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Der Einbrecherkönig Sam Hamilton hatte sich zur Ruhe gesetzt. Doch dann entführte jemand seine Frau und seine kleine Tochter Bunny Jane, um ihn zu einem letzten großen Coup zu zwingen. Hamilton sollte einen millionenschweren Diamanten stehlen. Das gelang ihm, nach dem Einbruch geriet er jedoch in eine Polizeikontrolle und floh. Als er keine Möglichkeit mehr sah, den Cops zu entkommen, stürmte er in ein Restaurant und nahm die Anwesenden als Geisel. Unter den Gästen befanden sich unsere beiden Kollegen Steve Dillaggio und Zeerookah, die sich mit zwei Ladys einen netten Abend gönnten. Und Phil und mir blieb nicht mehr viel Zeit, ein Blutbad zu verhindern - und das Leben aller Geiseln zu retten!
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Seitenzahl: 146
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
In 48 Stunden stirbt Bunny Jane
Vorschau
Impressum
In 48 Stunden stirbt Bunny Jane
Zeerookah bemerkte den Mann als Erster. Er hastete in den Speisesaal, stolperte beinahe über den ersten Tisch. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Hektisch blickte er sich um. Mit seiner abgewetzten schwarzen Lederjacke, der Umhängetasche aus braunem Stoff und der ausgebleichten roten Baseballkappe auf dem Kopf wirkte er in dem edlen Restaurant so fehl am Platz wie eine Nonne in einer Rockerkneipe. Ein Kellner trat eilig auf ihn zu und sprach ihn an. Der Mann zuckte zusammen, warf einen raschen Blick über die Schulter, als würde er verfolgt werden. Seine Rechte fuhr in die Umhängetasche. Als er sie wieder herauszog, hielt er einen Revolver in der Hand, richtete den Lauf auf den Kellner. Der wich einen Schritt zurück und hob die Arme.
Zeerookah stockte das Blut in den Adern.
Vor seinen Augen nahm eine Geiselnahme ihren Anfang. Und sie waren mittendrin!
»Steve«, zischte Zeerookah.
Steve hob den Kopf. »Ja?« Er war so vertieft in die Unterhaltung mit ihren Begleiterinnen Lucy und Sarah gewesen, dass er den Mann nicht bemerkt hatte, obwohl sich die Szene kaum drei Yards neben ihnen abgespielt hatte.
Die anderen Gäste hatten ihn bemerkt. Sämtliche Gespräche in dem feinen Speisesaal des The Great Dish waren verstummt. Alle Blicke waren auf den Eindringling gerichtet, der den Kellner mit einer Waffe bedrohte.
Jetzt sah ihn auch Steve.
»Was, zur Hölle, soll das?«, fluchte er leise.
»Keiner bewegt sich«, brüllte der Mann.
»Ganz ruhig, Mister«, bat ihn der Kellner, ein großer, schlanker Japaner mit vollem schwarzem Haarschopf, einem sympathischen Gesicht und sonorer Stimme. Er war für ihren Tisch zuständig, hatte ihnen erst vor zwei Minuten den Wein ausgeschenkt. Er hatte sich ihnen als Fred vorgestellt. Jetzt blickte Fred in die Mündung eines Revolvers, aus der jede Sekunde eine tödliche Kugel auf ihn zurasen konnte.
Zeerookah bemerkte, wie sich Steves Körper anspannte. Was hast du vor?, dachte er.
»Halt die Klappe!«, herrschte der Bewaffnete Fred an.
Fred trat einen weiteren Schritt zurück. Der Kopf des Mannes flog herum. Hinter dem getrübten Glas der Eingangstür waren Schatten zu sehen. Jemand öffnete sie.
»Haut ab!«, brüllte er, riss den Arm hoch und gab einen Schuss in die Decke ab.
Die Gäste schrien erschrocken auf. Sofort verschwanden die Schatten, die halb geöffnete Tür schloss sich wieder.
Steve sprang von seinem Stuhl auf, hechtete auf den Mann zu, der ihnen den Rücken zuwandte.
Doch der schien Bewegung gespürt zu haben. Er wirbelte herum und drückte ab. Die Kugel erwischte Steve im Sprung. Einen halben Schritt neben dem Schützen krachte er zu Boden und blieb stöhnend liegen.
»Steve!«, schrie Lucy.
Zeerookah erhob sich, ohne darüber nachzudenken. Der Mann richtete die Waffe auf ihn. Ein dünner Rauchfaden kräuselte sich vor dem kurzen Lauf. Er blickte abwechselnd zu Zeerookah und zu Steve, der neben ihm auf dem dunkelbraunen Parkett lag und sich nicht rührte. Die Augen des Mannes flackerten. Aus dem Schweißfilm auf seiner Stirn löste sich ein einzelner Tropfen und rann an seiner Wange hinab.
»Scheiße, das wollte ich nicht«, stieß er hervor.
»Hören Sie ...«, sprach Zeerookah ihn an.
»Setzen Sie sich wieder hin!«
Die Stimme klang schrill und dünn, an der Grenze zur Hysterie. Zeerookah konnte die Nervosität, die von diesem Mann ausging, beinahe mit Händen greifen. Er war es offensichtlich nicht gewohnt, Gewalt anzuwenden.
»Er ist mein Freund«, erwiderte er so ruhig wie möglich. »Ich möchte nach ihm sehen. Erlauben Sie mir das?«
»Zeery«, flüsterte Sarah neben ihm. Ihre Besorgnis war nicht zu überhören.
»Kein Problem«, gab er leise zurück, ließ den Bewaffneten dabei nicht aus den Augen.
Der schaute sich um, als müsste er sich darüber klar werden, wo er sich befand.
Zeerookah folgte seinen Blicken. An acht Tischen verteilt saßen knapp zwanzig Gäste in dem kleinen, mit viel dunklem Holz und weißen Wänden edel eingerichteten und nur von gedimmten Lampen erleuchteten Saal. Er, die beiden Frauen und Steve eingerechnet. An der dem Eingang gegenüberliegenden Wand befand sich die Bar. Ein zweiter Kellner stand dahinter und glotzte den Schützen entgeistert an. Neben der Bar war der Zugang zur Küche. Drei Männer in weißen Kochjacken standen in der Tür, offenbar hatte der Lärm sie herausgelockt. Sie wagten nicht sich zu rühren. Einer von ihnen hatte einen metallenen Kochlöffel in der Hand, von dem eine orangefarbene, dicke Flüssigkeit auf den Boden tropfte. Vielleicht die Hummersuppe, die Lucy und Steve als Vorspeise bestellt hatten.
Steve stöhnte.
»Entschuldigen Sie, Mister«, ergriff Zeerookah noch einmal das Wort. »Meinem Freund geht es nicht gut. Ich möchte gerne nach ihm sehen.«
Der Mann starrte ihn für einige Sekunden stumm an, als müsste er über den Sinn der Worte nachdenken, dann nickte er.
»Gleich. Wir brauchen Licht. Machen Sie das Licht an«, befahl er Fred.
Fred nickte seinem Kollegen hinter der Bar zu. Der griff unter die Theke, und einen Augenblick später wich die gedämpfte Beleuchtung dem hellen Licht mehrerer Deckenstrahler.
Von draußen hörte Zeerookah Sirenen, die sich rasch näherten. Das NYPD war sicher bereits dabei, das Gebäude zu umstellen. Wahrscheinlich hatten sie schon ein SWAT-Team angefordert.
Wenn der Mann die Sirenen wahrnahm, ließ er es sich nicht anmerken.
»Alle rüber zur Bar«, forderte er die Menschen auf. »Sofort!«
Die Gäste sprangen förmlich von ihren Stühlen auf und beeilten sich, dem Befehl nachzukommen. Dabei achteten sie darauf, einen möglichst großen Abstand zu dem Bewaffneten einzuhalten. Sie setzten sich auf die Barhocker oder ließen sich einfach auf dem Boden nieder, einige blieben stehen. Zeerookah sah die Angst in ihren Augen. Sie hatten sich wie er selbst auf einen schönen Abend in dem erst vor zwei Wochen mit vielen Vorschusslorbeeren eröffneten Restaurant gefreut. Jetzt waren sie die Hauptdarsteller in einer Geiselnahme.
Zeerookah hatte sich als Einziger nicht vom Fleck bewegt.
»Darf ich jetzt nach ihm sehen?«
Der Mann nickte und trat zur Seite. »Machen Sie keinen Blödsinn, okay?«
»Keine Sorge.«
Zeerookah trat auf Steve zu und ging neben ihm in die Knie. »Steve? Wie sieht's aus, mein Freund?«
Steve stieß einen Fluch aus und wälzte sich stöhnend auf den Rücken. Immerhin war er dazu noch in der Lage. Auf seinem weißen Hemd befand sich unterhalb der linken Schulter ein roter Fleck, der sich stetig vergrößerte.
»Ich glaube, die Kugel ist durchgegangen«, presste er zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Tut verflucht weh.«
»Und blutet ziemlich stark«, stellte Zeerookah fest. »Fred, in der Küche gibt es doch bestimmt saubere Tücher.«
»Ja klar«, antwortete Fred.
»Einer der Köche soll bitte welche holen. Ich brauche außerdem eine große Schale mit sauberem Wasser.«
»Moment mal ...«, mischte sich der Mann mit dem Revolver ein.
Zeerookah hob den Blick. »Bitte.«
Ein kurzes Zögern. Dann ein Nicken. »In Ordnung. Aber er soll sich beeilen.«
»Pete«, rief Fred, »du hast gehört, was der Mann braucht. Schnell!«
»Was hast du dir nur dabei gedacht?«, wandte sich Zeerookah an Steve. Er sprach so leise, dass es der Geiselnehmer nicht hören konnte.
»Tut mir leid. Ich dachte, ich kriege ihn. Wollte mir den Abend nicht versauen lassen, wo ich heute bestimmt bei Lucy landen könnte.« Ein gequältes Grinsen umspielte seine Lippen.
»Immerhin hast du jetzt einen Heldenbonus.«
»Du hast nicht zufällig deine Pistole dabei?«
»Ich gehe doch nicht bewaffnet zu einem Date.«
»Quatscht nicht so viel«, unterbrach sie der Geiselnehmer.
In dieser Sekunde tauchte Pete, der Koch, neben ihnen auf, stellte eine Schüssel Wasser und ein paar weiße Tücher auf dem Parkett ab und verschwand. Zeerookah knöpfte Steves Hemd auf und versorgte die Wunde. Immer wieder lief Blut aus dem Einschussloch.
»Wie sieht's aus?«, wollte der Mann mit dem Revolver wissen.
»Scheint so, als hätten Sie nichts Lebenswichtiges getroffen. Er blutet jedoch stark.« Zeerookah klopfte Steve sacht auf die unverletzte Schulter und stand auf. »Wie geht's jetzt weiter?«, wollte er von dem Mann wissen.
Der Schweiß floss ihm jetzt förmlich in Strömen übers Gesicht. »Ich weiß nicht. Ich muss nachdenken.«
»Vielleicht kann ich Ihnen dabei helfen.«
»Helfen? Sie? Wieso?«
»Weil ich glaube, dass wir alle das gleiche Ziel haben. Sie wollen hier heil wieder raus, ich will hier heil wieder raus. Mein Freund und die anderen Leute auch. Wir könnten gemeinsam nach einem Weg suchen.«
»Ich weiß nicht, Mann.«
»Wie wäre es, wenn wir uns einander vorstellen? Mein Name ist Zeerookah.«
Der Mann blickte ihm forschend in die Augen, als überlegte er, ob ihm gerade eine Falle gestellt wurde.
»Sam«, sagte er schließlich. »Mein Name ist Sam.«
Einen Tag zuvor
»Zigarre, Sam?«
Jefferson Parks hielt ihm die mit Tabak gefüllte braune Rolle hin. Der würzige Duft stieg Sam Hamilton in die Nase. Er schüttelte den Kopf. Rauchen war noch nie sein Fall gewesen.
Parks hob in einer bedauernden Geste die buschigen Brauen. Die Haut auf seinem blanken Schädel kräuselte sich. Mit einem wohligen Seufzen ließ er sich auf die weiße Lederbank der Lincoln Town Stretchlimousine zurücksinken. Hamilton fragte sich, wieso ein auf Diskretion bedachter Gangsterboss in einem solchen Gefährt durch New Yorks Straßen kutschierte. Der Wagen mochte an die sechs Yards lang sein. Er saß Parks gegenüber und hatte so viel Beinfreiheit, dass er sich hätte ausstrecken können, ohne dessen Sitz zu berühren. Über seinem Kopf funkelte ein in das Wagendach eingebauter künstlicher Sternenhimmel.
Parks schien seine Gedanken erraten zu haben. »Die Karre ist ein bisschen extrovertiert, ich gebe es zu. Aber wir feiern hier drin nachher eine Party. Meine Freundin Cathy hat Geburtstag und träumt schon lange von einer Stadtrundfahrt in einer Stretchlimo. Ich hab's nicht übers Herz gebracht, ihr den Wunsch abzuschlagen. Sie ist so eine süße Puppe. Sicher, dass Sie keine Zigarre wollen?«
»Nein, danke, Mister Parks, ich bin Nichtraucher.«
»Schade. Ist gutes Zeug. Bei mir gibt's nur gutes Zeug. Ist doch so, oder, Torben?«
Der Mann neben Parks nickte. »Genauso ist es.«
Hamilton erschauerte. Dieser Kerl, der ihm von Parks als Torben LaSalle vorgestellt worden war, war ihm unheimlich. Er war groß und drahtig und trug einen dunklen Anzug, der einen auffälligen Kontrast zu seiner bleichen Haut bildete. Darin wirkte er fast wie ein Vampir aus einem alten Gruselfilm. Die hellblonden, beinahe weißen Haare trug er nackenlang. Seine Gesichtszüge waren scharf geschnitten, und er lächelte unablässig. Es war jedoch ein kaltes Lächeln, das seine Augen nicht erreichte. Augen, die keine Farbe zu haben schienen, als trüge er diese weißen Kontaktlinsen, die zu Halloween überall verkauft wurden. Nur ein Hauch von Blau lag darin.
Als der Lincoln vor einigen Minuten neben Hamilton am Straßenrand gestoppt hatte, war LaSalle aus dem Wagen gesprungen und hatte ihn mit seiner irritierend hellen Stimme zum Einsteigen aufgefordert. Jefferson Parks wolle mit ihm reden. Hamilton wusste, um wen es sich bei Parks handelte. Dieses spezielle Kapitel in seinem Leben hatte er zwar lange abgeschlossen, doch manchmal traf er einen Kumpel von damals, und dann quatschten sie über die alten Zeiten – und über die neuen.
Parks war der Nachfolger von Terry Jenkins, seinem früheren Boss. Obwohl er sich tausend Dinge vorstellen konnte, die er lieber getan hätte, als sich mit ihm zu unterhalten, war er eingestiegen.
Der Gangsterboss steckte die Zigarre zwischen seine wulstigen Lippen und zündete sie an. Es dauerte eine Weile, bis die Tabakblätter Feuer gefangen hatten. Als er es geschafft hatte, nahm er einen tiefen Zug und schloss genießerisch die Augen. Der starke Tabakgeruch breitete sich unverzüglich im Wageninneren aus.
Hamilton warf einen Blick durch die getönte Scheibe. Draußen zog die 5th Avenue an ihm vorbei. Hunderte Menschen drängten sich auf dem Bürgersteig. Touristen mit Rucksäcken, Frauen, die für ihre Mittagspause die Pumps gegen Turnschuhe getauscht hatten, Büroangestellte, die an einem Hotdog-Stand für ihren Mittagssnack anstanden. Gerne hätte er mit ihnen getauscht. Was immer Parks von ihm wollte, es würde ihm nicht gefallen, da war er sich sicher.
»Lassen Sie uns zur Sache kommen, Sam. Sie fragen sich bestimmt nach dem Grund für unsere kleine gemeinsame Spazierfahrt.«
»Das tue ich in der Tat, Mister Parks.«
Parks grinste. Seine dunkelgrünen Augen fixierten ihn. Die Gesichtszüge des Mannes waren grob und wirkten brutal, sein muskulöser Körper steckte in einem braunen Anzug aus feinster Seide. Wenn man im Lexikon unter Gangster nachschlägt, findet man vermutlich dein Foto, dachte Hamilton.
»Sie sind ein guter Mann. Ein Meister Ihres Fachs.«
»Verzeihen Sie, Mister Parks, aber ich war es.«
Parks begann dröhnend zu lachen. LaSalle stimmte in das Gelächter ein. Bei ihm klang es wie das Kreischen einer Hyäne.
»Natürlich, mein Guter, ich weiß, dass Sie vor ein paar Jahren ausgestiegen sind. Damals war Terry noch der Boss, Friede seiner Asche. Ich habe gehört, Sie haben eine Menge Porträts von Benjamin Franklin über den Tisch schieben müssen, damit er Sie gehen ließ.«
»Das ist richtig. Doch das war es mir wert. Außerdem hatte ich mir einiges auf die Seite gelegt und konnte es mir leisten.«
»Verstehe. Sie sind wegen Ihrer Frau gegangen, sagt man. Wie heißt sie gleich?«
»Mary«, gab LaSalle die Antwort.
Unwillkürlich versteifte sich Hamilton.
»Richtig, Mary. Bevor er vor zwei Jahren den Löffel abgegeben hat, habe ich mich mit Terry einmal über Sie unterhalten. Sie hatten ein Kind mit ihr.«
»Bunny Jane.« LaSalle grinste.
»Genau, Bunny Jane. Netter Name. Mary hat Ihnen die Hölle heiß gemacht, weil Sie sich draußen rumgetrieben und eine Menge krummer Dinger gedreht haben, während sie mit der Kleinen zu Hause saß. Immer in der Angst, dass die Cops an die Tür klopfen würden, um ihr mitzuteilen, dass ihr Mann eingebuchtet wurde. Und zwar für eine sehr lange Zeit. So war es doch, oder?«
»Das stimmt, grob zusammengefasst«, gab Hamilton zu.
Als sie ihn geheiratet hatte, hatte Mary gewusst, dass er sein Geld mit Einbrüchen verdiente. Sie kannte sogar seinen Spitznamen. Einbrecherkaiser. Sie hoffte, damit leben zu können. Anfangs funktionierte es gut, sie blendete seinen Beruf einfach aus ihrem Leben aus. Als Bunny Jane geboren wurde, änderte sich alles. Mary ertrug den Gedanken nicht, dass ihre Tochter einen Gangster zum Vater hatte. Eines Tages stellte sie ihn vor die Wahl: Entweder machte er Schluss mit den krummen Dingern – oder sie machte Schluss mit ihm.
Hamilton entschied sich für Mary. Sie war die erste große Liebe seines Lebens, er wollte sie keinesfalls verlieren. Und seine Tochter auch nicht. Also marschierte er zu Terry Jenkins und eröffnete ihm, dass er aufhöre. Terry war von dem Gedanken, einen seiner talentiertesten Männer zu verlieren, wenig begeistert. Er schmeichelte, lockte und drohte sogar, Hamilton blieb jedoch stur. Gegen Zahlung einer Abfindung, wie Terry nannte hatte, durfte er die Bande schließlich verlassen. Terry war ein harter Hund gewesen, aber im Grunde seines Herzens hatte er Verständnis für Hamiltons Entscheidung gehabt.
Heute arbeitete er als Kassierer in einem Supermarkt und verdiente sich ein Zubrot als Webdesigner, eine Tätigkeit, von der er hoffte, dass er sie irgendwann zu seiner Haupteinnahmequelle machen könnte. Sein Einkommen war im Vergleich zu früher ein Witz. Doch Mary war in ihren alten Beruf als Bankberaterin zurückgekehrt, und er hatte noch einiges auf der hohen Kante. Sie kamen zurecht und waren glücklich, das genügte.
»Sie sind jetzt also sozusagen clean, Sam«, fuhr Parks fort. »Sie tun nichts, was das Auge des Gesetzes erzürnen könnte. Wirklich nicht?«
»Ich gehe nicht einmal bei Rot über die Ampel.«
Wieder das dröhnende Lachen. »Der Mann gefällt mir, Torben. Er hat Humor. Aber Spaß beiseite. Ich möchte Sie um einen kleinen Gefallen bitten. Ach, was sage ich, von wegen klein, er ist ungefähr so groß wie das verdammte Flat Iron. Dafür ist es jedoch notwendig, dass Sie eine Auszeit von Ihrem engelsgleichen Dasein nehmen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Haben Sie schon einmal etwas vom Roten König gehört?«
Hamilton verneinte.
»Es handelt sich dabei um einen Rubin. Sehr alt, über tausend Jahre. Kommt aus Russland, war im Besitz von Kaisern und Prinzessinnen. Sein Wert wird auf zehn Millionen Dollar geschätzt. Ich habe mal ein Foto davon gesehen. Ein außerordentlich schönes Stück. Das sage ich als jemand, der mit Edelsteinen nichts am Hut hat.«
»Und weiter?«
»Bis vor fünf Jahren gehörte der Rote König einem reichen Kerl aus England. So ein Adeliger, der mit der Queen Tee trinkt. Eines Nachts wurde der Stein gestohlen und blieb verschwunden. Bis heute weiß niemand, wer damals lange Finger gemacht hat, doch das tut auch nichts zur Sache. Viel interessanter ist, dass er wiederaufgetaucht ist. Und zwar hier in New York. Es wird noch besser: Ich weiß, wer ihn hat und wo er sich befindet.«
LaSalle winkte plötzlich. Hamilton sah durchs Fenster. Die Aufmerksamkeit des Unheimlichen galt offensichtlich einer großen, sehr attraktiven rothaarigen Frau, die ihr Handy ans Ohr hielt und in ein Gespräch vertieft war. Selbst wenn sie in diesem Augenblick hergesehen hätte, hätte sie LaSalle hinter der stark getönten Scheibe nicht sehen können. Warum winkte er?
Parks bemerkte es, doch er grinste nur. »Lass gut sein, Torben. Nachher kommen ein paar scharfe Bräute zu Besuch, da ist auch was für dich dabei.«
LaSalle lehnte sich zurück, starrte jedoch weiter nach draußen.
»Sie wollen, dass ich den Rubin für Sie stehle?«, nahm Hamilton das Gespräch wieder auf.
Jetzt breitete sich ein Lächeln auf Parks' Gesicht aus. »Sie sind ein kluger Kopf. Genau darum geht es. Sie stehlen ihn für mich. Natürlich nicht umsonst. Ich biete Ihnen eine Viertelmillion Dollar. Klar, Sie werden einige Vorbereitungen treffen und den Aufenthaltsort des Rubins erst einmal auskundschaften müssen. Aber ich denke, unterm Strich ist das ein prima Stundenlohn, meinen Sie nicht?«
Hamilton seufzte innerlich auf. Das, was er am meisten befürchtet hatte, war eingetreten. Dieser Mistkerl bot ihm einen Job an. Er musste nicht eine Sekunde darüber nachdenken, er würde ablehnen. Nur wie würde Parks reagieren? Der Mann hatte nicht den Ruf eines Menschen, der ein Nein akzeptierte.