Jerry Cotton 3322 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3322 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Willard Farmer, ein grausamer Serienkiller, den das FBI vor zehn Jahren aufgrund von Zeugenaussagen und Indizien überführt hatte, wurde nach einem Wiederaufnahmeverfahren aus der Haft entlassen. Das NYPD hatte nämlich bei einer neuen Verbrechensserie, die den Farmer zur Last gelegten Morden in spezifischen und nie öffentlich gemachten Umständen aufs Haar glich, DNA-Spuren eines anderen, polizeibekannten Gewalttäters sichergestellt. Phil und ich ermittelten gerade gegen ein indisches Drogenkartell und mussten uns wohl oder übel wieder mit dem alten Fall beschäftigen, der uns geradewegs in ein Killerkomplott hineinzog und uns beinahe das Leben kostete!


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Seitenzahl: 142

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Das Killerkomplott

Vorschau

Impressum

Das Killerkomplott

Mit einem Donnern schlug die eiserne Tür hinter ihm zu. Er drehte sich nicht um. Ging einfach mit der Plastiktüte, in der sich sein gesamtes Hab und Gut befand, die Park Row hinunter und hielt Ausschau nach einem Taxi. Er wusste, es war reines Glück, dass er überhaupt noch einmal den offenen Himmel zu sehen bekam. Nach zehn langen Jahren in der engen Zelle, die sich für ihn wie ein Sarg angefühlt hatte und die er jetzt schon, umgeben von den Lichtern und dem Lärm Manhattans, zu vergessen begann. Vergessen war das Wertvollste, das ein Mann besitzen konnte, wenn er damit rechnen musste, bis zum Ende seines Lebens eingesperrt zu sein. Und er konnte vergessen. Trotzdem würde er niemals vergessen, wer ihn hierhergebracht hatte.

Wir waren ziemlich nahe dran. Nach knapp drei Monaten harter Arbeit waren wir so weit, dass wir die Struktur des Syndikats entschlüsselt hatten, wussten, wie sie ihr schmutziges Geld in die USA schleusten und wer der Chef der Bande war: Kazir Raja, ein Inder, der sein Handwerk in den Gettos von Mumbai gelernt und schon als Jugendlicher seinen ersten Mord verübt hatte, in die USA geflüchtet war und in Las Vegas für die Mafia Schutzgelder eingetrieben hatte, bis er – im Alter von fünfundzwanzig Jahren – in seine Heimat zurückgekehrt war, um sich dem Drogengeschäft zu widmen. Er hatte mit seinen Leuten Ecstasy und Meth in Indien im großen Stil vertrieben, hatte das Geschäft plötzlich vor einigen Jahren aufgegeben und wollte nun seinerseits mit einer ganz neuen, anscheinend selbst kreierten Designerdroge auf den amerikanischen Markt drängen.

Wir hatten nur durch Zufall von einem unserer Informanten Wind davon bekommen, dass es sich um eine verbesserte Version von Chrystal Meth handeln sollte, das man auf dem Subkontinent »Yama« nannte. Angeblich war es Rajas Designern gelungen, die negativen Nachwirkungen der euphorisierenden Substanz so weit abzuschwächen, dass sich die Konsumenten nicht nach kürzester Zeit in depressiv aggressive Monster verwandelten, die buchstäblich alles zerstörten, was ihr Leben bisher ausgemacht hatte. Damit war die Droge auch für die Käuferschichten interessant, die in den letzten Jahren von Meth zunehmend die Finger gelassen hatten, weil sie im Leben etwas zu verlieren hatten, wie Familie, Karriere, Reichtum und ein langes Leben. Raja, so vermuteten wir, wollte ein Monopol aufbauen und eine Droge etablieren, die den Geruch von Verelendung und Tod abstreifen konnte. Die USA erschien ihm – resultierend aus den Erfahrungen seiner Lehrjahre, die er hier verbracht hatte – der geeignete Standort dafür. Die erste Lieferung seiner Droge, die in der Szene bereits als »Ultra-Yama« firmierte, sollte irgendwann in den nächsten Wochen in New York eintreffen. Raja selbst residierte seit einer knappen Woche in der Stadt. Wir hatten zwei Agents auf ihn angesetzt, die ihn und seine Frau rund um die Uhr bewachten. Doch bis auf die Tatsache, dass er sich in seinem Hotelzimmer auf der Upper East Side nicht gerade versteckte, sondern mit der Gattin lieber das New Yorker Nachtleben genoss, hatten wir bisher nicht viel über seine Aktivitäten in Erfahrung bringen können.

»Wo genau die Lieferung eintreffen soll, wusste unser Informant nicht«, meinte Phil frustriert und presste beide Fäuste in die Augenhöhlen. »Flugzeug, Schiff ... vielleicht mit dem Zug. Irgendein Container von den Abermillionen, die jedes Jahr hier ankommen, zu Land oder aus der Luft.«

Ich stand auf und ging zu dem Bildschirm an der Wand unseres Büros, auf dem die Fotos aller uns bekannten Mitglieder des Syndikats prangten, verbunden mit roten oder blauen Linien, die die Hierarchien kennzeichneten.

»Aber wir wissen, dass sich in den letzten fünf Tagen fast die Hälfte seiner Führungsriege in New Yorker Hotels eingenistet hat«, erwiderte ich und tippte mit einem Kuli auf den Monitor. »Und alle in der Nähe des Hafens. Wir wissen, dass Container auf Schiffen am einfachsten zu verstecken sind. Ein paar Tonnen mehr oder weniger Gewicht fällt auf einem Schiff nicht auf. Außerdem kann man einen Container abladen, bevor das Schiff den Hafen erreicht.«

»Stimmt«, brummte Phil, stand auf und trat neben mich. »Bei einem Flugzeug kaum zu machen, und ein Zug müsste auf offener Strecke anhalten, was auffällt. Ein Schiff wird ständig geortet, bevor es den Hafen erreicht, und jede Bewegung kontrolliert. Man lädt ja auf ein anderes Schiff um, weil solch ein Container nicht mal eben von allein ans Ufer rudert, also hat man das Problem nur auf ein kleineres Transportmittel verlagert, das durch den Zoll muss und vielleicht sogar noch mehr auffällt als ein Riesenpott mit tausend Containern und nicht bloß einem, der ganz schnell mal geöffnet wird.«

»Du hast ja recht«, knurrte ich und kaute auf der Spitze des Kulis herum. »Unmöglich, alle Zugangswege zu einer Stadt wie New York zu überprüfen. Und wenn das Zeug erst einmal bei uns ist, dann ist es innerhalb von ein paar Stunden an die Dealer verteilt und wird unters Volk gebracht, und die Party kann beginnen.«

»Haben wir immer noch keine Informationen über die Dealer, die Raja beschäftigen will?«, fragte Phil. »Er wird das Zeug wohl kaum selbst verteilen, ganz abgesehen davon, dass ich nicht glaube, er oder seine Leute wüssten überhaupt, wem sie etwas verkaufen können.«

Ich nickte. »Haargenau. Er muss über ein Netz an Verteilern verfügen, das es in der Stadt schon gibt, sprich alteingesessene Dealer, die Kontakt zu seiner Käuferschicht haben. Aber wir haben nicht einen einzigen Hinweis, wer die Dealer sein könnten. Unwahrscheinlich, dass er sich nicht darum gekümmert hätte und ganz blauäugig erst einmal das Dreckszeug herbringt, ohne sich über den Rest Gedanken gemacht zu haben.«

»Also wissen wir nur, wann ungefähr das Zeug ankommen soll, und nichts weiter.« Phil seufzte.

»So ist es«, erwiderte ich, streckte mich und sah auf meine Armbanduhr.

Es war drei Uhr morgens, und wir hatten schon die letzte Nacht im Büro verbracht. Ich brauchte eine Dusche und ein Essen, das meinen Zähnen mehr Widerstand bot als ein Burger aus der Kantine. Ich brauchte mein Bett. Und eine Idee, wie es weitergehen sollte.

»Lass uns Schluss machen für heute«, schlug ich vor. »Ich lasse dich an deiner Ecke raus und sammle dich in fünf Stunden wieder ein, dann nehmen wir uns unseren Informanten noch einmal vor. Ich weiß, Carl ist sensibel, aber darauf können wir keine Rücksicht mehr nehmen. Ich will wissen, woher er weiß, was er weiß. Vielleicht finden wir ja ein paar Dominosteine, die wir umwerfen können.«

Mein Jaguar war seit zwei Tagen in der Werkstatt, und wir fuhren mit einem Ford Interceptor Stealth von der Fahrbereitschaft. Wir waren beide todmüde, und ich genoss die leeren Straßen, die in der Stadt, die niemals schläft, zwischen drei und fünf Uhr morgens zumindest nicht vom Verkehr überrollt wurden. Die letzten Nachtschwärmer teilten sich die Straßen mit den ersten Lieferwagen, Kehrmaschinen und Müllautos. Ein paar späte Fußgänger ließen sich die milde Nachtluft um die Nasen wehen. Wir fuhren auf der 8th Avenue. Nachdem wir den Madison Square Garden passiert hatten, wurden die Straßen fast vollkommen leer. Ich beschleunigte ein wenig, um mich wach zu halten und fuhr gerade auf die Kreuzung der 37th Street zu, als ich von rechts einen knallroten Abschleppwagen auf uns zurasen sah. Ich trat auf die Bremse und riss gleichzeitig das Steuer nach links, sodass der Abschleppwagen knapp an uns vorbeirauschte. Ich konnte erkennen, dass es ein Kenworth W900 war, eine Monster von Auto, das uns ganz sicher zermalmt hätte, wenn es uns frontal erwischt hätte.

»Spinnt der?«, schrie Phil, der bis eben genauso müde gewesen war wie ich.

Es sah ganz danach aus, als hätte der Fahrer für einen Moment die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren, denn statt nach rechts auszuweichen, war er mit dem Heck haarscharf an unserer Motorhaube entlanggeschlittert.

Er hielt nicht an, um zu sehen, ob uns etwas passiert war, sondern der Kenworth verschwand wild hupend um die nächste Ecke, während Phil und ich aus dem Wagen sprangen und ihm, immer noch unter Schock, hinterhersahen.

»Konntest du das Kennzeichen erkennen, Phil?«, fragte ich und ging einmal um den Wagen herum, um zu sehen, ob er etwas abbekommen hatte. Doch es schien alles okay zu sein.

»Nein«, antwortete Phil, der langsam wieder zu Atem kam. »Wollen wir ihn verfolgen? Der Kerl ist ja eine Gefahr für die Öffentlichkeit!«

»Lass das die Kollegen vom NYPD übernehmen«, sagte ich und griff nach meinem Handy. »Irgendeine Streife wird ihn schon erwischen. Auffällig genug ist der Wagen ja.«

Ich gab den Kollegen eine Beschreibung des Fahrzeugs und den Sachverhalt durch, dann stiegen wir wieder ein und fuhren weiter.

»Das wäre es ja gewesen.« Phil lachte, der jetzt offensichtlich auch seinen Humor wiedergefunden hatte. »Dreitausend Feuergefechte, vierhundert Bombenattacken und Dutzende verrückter Ninjas überstanden und dann nach Feierabend von einem Abschleppwagen überfahren werden. Dafür bin ich nicht Agent beim FBI geworden.«

Ich grinste. Ich war hellwach und konnte es ebenfalls nicht fassen, dass wir auf solch eine profane Art und Weise gerade noch einmal dem Tod von der Schippe gesprungen waren. Ich wusste, dass es nur meinen Reflexen zu verdanken war, dass wir noch lebten. Und immerhin, tröstete ich mich, hatte ich diese Reflexe meinem Dienst zu verdanken. Jeder normale Fahrer wäre jetzt so platt wie eine Briefmarke gewesen.

Wir waren kurz vor dem Central Park und kreuzten gerade die 55th Street, als ich ihn von links auf uns zurasen sah. Er hatte bestimmt an die zweihundert Sachen drauf und fuhr direkt über den Bürgersteig auf uns zu, wobei er eine Laterne und einen Briefkasten vor sich her schob.

Und diesmal hatte ich keine Chance, ihm auszuweichen. Er erwischte uns an der Motorhaube. Phil und ich sprangen gleichzeitig aus dem Wagen, in dem Moment, in dem die Motorhaube unter den Reifen des Monsters zu Schrott zermalmt wurde. Wie in Zeitlupe sah ich, wie Phil über die Straße rollte und beinahe unter den Kenworth geriet, der sich auf die Seite legte, fast umkippte, wieder Boden gewann und donnernd in umgekehrter Richtung die 55th Street hinunterbretterte, wobei er noch ein Yellow Cab von der Straße drängte, das frontal gegen einen Hydranten krachte. Ich selbst knallte mit dem Kopf gegen eine Laterne, verlor fast das Bewusstsein, konnte mich jedoch aufrappeln und kam, heftig schwankend, auf die Beine.

»Denken Sie, es hat etwas mit Ihrem aktuellen Fall zu tun?«, fragte Mr. High, der in unser Büro getreten war, um zu sehen, was wir inzwischen hatten.

Es war fünf Stunden nach dem Vorfall mit dem Kenworth, den man eine halbe Stunde nach unserer Meldung in einer Seitenstraße gefunden hatte. Der Besitzer, ein Abschleppunternehmen mit Sitz in Brooklyn, hatte den Diebstahl des Fahrzeugs bis zu unserem Anruf nicht einmal bemerkt. Es hatten sich keine Spuren im Fahrzeug gefunden, die auf den Täter hingedeutet hätten.

»Nein«, blieb ich erst einmal bewusst vage. »Wenn es das Syndikat wäre, das es auf uns abgesehen hätte, dann hätten sie einen oder zwei Sniper geschickt, keinen, der einen Truck stiehlt und damit durch das nächtliche New York rast. Für mich sieht es nach jemandem aus, der voller Wut ist. Ein persönliches Motiv. Der Kerl wollte Phil und mir an den Kragen und hätte mit seinen riskanten Manövern auch sein eigenes Leben aufs Spiel gesetzt.«

»Vielleicht gerade deshalb?«, gab unser Chef zu bedenken. »Damit es so aussieht, als wäre ...?«

Ich nickte. »Könnte sein, wir denken jedoch nicht, Raja weiß, dass wir ihm auf den Fersen sind. Wir waren extrem vorsichtig. Es gab keine persönlichen Kontakte mit irgendjemandem aus dem Syndikat. Nur unsere Informanten wissen, dass wir in eine bestimmte Richtung ermitteln. Und keiner weiß alles, was wir wissen.«

Der Chef seufzte und warf mir einen schmalen braunen Aktenordner auf den Schreibtisch. »Könnte er es gewesen sein?«, fragte er mit einem Stirnrunzeln.

Ich warf einen Blick auf den Ordner. »Farmer?«, fragte ich. »Willard Farmer. Kann sein. Ich habe mitbekommen, dass er vor einer Woche aus der Haft im Metropolitan Correctional Center entlassen wurde. Meiner Meinung nach ein Fehler.«

»Ja«, knurrte Phil, der den Ordner zur Hand nahm. »Aber auf uns hört ja keiner.«

»Immerhin hat es ein ordentliches Wiederaufnahmeverfahren gegeben, nachdem das NYPD bei zwei Morden, die exakt demselben Muster folgten wie diejenigen, die Farmer vor zehn Jahren begangen hat, DNA-Spuren gefunden hat, die auf einen gewissen Brent Armstrong verweisen«, wandte Mr. High ein. »Armstrong ist ein bekannter Gewalttäter, seit drei Jahren auf der Flucht. Die Staatsanwaltschaft nimmt an, dass er auch für die Morde verantwortlich ist, die Farmer zur Last gelegt wurden.«

»Und wir haben ihn damals festgesetzt«, bestätigte ich. »Aufgrund von Zeugen, die ihn an drei Tatorten gesehen haben, sowie Indizienbeweisen, die auf ihn als Täter hinwiesen.«

»Allerdings keine DNA«, erwiderte Mr. High.

»Keine DNA«, wiederholte ich. »Und jetzt plötzlich verstreut der Täter seine DNA an den Tatorten, als wären es Bonbons für die Cops?«

Mr. High rang sich ein Lächeln ab. »Ich kann Ihre Verärgerung verstehen, Jerry. Doch die Staatsanwaltschaft muss nun einmal berücksichtigen, dass es Übereinstimmungen an allen Tatorten – denen von vor zehn Jahren und den beiden der letzten Wochen – gibt, von denen niemand außer dem Täter und der Polizei wusste. Ganz abgesehen davon, was uns jetzt erst einmal zu interessieren hat, ist, ob Sie es für möglich halten, dass es Farmer war, der versucht hat, Sie mit dem Kenworth zu rammen.«

Ich überlegte einen Moment, und auch Phil legte die Stirn in Falten.

»Ich kann es weder bestätigen noch verneinen, Sir«, meinte ich schließlich. »Wir haben das schon geprüft. Es kommen jede Woche Männer – seltener Frauen – aus dem Gefängnis frei, die uns in den sozialen Medien nicht gerade auf ihre Freundesliste setzen würden, wenn Sie verstehen, was ich meine. In den letzten drei Monaten war es ein rundes Dutzend. Da ist immer mal jemand, der uns gern nach dem Leben trachten würde. Ich habe nicht mitgezählt, wie viele Racheakte Phil und ich in den letzten Jahren erleben mussten, und weiß nur, dass es bis jetzt niemandem gelungen ist, seine Gefängnisfantasien zu verwirklichen. Und die meisten geben auf, wenn sie erst einmal die frische Luft der Freiheit geschnuppert haben. Ob es also Farmer war oder ein anderer, kann ich Ihnen nicht sagen. Warten wir ab, was das NYPD ermittelt oder ob unser Attentäter noch einmal zuschlägt. Etwas anderes können wir nicht tun.«

»Doch«, widersprach Mr. High mit Bestimmtheit. »Ich werde Steve und Zeerookah mit dem Fall betrauen. Sie sollen Farmer finden und ihn beschatten, bis wir mehr wissen. Das ist das Mindeste, das wir tun können.«

»Danke für Ihr Verständnis«, sagte ich. »Der Fall, an dem wir gerade sitzen, ist uns wichtig. Wenn Steve und Zeery uns den Rücken freihalten, fühle ich mich schon viel besser.«

»Nun gut«, sagte Mr. High, stand auf und ließ sich von Phil die Akte zurückgeben. »Passen Sie auf sich auf. Ich weiß, es gehört zu Ihrem Job, aber ich will, dass Sie noch Ihre Rente kassieren können. Wenn so etwas noch einmal passiert, muss ich Sie wohl oder übel aus der Schusslinie nehmen, bis wir diesen Irren gefasst haben, sei es dieser Farmer oder jemand anders.«

Wir vertieften uns wieder in unseren Fall und versuchten herauszufinden, wann und wo die Lieferung des Ultra-Yama erfolgen würde. Dabei spielte es uns in die Karten, dass Raja es in der Vergangenheit nicht gerade darauf angelegt hatte, nur aus dem Untergrund heraus zu arbeiten. Er hatte von der Mafia gelernt, dass es immer Verbindungen in Politik und Gesellschaft bedurfte, um im kriminellen Milieu in großen Stil erfolgreich zu sein. So verfügten wir über umfangreiches Video- und Fotomaterial, das uns zum größten Teil Dr. Ben Bruckner, unser IT-Spezialist, besorgt hatte. Es bestand aus mehreren Hundert Stunden aus unseren Archiven und dem Internet gezogenen Videoclips und Bildern aus dem Umfeld der Mafia von Las Vegas und New York. Wir hofften, dass wir Kazir Raja nicht nur in diesem Material identifizieren konnten – das war nicht weiter schwer –, sondern das uns auch irgendeines der Videoschnipsel oder Fotos einen Hinweis darauf liefern würde, mit wem er in New York zusammenarbeitete. Bisher war nichts weiter dabei herausgekommen als eine über hundert Namen umfassende Liste von Gangstern jeder Couleur, mit denen sich Raja während seiner Zeit in den USA umgeben hatte. Das Material aus Las Vegas stammte in der Hauptsache aus unseren Archiven und zeigte Raja zuerst im weiteren, dann im näheren Umfeld der uns wohlbekannten und ausführlich fotografisch dokumentierten Mafiagrößen der Spielerstadt. Wir hatten all diese Kontakte gecheckt, aber nichts wies darauf hin, dass Raja inzwischen noch mehr als freundschaftliche Kontakte zu seiner Vergangenheit pflegte. Geschäftlich hatte er sich anscheinend vollkommen von Las Vegas abgenabelt.

Dürftiger in der Ausbeute, jedoch für unsere Ermittlungen auch weniger interessant, lagen uns Aufnahmen aus seiner Zeit vor, die er nach seinem Aufstieg in Las Vegas in Indien verbracht hatte. Er hatte den ganzen Subkontinent bereist, und wir fanden ihn auf zahlreichen Aufnahmen gerade aus den letzten Jahren, die uns bewiesen, dass er es in die höchsten Schichten der indischen High Society geschafft hatte. Ob es Empfänge von hochrangigen Politikern waren oder eine Premiere des Staatstheaters in Mumbai. Ob er eine Schule einweihte, die er in seinem Heimatdorf – natürlich bezahlt mit seinem schmutzigen Geld – eröffnete, oder ein Wohltätigkeitsempfang der Gandhi-Stiftung für die Unberührbaren Indiens, immer war Raja an seinem schneeweißen Anzug, seinen goldenen Ringen an den Fingern, seinem gepflegten Bart, dem auberginefarbenen Turban und dem strahlenden Lächeln zu erkennen, das auf fast keinem Bild fehlte.