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Seit Kurzem waren mehrere Mitglieder des Lopez-Clans, einer Bande von Dieben, Schwarzhändlern und Drogenkurieren, verschwunden. Da es sich um die Aktion einer Mafiafamilie handeln könnte, wurden wir vom FBI eingeschaltet. Mr. High hatte jedoch schon bald einen neuen Auftrag für uns. Phil und ich trauten unseren Ohren nicht: Wir sollten ein Pferd beschützen! Zakir, ein junger Diplomat und Sohn eines mächtigen Scheichs aus Saudi-Arabien, hatte ausdrücklich um unsere Hilfe gebeten. Sein Hengst al-Shaytan sollte beim Belmont-Stakes-Pferderennen auf Long Island laufen. Der Wert des Tiers wurde auf dreizehn Millionen Dollar geschätzt. Zakirs Sorge war nicht unberechtigt. Denn vor zwei Jahren war Shaytans Vorgänger spurlos verschwunden ...
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Shaytans Rache
Vorschau
Impressum
Shaytans Rache
Sie kamen unaufhaltsam näher. Es waren zwei, und sie mussten über die Kondition von Langstreckenläufern verfügen. Wie Hammerschläge trommelten ihre Absätze auf den Asphalt. Er keuchte, aber von seinen Verfolgern war, abgesehen von den Laufschritten, nichts zu hören. Im Licht des Vollmonds schimmerte der Bodenbelag silbern. Es war zu hell, um hinter einem Container Schutz zu finden. Abrupt endete die Straße. Mit rasendem Herzschlag blieb er stehen. Vor ihm fiel eine Mauer gut achtzehn Fuß senkrecht zum Kai hin ab. Hinter ihm drosselten die Verfolger ihr Tempo. Als er sich zu ihnen umdrehte, blendeten sie ihn mit zwei starken Taschenlampen.
Verdammt, was waren das für Kerle? Was wollten sie von ihm? Verzweifelt schloss er die Augen und nahm all seinen Mut zusammen. Dann sprang er in die Tiefe.
Ich zog meine Jackett enger um die Schultern. Es nützte nichts, es war einfach nicht warm genug für die kühle Nachtluft am Hafen. Phil trug eine dicke Windjacke, ich beneidete ihn darum.
Der Kai war hell erleuchtet. Das Warnlicht des Krankenwagens, der Vollmond, die starken Lampen der Kollegen vom NYPD, die Strahler der Hafenanlagen, sie alle machten die Nacht zum Tag. Nur meine Müdigkeit deutete auf halb drei in der Frühe hin. Ich beobachtete, wie die Trage mit dem Schwerverletzten behutsam in den Krankenwagen verfrachtet wurde.
»Irgendwelche Zeichen von Fremdeinwirkung?«, fragte Phil den Notarzt.
»Auf Anhieb sind keine feststellbar«, antwortete der Mann.
»Und wie stehen seine Chancen?«
»Ich bin kein Hellseher, Agent. Prognosen im Medizinbereich lassen sich nicht wie Wahlergebnisse vorhersagen. Der Kerl hat sich außer dem Genick so ziemlich alles gebrochen. Ob er überlebt, hängt im Wesentlichen davon ab, wie schnell er aus dem Koma erwacht. Wenn er das Bewusstsein nicht innerhalb der kommenden vierundzwanzig Stunden wiedererlangt, sollten Sie sich keine allzu großen Hoffnungen machen.«
Das waren trübe Aussichten. Wir hätten gerne mit dem Mann gesprochen.
»Sieht so aus, als wären wir ganz umsonst mitten in der Nacht aufgestanden.« Aber Phil lächelte dabei und sah deutlich wacher aus, als ich mich fühlte.
Beim Krankenwagen entstand Tumult. Die Türen waren bereits verschlossen, der Transporter abfahrbereit. Doch eine Frau mit beachtlichem Körperumfang und Stimmvolumen hinderte ihn daran.
»Sie wagen es, einer Mutter zu verbieten, die Hand ihres hijo zu halten? Was sind Sie nur für ein Mensch, Sie Hurensohn!« Sie spuckte auf den Boden. Die folgenden Flüche hätten jedem Seemann Ehre gemacht.
»Es tut mir leid, Señora. Die Mitfahrt von Angehörigen im Krankenwagen ist nun mal verboten.« Der Sanitäter ließ sich nicht aus der Ruhe bringen.
»Das Gesetz!« Die Frau schnappte empört nach Luft. »Das Gesetz, Sie fellhäutiges Ungeheuer, ist mir scheißegal.«
Phil und ich wechselten einen Blick. Wir wussten, wer die Frau war. Sie hieß Donna Esmeralda und gehörte zur Lopez-Sippe.
»Sie können mit mir fahren, Señora«, bot ich an.
Phils Kinnlade fiel herunter. Damit war sein Platz in meinem Jaguar besetzt, mehr als zwei Personen passten nicht hinein.
»Und wer sind Sie, Mister?« Die voluminöse Frau musterte mich mit skeptischem Blick. »Ich kenne Sie nicht. Am Ende sind Sie ein Lustmolch, der mir an die Wäsche will.«
Phil wandte sich ab, und ich konnte ein leises unterdrücktes Glucksen vernehmen.
»Ich bin Special Agent Cotton vom FBI.«
Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen.
»FBI!«, wetterte sie los. »Und warum haben Sie meinen Eduardo nicht beschützt, Sie krakenarmiger Wurm? Wozu seid ihr Feds überhaupt gut, wenn ihr immer zu spät kommt und nicht verhindern könnt, dass Menschen verschwinden oder verunglücken?«
Ich hätte ihr erklären können, dass wir unmöglich alle Kleinganoven von New York rund um die Uhr bewachen konnten, nicht einmal die Angehörigen des weitverzweigten Lopez-Clans. Aber ich bezweifelte, dass sie das hören wollte.
Noch während sie weiter schimpfte, öffnete sie die Beifahrertür des Jaguar und ließ sich in den Sitz plumpsen, der unschön unter ihrem Gewicht ächzte. Ihre Fleischmassen quollen bis zu meiner Seite hinüber.
»Schicker Wagen«, bemerkte sie beiläufig zwischen zwei Flüchen.
Phil stand ein wenig ratlos bei den Kollegen vom NYPD.
»Wir sehen uns später im Büro!«, rief ich ihm zu. Er konnte sich ja von denen hinbringen lassen. Oder ein Taxi nehmen. Immerhin hatte er eine dicke Jacke und musste nicht frieren.
Donna Esmeralda Lopez, die Mutter des verunglückten Eduardo, schimpfte ohne nennenswerte Pause weiter, und ich ließ sie reden. In ihrem aufgebrachten Zustand würde ich nichts aus ihr herausbekommen. Bis zu einem gewissen Grad konnte ich ihren Ärger sogar verstehen.
Ich arbeitete mit Phil schon seit zwei Wochen an dem Fall Lopez. Auf unerklärliche Weise verschwanden Mitglieder des Clans spurlos von der Bildfläche. Auf den ersten Blick war das zwar kein Fall für unsere Taskforce, da die Lopez-Sippe jedoch aus kleinkriminellen Schmugglern, Trickbetrügern, Dieben und Schwarzhändlern bestand, war es möglich, dass sie einer der großen Mafiafamilien in die Quere gekommen war. Aus diesem Grund landeten die Vermisstenfälle schließlich doch auf unseren Schreibtischen. Und aus diesem Grund war die schwergewichtige Lady neben mir so schlecht auf das FBI zu sprechen.
Als sie endlich eine Verschnaufpause einlegte, ergriff ich die Gelegenheit beim Schopf.
»Was hatte Eduardo mitten in der Nacht am Hafen zu suchen?«, erkundigte ich mich im leichten Plauderton.
»Na, was wohl?« Sie schnaufte. »Er hat Schmuggelware in Empfang genommen.«
Der Gedanke, ein FBI-Beamter könnte diese Information gegen sie verwenden, war ihr offensichtlich fremd.
»Allein?«, forschte ich nach.
»Ja, Agent Superschlau. Normalerweise wäre sein Schwager bei ihm gewesen. Da von Carlos weiterhin jede Spur fehlt, war mein Eduardo allein unterwegs.«
Wir hatten schon einige Mitglieder der Lopez-Sippe zu den Vermisstenfällen befragt, Donna Esmeralda allerdings noch nicht.
»Hatte Eduardo Feinde?«, wollte ich wissen.
»Worauf Sie einen lassen können, Agent. Aber ich bin mir sicher, dass sein Unglück etwas mit dem Verschwinden der anderen zu tun hat. Oder halten Sie das Ganze etwa für Zufall?«
Das tat ich nicht. Bandenkriege waren im Kleinkriminellenmilieu zwar an der Tagesordnung, der Lopez-Clan hatte sich jedoch freiwillig an die Cops gewandt, das sprach eindeutig gegen diese Theorie.
Die gesamte Sippe war offenbar der Meinung, ihre schmutzigen Geschäfte wären ein Job wie jeder andere. Doch keiner von ihnen hatte eine Ahnung, wer hinter den seltsamen Vermisstenfällen stecken könnte.
»Da will jemand unsere gesamte Familie ausrotten!« Donna Esmeralda schluchzte, und ihre Fleischberge bebten. »Wahrscheinlich leben unsere Jungs längst nicht mehr. Unsere Familie mag es mit dem Gesetz nicht so genau nehmen, das kann schon sein. Es gibt ja auch so viele unsinnige Vorschriften in diesem Land. Aber wir sind keine Mörder, Agent. Wir sind rechtschaffene Menschen, und Sie müssen uns helfen!«
Plötzlich wirkte sie wie ein verstörtes junges Mädchen. Ich begriff, dass hinter ihrer burschikosen Fassade ein verletzliches Wesen wohnte.
»Könnte Eduardo nicht nur einen Unfall gehabt haben?«, fragte ich.
»Niemals. Er litt schon als Kind unter extremer Höhenangst. Er war vorsichtig und wäre niemals ohne Grund in die Tiefe gesprungen.«
Wir hatten das Mount Sinai Hospital erreicht. Ich brachte Donna Esmeralda zum Informationsschalter, wo wir erfuhren, dass Eduardo auf der Intensivstation lag. Als ich mich verabschiedete, versprach ich ihr, mich mit Nachdruck um die Angelegenheit zu kümmern.
Es lohnte sich nicht, noch einmal nach Hause zu fahren. Stattdessen steuerte ich ein Bistro in der Nähe des Field Office an und bestellte Kaffee und ein Sandwich. Zu dieser frühen Stunde war wenig los, die Serviererin schäkerte ein wenig mit mir herum, während sie mein Frühstück auftischte.
Ich hatte erst ein paar Bissen zu mir genommen, als die Türglocke einen neuen Gast vermeldete. Phil trat ein und rieb sich die Hände.
»Ich hoffe, du konntest deine Finger von Donna Esmeralda lassen«, begrüßte er mich zwinkernd. Den kleinen Ausflug mit der Subway, zu dem ich ihn genötigt hatte, nahm er mir nicht übel. »Was tut man nicht alles für das junge Liebesglück seines Partners?«
Wir unterhielten uns noch eine Weile über den Fall, kamen jedoch nicht weiter.
»Vielleicht haben sich die Lopez-Jungs im Drogenhandel versucht«, mutmaßte Phil. »Dagegen hätten mit Sicherheit gleich mehrere Mafiafamilien etwas einzuwenden.«
»Möglich«, bestätigte ich. »Dann dürfte es aber schwer werden, die Täter zu finden.«
Im Field Office erwartete uns eine Menge Schreib- und Routinearbeit, und so waren wir ganz glücklich, als uns Mr. High am späten Vormittag in sein Büro beorderte. Unser Chef war nicht allein. Ein schlanker junger Mann saß lässig im Besuchersessel. Die Beine locker übereinandergeschlagen hielt er ein Whiskyglas in der Hand. Für meinen Geschmack war es für einen Drink noch reichlich früh.
Der Besucher trug ein weißes Hemd, eine Designerjeans und am Armgelenk eine Uhr, deren Wert ich auf mehrere meiner Monatsgehälter schätzte. Seine Haut hatte einen attraktiven Olivton, die Augen waren nachtschwarz und blickten uns durchdringend an. Sein Haar war kurz geschnitten und ebenfalls von tiefschwarzer Farbe.
Während Mr. High uns begrüßte und freundlich anlächelte, verzog der Besucher keine Miene.
»Jerry, Phil, darf ich Ihnen Mister Zakir bin Rashid bin Muhammad al-Saud vorstellen? Er kommt aus Saudi-Arabien und lebt als Diplomat in den USA.« Und an den Fremden gewandt: »Das sind Special Agent Cotton und Special Agent Decker, meine besten Männer.«
Der junge Diplomat nickte uns zu, ohne dass sich sein düsterer Blick aufhellte. Es war mir nicht möglich, einen brauchbaren ersten Eindruck von ihm zu gewinnen.
»Mister al-Saud hat uns um Hilfe gebeten«, fuhr Mr. High fort.
»Zakir«, meldete sich der Besucher erstmals zu Wort. Seine Stimme klang unerwartet hoch für einen Mann. »Nennen Sie mich Zakir. Alles andere ist sehr umständlich.« Er nahm einen Schluck Whisky.
Mr. High zögerte, bevor er weitersprach. »Es geht um ... Begleitschutz. Mister al-Saud hat ein teures Reitpferd aus Saudi-Arabien in die Vereinigten Staaten einfliegen lassen. Er möchte sichergehen, dass dem Tier nichts geschieht.«
Ich traute meinen Ohren nicht. Ein Pferd? Da konnte es sich wohl nur um einen Scherz handeln. Hätte Mr. High mir nicht einen beschwörenden Blick zugeworfen, ich hätte laut aufgelacht. Nun aber schloss ich den Mund wieder, den ich schon geöffnet hatte, um eine entsprechende Bemerkung zu machen.
»Al-Shaytan ist dreizehn Millionen Dollar wert«, erklärte unser Chef. Ich sah ihm an, dass ihm die Situation ebenso wenig gefiel wie Phil und mir.
»Satan.« Der junge Araber nahm einen weiteren Schluck.
»Wie bitte?« Phil runzelte die Stirn.
Wir waren offenbar alle ein wenig überfordert.
»Al-Shaytan bedeutet Satan. Er ist ein Teufelspferd.« Zum ersten Mal deutete der Diplomat ein Lachen an. Es hatte ebenfalls etwas Diabolisches.
»Shaytan wird in einer Woche das Belmont-Stake-Rennen auf Long Island laufen«, erklärte Mr. High. »Es ist eines der Triple-Crown-Rennen, der drei bedeutendsten Turniere der USA. Dem Tier darf nichts zustoßen.«
»Was ist mit dem Lopez-Fall?«, fragte Phil. »Heute Nacht gab es einen neuen Vorfall. Ein Mann ist über eine Kaimauer gestürzt. Wenn er überlebt, erhoffen wir uns neue Informationen über die Vermissten.«
»Ich habe Steve und Zeerookah gebeten, an dem Fall weiterzuarbeiten«, antwortete Mr. High. »Damit Sie beide sich ganz auf Shaytan konzentrieren können.«
Phil verstummte. Es schien, als wäre das Ganze längst abgemachte Sache. Wir mussten den Fall Lopez ruhen lassen, um ein Pferd zu beschützen!
»Wo befindet sich Shaytan im Moment?«, erkundigte ich mich resigniert.
»Auf dem JFK Airport. Die Ställe am Flughafen gelten als die sichersten in ganz New York. Dort werden die Tiere direkt nach der Einreise untergebracht. Der Trainer des Pferds ist bei ihm. Die dreitägige Quarantäne endet heute, und Shaytan soll am Nachmittag abgeholt werden.«
Ich unternahm einen letzten Versuch, unsere Köpfe aus der Schlinge zu ziehen. »Gibt es keine Spezialisten für so etwas?«
»Natürlich gibt es die!«, rief der junge Diplomat ungeduldig. »Aber ich möchte kein Risiko eingehen. Vor zwei Jahren wurde Shaytans Vorgänger, sein Halbbruder al-Easifa, von einer Weide gestohlen. Easifa heißt Sturm, er war das schnellste Pferd in unserem Stall. Man hat meinem Vater fünfzehn Millionen Dollar für ihn geboten, doch er wollte sich um keinen Preis von dem Pferd trennen, weil es ihm so kostbar war. So ähnlich geht es mir mit Shaytan.«
»Das tut mir leid«, sagte ich und drückte damit meine nicht ganz ehrliche Anteilnahme aus. »Was ist mit Easifa geschehen?«
»Er ist nicht wiederaufgetaucht. Eine Tragödie für unsere Familie. Das darf sich nicht wiederholen.«
Zakir al-Saud trank den Rest seines Whiskys mit einem Zug leer und schwang sich aus dem Sessel.
»Worauf warten wir, Gentlemen? Der Transporter steht bereit!« Seine Augen funkelten wie glühende Kohlestücke.
Mr. High zuckte hinter seinem Rücken bedauernd die Schultern. Da müssen wir wohl durch, besagte seine Geste. Nichts zu machen.
Als sich die Bürotür hinter uns geschlossen hatte, ging eine bemerkenswerte Veränderung mit dem jungen Diplomaten vor sich. Er lachte laut auf und schlug erst Phil, dann mir auf den Rücken.
»Ich bin mir sicher, ihr Jungs seid froh, mal aus diesem Alltagsmief rauszukommen«, sagte er. »Habe ich recht?«
»Also, ehrlich gesagt ...«, begann ich.
Er wartete die Antwort nicht ab. »Sobald Shaytan sicher im Stall auf meinem Anwesen in Glen Cove ist, zeige ich euch die beste Bar in ganz New York. Wahrscheinlich kennt ihr sie gar nicht. Sie ist ein absoluter Geheimtipp, und ohne entsprechende Kontakte kommt ihr gar nicht rein. Hey, Jungs, es lohnt sich, für Zakir al-Saud zu arbeiten! Ich lade euch zu ein paar Drinks ein, wenn das Pferd versorgt ist. Der verknöcherte Mann da drin, euer Chef, muss ja nichts davon wissen.«
Er lachte noch lauter, wurde dann aber mit einem Schlag ernst. Seine Stimmungsumschwünge waren ein wenig beängstigend.
»Ihr seid doch die Besten in diesem Laden, oder?« Wieder ließ er uns keine Zeit zu antworten. »Wenn Shaytan etwas zustieße, würde das die Beziehungen zwischen unseren Ländern massiv beeinträchtigen.« Seinem Blick konnte ich ansehen, dass er es ernst meinte. »Mein Vater ist ein mächtiger Scheich«, schob er nach.
Wollte er uns damit drohen? Mir war nicht klar, was ich davon halten sollte.
Phil runzelte die Brauen. Wir konnten den merkwürdigen Auftrag nicht so recht einordnen. War das FBI dem Diplomaten oder seinem Vater, dem Ölscheich, etwas schuldig? Mit Sicherheit ging es um Politik und um wirtschaftliche Interessen. Vielleicht musste man Zakir und seine Familie einfach nur bei Laune halten.
Ich beschloss, gute Miene zum bösen Spiel zu machen. Wenn das Pferd erst einmal sicher im Stall stand, hatten wir unsere Pflicht wohl fürs Erste erfüllt. Wir konnten schließlich nicht rund um die Uhr vor Shaytans Box Wache stehen. Erst wenn das Pferd zum Turnier gebracht wurde, waren wir wieder am Zug. In der Zwischenzeit konnten wir uns gemeinsam mit Steve und Zeerookah um die verschwundenen Lopez-Männer kümmern.
»Glauben Sie wirklich, dass jemand das Pferd stehlen will?«, fragte ich. »Haben Sie einen konkreten Verdacht?«
Zakirs Blick verdüsterte sich erneut. »Dieses Land ist ein gefährliches und feindliches Pflaster. Ich habt zu wenig Polizei. Zu wenig Kontrolle. Eure Strafen sind zu milde. Und deshalb ist es ein Land voller Verbrechen. Es ist viel gefährlicher als Saudi-Arabien.« Er blieb stehen und sah mich an. »Ich bin gerne hier, ehrlich. Euer Land bietet Freiheiten und Vergnügungen. Es bietet jedoch auch Verbrechern viele Möglichkeiten. Ein teures Pferd wie Shaytan ist eine Verlockung. Nein, ich habe keinen konkreten Verdacht. Doch ich traue diesem Land nicht. Shaytan braucht den besten Schutz, den er bekommen kann, damit es ihm nicht ergeht wie dem armen Easifa.«
Erneut wechselte seine Stimmung, so schnell konnte ich gar nicht gucken.
»Aber lasst uns nicht so förmlich sein. Ihr heißt Jerry und Phil, wenn ich das richtig gehört habe. Wir werden später mit einem Likyur Alsanawbar auf unsere neue Freundschaft anstoßen.«
Inzwischen waren wir in der Tiefgarage angekommen. Zakir al-Saud steuerte zielstrebig einen modernen Viehtransporter an. Zwei Männer lungerten davor herum. Sie steckten in Anzügen und hatten schwere Goldketten um die Hälse.
»Das sind Jalal und Yasin, meine Bodyguards«, stellte Zakir die beiden vor. »Und meine Freunde.«
Zu fünft stiegen wir in das geräumige Führerhaus des Transporters. Am Steuer saß eine sechste Person, ein älterer Mann, der eine Chauffeuruniform trug.
»Der Gaul bekommt ein größeres Geleit als unser Präsident«, raunte mir Phil zu, als die anderen mit Einsteigen beschäftigt waren.
»Kein Wunder, bei dreizehn Millionen Dollar Marktwert«, sagte ich ebenso leise.
Ich erhielt Einblick in eine mir völlig fremde Welt. Gab es wirklich Pferde, die so viel Geld wert waren?
Mit stoischer Ruhe manövrierte uns der Chauffeur durch den Mittagsverkehr zum JFK. Zakir und seine Freunde beachteten uns während der Fahrt kaum, sie unterhielten sich in ihrer Muttersprache. Es schien um Sport zu gehen, vielleicht um die Ergebnisse von Pferderennen.
Am Airport steuerte der Fahrer den Tier-Terminal an. Dort erhielten einreisende Luxuspferde wie al-Shaytan ein desinfizierendes Fußbad, wurden untersucht und gegen Zecken mit Essig eingesprüht, wie Phil mir mitteilte. Er hatte unterwegs ein wenig auf seinem Laptop recherchiert. Dann kamen die Pferde für drei Tage in eine komfortable Isolationszelle.
Ein Flughafenmitarbeiter brachte uns zu den Ställen. »Nur der Besitzer und eine Begleitperson.«
Zakir drückte ihm ein Bündel Scheine in die Hand. Ein dickes Bündel. Der Mitarbeiter warf einen Blick darauf, dann war von Zugangsbeschränkungen keine Rede mehr.
Phil stöhnte leise auf.
»Genau genommen müssten wir unseren Auftraggeber jetzt zumindest verwarnen«, flüsterte er mir zu.
»Er ist Diplomat und genießt Immunität«, gab ich bedauernd zurück.
Vor Shaytans Box wartete ein weiterer Mann auf uns. Er war älter als Zakir und seine beiden Kameraden, auch er trug eine schwere Goldkette.
»Das ist Hamad«, stellte Zakir ihn vor. »Shaytans Trainer.«
Der Mann hielt Zaumzeug in der Hand und wandte sich an Phil und mich. »Vorsicht, ich öffne jetzt die Box.«
Neugierig trat ich einen Schritt nach vorne.