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Eigentlich war es eine sichere Sache. Clanchef Wladimir Koroljow hatte einen Konkurrenten ermordet und sollte dafür verurteilt werden. Eine Zeugin, die abgeschirmt in einem Safe House untergebracht war, hatte die Tat gesehen und wollte im unmittelbar bevorstehenden Prozess aussagen. Doch dann überschlugen sich die Ereignisse. Das geheime Haus wurde überfallen, die Zeugin verschwand. Wir vom FBI ermittelten unter höchstem Zeitdruck - und erkannten bald, dass der Fall völlig ungeahnte Dimensionen annahm ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2021
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Die Zeugin
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Impressum
Die Zeugin
Donna Saltmans Schlaf war leicht. Seit Tagen lebte sie in ständiger Anspannung, die sich immer mehr verstärkt hatte. Sie schrak auf, als irgendwo im Haus etwas klirrte. Es klang, als wäre Glas zersplittert. Hatte sie sich das nur eingebildet? Jetzt war sie hellwach.
In der Dunkelheit hob sie den Kopf und lauschte. Sie wagte nicht, das Licht einzuschalten. Die Leuchtziffern ihrer Armbanduhr zeigten, dass es kurz nach halb drei war. Da erschien ein Lichtschein in der Ritze unter der Tür. Donnas Herz begann zu rasen, als sie Schritte hörte, die sich langsam näherten.
Nur wenige Sekunden später ging die Tür auf. Eine dunkle Gestalt erschien vor dem hell beleuchteten Hintergrund.
»Miss Saltman?«, fragte eine tiefe, beruhigende Stimme.
Es war der Sergeant, der die Nachtschicht der Wache übernommen hatte. Donna erinnerte sich an seinen Namen. Er hieß Kyler. Sergeant Matt Kyler.
Der Mann war in Zivil, gehörte aber zum New York Police Department.
»Miss Saltman, sind Sie wach?«
Sie schwang die Beine aus dem Bett. »Was ist los? Warum wecken Sie mich mitten in der Nacht?«
»Bitte bleiben Sie in Ihrem Zimmer. Egal, was passiert.« Jetzt sah sie, dass er seine Waffe gezogen hatte. »Ich muss das Haus durchsuchen. Ich habe ein seltsames Geräusch gehört.«
Es war also doch keine Einbildung gewesen.
»Öffnen Sie keinesfalls diese Tür«, ermahnte sie der Polizist. Dann ging er und ließ Donna im Dunkeln zurück. Alles, was blieb, war der Lichtschein unter dem Türblatt.
Die Schritte entfernten sich und gingen in dem Geräusch unter, das von Donnas immer stärkerem Herzklopfen herrührte. Dazu vernahm sie ein Singen in den Ohren. Es waren die ersten Anzeichen einer beginnenden Panik.
Ruhig bleiben, ermahnte sie sich selbst. Du musst ruhig bleiben. Du musst nicht mehr lange in diesem Haus leben. Noch zwei Tage, dann hast du es geschafft. Dann hast du deine Aussage gemacht und kannst wieder ein freies Leben führen ...
Irgendwo im Haus rumpelte etwas. Dann folgte ein Ruf, so etwas wie ein kurzer Befehl. Wahrscheinlich ausgestoßen von Sergeant Kyler. Er musste auf einen Eindringling getroffen sein.
Auf wen auch immer der Polizist getroffen war, es war kein gewöhnlicher Einbrecher. Sie waren hinter ihr her. Und sie mussten herausgefunden haben, wo sie sich aufhielt.
Der Gedanke ließ sie innerlich erstarren. Was konnte sie tun?
Sie hatte keine Zeit, darüber nachzudenken, denn in diesem Moment zersplitterte das Fenster.
Der Lärm kam Donna so gewaltig vor, dass sie glaubte, ihr Herz bliebe stehen. Unwillkürlich sprang sie auf und drängte sich an die Wand. Draußen gab es ein schabendes Geräusch. Donna presste sich an die Tapete und wagte nicht zu atmen. Der Lichtkegel einer Taschenlampe traf das zerwühlte Bett und tastete über die Wände.
Kurz darauf kletterte jemand herein.
Wieder rumpelte es irgendwo. Schnelle Schritte waren zu hören, dazu Rufe. Die Gestalt war in das Zimmer eingedrungen und schien ebenfalls zu lauschen, was in irgendeinem anderen Raum des Hauses vorging.
Donna nutzte die Gelegenheit und schob sich Inch für Inch an der Wand entlang zum Fenster.
Die Person, die eingedrungen war, beleuchtete mit der Lampe die Tür. Wieder war von irgendwo ein Schrei zu hören.
Sie waren also mindestens zu zweit. Der eine hatte die Aufgabe, den Sergeant abzulenken, der andere sollte sich Donna vornehmen. Sie brauchte nicht viel Fantasie, um sich auszumalen, was sie mit ihr vorhatten.
Mittlerweile hatte ihre linke, an die Wand gepresste Hand das Fenster erreicht. Der Eindringling schien nachzudenken. Wahrscheinlich überlegte er, ob er seinem Komplizen zu Hilfe kommen sollte. Und vielleicht vermutete er Donna nicht hier im Raum, sondern irgendwo anders.
Er ging auf die Tür zu, öffnete sie und trat auf den Gang. Donna wusste, dass sie eine winzige Chance hatte. Und sie war bereit, sie zu nutzen.
Innerhalb von zwei Sekunden hatte sie sich aus dem Fenster geschwungen. Es gab etwas Lärm, als ihre nackten Füße auf das Metall der Feuerleiter trafen. Sicher hatte der Eindringling bemerkt, was los war.
Egal, sie musste weiter.
Sie erreichte das untere Ende der Leiter und ließ sich auf die Straße fallen. Der Boden war nass vom Regen, dazu glitschig und kalt, und Donna trug nichts als eine Jogginghose und ein Sweatshirt. Dieses Outfit ersetzte bei ihr den Pyjama.
Etwa zwanzig Yards weiter flog die Haustür auf. Jemand lief heraus. Es war Kyler. Ein Schuss peitschte auf. Kyler ging zu Boden. Da folgte eine zweite Person, offenbar der Schütze. Donna war schreckerstarrt und verlor wertvolle Sekunden. Auf einmal war jemand über ihr auf der Metalltreppe.
Jetzt kam Leben in Donna. Sie wollte losrennen, doch da wurde sie schon von hinten gepackt und nach unten gerissen. Eine schwere Gestalt warf sich von hinten auf ihren Rücken und drückte ihr Gesicht auf den Asphalt.
Es ist vorbei, dachte Donna. Aus und vorbei. Sie haben Kyler erschossen, und du wirst auch gleich tot sein. Hoffentlich geht es schnell ...
Der Angreifer schoss jedoch nicht. Er hielt sie nur fest. Im nächsten Moment näherte sich das Geräusch eines Wagens, der direkt neben Donna zum Stehen kam. Dann riss man sie nach oben.
Sie war so geschockt, dass sie sich nicht wehren konnte. Auf einmal hatte sie etwas über dem Kopf. Es musste ein Sack oder ein Beutel sein. Man stieß sie in den Wagen. Einer der beiden hielt sie immerzu in einem eisernen Griff.
Dann beschleunigte das Fahrzeug, und sie fuhren davon.
Das elektronische Klingeln meines Telefons traf mich, als ich gerade von warmen Urlaubstagen in Florida träumte. Die herrliche Brise traf tiefblaue Wellen, setzte ein paar Palmen, die malerisch am Strand standen, in sanfte Bewegung.
Doch da war es schon vorbei. Reflexartig wurde ich wach, hob den Kopf und griff nach dem Handy. Das Display zeigte 3:21 Uhr, dazu den Namen des Anrufers.
Es war unser Chef. Assistant Director in Charge John D. High.
Mit einer schnellen Handbewegung wischte ich mir den letzten Rest von Schlaf aus den Augen und meldete mich. »Guten Morgen, Sir.«
»Guten Morgen, Jerry. Es tut mir leid, dass ich Sie wecken muss. Aber Ihre Anwesenheit im Büro ist dringend erforderlich. Ihre und natürlich auch Phils. Ich werde ihn als Nächstes aufwecken. Sie können ihn dann gleich mitbringen.«
Während er sprach, hatte ich mich schon hingesetzt und spürte, wie mein Blutkreislauf langsam in Gang kam. Der letzte Tag war anstrengend und lang gewesen.
»Darf ich fragen, worum es geht, Sir?«, fragte ich. »Nur damit wir schon mal im Bilde sind.«
»Natürlich. Sie sollten die Zeit im Wagen nutzen und sich mithilfe des Bordcomputers informieren. Sagt Ihnen der Name Donna Saltman etwas?«
Ich brauchte zwei, drei Sekunden, um darauf zu kommen, woher ich den Namen kannte. »Sie ist die Zeugin im Koroljow-Prozess, der bald beginnt.«
»So ist es«, sagte Mr. High. »Und der Prozess beginnt morgen. Leider ist etwas geschehen, das die ganze Sache gefährdet. Miss Saltman wurde vor einer Stunde entführt.«
»Entführt?«, fragte ich verwundert. »Sind Sie sich sicher? Sie wurde nicht ermordet?«
»Ich weiß, was Sie meinen, Jerry. Normalerweise fackelt man nicht lange und bringt unliebsame Zeugen gleich um. So wie den Sergeant, der Miss Saltman bewacht hat. Er wurde erschossen. Aber offenbar handelt es sich tatsächlich um eine Entführung. So viel für den Moment. Weiteres dann im Büro. Bitte beeilen Sie sich. Uns droht die Zeit davonzulaufen.« Damit legte er auf.
Ich war innerhalb von zehn Minuten fertig, fuhr mit dem Aufzug hinunter in die Tiefgarage und stieg in meinen Jaguar. Phil anzurufen, war überflüssig, denn das wollte ja der Chef übernehmen. Als ich die gewohnte Straßenecke erreichte, stand mein Partner auch schon da und wartete auf mich.
»Wie lang hast du geschlafen?«, fragte er gähnend, nachdem er in den Wagen gestiegen war.
»Vier Stunden«, erklärte ich.
»Du Glücklicher«, gab er nach einem ausgiebigen Gähnanfall zurück. »Ich hab den Fehler gemacht, mich noch in die Astor Lounge zu setzen. Sie haben da eine neue Barkeeperin ... Sie heißt Sally ... Jedenfalls wollte ich gerade schlafen gehen. Und dann war der Chef am Telefon.« Wieder unterbrach er sich und gähnte.
»Hast du wenigstens Chancen bei ihr?« Ich fuhr, so schnell es ging, und hatte das Warnlicht eingeschaltet. Auf die Sirene verzichtete ich zugunsten des Schlafs meiner New Yorker Mitbürger. Der Verkehr war nicht besonders stark. Die Leuchten gaben uns nur Sicherheit, weil wir die zulässige Höchstgeschwindigkeit deutlich überschritten.
»Sie ist verheiratet«, sagte Phil kleinlaut. »Es hat eine Weile gedauert, bis sie damit rausgerückt ist. Ihr Mann ist Chefarzt in irgendeinem Krankenhaus. Na ja, ich bin dann nach Hause gegangen.«
»Ich glaube, ich habe ein gutes Mittel, um wach zu werden, alter Junge.« Ich deutete auf das Tablet, das in der Halterung am Armaturenbrett ruhte.
Als wir eine gute halbe Stunde später im Jakob K. Javits Federal Building in den Aufzug stiegen, hatten wir uns auf den aktuellen Stand im Fall Koroljow gebracht.
Wladimir Koroljow, der auf seinen Prozess wartete, wurde beschuldigt, den mit ihm verfeindeten Mafiaboss Mario Gentile erschossen zu haben. Beide, Koroljow und Gentile, hatten eine Menge Dreck am Stecken und ihre Finger in den verschiedensten kriminellen Geschäften und Machenschaften gehabt. Leider war es weder dem NYPD noch dem FBI gelungen, sie irgendwie dafür zu belangen. Dann war Gentiles Leiche am Ufer des Hudson River entdeckt worden. Und wie durch ein Wunder gab es eine Zeugin, die dafür sorgen konnte, dass wenigstens diese Tat gesühnt wurde.
Es war Donna Saltman, die ihr Geld als Stripperin in einem Klub namens Moonlight Paradise verdiente. In einem Hinterzimmer dieses Klubs sollte der Mord geschehen sein. Die Kollegen fanden entsprechende Blutspuren, die zwar beseitig worden waren, die man aber trotzdem mit einem chemischen Stoff namens Luminol hatte nachweisen können. Es folgte eine große Untersuchung, in der man der Frage nachging, ob auch der Klubbesitzer eine Rolle gespielt hatte. Er konnte jedoch glaubhaft machen, von dem Mord nichts gewusst zu haben. Und Donna Saltman beschuldigte ganz klar Wladimir Koroljow. Ihn allein. Der Prozess war die einzigartige Chance, den Boss eines russischen Mafiaclans ein für alle Mal loszuwerden.
Und nun war die entscheidende Zeugin verschwunden.
Wir hatten im Wagen auch schon die ersten Protokolle des NYPD durchgesehen. Die Beamten der New Yorker Polizei waren als Erste am Tatort gewesen. Anwohner hatten einen Schuss gehört und sie deswegen alarmiert. Donna Saltman hatte sich in einem geheimen Safe House aufgehalten, einem Rückzugsort, der eigens für gefährdete Personen wie Zeugen gedacht war. Als sie dort ankamen, waren sie auf die Leiche von Sergeant Matt Kyler gestoßen, der in dieser Nacht den Wachdienst hatte.
Der Chef saß konzentriert am Schreibtisch seines Büros und blickte auf, als wir eintraten. Er bat uns, Platz zu nehmen.
»Es ist unverantwortlich, dass nur ein einzelner Beamter die Wache in solch einem Safe House übernimmt«, brummte Phil. »Wenn ich mich recht erinnere, haben wir das schon häufiger kritisiert.«
Mr. High nickte. »Sie glauben nicht, wie oft ich schon mit dem Polizeichef und dem Commissioner das Thema Personalmangel besprochen habe. Leider wird auf dem Gebiet nur vertröstet und es geschieht nichts.«
»Vielleicht nehmen sie ja diesen Fall zum Anlass, endlich etwas zu ändern«, sagte ich. »So schlimm es auch ist, geschehen ist geschehen. Wir können doch sicher davon ausgehen, dass es Koroljows Leute waren, die Donna Saltman entführt haben. Denn sie haben das größte Interesse daran, dass der Prozess platzt.«
»Warum haben sie die Frau nicht einfach erschossen?«, fragte Phil.
»Das haben wir uns auch schon gefragt.« Mr. High sah mich an, denn wir hatten ja am Telefon darüber gesprochen. »Und es könnte dafür eine Erklärung geben. Die Koroljow-Leute mussten so vorgehen, dass kein Verdacht auf sie fällt. Wenn es uns gelingt, eine Verbindung zwischen ihnen und den heutigen Vorgängen im Safe House herzustellen, wird das den Prozess trotzdem zu Koroljows Ungunsten beeinflussen.«
Ich seufzte. »Wahrscheinlich liegt darin unsere einzige Chance. Donna Saltman ist sicher schon tot. Aber wenn wir die Verbindung finden, können wir trotzdem der Gerechtigkeit zum Sieg verhelfen.«
»Das sehe ich auch so«, sagte Mr. High. »Ich möchte Sie jedoch bitten, die Hoffnung nicht aufzugeben. Es könnte nämlich noch ein anderes Szenario infrage kommen.« Er hob die Brauen und sah mich auffordernd an.
Plötzlich wusste ich, welchen Gedanken er hatte. Phil wusste es auch, und mein Partner war es, der ihn aussprach.
»Sie verstecken Donna Saltman und hoffen darauf, dass Koroljow wegen ihrer Abwesenheit freigelassen wird. Dann bringen sie die Zeugin um. Er kann wegen des Mordes an Gentile kein zweites Mal vor Gericht gestellt werden. Und wenn sie bei dem Mord an Miss Saltman geschickt zu Werke gehen und es keine Verbindung zu den Koroljows gibt, hat sich für den Mafiaboss alles erledigt.«
»Und genau darin liegt Ihre zweite Chance«, erwiderte Mr. High. »Lassen Sie uns keine weitere Zeit verlieren. Wir haben ziemlich genau dreißig Stunden.«
Wir gingen in unser Büro. Phil ließ sich in seinen Stuhl fallen und gähnte. »Hoffen wir, dass wir die Sache schnell aufklären. Vielleicht können wir dann heute wenigstens einigermaßen pünktlich Feierabend machen.«
»Du willst doch nur zu deiner Susan«, sagte ich, während mein Computer hochfuhr.
»Sally«, berichtigte Phil mich. »Und sie ist eh schon vergeben. Das habe ich dir ja erzählt. Aber die Bars sind voll von hübschen Frauen.«
Ich grinste ihm zu. »Na, dann beeilen wir uns besser.«
Der Wagen fuhr langsam. Das konnte Donna Saltman spüren, obwohl sie nicht das Geringste sah. Wahrscheinlich setzten die Gangster alles daran, nicht aufzufallen und in keine Polizeikontrolle zu geraten.
Die Fahrt dauerte lange. Donna hatte zwar das Zeitgefühl verloren, aber irgendwann begann sie, die Sekunden zu zählen, die zu Minuten wurden. Schließlich schätzte sie, dass sie schon fast eine Stunde unterwegs sein mussten.
Am Anfang hatte sie der eine Gangster noch festgehalten. Irgendwann hatte er etwas an ihren Handgelenken gemacht und Donna gefesselt. Vermutlich mit Kabelbinder.
So lag sie mit dem Sack über dem Kopf auf dem Bauch. Ihre nackten Füße stießen hinten an eine Heckklappe. Offenbar lag sie in einem Transporter oder Kombi. Sie fror in der der leichten Nachtkleidung, die sie trug.
Seltsamerweise hatte das starke Herzklopfen nachgelassen. Dabei war klar, was nun geschah. Sie hatten sie nicht in dem Safe House oder davor auf der Straße erschießen wollen. Wahrscheinlich, um so wenig Spuren wie möglich zu hinterlassen. Stattdessen brachten sie sie irgendwohin, wo sie die Sache unbemerkt beenden konnten.
Der Gedanke setzte in Donna einen plötzlichen Überlebenswillen frei. Gab es nicht doch eine Chance davonzukommen?
Auf keinen Fall hier im Wagen. Erst wenn sie an ihrem Ziel waren.
Sie versuchte sich abzulenken, indem sie weiter die Sekunden zählte. Dann spürte sie, wie der Wagen abbog und langsamer wurde. Es ging wieder um eine Kurve. Der Untergrund unter den Reifen änderte sich. Es wurde holprig. Der Wagen hielt.
Sie hörte, wie hinten geöffnet wurde. Kalte Luft drang herein.
Jemand packte ihre Beine, zog sie grob heraus, kurz darauf stand sie auf kaltem Stein.
Ihr Plan zerfiel zu nichts. Sie hatte keine Chance. Ihre Hände waren auf dem Rücken gefesselt. Man nahm ihr den Sack nicht herunter.
»Los, vorwärts«, sagte eine Stimme, und es war das erste Mal, dass man mit ihr sprach.
Jemand drängte sie von hinten. Sie setzte einen Fuß vor den anderen. Sie mussten mindestens dreißig, vierzig Yards zurückgelegt haben, als der Marsch endete. Jemand schien ihre Fesseln durchschnitten zu haben. Ihre Hände waren frei. Und sie konnte den Sack selbst vom Kopf ziehen.
Das Erste, was sie wahrnahm, war Tabakqualm. Sie erkannte, dass sie sich in einem käfigartigen Raum befand. Es war ein durch ein Gitter abgetrennter Bereich eines Kellers. Die Sperre hatte eine Tür, die ebenfalls aus Gittern bestand. Ansonsten gab es nur dunkelrote und bräunliche Mauern, an denen Leitungen entlangliefen. Eine schmutzige Glühbirne verströmte funzeliges Licht. Ein altes Bettgestell diente als Sitz- oder Liegegelegenheit.
Auf der anderen Seite des Gitters stand eine Gestalt. Sie ließ gerade ein Vorhängeschloss einrasten, drehte den Schlüssel herum und steckte ihn in die Tasche ihrer Jeans. In der anderen Hand hielt sie eine brennende Zigarette. Es war eine kleine, hässliche Frau. Ihr halblanges, glattes Haar glänzte fettig. Ihre Pausbacken gaben ihrem Gesicht etwas Hamsterartiges.
Die Frau nahm einen Zug und stieß den Rauch aus.
»Viel Spaß da drin.« Sie grinste.
Im Hintergrund, wo hinter einem breiten Durchgang ein weiterer Raum lag, konnte Donna undeutlich eine zweite Person ausmachen. Sie war größer und von kompakter Gestalt. Wahrscheinlich ein Mann.
»Was haben Sie vor mit mir?«, fragte Donna.
»Nicht mehr viel«, gab die Frau zurück. Ihr Grinsen wurde breiter, und jetzt bemerkte Donna unter ihrer Nase einen schwarzen Schatten. Es war ein Damenbart. »Wir warten nur auf eine günstige Gelegenheit.«
Der Fall war so brisant, dass Mr. High nicht nur Phil und mich informiert hatte. Innerhalb der nächsten halben Stunde traf die gesamte Taskforce T. A. C. T. I. C. S. ein, die sich mit dem organisierten Verbrechen in New York befasste. Die Abkürzung stand für Transnational Anti Crime Tactical Intervention Central Squad. Außer Phil und mir gehörten noch Steve Dillaggio, Les Bedell, Joe Brandenburg und unser indianischer Kollege Zeerookah dazu, außerdem die Supervisory Special Agents Dr. Iris McLane, die uns als Psychologin beriet, und Dr. Ben Bruckner, unser jugendliches Computergenie. Zum Glück kam auch Mr. Highs Vorzimmerdame Helen dazu, die nicht nur die organisatorische Arbeit für unseren Chef erledigte, sondern auch den besten Kaffee in New York kochte.