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Der Profidieb und IT-Freak Pierce Hopkins wurde von einem Unbekannten vor die U-Bahn gestoßen. Er hatte angeblich den Computer des Unterweltbosses Abel Zemeczki gehackt und eine Menge brisanter Aufzeichnungen sowie sämtliche Namen von Personen gestohlen, mit denen der Boss bereits kriminelle Geschäfte gemacht hatte, noch immer machte oder in Zukunft machen wollte. All diese sensiblen Daten befanden sich auf einem unauffindbaren USB-Stick. Phil und ich übernahmen den Fall - und plötzlich waren einige sehr gut situierte Leute ziemlich nervös.
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Mord in der Subway
Vorschau
Impressum
Mord in der Subway
Eine Stunde vor seinem Tod spuckte der Profidieb und IT-Freak Pierce Hopkins, ein affektierter Schnösel und Frauenverachter allererster Güte, in seinem Stammlokal Sweet Heaven noch große Töne.
»Weiber«, sagte er überheblich, nach dem fünften doppelten Whisky schon ein wenig angesäuselt, zu dem Mann, der am Tresen neben ihm saß. »Weiber sind Matratzen. Auf der einen liegt man besser, auf der anderen schlechter.«
»Noch so ein bekloppter Spruch und du fliegst raus!«, wies ihn die Wirtin – sie hatte die Figur eines Sumoringers – energisch zurecht.
Er hielt auch prompt den Mund. Als er kurz darauf das Lokal verließ, folgte ihm einer, den er nicht kannte.
Ich war allein im Büro, aß einen Apfel, hatte den Mund voll, als das Telefon läutete, und meldete mich dementsprechend undeutlich. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass ein Mann am anderen Ende »Hä?« sagte.
Ich schluckte den sauren Apfel und wiederholte meinen Spruch.
»Oh. Äh. Jerry.« Der Anrufer lachte verlegen. »Ich dachte schon, ich hätte mich verwählt. Ich bin's – Topo.«
»Topo die Maus«, so wurde er genannt. Sein richtiger Name war Andrea Giordano, aber den verwendete er nur, wenn er ein amtliches Formular ausfüllen musste.
Er war klein. Er war grau. Und er hatte spitze Mausezähne. Topo sah alles. Topo hörte alles. Und Topo war überall in der Stadt anzutreffen.
»Was gibt es Neues, Topo?«, erkundigte ich mich.
»Abel Zemeczki ist sauer.«
Zemeczki gehörte in der Unterwelt zu den oberen Zehntausend. Ihm war kein Geschäft zu schmutzig. Es musste nur genügend Gewinn abwerfen, dann war er gleich dafür zu haben. Er war geldgierig, skrupellos und korrupt und ging jederzeit eiskalt über Leichen. Typen wie er starben bedauerlicherweise niemals aus. Wir konnten noch so viele von ihnen ins Gefängnis bringen, es wuchsen immer wieder sofort welche nach.
»Warum ist er sauer?«, wollte ich wissen.
»Man sagt, man hat ihn bestohlen.«
»Dazu gehört entweder ziemlich viel Mut – oder sehr große Dummheit.«
»Letzteres kannst du ersatzlos streichen, Jerry«, behauptete Topo. »Mit Dummheit hat der Coup garantiert nichts zu tun. Man braucht schon ein umfassendes Fachwissen und eine gehörige Portion Intelligenz, um so etwas durchzuziehen.«
»Was wurde Zemeczki gestohlen?«
»Daten.«
»Daten?«
»Abel Zemeczkis Computer wurde gehackt«, sagte Topo.
»Tatsächlich? Von wem?«
»Angeblich von einem, der davon verdammt viel versteht. Wenn er will, knackt er jede Firewall. Sogar die des FBI. Ein Geht-nicht gibt es nicht für ihn. Dieser Mann macht Unmögliches möglich. Er ist ein Zauberer. Ein Künstler. Ein IT-Genie.«
So einen haben wir auch, dachte ich. Supervisory Special Agent Dr. Ben Bruckner.
»Wenn jemand Abel Zemeczki beklaut, ist er trotzdem auch ein bisschen dumm«, sagte ich nüchtern. »Weil das nämlich ganz bestimmt nicht ohne Konsequenzen bleibt.«
»Die gestohlenen Daten sollen sehr brisant sein – Namen von Personen, mit denen Zemeczki kriminelle Geschäfte gemacht hat, noch immer macht oder in Zukunft machen möchte«, sagte Topo. »Ob die Files in jemandes Auftrag gestohlen wurden oder ob der Dieb auf eigene Faust gehandelt hat, ist mir nicht bekannt.«
»Aber wie der Dieb heißt, weißt du?«
»Dem Vernehmen nach handelt es sich um einen Kerl namens Pierce Hopkins. Ganz sicher bin ich mir dessen nicht.«
»Wir können uns ja mal ganz unverbindlich mit ihm unterhalten. Hast du eine Adresse für mich?«
»Er hängt häufig in einer Bar herum, die sich ›Sweet Heaven‹ nennt. Angeblich musste der Tresen buchstäblich um die Wirtin herum gebaut werden, weil sie so ein mächtiger Kracher ist. Wenn ihr ein Gast blöd kommt, kann es sehr leicht passieren, dass sie ihm ganz persönlich und höchst eigenhändig die Vorderzähne lockert.«
»Angenommen, Abel Zemeczki wurde in irgendjemandes Auftrag bestohlen. Wer käme dafür infrage?«
»Ich fantasiere nur mal so ins Blaue, okay?«
»Okay.«
»Ich könnte mir sehr gut vorstellen, dass Zemeczkis unbequemster Unterweltrivale, Freddie Chapek, großes Interesse an Daten hat, mit denen er seinen Konkurrenten erpressen, nach Belieben unter Druck setzen und vielleicht sogar in die Knie zwingen kann.«
Ich notierte den Namen. »Sonst noch jemand?«
»Der Verleger Jed Balda könnte mit einem Enthüllungsbuch über Zemeczki und dessen geheime Kontakte, die immerhin bis nach Washington reichen sollen, ein Vermögen machen.«
Ich schrieb den Namen unter jenen von Chapek.
»Der Vollständigkeit halber wäre auch noch Woody Carden, ein geltungssüchtiger Newcomer, der ganz hoch hinauswill, zu erwähnen.«
»Weshalb?«
»Carden hat sich – das ist ein offenes Geheimnis – intensiv darum bemüht, Abel Zemeczkis Partner zu werden, doch der ließ ihn eiskalt abblitzen und machte sich hinterher auch noch lustig über ihn.«
»Auf welche Weise?«
»Er solle noch mal bei ihm anklopfen, wenn er hinter den Ohren trocken sei, soll Zemeczki gesagt haben, und das hat ihm der extrem ehrgeizige Woody Carden natürlich sehr übel genommen.«
Die Tür öffnete sich. Phil kam herein und warf mir einen fragenden Blick zu.
Ich deckte mein Telefon ab und sagte leise: »Topo.«
Mein Partner nickte und setzte sich an seinen Schreibtisch, während ich das Gespräch mit Andrea »Topo« Giordano fortsetzte. Viel kam da nicht mehr, deshalb machte Topo auch bald Schluss.
Pierce Hopkins streunte durch mehrere Warenhäuser, ohne etwas zu kaufen, und steuerte schließlich in South Manhattan eine U-Bahn-Station an – immer mit einem Schatten an den Fersen, von dem er nichts wusste.
Der Unbekannte trug ein dunkelblaues Kapuzenshirt. Von seinem Gesicht war nichts zu sehen. Es lag tief im Schatten, sodass ihm niemand ansehen konnte, was er im Sinn hatte.
Er ging mit hochgezogenen Schultern leicht nach vorn gebeugt und achtete darauf, dass Hopkins nie auf ihn aufmerksam wurde. Die Entfernung zwischen ihm und seinem Opfer blieb immer ungefähr gleich groß.
Sobald Hopkins stehen blieb, stoppte auch er. Ging seine Zielperson weiter, setzte er ebenfalls seinen Weg fort. Selbst wenn Pierce Hopkins nüchtern gewesen wäre – was er nicht war –, wäre er unmöglich auf die Idee gekommen, dass er verfolgt wurde. Erst in der U-Bahn-Station pirschte sich der Kapuzenmann näher an Hopkins heran.
Pierce Hopkins holte einen Schlüsselbund aus der Jacketttasche. Er betrachtete ihn, als wollte er sich vergewissern, dass noch alles dran hing, und ließ ihn gleich wieder in die Tasche zurückgleiten.
Viele Menschen umgaben den Schleicher. Sie boten ihm reichlich Deckung. Er schlängelte sich zwischen ihnen hindurch, vermied weitgehend jeden Kontakt und rempelte niemanden an, um nicht unangenehm aufzufallen.
In Kürze würde der nächste Zug einfahren. Bis dahin wollte der Kapuzenmann direkt hinter Pierce Hopkins stehen und im entscheidenden Moment ...
Aber so weit war es noch nicht. Die Wartenden unterhielten sich, wenn sie einander kannten, über alles Mögliche – Job, Familie, Kinder, Politik.
Jene, die allein waren, standen mit reglosen Gesichtern und apathisch wirkenden Zügen herum und waren mit ihren Gedanken irgendwo. Vielleicht beim Freizeitsport, im Theater oder auf Hawaii.
Ein pickeliger Junge hörte sinnverloren mit seinen EarPods so laut Musik, als wollte er den gesamten Bahnsteig beschallen. Das wird sich schon sehr bald rächen, dachte der Kapuzenmann. Doch es kümmerte ihn nicht weiter.
Bevor der Zug einfuhr, kam erst mal warme Luft, künstlich hervorgerufener, muffig riechender Wind, durch den Tunnel in die Station.
Der Boden begann zu vibrieren. Zunächst nur ganz leicht. Dann immer stärker. Die Leute bereiteten sich aufs Einsteigen vor – und der Mann mit der Kapuze auf den Mord.
»Was darf's denn sein, Jungs?«, fragte die schwere Wirtin im Sweet Heaven freundlich.
Ihr exorbitantes Übergewicht schien fest an ihren Knochen verankert zu sein. Das bekam sie mit Sicherheit nie mehr los.
Sie war eine Frau, die trotz ihrer vielen Problemzonen keinerlei Minderwertigkeitskomplexe hatte. Wie sie sich dennoch so flink – optisch fast so leicht wie eine Feder – bewegen konnte, war mir ein Rätsel.
Ich orderte zwei alkoholfreie Biere und erkundigte mich nach Pierce Hopkins. Ihr Gesicht verlor sofort die Hälfte der Freundlichkeit.
Sie zog die Mundwinkel abschätzig nach unten. »Den geistig Minderbemittelten habt ihr leider knapp verpasst.«
»Wann war er hier?«, wollte Phil wissen.
»Hab nicht auf die Uhr gesehen.«
»Ungefähr.«
Die Wirtin schürzte die wulstigen Lippen. »Halbe Stunde. Stunde. Der besoffene Dämlack hat 'nen ziemlich blöden Spruch abgelassen. Daraufhin habe ich gedroht, ihn rauszuwerfen. Da ist er gegangen.«
»Was hat er denn gesagt?«, fragte ich.
»Ich möchte es nicht wiederholen. Seid ihr Freunde von ihm?«
Mein Partner schüttelte den Kopf. »Eher das Gegenteil.« Er zeigte ihr seinen Dienstausweis, und ihr Freundlichkeitspegel stieg sofort wieder.
»Hat er was ausgefressen?«
»War er allein hier?«, fragte Phil zurück. »Hat er jemanden getroffen?«
»Er hat nach Elodie gefragt. Vielleicht kennt ihr die. Elodie Bramberra. Sie schreibt, zusammen mit einer Freundin, die Kummerkolumne Frag Elodie.«
»Für welches Blatt?«, hakte ich nach.
»My Day.«
Ich kannte die schräge Tageszeitung. Sie strotzte vor Unwahrheiten und hatte laufend irgendwelche Klagen abzuwehren.
»Hopkins ist hier Stammgast«, sagte ich. »Richtig?«
»Ja. Aber einer, auf den ich nicht besonders stolz bin.«
»Weshalb nicht?«
»Ich weiß nicht. Der Typ liegt mir irgendwie nicht. Es gibt Menschen, die kann man einfach nicht riechen. Geht es Ihnen nicht genauso? Solange sich ein Gast zivilisiert benimmt, behandle ich ihn wie alle anderen. Egal ob er mir zu Gesicht steht oder nicht. Schließlich bin ich auf jeden Einzelnen angewiesen. Nur wenn einer entgleist ...«
»So, wie Pierce Hopkins heute«, sagte ich.
»Ja, dann kann ich schon mal sehr unangenehm werden.« Die breite Wirtin hob die fleischige Faust und zeigte uns gleichzeitig ihren blanken Bizeps, der den Umfang meines Oberschenkels hatte. »Ich hab 'nen beachtlichen Punch.«
Ich nickte schmunzelnd. »Das glauben wir Ihnen aufs Wort. Wohnt Hopkins in der Nähe?«
»Kann sein. Ich weiß es nicht.«
»Und Elodie Bramberra?«
»Die wohnt zwei Blocks von hier.«
»Haben Sie die Adresse?«, fragte Phil.
Er bekam sie.
»Läuft zwischen ihr und Hopkins was?«, fragte mein Partner weiter.
Die Wirtin schüttelte bestimmt den Kopf. »Hopkins hat was gegen Frauen.«
»Und gegen Männer?«
»Auch«, sagte die üppige Lady hinterm Tresen. »Ich halte ihn für total beziehungsunfähig. In jeder erdenklichen Richtung.«
»Dennoch kommt er her und fragt nach Elodie«, bemerkte ich.
»Sie ist eine kluge Frau. Weiß viel. Ist eloquent und intelligent. Man unterhält sich gern mit ihr. Wenn sie über die schrillen Leserbriefe spricht, die sie bisweilen bekommt, lache ich jedes Mal Tränen.«
Wir beschlossen, der interessanten Frau einen Besuch abzustatten.
Der Kapuzenmann war so nah an seinem Opfer dran, dass er dessen intensiven Whiskyatem riechen konnte.
Einen Besoffenen um die Ecke zu bringen, ist ein Job für Minderjährige, dachte er sarkastisch, während er entspannt auf den Zug wartete und sich völlig unverkrampft in Geduld fasste. Ihn zu bestehlen, ist genauso einfach, sagte er sich, während er den Schlüsselbund, an dem unter anderem auch ein unscheinbarer USB-Stick hing, aus Hopkins' Tasche fischte und an sich nahm. Er atmete tief und regelmäßig.
Der entscheidende Stoß musste im genau richtigen Moment erfolgen. Zu früh war schlecht. Zu spät war auch nicht gut. Das Timing musste haargenau stimmen.
Die Lichter des U-Bahn-Zugs legten im Tunnel die letzten Yards zurück, und der Killer hob langsam die Hände. Hinter ihm begannen die Leute zu drängeln.
Pierce Hopkins drehte den Kopf und blickte der U-Bahn entgegen, während knapp hinter ihm der Kapuzenmann auf den genau richtigen Augenblick wartete.
Fünf, vier, drei, zwei, eins – jetzt!
Der Stoß war kurz, kräftig und hart. Pierce Hopkins flog wie vom Katapult geschleudert nach vorn.
Er kam nicht einmal mehr dazu, einen Schrei auszustoßen. Das taten andere für ihn, während er hart auf die Schienen knallte, unter dem tonnenschweren Triebwagen verschwand und von diesem zerstückelt, auseinandergerissen und zermalmt wurde. Entsetzen, Panik und Hysterie griffen augenblicklich um sich. Einige Leute, die Sensationshungrigen, drängten nach vorn, weil sie etwas Grausiges sehen wollten.
Andere wiederum wandten sich schaudernd ab und wollten nur so schnell wie möglich die Station verlassen. Denen schloss sich der Killer an.
Sein Rückzug erfolgte überlegt und ohne übertriebene Hast. Man stieß und rempelte ihn vorwärts. Er wehrte sich nicht dagegen, nahm es einfach hin, ließ es geschehen und wurde vom Strom der schreienden, adrenalindurchpulsten Masse, die permanent in Bewegung war, allmählich aus der Station getragen. Er brauchte gar nicht viel dazu beizutragen, musste nur darauf achten, auf den Beinen zu bleiben, denn jeder Sturz hätte in dieser horriblen Situation fatale Folgen haben können. Sobald er draußen war, schlenderte er Richtung Süden.
Als er sich weit genug vom Unglücksort entfernt hatte, holte er sein Mobiltelefon hervor und meldete der Person, die ihn »gebeten« hatte, für Pierce Hopkins' vorzeitiges Ableben zu sorgen: »Erledigt.«
»Wie ist es gelaufen?«
»Wenn man zu viele doppelte Whisky in der Blutbahn hat und nicht mehr ganz sicher auf den Beinen steht, sollte man nicht so unvorsichtig sein und sich in der U-Bahn-Station ganz vorn an die Kante stellen, weil das leicht verdammt schiefgehen kann. Es hat sich mal wieder gezeigt, dass der Teufel wirklich nie schläft.«
Einsatzfahrzeuge heulten und jaulten an ihm vorbei.
»Hast du ...?«
»Ich bin auch als Taschendieb nicht schlecht«, sagte der Kapuzenmann mit unüberhörbarem Stolz. »Gleich werden sie Pierce Hopkins Stück für Stück unter dem Zug hervorholen. Jede Wette, dass der Triebwagen ein Puzzle aus ihm gemacht hat, das keiner mehr richtig zusammensetzen kann.«
Die Person am anderen Ende brach in schallendes Gelächter aus. »Du bist ...«
»... eine Seele von Mensch«, sagte der Kapuzenmann. »Ich weiß.«
Elodie Bramberra konnte mit ihrem Aussehen zwar keinen Schönheitswettbewerb gewinnen, aber sie machte das mit ihrer sympathischen Art locker wett. Ich schätzte die bei My Day etablierte Briefkastentante auf Mitte vierzig. Ihr feuerrot gefärbtes Haar war streichholzlang. Man hätte meinen können, ihr Kopf würde brennen.
Sie leugnete nicht, Pierce Hopkins zu kennen, und erzählte, dass sie schon so manche lebhafte Diskussion mit ihm gehabt habe.
»Hin und wieder waren es schon richtige Streitgespräche«, sagte sie lächelnd.
Sie trug einen sehr weiten knallgrünen Pullover und eine rubinrote Jogginghose, die selbst der kugelrunden Besitzerin des Sweet Heaven noch zu groß gewesen wäre.
Dass dieser unvorteilhafte, farblich um Hilfe schreiende Wohlfühllook ihre ohnehin kaum vorhandene Attraktivität noch weiter nach unten drückte, schien ihr ziemlich egal zu sein. So sind Individualistinnen und Individualisten nun mal.
»Worum ging es bei diesen Streitgesprächen?«, wollte ich wissen.
»Och, wir sind in vielen Dingen konträrer Meinung«, gab Elodie Bramberra zur Antwort. »Klimaschutz, Weltpolitik, Ökonomie, E-Mobilität, Frauenrechte ...« Sie zuckte mit den Schultern. »Sage ich grün, sagt er garantiert rot. Schon allein deshalb, um mir zu widersprechen.«
»Können Sie uns sagen, wo er wohnt?«
»Verraten Sie mir, weshalb Sie ihn suchen?«
»Er hat sich angeblich erfolgreich als Hacker betätigt und ziemlich brisante Daten geklaut«, antwortete Phil.
Elodie Bramberra nickte. »In diesen Dingen kennt er sich sehr gut aus. Da kann ihm keiner ein X für ein U vormachen.«
Wir bekamen von ihr die aktuelle Adresse des IT-Freaks. Als wir uns verabschiedeten und gehen wollten, kam ihre Kollegin, um gemeinsam mit ihr die nächste Kummerkolumne für My Day zu schreiben.
Diese Journalistin wusste sich wesentlich stilvoller zu kleiden, trug einen eleganten Hosenanzug von Dolce & Gabbana und verflixt hohe Stöckelschuhe, damit ihre Beine noch länger aussahen, als sie ohnehin waren.
Auch sie kannte Pierce Hopkins, und sie sprach ebenfalls nicht besonders gut über ihn. Dass er Daten gestohlen hatte, wunderte sie kein bisschen.
»Es gibt kaum etwas, das ich diesem unguten, verschlagenen Patron nicht zutrauen würde«, sagte sie abschätzig. »Er hat den unehrlichsten Blick, den ich je gesehen habe. Hopkins scheint permanent ein schlechtes Gewissen zu haben. Er kann niemandem in die Augen schauen. Solche Leute mag ich nicht.«
»Wer mag die schon?«, sagte Elodie Bramberra.
Wir wünschten den Ladys eine frohe Schaffensfreude und kehrten zu meinem roten Jaguar F-Type zurück. Die Kommunikationstechnik des Wagens beinhaltete einen abnehmbaren Tabletcomputer, eine Sirene, ein Warnlicht hinter dem Kühlergrill, eine Sprechfunkverbindung und noch einigen Schnickschnack mehr.
»Hoffentlich treffen wir Mister Hopkins zu Hause an«, sagte mein Partner. »Ich freue mich schon darauf, dem Guten die Daumenschrauben anzulegen, bevor wir ihm die ersten Fragen stellen. Schließlich bekommt man von diesen Typen erfahrungsgemäß erst dann ehrliche Antworten, wenn man ihnen wehtut.«
Mein Handy klingelte.
»Sekunde«, sagte ich und nahm den Anruf entgegen.
Am anderen Ende der Leitung war Andrea »Topo« Giordano.
»Einmal höre ich wochenlang nichts von dir, und dann wiederum geht es Schlag auf Schlag«, sagte ich. »Musst du widerrufen, was du mir erzählt hast? Bist du einem Gerücht aufgesessen? Hat Pierce Hopkins gar niemanden bestohlen?«
»Doch, das hat er«, sagte Topo ernst. »Und er hat das mit seinem Leben bezahlt.«
Mir stockte der Atem.
Der Mord war für den Kapuzenmann keine große Sache gewesen, er belastete ihn auch nicht.