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Gerade noch hatte ich Special Agent Paige Rocca zum Schein geheiratet, um einen verdeckten Einsatz gegen die Cosa Nostra in New York zu führen, da wurde sie nachts aus ihrem Apartment verschleppt. Phil und ich setzten alle Hebel in Bewegung, um unsere FBI-Kollegin aus den Fängen des Mobs zu befreien. Denn wir waren überzeugt, dass die Täter aus den Reihen der Mafia stammten und Paige aus Rache gekidnappt hatten. Dabei kamen wir einer groß angelegten Verschwörung auf die Spur, deren Ausmaß wir erst erkannten, als es fast zu spät war!
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Bis dass der Mob uns scheidet
Vorschau
Impressum
Bis dass der Mob uns scheidet
Special Agent Paige Rocca betrat ihre Wohnung und ließ den Schlüsselbund auf das Dielenschränkchen fallen. Sie hängte ihre Jacke auf, verstaute ihre Dienstwaffe in dem Tresor im Schlafzimmer und holte sich eine Flasche Wasser aus der Küche. Dann trat sie ins Wohnzimmer. Als sie den Schalter betätigte und das Licht aufflammte, zeigte sich ihr allerdings nicht der erwartete Anblick.
Vor ihr standen drei Männer. Wortlos starrten sie Paige an, doch das Schweigen sagte ihr genug. Sie schleuderte dem ersten die noch fast volle Flasche ins Gesicht, bevor sie sich herumwarf und zu ihrem Schlafzimmer zurückhetzte. In ihrem Rücken trommelten schnelle Schritte durch den Flur. Paige warf die Tür hinter sich zu, verriegelte sie gerade noch rechtzeitig und erreichte den Tresor. Ihre Finger flogen über die Tasten des Keypads, bevor sie jedoch den Code zum Öffnen des Safes eingegeben hatte, splitterte hinter ihr die Tür, und die drei Männer drangen ins Schlafzimmer ein. Kräftige Hände packten ihre Arme, sie rammte irgendjemandem ein Knie zwischen die Beine, dann traf sie etwas am Kopf.
Als sich der Nebel in ihrem Geist nach ein paar Sekunden wieder lichtete, fand sie sich auf den Knien wieder. Einer ihrer Angreifer zog einen Kabelbinder um ihre Handgelenke fest, bevor er zu seinen Begleitern zurücktrat.
Sie hob den Kopf und sah die immer noch schweigenden Männer der Reihe nach an. Ihre Augen blitzten im Licht, das vom Flur ins dunkle Schlafzimmer fiel.
»Ihr macht gerade einen Riesenfehler, denn was immer ihr mit mir vorhabt«, sagte Paige, und das Lächeln, das sich auf ihr Gesicht legte, war fast ein wenig mitleidig, »jetzt habt ihr ihn am Hals – und er wird euch jagen und finden.«
Ich trat aus dem Deli am Ende des Blocks, in dem sich mein Apartmentgebäude befand. In der linken Hand hielt ich einen Coffee-to-go-Becher mit heißem, auf der Warmhalteplatte gut durchgezogenem Kaffee, den einer der vielen Verwandten von Mr. Singh abgefüllt hatte, dem Betreiber. Ich trank einen Schluck und spürte, wie das starke Gebräu in meinem Magen aufschlug und all meine Synapsen zum Feuern brachte.
Zufrieden ging ich den Bürgersteig entlang zum Jaguar, um zur Arbeit zu fahren. Ich hatte ihn fast erreicht, als ein Mann mir in den Weg trat. In New York nichts Ungewöhnliches, aber ich taxierte ihn dennoch sofort, um feststellen zu können, ob er eine Bedrohung darstellte.
Eine Waffe entdeckte ich nicht an ihm. Stattdessen hielt er eine CD- oder DVD-Hülle aus Plastik in der Hand, die er mir in die Rechte drückte.
Im nächsten Moment hatte er sich auch schon an mir vorbeigeschoben und war in ein Knäuel morgendlicher Passanten eingetaucht, durch das er sich zum Bordsteinrand drängte, wo ein Wagen mit laufendem Motor wartete.
»Moment mal!«, rief ich, der Mann ging jedoch unbeirrt weiter und öffnete die Beifahrertür. Er schlug sie hinter sich zu, und der Wagen schoss davon, fädelte sich in den fließenden Verkehr ein, während ich mich noch durch die Leiber schlängelte, die mir den Weg versperrten. Ich verrenkte mir den Hals, doch so sehr ich mich auch bemühte, es gelang mir nicht, das Kennzeichen zu lesen.
Ich fluchte leise.
Was, zur Hölle, sollte das Ganze?
Verwirrt hob ich die Hülle, hinter deren klarem Deckel die übliche runde silberne Scheibe blitzte. Die Aufprägung verriet mir, dass es sich um eine DVD handelte. Außerdem, dass sie für mich gedacht war, denn jemand hatte mit schwarzem Stift meinen Namen darauf geschrieben.
Ein oder zwei Sekunden lang erwog ich, die DVD mit ins Büro zu nehmen und sie mir erst dort anzusehen, änderte dann aber meine Meinung. Vielleicht war der Inhalt ja so wichtig, dass es besser war, so schnell wie möglich zu erfahren, was sich darauf befand. Die Tatsache, dass man sie mir auf diese mysteriöse Weise hatte zukommen lassen, sprach jedenfalls sehr dafür, dass es der Inhalt in sich haben würde.
Kurz entschlossen kehrte ich daher in mein Apartmentgebäude zurück und fuhr mit dem Lift zu meiner Wohnung hinauf. Bevor ich mich der Hülle und der DVD zuwandte, streifte ich mir ein paar Einweglatexhandschuhe über, um keine weiteren Fingerabdrücke darauf zu hinterlassen, dann schob ich die Scheibe in den DVD-Player und schaltete den Fernseher ein. Noch im Stehen schnappte ich mir die Fernbedienung und drückte auf Play.
Ich hatte recht gehabt. Was ich zu sehen bekam, gefiel mir überhaupt nicht.
Irgendjemand hatte die Kamera, mit der er die Aufnahme gemacht hatte, nicht hundertprozentig eingestellt. Paige Roccas in Schwarz-Weiß gehaltenes Gesicht wirkte körnig, als hätte derjenige, der sie gefilmt hatte, unter nicht gerade idealen Lichtverhältnissen gedreht, was vermutlich auch der Fall gewesen war. Doch er hatte es ja auch nicht auf einen Oscar für die beste Kameraarbeit angelegt.
Er wollte meine Aufmerksamkeit.
Und die hatte er.
Nachdem ich mir den Film zu Hause angesehen hatte, war ich umgehend zur Federal Plaza gefahren. Dort stand ich nun mit Mr. High, Phil, Steve Dillaggio und Dr. Ben Bruckner vor einem Fernseher und sah mir das zweifelhafte Machwerk ein weiteres Mal an.
Vor einer auf den ersten Blick nicht weiter aussagekräftigen Wand, an der die helle Farbe hier und da bereits abgebröckelt war, saß Paige Rocca, das Haar wild und zerzaust, nachdem ihr Entführer ihr einen Jutesack vom Kopf gezogen hatte. In einem ihrer Mundwinkel erkannte man eine Andeutung getrockneten Bluts.
Ich ballte die Hände zu Fäusten.
»Ah, Agent Rocca«, sagte eine Stimme, die offensichtlich bearbeitet und verzerrt worden war. Trotzdem konnte ich ein ordentliches Maß an Sarkasmus und die Freude daran, unsere Kollegin in den Händen zu haben, deutlich heraushören.
Ich zwang mich dazu, ruhig zu atmen, als ich Paiges Gesicht betrachtete, die den Mann hinter der Kamera mit Blicken aufzuspießen schien. Das Blitzen in ihren Augen und der Kampfgeist, der in ihr steckte, war selbst hier im Besprechungszimmer des FBI Field Office zu spüren.
»Agent Rocca ...«, fuhr die Stimme des Entführers beinahe sanft fort. »So schön, trotz der Lage, in der sie steckt.« Er lachte. »Sagen Sie Hallo.«
Nach ihrer Körperhaltung zu schließen, waren Paiges Hände an die Armlehnen des Stuhls gefesselt, auf dem sie saß. Ihre Beine hatte ihr Entführer aber offensichtlich vergessen. Keine gute Idee. Sie trat nach ihm, wild und mit aller Kraft. Der Kerl konnte von Glück reden, dass die Fesseln sie zurückhielten.
Wieder ein Lachen von jenseits der Kamera. »Kommen Sie schon, Agent Rocca, sagen Sie Ihren Kollegen, was ich Ihnen aufgetragen habe.«
Paige holte einmal tief Luft. »Jerry, sie wollen, dass du Milo Green findest.« Ihr Kopf ruckte Richtung Kamera, dorthin wo der Sprecher stand. »Er sagt, wenn du ihm den bringst, lässt er mich frei.« Sie verzog das Gesicht zu einer Grimasse, die mir deutlich machte, was sie von diesem Versprechen hielt. »Finde Milo Green, und bringe ihn in zweieinhalb Tagen um einundzwanzig Uhr nach Passaic.« Sie nannte die Adresse. Dann richteten sich ihre Augen genau in die Kamera, und es war, als würde sie mich direkt ansehen. »Jerry, ich ...«
Die Aufnahme brach ab, und weißes Rauschen erfüllte den Bildschirm. Dennoch sah ich ihr Gesicht noch immer vor mir. Das Gesicht der Frau, mit der ich noch vor ein paar Wochen verheiratet gewesen war.
Natürlich waren wir nicht wirklich Mann und Frau gewesen. Unsere Ehe war nur ein Spiel, eine Legende für unseren Undercovereinsatz in New Jersey gewesen. Vor einigen Monaten hatte die New Yorker Mafia beschlossen, einen neuen Oberboss zu wählen, den Capo di tutti i capi der fünf Mafiafamilien, die New York unter sich aufgeteilt hatten. Einen Mann, der sie wieder einte, anstatt sie gegeneinander auszuspielen und den ohnehin meist brüchigen Frieden zwischen den Familien stets aufs Neue in Gefahr zu bringen. Was genau das gewesen war, was der damals noch amtierende Don Richard Briscola, das Oberhaupt der Basile-Familie, getan hatte. Sein Vorgehen in den Jahren seines Vorsitzes war so unvorhersehbar und brandgefährlich gewesen, dass die Dons der anderen Familien auf eine Neuwahl gedrängt hatten.
Paige Rocca und ich waren daher undercover in das Haus neben James Graziano gezogen, dem Consigliere einer Mafiafamilie aus New Jersey, der das Zusammentreffen der aus den fünf Dons bestehenden Kommission unparteiisch hatte organisieren sollen. Noch einmaliger als die Neuregelung des Vorsitzes war der Umstand, dass die Kommission das erste Mal seit über dreißig Jahren wieder in ihrer Vollbesetzung zusammentreten würde. Paige und ich sollten Graziano daher im Auge behalten, um herauszufinden, wann und wo die Wahl des obersten Capos stattfinden sollte, damit wir den Versammlungsort für das Treffen verwanzen und überwachen konnten. Wäre uns das gelungen, hätten wir vermutlich unschätzbare Beweise gegen die Dons sammeln können, die zu ihrer Festnahme geführt und die Häupter der fünf Familien auf lange Zeit aus dem Verkehr gezogen hätten, was wiederum die Mafia nachhaltig geschwächt hätte.
Hätte ...
Die ganze Sache lief aus dem Ruder. Don Briscola, der den Verlust seines Amts voraussah, das er seiner Meinung nach hervorragend versehen hatte, hatte die Frau eines weiteren Nachbarn gekidnappt, um ihren Ehemann, Marco LaVincenzo, dazu zu zwingen, ein Angriffsteam an den Ort des Treffens zu schmuggeln. Denn genau das war Marcos Expertise. Schmuggeln. Nur dass er sonst exzellenten Whisky, seltene Weine, teure Zigarren und Ähnliches am Zoll vorbei ins Land transportierte. Graziano, der Organisator, hatte von Marcos Tätigkeit gewusst und bei ihm die für das Treffen der Dons gewünschten Luxusgüter bestellt. Wie genau die Geiselnehmer davon Wind bekommen hatten, wussten wir nicht, aber alles lief darauf hinaus, dass Marco ein Team aus mehreren Angreifern auf das Anwesen schmuggelte, auf dem die Wahl des neuen Capo di tutti i capi mittlerweile stattgefunden hatte. Don Richard Briscola war nach der Wahl untergetaucht und hatte es seinen Anhängern sowie einem Verräter aus einer der anderen Familien überlassen, den frisch gewählten Capo Joseph Cacciatore und jegliche weitere Opposition aus dem Weg zu räumen.
Während ich dem Van Marco LaVincenzos folgte, befreite Paige dessen Frau Nicola, wobei sie einen der beiden Geiselnehmer in Notwehr erschießen musste. Ich wiederum konnte Marco davon überzeugen, mir beim Kampf gegen die putschenden Mobster zu helfen. Schließlich gelang es uns mit weiterer Unterstützung durch Phil, Steve Dillaggio und ein SWAT-Team, die vier verbliebenen Dons zu retten. Leider hatten wir nichts gegen sie in der Hand, da sie vorgaben, sich lediglich zu einer privaten Pokerrunde getroffen zu haben. Die Beweise für etwas anderes fehlten uns. Don Briscola wiederum tauchte endgültig unter und war seitdem vom Radar verschwunden. Ob er den Verrat an seinen früheren Kollegen überlebt hatte, wussten wir nicht.
Insofern war die ganze Aktion ein ziemlicher Reinfall gewesen. Dennoch hatten wir zumindest ein paar Leben, auch das einiger Zivilsten, retten können. Und wir wussten, wie sich die neue Organisation der hiesigen Mafia darstellte, was uns bei unseren ständigen Ermittlungen auch schon weiterhalf.
Soweit es Paige und mich anging, wir waren uns in unserer Zeit in der Vorstadt nähergekommen, was selbstverständlich nicht vorgesehen gewesen war.
Unsere Ehe war nur ein Spiel gewesen, eine Legende für unseren Undercovereinsatz. Aber nach den Geschehnissen dort eben doch wesentlich mehr als das.
Und nun hatte jemand Paige entführt.
»Milo Green?«, riss mich Phil, der sich als Erstes wieder gesammelt hatte, aus meinen Gedanken. »Wer, zur Hölle, ist Milo Green? Und wie finden wir ihn, damit wir ihn gegen Paige austauschen können?«
An seiner Stimme merkte ich, wie sehr er sich zusammennahm.
Mr. High räusperte sich. »Wer immer er ist und wie sehr uns auch daran liegen mag, Agent Rocca zu finden und in Sicherheit zu bringen, wir können ihn einer anderen Person nicht einfach übergeben, bloß weil die uns zu erpressen versucht. Schon gar nicht, wenn der Entführer, mit dem wir es hier zu tun haben, vermutlich nichts allzu Gutes mit besagtem Mister Green vorhat.«
»Die Entführer«, sagte Steve. »Am Anfang sagte Agent Rocca ›sie wollen‹ und erst im nächsten Satz ›er will‹.«
»Das ist mir auch aufgefallen.« Phil lächelte grimmig. »Das hat sie gut hinbekommen. Und dabei riskiert, dass sie für diesen Wink mit dem Zaunpfahl leiden würde. Ich nehme an, er ist der Wortführer, den man auch hinter der Kamera hören konnte, und sie sind nur seine Helfershelfer.«
Das klang einleuchtend.
Ich wandte mich an Mr. High, um noch einmal auf das ursprüngliche Thema zurückzukommen. »Nur leider wissen wir nicht, mit wie vielen Entführern wir es letztendlich zu tun haben. Aber das ist auch nicht wichtig, denn darüber, dass die Typen nicht vorhaben, sie laufen zu lassen, sind wir uns doch wohl alle im Klaren.«
»Stimmt«, sagte Steve. »Die Chance, dass sich die Entführer an ihr Versprechen halten, ist minimal, das wissen wir alle nur zu gut aus Erfahrung. Auch Agent Rocca scheint sich in der Beziehung keinen Illusionen hinzugeben. Und sie hat die Entführer aus erster Hand erlebt, weshalb sie sie schon richtig einschätzen wird.«
Mr. High nickte nachdrücklich, bevor er sagte: »Beginnen wir auf jeden Fall schon einmal mit der Suche nach Milo Green. Wenn wir ihn haben, sehen wir weiter. Außerdem werde ich die Zentrale in Washington von Agent Roccas Entführung informieren müssen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass man sich an unseren Nachforschungen wird beteiligen wollen.«
»Wir sollten auch froh über jede Hilfe sein, die wir bekommen können, wenn uns das zu ihr führt«, sagte Steve.
»Ich sehe, was ich über Green in Erfahrung bringen kann.« Ben wandte sich um und verließ ohne ein weiteres Wort den Raum.
Phil klatschte in die Hände. »Das ist also geklärt. Nun wäre es gut, wenn wir wüssten, wo Paige entführt worden ist, damit wir am Tatort etwaige Spuren sichern können.«
»Zuerst sollten wir uns ihre Wohnung vornehmen«, schlug Mr. High vor. »Ich habe Agent Rocca gestern noch kurz vor Dienstschluss gesehen, daher liegt es auf der Hand, dass sie entweder auf dem Weg nach Hause oder danach in ihrem Apartment entführt wurde.«
»Es sei denn, sie hatte am Abend noch etwas vor«, gab Steve zu bedenken.
»Das sehen wir ja dann«, sagte Phil. Er richtete sich an Mr. High. »Jerry und ich lassen uns von Helen die Adresse geben und fahren hin, okay?«
Der Chef nickte.
»Nicht nötig.« Es war das Erste, was ich seit einer ganzen Weile von mir gab, auch wenn ich der Diskussion meiner Kollegen Wort für Wort gefolgt war, während sich meine eigenen Gedanken gleichzeitig förmlich überschlagen hatten. »Ich kenne die Adresse.«
Die Köpfe Mr. Highs und der anderen schwangen zu mir herum, doch die Blicke, die sie mir zuwarfen, sah ich schon nicht mehr, weil ich mich zu diesem Zeitpunkt bereits auf dem Weg zur Tür befand.
»Kann es sein, dass du mir etwas erzählen willst?«
Phil schaute mich aufmerksam vom Beifahrersitz aus an, während ich, jede sich bietende Lücke nutzend, den Jaguar durch den vormittäglichen Verkehr fädelte und dabei die ein oder andere Ampel tiefrot hinter uns ließ.
Ich zuckte mit den Schultern.
»Okay, das sagt wohl alles«, stellte Phil fest. »Wie konnte mir das nur entgehen?«
Ich fuhr weiter, ohne ein Wort zu sagen.
»Wie lange läuft das schon zwischen euch? Nein, lass mich raten – seit eurem Undercovereinsatz.«
»In Anbetracht der Tatsache, dass Paige und ich uns vorher nicht kannten, ist das wirklich ein messerscharfer Schluss, Sherlock.« Trotz oder gerade wegen der Situation konnte ich mir meine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen.
Phil hob besänftigend die Hände. »Schon gut, es ist auch nicht wichtig. Klar ist jedenfalls, dass dir die Sache mit Paige ganz gewaltig unter die Haut geht. Davon ausgehend, wie es uns anderen bereits geht, kann ich mir zumindest ansatzweise vorstellen, wie es gerade in dir aussehen muss. Kriegst du das hier trotzdem hin, oder willst du dich lieber aus der Ermittlung heraushalten?«
Ich holte tief Luft. »Ist das dein Ernst, Phil?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich weiß, die Frage war überflüssig, aber ich wollte dir zumindest eine Auswahlmöglichkeit bieten. Nicht dass ich mit einer anderen Antwort gerechnet habe.« Er wedelte auffordernd mit der Hand. »Also los, worauf wartest du? Das ist doch nicht alles, was deine Kiste hergibt, oder?«
War es nicht. Ich trat aufs Gas.
Paige wohnte in einem kleinen Apartment im erschwinglicheren Teil von Greenwich Village, nicht allzu weit entfernt vom Washington Square. Ich sah den weltberühmten Bogen des Parks am Ende einer langen Häuserzeile zwischen Bäumen und Brownstones aufblitzen, als ich durch die Straßen manövrierte. In den letzten zwei Monaten hatte ich den Weg recht genau kennengelernt und hätte ihn auch mit geschlossenen Augen gefunden, was gut war, denn so konnten mich nicht einmal der Aufruhr in meinem Inneren und die Sorge um Paige davon abhalten, Phil und mich in Rekordzeit ans Ziel zu bringen.
Ich parkte den Jaguar am Bordstein, und wir stürmten die Treppe zum Eingang des Brownstonehauses hinauf, in dem Paige eines von fünf Apartments bewohnte. Phil sagte kein Wort, als ich einen Schlüssel aus der Tasche zog und die Haustür aufschloss, auch nicht, als ich uns in Paiges Wohnung ließ.
Sofort stieg mir der vertraute Duft in die Nase, ganz so wie er es in den letzten Monaten getan hatte, wenn wir uns bei ihr und nicht bei mir getroffen hatten. Nur dass mich dieser Umstand diesmal nicht mit Leichtigkeit und Vorfreude erfüllte, sondern mit dunklen Vorahnungen und Befürchtungen.
Dass wir Paige tot in einem ihrer Zimmer finden würden, war dank des Videos und der Tatsache, dass die Entführer durch sie Druck auf uns ausüben wollten, zwar nicht zu befürchten, aber das half nicht viel. Als ich die Tür hinter uns schloss, raste mein Herz dennoch wie wild – und das nicht aus den richtigen Gründen.