Tessa schüttelte entgeistert den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Sind Sie sich sicher, dass wir von demselben Adonis Cross sprechen?«

»Adonis Cross«, erwiderte Phil. »Achtzehn Jahre alt. Hautfarbe weiß. Wohnhaft in Manhattan, sechzehnte Straße West ...«

Damit waren Tessas Zweifel zwar ausgeräumt, aber sie konnte selbst dann noch nicht akzeptieren, dass sie in einen Schwerverbrecher, einen Gangster, einen Auftragskiller verliebt gewesen war.

»Er hat mich immer so zärtlich, so sanft, so rücksichtsvoll, so ... liebevoll behandelt«, presste Tessa mühsam hervor. »Als er mir den Antrag gemacht hat, ist er total verlegen, linkisch, unsicher und unbeholfen gewesen. Wie kann so jemand ...? Das gibt's doch nicht.«

Adonis Cross hatte offenbar zwei Gesichter gehabt und war privat ganz anders gewesen als »beruflich«. Als Mitglied der Zucker-Gang hatte er Dinge getan, die ihm seine Freundin niemals zugetraut hätte.

Er musste den skrupellosen Gangster wie einen hässlichen Mantel abgelegt haben, bevor er zu ihr gegangen war. Bei ihr war er dann nur ein netter, zärtlicher, liebevoller junger Mann gewesen. Verknallt bis über beide Ohren. Mit Schmetterlingen im Bauch ... Alles Gemeine, Unschöne, Gewissenlose, das sein anderes Leben geprägt hatte, war zu Hause geblieben. In den Mantel der verwerflichen Niedertracht und der eiskalten Brutalität war er erst nach seiner Rückkehr wieder geschlüpft, um so zu sein, wie George Zucker ihn brauchte.

Wir baten Tessa, uns den Tathergang so genau wie möglich zu schildern.

»Wir verabschiedeten uns«, sprach sie mit zitternder Stimme. »Adonis fragte: ›Sehe ich dich morgen?‹ Ich sagte, ich würde ihn anrufen. Dann drehte ich mich um und ging. Ich kam jedoch nicht weit. Es fiel ein Schuss. Für mich versank alles in einem nahezu undurchdringlichen roten Nebel. Ich hörte jemanden schreien, ohne zu begreifen, dass ich das war. Ich hatte das Gefühl, gleich ohnmächtig zu werden. Menschen umringten uns. Die einen wollten helfen. Die anderen gafften nur. Sie fotografierten und filmten, machten Selfies ... Wie kann man nur? In einer solchen Situation! Ich wurde hin und her gestoßen. Alles war so entsetzlich unwirklich ...«

Tessa brach schluchzend ab. Zoe Caplan gab ihrer Enkelin ein neues Papiertaschentuch. Tessa wischte wieder ihre Tränen ab und schnäuzte sich geräuschvoll.

»Haben Sie den Schützen gesehen?«, wollte Phil wissen.

Tessa hatte ihn nicht verstanden. »Wie, bitte?«, fragte sie heiser.

»Haben Sie Adonis Cross' Mörder gesehen?«, formulierte mein Partner die Frage anders.

»Ich weiß es nicht«, sagte Tessa unsicher. »Kann sein ... Da waren so viele Menschen ...«

»Nach dem Schuss?«, erkundigte sich Phil.

»Auch schon davor. Deshalb war es mir ja so unangenehm, dass Adonis plötzlich vor mir auf die Knie gesunken ist und mir diesen wunderschönen Ring gezeigt hat ...« Sie hielt ihre Hand weinend hoch.

Mein Partner bat sie eindringlich nachzudenken. »Eine Täterbeschreibung wäre für uns eminent wichtig.«

Das konnte Tessa Caplan zwar sehr gut verstehen, doch sie sah sich im Moment außerstande, uns zu sagen, wie der Todesschütze ausgesehen hatte.

Sie hob hilflos die Schultern. »Es tut mir wirklich sehr leid ...«

Ich hielt ihr meine Visitenkarte hin. Sie schien sie nicht zu bemerken, nahm sie nicht. Stattdessen griff ihre Großmutter danach.

»Sollte Ihnen noch etwas einfallen, das uns weiterhelfen könnte, rufen Sie uns an, okay?«, sagte ich.

Zoe Caplan nickte, als hätte ich meine Worte an sie und nicht an ihre Enkelin gerichtet.

»Sie wird sich melden«, versprach sie, während Tessa weiter tupfend und wischend ihre nassen Wangen trocknete.

Die dreckigen Fünf hatten zum ersten Mal ein gemeinsames, ganz großes Ziel. Das hatte es noch nie gegeben. Was sie vorhatten, hätte keiner von ihnen allein stemmen können. Da mussten sie alle, ob sie wollten oder nicht, am selben Strang ziehen – oder aus der Sache wurde nichts.

Deshalb hatten sie auch erstmals beschlossen, sich in Zurückhaltung zu üben und Feindseligkeiten jeglicher Art tunlichst zu vermeiden.

Jede Animosität musste der »großen Sache« untergeordnet beziehungsweise hintangestellt werden, damit daraus kein Flop, kein Rohrkrepierer, keine Totgeburt wurde.

Dessen waren sich die fünf Bosse – George Zucker (Manhattan), Brett Snow (Staten Island), Josh Maverick (Brooklyn), Kevin Quinn (Queens) und Dominic Root (Bronx) – vollauf bewusst. Ein Misston wie jener, der Adonis Cross das Leben gekostet hatte, konnte das ganze Orchester verstimmen, deshalb musste umgehend etwas dagegen unternommen und der in diesem Fall immens wichtige Gleichklang wiederhergestellt werden.

Kevin Quinn hatte in St. Albans einen Lieblingsinder namens Ahmedabad. Dort traf er Atticus Boyd, seinen Lieblingskiller.

»Warst du schon einmal hier?«, erkundigte sich Quinn.

Dadurch dass er sein Haar dunkelblond färbte, sah er – wenn man die Altersflecke auf seinen Handrücken übersah – wesentlich jünger aus als fünfundsechzig.