Jerry Cotton 3351 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3351 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Mr. High bat Phil und mich gleich frühmorgens in sein Büro. In der Nacht zuvor hatte es auf Staten Island einen brutalen Mord gegeben. Einem Mann namens Jason Eller war in seinem eigenen Haus die Kehle durchgeschnitten worden. Seine Ehefrau Mary hatte nur knapp überlebt. Eller war Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater gewesen, dem Mafiakontakte nachgesagt worden waren. Mary Eller war dagegen eine erfolgreiche Anwältin. Wir besuchten die schwer verletzte Frau im Krankenhaus - und stießen schon bald auf eine ominöse Studentenverbindung ...


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Seitenzahl: 144

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Skull & Bones

Vorschau

Impressum

Skull & Bones

Das Leben hatte es nicht allzu gut mit Lonnie Townsend gemeint. Mit zweiundvierzig Jahren hatte er Prostatakrebs im Endstadium. Heute war einer seiner besseren Tage. Er starrte nach draußen. Den gepflegten Rasen und das Nachbarhaus auf der gegenüberliegenden Straßenseite nahm er gar nicht wahr. Stattdessen betrachtete er das hohlwangige Gespenst mit den schwarzen Augenringen und der Glatze, das ihn von der Glasscheibe anstarrte.

Wie lange habe ich noch? Zwei Monate, ein halbes Jahr?

Townsend drehte den Kopf, weil er den Anblick nicht ertragen konnte. Als tiefgläubiger Christ war er sich sicher, bald vor dem höchsten Richter zu stehen und Rechenschaft für seine Sünden ablegen zu müssen. Das machte ihm mehr Angst als der Tod selbst. Immer mehr drängte es ihn, zuvor noch reinen Tisch zu machen.

Ja, ich werde es tun. Jetzt.

Zu gerne hätte er mit der Hand geschrieben, aber die zitterte zu stark. So schlurfte er zum Computer und tippte.

Hallo, mein Name ist Lonnie. Und ich habe etwas Furchtbares getan ...

Talcott Mountain State Park, Connecticut

Mike Hyder grinste, als er den Highway 44 verließ und scharf in den Parsons Way einbog. Das schaffte er allein mit der linken Hand, denn mit der rechten betatschte er den Innenschenkel seiner Beifahrerin.

Hazel drückte den Oberkörper durch und stöhnte leise. »Kannst du nicht schneller fahren, Mike?«, stieß sie schwer atmend hervor. »Ich bin so heiß, ich halte es kaum noch aus.«

»Ich auch nicht, Baby, ich auch nicht.« Er grinste noch mehr. »Aber es geht nicht schneller. Du siehst ja, wie verdammt schmal die Straße ist. Ein besserer Waldweg. Und wenn ich auf einen der Bäume knalle, wäre uns ja auch nicht gedient. Andererseits verlängert das die Vorfreude. Oder etwa nicht? Und ein bisschen was kriegst du ja schon im Voraus.«

Hyder konnte es noch immer nicht glauben. Hazel war eine schwarzhaarige Latino-Schönheit mit atemberaubender Figur. Wie sie mit Nachnamen hieß, wusste er nicht, es interessierte ihn auch nicht. Auf jeden Fall hatte er sie gestern Abend im Pigs Eye Pub in Hartford kennengelernt, wo er noch einen Absacker getrunken hatte, bevor er nach einem harten Arbeitstag zu seiner Familie nach Hause gefahren war. Hazel quetschte sich auf den freien Barhocker neben ihn, sie kamen ins Gespräch. Schon bald drehte es sich um Sex. Hazels unverblümtes Geständnis, sie würde es gerne mal mit ihm machen, schockierte ihn erst. Anfänglich hielt er sie für eine Edelnutte, aber das war sie wohl nicht. Eher eine Nymphomanin. Hyder hatte sich immer gewünscht, mal einer über den Weg zu laufen. Ohne je damit zu rechnen. Dass nun einer seiner heißesten Träume Wirklichkeit wurde, dafür dankte er Gott. Und dafür würde er die nächste monatliche Spende an seine geliebte First Presbyterian Church of Hartford ums Doppelte erhöhen.

Hyder schlug der Frau für den kommenden Tag einen Ausflug in den abgelegenen Talcott Mountain State Park vor, sie ging sofort darauf ein. Er glaubte bis zuletzt nicht daran, dass sie tatsächlich am vereinbarten Treffpunkt warten würde. Deswegen war es fast wie eine Marienerscheinung, sie dort mit umgehängter lindgrüner Handtasche zu sehen. Voller Adrenalin und mit leichten Bauchkrämpfen hatte er sich bei seinem Arbeitgeber krankgemeldet. Und nun fuhren sie tatsächlich durch die dichten Wälder des Talcott Mountain State Park, seinem größten Erlebnis entgegen. Das aufkommende schlechte Gewissen seiner Frau und seinen Töchtern gegenüber hatte sich in dem Wahnsinnsgeruch ihres Parfüms aufgelöst, als sie sich auf den Beifahrersitz seines schwarzen Mustangs hatte plumpsen lassen.

Ein Mann muss eben tun, was ein Mann tun muss ...

Hyder grinste selbstzufrieden, als Hazel seine Hand nahm und sie weiter an ihrem Oberschenkel nach oben führte. »Langsam, Baby, langsam, ich muss mich auf den Verkehr konzentrieren. Den auf der Straße, meine ich.«

»Ich halt's nicht mehr aus, Mike«, sagte Hazel. »Bitte fahr da vorne auf den Parkplatz. Da ist keiner, da können wir die erste Runde absolvieren.«

»Na gut, wenn du meinst.« Hyder spürte, wie sich sein Unterleib zusammenzog, wie das Adrenalin seinen Körper flutete.

Zur Vorsicht hatte er eine Viagra eingeworfen. Es durfte nichts, aber auch gar nichts schiefgehen, wenn Gott ihm schon ein solches Geschenk machte. Nachdem sie die letzten Häuserzufahrten passiert hatten, wurde die Montevideo Road, auf der sie sich gerade befanden, so einsam wie der Mann im Mond. Die Chance, von einem Park Ranger erwischt zu werden, ging gegen null. Warum also nicht?

Hyder lenkte den Mustang auf den Parkplatz und hielt mit quietschenden Reifen. Sie wurden in ihren Gurten nach vorne geworfen. Schwer atmend kramte Hazel in ihrer Handtasche herum.

»Was suchst du da drin, Baby? Etwa Kondome? Die brauchen wir doch nicht. Da wäre ich jetzt nicht so dafür.«

Hazel zog die Hand hervor. Hyder erstarrte. Wie hypnotisiert blickte er in den Lauf einer Makarow PM. Als Waffenfan erkannte er sie sofort. Als er den Blick hob, sah er in ein völlig verändertes Gesicht. Hart, eiskalt, mit einer gehörigen Portion Verachtung in den glutschwarzen Augen. Der Gesichtsausdruck änderte sich.

Hazel grinste höhnisch. »Ich bin ganz deiner Meinung, Süßer. Wir brauchen keine Kondome. Das hier ist viel besser.«

»Was ... was willst du von mir?«, krächzte Hyder, dem in diesem Moment bewusst wurde, dass ihn seine grenzenlose Geilheit direkt an den Abgrund der Hölle geführt hatte. Wie hatte er auch nur einen Augenblick lang glauben können, eine Superfrau wie Hazel wollte nichts anderes, als mit einem körperlich unattraktiven Mann wie ihm ins Bett zu steigen? Jetzt ging es plötzlich nur noch ums Überleben. Er wagte nicht einmal, die Arme zu heben, geschweige denn, Hazel anzugreifen. Ihm war völlig klar, dass sie die Waffe nicht nur als Dekoration mit sich herumführte.

»Ich ... willst du Geld? Ich meine, ich habe ein paar Hundert Dollar bei mir. Ansonsten müsste ich zur nächsten Bank ...«

»Halt's Maul, du erbärmliches Arschloch«, zischte sie ihn so aggressiv an, dass er zurückzuckte. »Ich will deine Scheißkohle nicht!«

»N-nein? Was dann?«

Hazel grinste erneut. »Sagt dir der Name Lonnie Townsend etwas?«

Hyder schluckte ein paarmal hektisch. Diese unerwartete Wendung verunsicherte ihn vollends. »Lonnie? J-ja, der war mein Freund. Ist leider an Krebs gestorben«, antwortete er schnell, als sie die Pistole ein wenig anhob. »Warum fragst du nach ihm? Kennst du ihn etwa?«

»Nun, zumindest weiß ich, dass dein Freund Lonnie abgekratzt ist. Davor ist er noch zum Verräter geworden. Und deswegen bin ich jetzt bei dir, Mike, Süßer. Wenn du wieder gesund nach Hause kommen willst, wirst du mir jetzt ein paar Namen nennen.«

»Welche Namen? Was meinst du mit Verräter? Warum soll Lonnie zum Verräter geworden sein? Ich ... begreife nicht, was du von mir willst.«

»Nein?« Sie schlug ihm unvermutet den Pistolenknauf auf den Oberschenkel. Er brüllte auf. Schon war die Makarow wieder auf sein Gesicht gerichtet. »O doch, Mike, du weißt ganz genau, was ich meine. Aber ich helfe dir gerne auf die Sprünge, wenn du das brauchst.«

Hyder zitterte nun am ganzen Leib. Sein Oberschenkel schmerzte höllisch. »Und wenn ... wenn ich dir was sage, dann bringst du mich um, oder?«

Hazel verzog voller Verachtung das Gesicht. »Verdient hättest du es ja, du hirnloser Affe. Schon allein wegen des Ekelgefühls deiner schweißigen Wurstfinger auf meinen Schenkeln. Es ist jedoch nicht nötig, dass ich dich abknalle. Denn du wirst der Polizei natürlich kein Sterbenswörtchen von unserem kleinen Date hier verraten. Wegen deiner Familie nicht. Und wegen deiner seltsamen Kirche nicht. Sonst wärst du ja erledigt. Aber so was von. Allerdings ...«

Hyder zuckte zusammen. »Was ... was meinst du?«

»Sollte ich mit deiner Antwort nicht zufrieden sein, werde ich mir's anders überlegen und dir doch eine Kugel in den Wanst schießen. Obwohl du sie eigentlich nicht wert bist.«

Hyder ächzte. »Bitte sag mir, was du meinst. Ich weiß es wirklich nicht.«

»Also, Süßer, dann stell mal deine Lauscher ...«

Metropolitan Opera, West Side Manhattan und Staten Island

Mary Eller war die Erste, die aufsprang, sich über die Brüstung beugte und begeistert klatschte. Ihr Mann Jason schloss sich an, ebenso das befreundete Ehepaar Mercer, mit denen sie die Loge teilten. Ihr Klatschen und ihre »Bravo«-Rufe wurden vom Rauschen des immer stärker werdenden Beifallorkans geschluckt, Hunderte weitere »Bravo«-Rufe wurden laut. Als sich der schwere Vorhang wieder öffnete und den Blick auf das Ensemble der Oper Rheingold freigab, rasteten die knapp viertausend Besucher förmlich aus. Das Gepfeife und Gejohle war ohrenbetäubend, und Mary Eller trug ihren Teil dazu bei, indem sie auf den Fingern pfiff. Wer sie so sah, wäre niemals auch nur entfernt auf den Gedanken gekommen, eine überaus erfolgreiche Strafverteidigerin vor sich zu haben.

Nachdem auch der vierzehnte Vorhang Geschichte war, schlang sie ihre Arme um den Hals ihres Mannes.

»Danke, danke, danke«, flüsterte Mary mit Tränen in den Augen. »Ein schöneres Geburtstagsgeschenk hättest du mir nicht machen können. »Rheingold, und dann auch noch eine der teuersten und besten Logen. Und dass du diese beiden Opernmuffel da überredet hast mitzukommen, setzt dem Ganzen noch die Krone auf. Ich ... weiß gar nicht, was ich sagen soll, ich bin überwältigt. Doch, jetzt weiß ich's.« Sie lächelte selig. »Ich liebe dich so sehr, Darling. Es war wirklich die beste Entscheidung meines Lebens, dich geheiratet zu haben.« Dann küsste sie ihn innig.

Nach der Vorstellung führte Jason Eller, ein Riese, ein fast sieben Fuß großer, kräftiger, sehr gut aussehender Mittvierziger, dessen kurze Haare bereits ergraut waren, das Quartett noch ins elegante Grand Tier Restaurant, das auf der Foyer-Ebene lag. Dort hatte er einen runden Tisch für vier Personen bestellt. Vor allem Mary zog mit ihrem langen schwarzen Abendkleid, der Perlenkette im tiefen Ausschnitt, den nach hinten gekämmten blonden Haaren und der Korkenzieherlocke, die frech in ihr Gesicht fiel, viele Blicke auf sich. Sie war nicht nur beruflich sehr erfolgreich, sondern darüber hinaus eine Schönheit mit nahezu perfekten Gesichtszügen.

»Was für ein wunderschöner Abend«, stellte Lynn Mercer fest und seufzte selig, während sie an ihrem Aperitif nippte. »Ich hätte niemals für möglich gehalten, dass mir ein Opernbesuch jemals so viel Spaß machen würde.« Sie lächelte. »Wenn uns Jason schon im Voraus gesagt hätte, wo es hingehen soll, wäre mir vielleicht doch kurzfristig etwas dazwischengekommen. So war die Überraschung perfekt.«

Mary räusperte sich. »Äh, wenn wir schon bei den Überraschungen sind, dann würden wir euch gerne etwas mitteilen ...«

Die Mercers sahen sie gespannt an.

Ted runzelte die Stirn. »Sag jetzt bloß nicht, dass ihr euch scheiden lasst.«

Mary lachte glockenhell. »Natürlich nicht.«

»Hm. Lass mich raten. Jason startet eine Wrestling-Karriere?«

Nun lachte Jason dröhnend und spannte einen Bizeps an. »Bring mich bloß nicht auf dumme Gedanken, Ted. Allerdings liegst du völlig daneben.«

Mary atmete einmal tief durch. »Nun, wir ... haben uns entschlossen, doch noch ein Kind zu adoptieren. Jason hat's geschafft, mich zu überreden. Wir haben die ersten Kontakte bereits geknüpft. Ende des Jahres werden wir zu dritt sein.«

Lynn Mercer starrte sie an. Plötzlich traten Tränen in ihre Augen. Sie rückte an Mary heran und umarmte sie.

»Herzlichen Glückwunsch euch beiden«, murmelte sie. »Ich freue mich so für euch.«

Auch Mary konnte ihre Tränen jetzt nicht mehr zurückhalten. Die Männer schüttelten sich die Hand.

»Macht ihr es über AdoptUSKids?«, wollte Lynn schließlich wissen, nachdem Jason eine Flasche Champagner geordert hatte.

Mary schüttelte den Kopf. »Das ist zu kompliziert, die Hürden dort sind viel zu groß. Wir sind mit einer Organisation in Verbindung getreten, die ausländische Kids vermittelt. Eine internationale Adoption ist zwar auch schwierig, aber Jason hat da ein paar Kontakte, die wir nutzen können. Ich denke, dass wir uns ein vietnamesisches Waisenmädchen holen werden. Sechs Jahre alt, sehr, sehr süß.«

»Hast du schon ein Foto?«, fragte Lynn.

Mary zeigte es ihr auf dem Handy.

»Wirklich süß. Ich bin begeistert.«

Sie gingen zum Wagen der Ellers. Der schwarze Jeep Wrangler Rubicon stand in der Tiefgarage des Lincoln Center, in dem sich auch die Metropolitan Opera befand. Jason fuhr über die Brooklyn Bridge, Brooklyn und die Verrazzano-Narrows Bridge nach Staten Island. Die ganze Zeit über herrschte tolle Stimmung im Wagen, Mary genoss außerdem die atemberaubenden Ausblicke auf den nächtlichen Big Apple.

Es war weit nach Mitternacht, als sie die Südspitze von Staten Island erreichten. Jason setzte die Mercers ab, die nur vier Häuser entfernt wohnten. Dann fuhr er den SUV in die Garage ihres großen Einfamilienhauses, das etwas abgelegen an der Satterlee Street direkt am Conference House Park stand. Ein hoher Zaun umgab das parkähnliche Grundstück. Im Rückspiegel beobachtete Mary, wie sich das elektronische Eingangstor schloss, das von schummrigem Licht angestrahlt wurde. Und das große, nur provisorisch mit Pappe bedeckte Loch im Zaun daneben, das ein flüchtiger Autofahrer gestern Nacht hinterlassen hatte.

»Das mit dem Loch im Zaun ist wirklich sehr ärgerlich«, sagte sie zu ihrem Mann.

Er nickte. »Morgen wird es repariert, dann ist das kein Thema mehr.«

Im Haus angekommen, konnte es Mary gar nicht erwarten. Sie zerrte ihren Mann ins Schlafzimmer. Bereits auf dem Weg dorthin blieben sämtliche Kleider liegen. Nach einer Stunde voller Zärtlichkeit und Liebe begab sich Jason in sein eigenes Schlafzimmer. Sie schliefen seit vielen Jahren getrennt, weil er fürchterlich schnarchte.

Mary las noch in einem Buch. Nach kurzer Zeit dämmerte sie weg, ohne das Licht gelöscht zu haben. Irgendetwas weckte sie. Als sie die Augen aufschlug, erschrak sie zu Tode. Eine schwarz gekleidete, vermummte Gestalt stand wie ein Geist vor ihrem Bett. Mary Eller blickte direkt in die Mündung einer Pistole. Und hörte das hämische Kichern von direkt dahinter.

FBI Field Office, Federal Plaza, Manhattan

Mr. High erwartete uns schon ungeduldig. »Ah, Jerry, Phil, da sind Sie ja«, sagte er und wies mit ausgestrecktem Arm auf die Sessel in der Sitzecke neben seinem Schreibtisch. »Nehmen Sie bitte Platz. Ich fürchte, ich habe einen neuen Fall für Sie. Einen ziemlich unschönen. Möglicherweise ist ein Serienkiller am Werk.«

Noch während wir uns setzten, brachte uns Helen, Mr. Highs Sekretärin, Kaffee und jeweils einen Bagel dazu.

»Wie das duftet«, sagte Phil schwärmerisch und lächelte dabei so breit, als wären ihm sämtliche Serienkiller dieser Welt im Moment herzlich gleichgültig. »Hat dir schon mal jemand gesagt, dass du den besten Kaffee der Welt machst?«

»Fantasielose Menschen sagen mir das zweimal am Tag. So wie du«, antwortete sie und schwebte hinaus.

Selbst Mr. High, der sich zu uns setzte, musste lächeln.

»Äh, ja. Sie verkennt mich vollkommen. Wenn sie nur ein einziges Mal mit mir ausgehen würde, müsste sie danach auf die Knie gehen und sich tausendmal für diese krasseste Fehleinschätzung des Jahrhunderts entschuldigen«, warf Phil in den Ring, bevor auch er sich auf das Wesentliche konzentrierte.

»Nun, Sir, was gibt es?«, fragte ich.

Der Chef überflog die handschriftlichen Notizen, die er sich gemacht hatte. Dann nickte er. »Ich habe vorhin einen Anruf vom NYPD erhalten. In Staten Island hat es heute Nacht einen brutalen Mord gegeben. Einem Mann namens Jason Eller wurde in seinem eigenen Haus die Kehle durchgeschnitten. Seine Frau Mary kam mit mittelschweren Verletzungen davon.«

Bei mir klingelte es sofort. »Sprechen Sie von dem Wirtschaftsprüfer und Unternehmensberater? Oder ist das nur eine zufällige Namensgleichheit?«

»Ist es nicht, Jerry. Es geht tatsächlich um diesen Jason Eller.«

»Seine Frau Mary ist Rechtsanwältin«, sagte Phil und nippte an seiner Kaffeetasse. »Das ist die, Jerry, die dich neulich vor dem Bezirksgericht mal so fies auseinandergenommen hat.« Er grinste mich an.

»Das hättest du wohl gern«, gab ich zurück.

»Stimmt, sie hat dich nicht geknackt. Da bist du einer der wenigen. Ich gebe es ja zu, Masters ist hauptsächlich wegen deiner Zeugenaussage, die sie nicht zerpflücken konnte, verurteilt worden.«

»Die Lady gehört zu den Besten ihres Fachs«, sagte Mr. High. »Sie hat die Doppelmörderin Jenna Sartor frei bekommen. Und den Terroristen Rasheed Hamilton konnte sie vor der Todesstrafe bewahren, obwohl die Beweislast gegen beide erdrückend war. Zumindest an diese spektakulären Fälle erinnere ich mich genau.«

»Ja«, bestätigte ich. »Da war doch auch noch der Milliardenbetrüger Raisabad Jong, dem sie statt lebenslänglich nur elf Jahre verschafft hat, indem sie eine Mitschuld seiner Anleger nachweisen konnte. Was genau ist mit Mrs. Eller passiert, Sir?«

»Sie werden es vor Ort herausfinden, Jerry. Mrs. Eller liegt noch im Staten Island University Hospital, scheint aber vernehmungsfähig zu sein.«

»Natürlich, Sir.« Ich nickte. »Wenn ich mich nicht täusche, war Eller in seinem Job ähnlich gut wie seine Frau.«

»Ja, Jerry. Er war der Topconsultant von Cooper & Towers. Und das will schon etwas heißen, denn die gehören landesweit zu den drei erfolgreichsten Unternehmensberatungen. Eller wurde nur auf die größten Firmen und auf die kompliziertesten Fälle losgelassen. Erst neulich habe ich ein Porträt im Forbes über ihn gelesen. Je undurchsichtiger es war, desto mehr lief er zur Hochform auf.«

»Wurden Eller nicht auch Mafiakontakte nachgesagt?«, fragte ich. »Meines Wissens hat er auch immer mal wieder für unseren alten Freund Wolkow gearbeitet.« Vladimir Wolkow war ein Gekröntes Haupt der russischen Mafia und besaß ein Geflecht von mindestens zwei Dutzend Firmen aller Art im Großraum New York.

»Nun, Wolkow arbeitet bevorzugt mit Cooper & Towers zusammen. Das steht in dem Forbes-Artikel. Tatsächlich hat Eller zwei marode Wolkow-Firmen so umstrukturiert, dass sie wieder gewinnbringend arbeiten.«

»Das schreit geradezu nach einem ersten Ansatzpunkt«, sagte Phil. »Wieso glauben Sie dann aber, dass Eller das Opfer eines Serienkillers geworden ist, Sir?«

»Nun, auf Ellers Stirn wurde mit schwarzem Filzstift die Zahl zweiundzwanzig samt einem mehr oder weniger gelungenen Totenschädel aufgemalt. So drückte sich jedenfalls Captain Myers aus, der für das NYPD am Tatort ist.«

Phil lächelte. »Ich kann mich da an so was erinnern, Sir. Gab es nicht erst neulich einen ähnlichen Fall? Irgendwo in Massachusetts, glaube ich ...«