Jerry Cotton 3343 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3343 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Einen Anschlag auf den reichen New Yorker Geschäftsmann Leon Sinalunga kündigte eine anonyme Anruferin telefonisch an. Die Nachricht versetzte uns in Alarmzustand, denn Sinalunga stand schon lange im Verdacht, im organisierten Verbrechen mitzumischen. Mussten wir die Botschaft ernst nehmen? Allerdings, denn kurz darauf ging in einem Broadway-Theater eine Bombe hoch, die Sinalunga tötete. Schnell zeigte sich, dass seine Familie einen Rachefeldzug gegen die Täter begann. Phil und ich versuchten mit allen Mitteln, den Mafiakrieg zu beenden - und das in einem Wettlauf gegen die Zeit, bei dem wir nicht wussten, wer unsere Gegner waren.


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Seitenzahl: 145

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Bomben am Broadway

Vorschau

Impressum

Bomben am Broadway

Ruth Snyders Herz hämmerte. Sie blickte über die Köpfe der Klubbesucher hinweg. Ganz hinten im Gedränge stand Sam, ihr Boss, und sprach mit einer Gruppe junger Frauen. Einen besseren Moment gab es nicht. Langsam bewegte sich Ruth inmitten des Lärms aus Musik und Gläserklirren zum Hinterausgang. Ihre Hände tasteten nach dem Mobiltelefon. Sie gelangte auf den Hinterhof. Die Kälte der Nacht schlug ihr entgegen. Ihre Finger waren schweißnass, als sie eine kurze Nummer eintippte. Sofort meldete sich eine weibliche Stimme.

»New York Police Department, was kann ich für Sie tun?«

Ruth Snyder wollte etwas sagen, doch die Stimme versagte ihr.

Sie blickte ängstlich zu der schmalen Tür. Wenn Sam entdeckte, dass sie verschwunden war, würde er sie als Erstes hier suchen. Sie hätte einfach zu den Toiletten gehen können. Nur dort konnte man nie wissen, ob jenseits der Kabine jemand mithörte.

»Hallo, wer spricht da?«, kam es aus dem Telefon. »Wie kann ich Ihnen helfen? Bitte melden Sie sich. Sind Sie in Gefahr?«

»Hallo«, sagte sie ins Telefon. »Bitte ... ich habe eine wichtige Information.«

»Was haben Sie zu melden? Was ist geschehen? Sagen Sie mir, wo Sie sind.«

»Wo ich bin, spielt keine Rolle. Es ist auch nichts geschehen. Aber ... es ist jemand in Gefahr.«

»Bitte geben Sie mir mehr Informationen«, sagte die Polizistin.

»Es ist jemand in Gefahr. Das ist alles, was ich sagen möchte. Es hat jemand einen Anschlag oder so was auf ihn vor, und ich möchte, dass er beschützt wird.«

Ihre Stimme hallte zwischen den Mauern des Hinterhofs. Ein eisiger Schrecken fuhr ihr durch die Adern. Sie hatte viel zu laut gesprochen.

»Bitte«, flüsterte sie. »Sie müssen ihn beschützen. Unbedingt. Das Morden muss ein Ende haben, verstehen Sie?«

»Miss, bitte sagen Sie mir Ihren Namen, und geben Sie an, wo Sie sind. Ich werde einen Streifenwagen schicken, damit man Ihnen hilft.«

»Aber geht nicht um mich ...«

»Um wen geht es dann, Miss?«, fragte die Beamtin.

Ruth Snyder spürte, wie sich ihr Herzschlag beruhigte. Dabei stand jetzt genau der entscheidende Moment bevor. Der Moment, der ihr ganzes Leben verändern könnte. An dem sich zeigte, ob sie eine loyale Mitarbeiterin war. Oder eine Verräterin.

Sie fühlte sich leicht wie eine Feder, die ganze Spannung fiel von ihr ab, als sie den Namen sagte.

»Sina ... wie?«, fragte die Polizistin.

Ruth wiederholte den Namen leise und buchstabierte ihn sogar.

»Und Sie glauben, diese Person ist in Gefahr?«

»Ich glaube es nicht, ich weiß es«, sagte Ruth Snyder.

Damit drückte sie den roten Knopf.

Sie sah zu der Tür hin, die immer noch geschlossen war. Würde man zurückverfolgen können, woher der Anruf stammte? Würde man so darauf kommen, dass sie es war, die einen Verrat begangen hatte?

Sie verstand nichts von Computertechnik, sie hatte jedoch allerhand gehört und hielt es keineswegs für ausgeschlossen, dass man ihr irgendwie auf die Schliche kam. Es gab nur eines. Sie musste sich von dem Mobiltelefon trennen. Wahrscheinlich hätte es gereicht, wenn sie die SIM-Karte ausgebaut und weggeworfen hätte. Doch dafür hätte sie einen spitzen Gegenstand benötigt, den sie hier draußen gerade nicht hatte.

Und die Zeit drängte.

Schade um das schöne Handy, dachte sie. Aber was war das Telefon schon gegen ihr Leben? Und die Aussicht, vielleicht einen grausamen Tod zu sterben?

Sie lief über den Hof, bis sie an eine Ecke mit Müllcontainern gelangte. Sie wusste, dass morgen früh die Müllabfuhr unterwegs war. Genauer gesagt, heute früh, denn es war schon fast drei Uhr. In den vier Stunden, die bis zur Leerung blieben, würde das Telefon hoffentlich niemand finden.

Sie schaltete es aus. Dann öffnete sie einen der Container. Sofort schlug ihr der typische Gestank entgegen. Umso besser. Da drin würde niemand nach etwas Wertvollem suchen.

Als das Telefon neben meinem Bett ein elektronisches Piepsen von sich gab, träumte ich gerade von dem Urlaub in Kalifornien, den ich seit Jahren plante. Leider bin ich nie dazu gekommen, ihn anzutreten. Mehr als ein paar wenige Urlaubstage hintereinander waren nicht drin. Es dauerte nur ein paar Sekunden, und ich war hellwach. Auf dem Display stand der Name von Mr. High.

»Guten Morgen, Jerry«, begrüßte er mich, als wäre es Mittagszeit. Dabei zeigte die Uhr kurz nach vier. Für den Assistant Director in Charge war es völlig normal, zu nachtschlafender Zeit ausgeruht und hochkonzentriert im Büro zu sitzen. »Bitte kommen Sie umgehend ins Field Office. Wir haben eine Information erhalten, auf die wir unbedingt reagieren müssen. Alles Weitere erfahren Sie hier. Bitte beeilen Sie sich. Ich werde Phil anrufen, damit er an Ihrem Treffpunkt auf Sie wartet.«

Ich legte auf, ging kurz ins Bad und zog mich an. Zwanzig Minuten später holte ich Phil an der üblichen Straßenecke ab. Mein Partner brachte es kaum fertig, mir einen Guten Morgen zu wünschen, so stark wurde er von Gähnanfällen gequält.

»Hoffentlich hat Mister High auch Helen aus dem Bett geworfen«, sagte er. »Dann kriegen wir wenigstens einen guten Kaffee.«

Als wir im dreiundzwanzigsten Stock des Bürogebäudes aus dem Aufzug stiegen, grinste mir Phil zu. Köstlicher Kaffeeduft schlug uns entgegen.

Helen erwartete uns schon im Vorzimmer und deutete auf die geöffnete Tür zu Mr. Highs geräumigem Büro. Der Assistant Director in Charge saß hinter seinem Schreibtisch und blätterte in Unterlagen.

»Ich komme gleich zur Sache«, sagte er. »Das NYPD hat uns einen seltsamen Notruf von heute Nacht gemeldet. Eine unbekannte Frau hat angegeben, dass es einen Mordanschlag geben solle. Und zwar auf Leon Sinalunga. Der Name sagt Ihnen sicher etwas.«

»Allerdings, Sir«, erwiderte ich, während ich auf einem der gepolsterten Sessel der Sitzgruppe Platz nahm.

Auf dem Tisch stand der Kaffee bereit. Phil bediente sich schon.

»Er ist der Boss des Sinalunga-Clans. Seit Jahren versuchen die Behörden, die sich mit dem organisierten Verbrechen befassen, herauszufinden, was seine genauen Tätigkeitsfelder sind. Soweit ich weiß, gibt es darüber aber nur vage Erkenntnisse.«

»So ist es, Jerry«, sagte der Chef. »Und nun dieser Anruf.«

Phil stellte seine Kaffeetasse ab. »Kann man das wirklich ernst nehmen? Ich meine, wer ist die Frau? Und warum hätte sie uns diesen Hinweis geben sollen?«

»Wir sollten der Sache nachgehen«, sagte Mr. High. »Zum einen würden wir einen Mord im Gangland verhindern. Zum anderen ergibt sich die Chance, dass sich unsere Taskforce gezielt mit der Sinalunga-Familie befasst. Bisher war das nämlich nicht der Fall.«

Ich nickte. Immerhin gab es ja eigens für diesen Bereich unsere Taskforce T. A. C. T. I. C. S. – eine Abkürzung für »Transnational Anti Crime Tactical Intervention Central Squad«. Vorausgesetzt, man konnte die geheimnisvolle Warnung ernst nehmen, war sie wirklich ein Ansatz, gezielt tätig zu werden.

Dr. Ben Bruckner betrat das Büro. Wie immer war er mit Anzug und Krawatte gekleidet und wirkte mit seinem Milchgesicht wie ein herausgeputzter Musterschüler. Er begrüßte uns, nahm Platz und öffnete den Laptop, den er unter dem Arm gehalten hatte.

»Spielen Sie bitte den Kollegen die Aufzeichnung des Notrufs vor«, bat Mr. High ihn.

Ben nickte und bediente eine Taste. Dann verfolgten wir das Gespräch der unbekannten Frau mit der Notrufzentrale.

»Leider konnte ich nur grob herausfinden, wo sich die Frau befand«, sagte Ben anschließend. »Sie war auf der Lower East Side und befand sich im Freien. Die Geräusche im Hintergrund deuten klar darauf hin. Direkt danach hat sie das Handy ausgeschaltet, und jetzt kann ich es nicht mehr orten.«

»Wie viele Leute leben dort?«, fragte Phil sarkastisch. »Wie viele Tausend? Falls sie überhaupt dort wohnt.«

»Sie kennen jetzt die Fakten«, sagte Mr. High und sah Phil und mich an. »Wie schätzen Sie die Angelegenheit ein?«

»Ich sehe das genauso wie Sie«, sagte ich. »Wir sollten uns über die Sinalunga-Familie schlaumachen und sie in die Ermittlungen der Taskforce einbeziehen. Ich würde dabei einen ganz einfachen Weg gehen und mit dem Boss persönlich ein paar Worte sprechen.«

»Was soll das werden?«, fragte Phil erstaunt. »Ein Kaffeeklatsch beim Mafiaboss? Oder ein gemütliches Mittagessen in vertrauter Runde? Vielleicht laden wir ihn in unser Stammlokal ein? Jerry, das ist nicht dein Ernst.«

»Doch, das ist es«, sagte ich. »Hier liegt eine Drohung gegen Sinalunga vor. Wenn wir dem nachgehen, sind wir ja aus seiner Sicht erst einmal auf seiner Seite. Außerdem haben wir bei den Mafiafamilien schon die verschiedensten Typen angetroffen. Manche sind ja sogar bereit, innerhalb gewisser Grenzen mit dem FBI zusammenzuarbeiten. Natürlich nur, solange es ihren Zielen nutzt, aber immerhin. Wenn wir es geschickt anstellen, gewinnen wir mit Sinalunga jemanden, der uns noch nützlich sein kann.«

»Friede, Freude, Eierkuchen mit der Mafia«, sagte Phil. »Wenn das der Plan ist, bin ich dabei.«

»Ich finde, was Sie sagen, klingt sehr vernünftig«, stimmte mir auch Mr. High zu. »Ich muss Sie jedoch nicht daran erinnern, dass hier die gebotene Vorsicht vonnöten ist. Letztlich wissen wir auch immer noch nicht, was hinter dem Anruf steckt und welche Absicht diese unbekannte Frau verfolgt.«

»So gut der Kaffee auch ist, er ersetzt kein vollwertiges Frühstück«, brummte Phil, nachdem wir uns hinter unsere Schreibtische geklemmt hatten. »Weißt du was? Ich gehe runter zur Plaza und besorge uns ein paar anständige Sandwiches dazu.«

»Du willst dich nur vor dem Aktenstudium drücken«, sagte ich und drückte auf den Knopf, um meinen Computer zu starten.

»Wie du mich doch immer wieder durchschaust, Jerry«, meinte Phil und stand auf. Ein Grinsen erschien auf seinem Gesicht. »Was nimmst du? Schinken, Thunfisch oder Käse?«

»In genau der Reihenfolge«, gab ich zurück.

In den nächsten Stunden arbeiteten wir die Akten durch, die das Department für organisierte Kriminalität des NYPD gesammelt hatte. Leider kam nicht viel dabei heraus. Die Kollegen waren bei den grundlegenden Arbeitsschritten stehen geblieben. Und die bestanden darin, die Personen der Familie aufzulisten und deren Biografien zu erstellen.

So erfuhren wir, dass Leon Sinalunga vierundfünfzig Jahre alt war und sein nicht unbeträchtliches Vermögen in der Tourismusbranche gemacht hatte. Ihm gehörte ein Reiseveranstaltungsunternehmen, das sich vor allem auf das boomende Geschäft mit Kreuzfahrten verlegt hatte und Reisen in die ganze Welt anbot.

»Ob er auch an der kalifornischen Küste herumschippert?«, fragte Phil, nachdem wir auf diese Information gestoßen waren.

»Wie kommst du jetzt gerade auf Kalifornien?«, fragte ich.

»Weil du mir seit Monaten erzählst, dass du dort deinen nächsten Urlaub verbringen willst«, gab mein Partner zurück.

Ich blickte auf den Monitor. »Ich glaube, diese Reisen sind nichts für mich. Da gibt es auf den Schiffen ganze Shows mit Musicalnummern und so was. Ich hatte eigentlich mehr daran gedacht, am Strand rumzuliegen. Jedenfalls ist die Tourismusbranche wie geschaffen für Geldwäsche und so was, also die klassischen Betätigungsfelder krimineller Familien.«

»Ich hätte ja nichts gegen so eine Schiffsreise«, meinte Phil.

Ich scrollte weiter und erfuhr, dass es eine Nummer zwei in der Familie gab. Es war Rocco Sinalunga. Er war Leon Sinalungas etwa zehn Jahre jüngerer Halbbruder. Offiziell hatte er den Geschäftsführerposten der Firma inne. Wie die Kollegen vom NYPD festgestellt hatten, gab es auch einen juristischen Berater, einen sogenannten consigliere. Er hieß Sean Wulf und war Partner in einer großen Kanzlei in Manhattan.

»Ich glaube, Wulf wäre unser Mann, der uns hilft, an Leon Sinalunga heranzukommen«, sagte ich. »Indem wir uns an ihn wenden, merkt er sofort, dass wir die internen Strukturen der Familie kennen. Das spart uns eine Menge Kleinkram.«

Ich sah auf die Uhr. Mittlerweile war es neun. Eine Zeit, zu der man einen Anwalt im Büro erreichen konnte.

Als es mir endlich gelang, Wulf an die Strippe zu kriegen, war es bereits nachmittags.

»Was wollen Sie von Mister Sinalunga?«, fragte er.

»Es geht um einen reinen Informationsaustausch«, sagte ich, absichtlich vage bleibend. »Wir arbeiten an einem Fall und brauchen einen Hinweis.«

»Hat es etwas mit der Tourismusbranche zu tun?«, fragte Wulf.

Ich nahm den Brocken auf, den er mir so freundlich hinlegte, und bejahte. »Wie gesagt, wir ermittelt nicht gegen Ihren Mandanten«, bekräftigte ich noch einmal.

Wulf verabschiedete sich kurz mit dem Hinweis, in zehn Minuten zurückzurufen. Der Anwalt hielt Wort.

»Sie können Mister Sinalunga um neunzehn Uhr treffen«, sagte er. »Im Restaurant Taverna di Paola. Dort isst er zu Abend.« Er gab die Adresse durch. Sie lag in Midtown, nicht weit vom Broadway entfernt.

»Er scheint jemand zu sein, der früh das Abendbrot einnimmt«, sagte ich.

»Er hat hinterher noch einen Termin. Bitte seien Sie pünktlich.«

»Na, da habe ich doch richtig gelegen«, sagte mein Partner, als wir im Jaguar saßen. »Es läuft auf ein gemeinsames Essen hinaus. Wenn auch nicht gerade mittags. Aber lieber spät als nie.«

»Da wo wir hinfahren, kostet schon eine Suppe so viel wie dein Wochengehalt«, hielt ich ihm entgegen. »Lass uns lieber später ins Mezzogiorno gehen. Das können wir uns wenigstens leisten.«

Die 380 PS dröhnten, als wir auf die Federal Plaza hinausfuhren. Leider hatte ich keine Chance, die Leistungen des F-Type weiter zur Geltung zu bringen, denn nach gut fünfzig Yards stand ich an der ersten Ampel. Der Feierabendverkehr hatte eingesetzt. Trotzdem gelang es uns, eine Minute vor sieben das Restaurant zu betreten.

Gedämpfte klassische Musik umgab uns. Unsere Schuhsohlen berührten weichen Teppichboden. Von indirekter Beleuchtung eingehüllt, waren in großzügigen Abständen runde Tische verteilt. Dazwischen standen dekorative Nachahmungen antiker Säulen und große Terrakottatöpfe, aus denen Pflanzen mit dicken grünen Blättern wuchsen. Sie sahen aus wie lackiert. Wenn sie echt waren, taten sie mir leid, dass sie in dieser Atmosphäre ihr Dasein fristen mussten.

Wir ließen uns an Sinalungas Tisch führen. Wir hatten uns schon Bilder des Familienchefs angeschaut. Er war einer von den Mittfünfzigern, die Frauen wahrscheinlich attraktiv fanden. Sein ergrautes Haar war noch dicht. Er trug keine Brille. Die gebräunte Hautfarbe verriet Besuche auf der Sonnenbank oder teure Jachturlaube.

Ihm gegenüber saß eine aufgetakelte Blondine, die kaum halb so alt war wie er. Sie trug ein schwarzes Kleid mit Spaghettiträgern. Vom Hals abwärts hatte der Schneider ziemlich viel Stoff weggelassen.

Die benutzten Teller auf dem Tisch zeigten, dass die beiden ihr Essen schon hinter sich hatten.

Ich stellte Phil und mich vor. Sinalunga musterte uns aus grauen, hart wirkenden Augen und bat uns, Platz zu nehmen. Wie die Blondine hieß, erfuhren wir nicht.

»Mister Wulf sagte, Sie brauchen eine Information, in der es um die Tourismusbranche geht.«

»Ich glaube, das war ein Missverständnis, Mister Sinalunga«, sagte ich. »Aber eine Information hätten wir tatsächlich gerne. Sie betrifft Sie. Wir haben den Hinweis erhalten, dass Sie in Gefahr schweben könnten.«

Sinalunga, der bis jetzt ernst dreingeschaut hatte, verzog den Mund zu einem Lächeln. »Und das FBI macht sich Sorgen, dass mir etwas passieren könnte? Wie aufmerksam.«

»Sie sollten die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen«, sagte Phil. »Wir haben einen Anruf erhalten, in dem von einem Anschlag auf Ihr Leben die Rede war. Seien Sie froh, dass wir dem nachgehen und Sie als Bundesbeamte schützen wollen.«

Sinalunga nahm das Weinglas, das vor ihm stand, und trank einen Schluck. »Wer war denn die Person, die Sie angerufen hat? Lassen Sie mich raten, es war ein anonymer Anruf, richtig? Von einem Mann oder einer Frau?« Er sah die Blondine an, lächelte ihr zu, sie gab sein Lächeln zurück. »Ich rate ein zweites Mal. Es war eine Frau, richtig? Frauen sorgen sich um mich, Agent Decker. Das kann ich ihnen nicht verwehren. Doch es gehört nun mal zum weiblichen Wesen, dass die Frauen etwas unstet in ihren Gefühlen sind und gelegentlich übertreiben. La donna è mobile. Die berühmte Arie kennen Sie sicher. Sie handelt von der Wankelmütigkeit der Frauen.« Er stellte das Glas hin. »Um das hier abzukürzen. Ich glaube nicht, dass ich mir mehr Sorgen machen muss als jeder andere erfolgreiche Geschäftsmann.«

»Mister Sinalunga«, sagte ich. »Wir brauchen nicht um den heißen Brei herumzureden. Wir haben hier schon einiges an Kämpfen zwischen Familien erlebt, die in gewissen Geschäften tätig sind. Und wir wollen solche Kämpfe nicht. Wir wissen auch, dass sie nicht unbedingt im Interesse der Familien selbst liegen. Es wäre also gut, wenn Sie mit uns zusammenarbeiten würden.«

Sinalunga nickte. »Vielen Dank, Gentlemen, aber ich kann sehr gut auf mich selbst aufpassen. Und glauben Sie mir, auch ich will so etwas nicht.«

»Könnten Sie uns nicht wenigstens einen Hinweis geben, wer Ihnen an den Kragen will?«, hakte Phil nach.

»Nehmen Sie die Hälfte der Gangster in New York und dann noch mal die gleiche Anzahl ähnlicher Elemente aus anderen Städten der USA, dazu ein paar aus Europa und Asien. Dann haben Sie ungefähr die Anzahl der Leute, denen ich ein Dorn im Auge sein könnte.«

Ich gab mich naiv. »Ganz schön viele. Und das alles als Boss einer Firma, die Kreuzfahrten verkauft?«

»Das ist ein weitverzweigtes Geschäft«, sagte er. »Da gibt's eine Menge Logistik und Verstrickungen mit anderen Branchen. Und ich möchte betonen, dass in meiner Firma alles völlig legal läuft. Oder muss ich jetzt noch meinen Anwalt anrufen? Damit er mir erklärt, ob das hier nicht doch eine verdeckte Ermittlung gegen mich ist.«

»Nein«, sagte ich. »Wenn Sie uns keine weiteren Informationen geben wollen, ist das Ihre Sache.« Ich legte ihm meine Visitenkarte hin. »Falls Sie es sich anders überlegen.«

»Das werde ich nicht«, sagte er. »Und nun wäre ich Ihnen dankbar, wenn wir das Gespräch beenden könnten. Ich habe heute noch etwas Wunderbares vor.«

»Gehen Sie in die Oper?«, fragte ich, denn er hatte ja eben einen Arientitel zitiert.

»Nicht ganz, Agent Cotton. Wir gehen in eine Musicalpremiere. Im Golden Star Theatre hier am Broadway. Das Stück heißt Omertà. Geschrieben hat es ein hoffnungsvoller junger Komponist, der aus meiner alten italienischen Heimat stammt.«

»Dann hat es ja auch was mit Ihrem Berufszweig zu tun.« Ich hatte mir die Bemerkung nicht verkneifen können. Omertà