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Der Buchhalter Wilbur Godfrey sollte als Kronzeuge gegen seinen ehemaligen Boss aussagen. Der wurde angeklagt, da er mit seiner Firma mutmaßlich Geldwäsche im großen Stil betrieb. Während Godfrey unter Polizeischutz stand, erhielt er ein Päckchen mit einem handgezimmerten kleinen Sarg und einer schaurig anzusehenden Holzpuppe im Inneren. Wir vom FBI vermuteten darin eine Warnung aus Mafiakreisen. Vorsichtshalber brachten wir den Zeugen in einem Safe House unter, sein Schutz wurde noch einmal verstärkt. Als jedoch weitere solcher Särge auftauchten, erlebten Phil und ich eine tödliche Überraschung!
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Vier Särge aus Uganda
Vorschau
Impressum
Vier Särge aus Uganda
Die Killer kamen im Schutz der Nacht.
Ein ovaler Mond hing bleich über dem Hafen von Mombasa, und sein silbriger Schein ließ das massive, am Pier verankerte Containerschiff wie ein urzeitliches Ungetüm wirken.
Wie nachtaktive Raubtiere näherten sich die mörderischen Drei dem Steg. Zu diesem Zeitpunkt hatten sie bereits eine zwanzigstündige Fahrt in einem alten VW-Bus hinter sich. Der Rest war eine Sache von Minuten. Die beiden Wachmänner hörten nur einen kurzen Laut, sahen die Reflektion zweier Macheten – kurz bevor sie ihnen die Schädel spalteten.
Als das Schiff Stunden später aus dem Hafen auslief, hatte es eine Fracht an Bord, die auf keiner Liste verzeichnet war.
Drei Kampfmaschinen auf dem Kriegspfad.
Und ihr Ziel war New York.
Wilbur Godfrey war ein dünner, schlaksiger Mann mit einer Hornbrille und einem schütteren Seitenscheitel, der die kahlen Stellen auf seinem Haupt nur unzureichend kaschierte. Seine wasserblauen Augen wirkten hinter den dicken Gläsern doppelt so groß und blinzelten unablässig.
Das war nicht das einzige Indiz für seine Nervosität. Der dünne Schweißfilm auf seiner Stirn und die trockenen Hände, die permanent aneinanderrieben und in der Stille des Zimmers das Geräusch von raschelndem Papier erzeugten, verrieten, dass es unter der biederen Oberfläche brodelte.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen, wenn wir Ihre Aussage noch einmal durchgehen?«, fragte ich.
Zusammen mit meinem Freund und Partner Phil Decker saß ich dem Sechsunddreißigjährigen auf einer hellgrünen Futonmatratze gegenüber, die auf einem einfachen Lattenrost mit Rückenlehne lag. Auch das restliche Mobiliar war spärlich und nicht besonders ansprechend. Die meisten »Gäste« dieses Safe House blieben nicht lange und hatten in der Regel andere Sorgen als den Komfort ihrer Übergangsbehausung.
Wilbur Godfrey nickte abgehackt und strich sich fahrig über die Stirn. »Ich habe mehr als genug Zeit.«
Das war nicht immer so gewesen. Der Buchhalter hatte bis vor wenigen Wochen noch im Dienst eines Mannes namens Sam Mignola gestanden. Mignola war der Kronprinz eines Untergrundkartells, der die Geschäfte seines Vaters nach dessen Tod zum Großteil ins Darknet verlegt hatte, was die Ermittlungsbehörden – also uns – vor immer größere Herausforderungen stellte. Godfrey hatte nicht direkt für Mignola gearbeitet, sondern für eine Firma, die angeblich Textilwaren aus Italien importierte. Godfrey war bei seiner Prüfung der Geschäftsunterlagen auf Unregelmäßigkeiten gestoßen. So schien Mignolas Haupthandelspartner in Mailand gar nicht zu existieren beziehungsweise nur als Briefkastenfirma, was uns die italienischen Kollegen mittlerweile bestätigt hatten.
Nachdem Godfrey seinen direkten Vorgesetzten über seine Entdeckung informiert hatte, war ihm kurz darauf die Kündigung auf den Tisch geflattert. Als er wenig später auch noch in seiner Wohnung Besuch von zwei »Gorillas« erhielt, die ihn ordentlich aufmischten, wandte sich Godfrey an das NYPD und erbat Polizeischutz. Von dort aus war der Fall schließlich auf dem Schreibtisch unseres Chefs Mr. High gelandet – und der hatte bei der Erwähnung des Namens Mignola sofort aufgehorcht.
Inzwischen hatten wir den Verdacht, dass die Ware, die Mignola als italienische Designerstücke verkaufte, vermutlich aus Billigproduktionsstätten in Indien oder Bangladesch stammten, vermutlich unter dem Einsatz von Zwangs- und Kinderarbeit hergestellt. Bei einer Durchsuchung der Firmenbüros hatten wir leider feststellen müssen, dass Mignola und seine Leute sämtliche Beweise vernichtet hatten, wenn es denn welche gegeben hatte. Umso wichtiger war die Aussage Wilbur Godfreys, dem es gelungen war, einige Dokumente aus den Tiefen seines fotografischen Gedächtnisses zu bergen. Das, zusammen mit seiner eidlichen Aussage, würde hoffentlich reichen, um Mignola wenigstens ein paar Jahre Gefängnis zu bescheren.
Da wir jedoch davon ausgehen mussten, dass das Leben des Buchhalters bis zum Prozessbeginn in zwei Wochen akut gefährdet war, hatten wir ihn in dieses Safe House am Rand von Brooklyn gebracht. Der Kreis der Personen, die über seinen Aufenthaltsort informiert waren, war äußerst klein, sodass sich Godfrey um seine Sicherheit vorerst keine Gedanken machen musste. Doch das war leichter gesagt als getan, vor allem wenn man sein bisheriges Leben damit verbracht hatte, Akten zu wälzen, und die größte Gefahr darin bestanden hatte, sich am Papier zu schneiden.
Ich nahm die Dokumente, die Wilbur Godfrey rekonstruiert hatte, aus einer Klarsichthülle und reichte sie ihm.
»Gehen wir die einzelnen Punkte noch einmal durch«, setzte ich an, als es an die Tür klopfte. Einmal kurz, zweimal lang, einmal kurz. Das vereinbarte Signal, mit dem die vor dem Haus postierten Zivilkollegen ihre Identität bestätigten. »Einen Moment.«
Ich stand auf, während Phil leise mit Godfrey weiterredete. Die Haustür führte direkt in den Wohnbereich des bungalowartigen Safe House, das mehr einer kleinen Motelsuite ähnelte. Der dicke Teppich schluckte jeden meiner Schritte. Ich zog die Tür auf, ohne die Kette zu lösen. Eine reine Sicherheitsmaßnahme. Mit Problemen rechnete ich nicht. Erst als ich das vertraute Gesicht des Kollegen sah, löste ich die Kette und zog die Tür auf. Jetzt sah ich auch das längliche Päckchen, das der Zivilermittler in der Hand hielt. Es war schmal und in etwa so lang wie mein Unterarm.
»Das wurde anscheinend vor die Tür von Godfreys Wohnung gelegt«, erklärte er. »Und nachdem es tagelang dort gelegen hat, hat eine Nachbarin die Polizei verständigt.«
Ich nickte verstehend. Die Frau hatte sich bestimmt Sorgen gemacht, nachdem Godfrey auf mehrfaches Klingeln hin nicht geöffnet hatte. Dass sich der Buchhalter derzeit unter Polizeischutz an einem unbekannten Ort aufhielt, hatten wir natürlich nicht an die große Glocke gehängt.
Ich warf einen misstrauischen Blick auf das Päckchen.
»Ich nehme an, ihr habt es gründlich durchleuchtet?« Es war mehr eine rhetorische Frage. Schließlich waren wir alle Profis.
»Keine Hinweise auf einen Sprengsatz oder dergleichen. Auch kein Absender.«
Ich zog die Stirn in Falten. Aus irgendeinem Grund gefiel mir das nicht. Allerdings hielt ich es für unwahrscheinlich, dass Mignola eine Bombe geschickt hatte. Bestimmt wusste er längst, dass sein ehemaliger Buchhalter an einem sicheren Ort war, und musste davon ausgehen, dass das Päckchen in den Händen der Polizei landen würde.
Ich nahm es entgegen und schüttelte es vorsichtig. Zu hören war nichts. Ich bedankte mich, schloss die Tür, sicherte sie und ging zurück zu den anderen.
»Erwarten Sie etwas?«, fragte ich Godfrey, der mich unsicher musterte. Er und Phil hatten das Gespräch an der Tür mitbekommen.
»Nicht dass ich wüsste ...«
»Wenn Sie nichts dagegen haben, gehe ich damit in die Küche und öffne es vorsichtig.«
Godfrey nickte nur. Mein Blick begegnete kurz dem meines Partners. Dann ging ich nach nebenan, legte das Päckchen auf der kleinen Ablage ab und holte eine Schere aus einer der Schubladen. Behutsam durchtrennte ich den Paketkleber in der Mitte und öffnete langsam den Karton. Im Inneren befand sich ein klobiger Gegenstand, der mit Bastelpapier umwickelt war und den Karton fast vollständig ausfüllte.
Mit spitzen Fingern zog ich den Gegenstand heraus, legte ihn neben dem Karton ab und packte ihn aus. Als er schließlich offen vor mir war, musste ich schlucken. Mein Mund wurde trocken, meine Nackenhaare stellten sich auf.
Der Gegenstand war klein, schmal und kompakt, und dennoch löste er beim Betrachter augenblickliches Unbehagen aus.
Vor mir lag ein kleiner handgefertigter Sarg!
Hinter mir hörte ich Schritte, und bevor ich das unheimliche Geschenk abschirmen konnte, hatte Godfrey es schon entdeckt. Phil stand hinter ihm, ihm war der Blick in die Küche vom Rücken des Buchhalters verbaut.
Ich warf Godfrey einen fragenden Blick zu.
»Das haben Sie nicht bestellt, nehme ich an.«
Godfreys Blick blieb an dem Sarg hängen und seine geballten zu Fäusten geballten Hände zitterten leicht.
Inzwischen war Phil an ihm vorbeigetreten und begutachte ebenfalls den schaurigen Inhalt des Päckchens.
»Kann man den öffnen?«, fragte mein Partner ganz pragmatisch.
Daran hatte ich auch schon gedacht, aber gezögert. Irgendwie hatte ich das Gefühl, dass die eigentliche Überraschung uns noch bevorstand.
Ich wandte mich wieder dem Sarg zu und hob langsam den Deckel an. Nach einem kurzen Ruck ließ er sich tatsächlich quietschend öffnen. Ich tat es ganz langsam, bereit für jede nur denkbare Überraschung.
Dann fiel mein Blick in das Sarginnere. Es war mit dunkelblauem Satin ausgeschlagen. Und darauf lag ein Gegenstand. Ein kleiner, dürrer Körper, ein grob geschnitztes Gesicht aus Holz, mit einem weit aufgerissenen Maul und wirren in alle Richtungen abstehenden Haaren aus Stroh. Ein schauriger Anblick.
»Eine Puppe«, hörte ich Phil murmeln.
Doch meine Aufmerksamkeit galt ganz Wilbur Godfrey, der sich keuchend an die Brust fasste und dann neben mir auf die Knie sank.
Ich hielt ihn fest, bevor er uns noch ganz umkippte. Gleichzeitig wandte ich mich alarmiert an meinen Partner. »Wir brauchen einen Arzt. Schnell!«
Detective Ryan Carter wickelte eines seiner Kräuterbonbons aus, steckte es sich in den Mund und ließ den Blick prüfend umherschweifen.
Seit er mit dem Rauchen aufgehört hatte, waren die Bonbons, die aus Finnland importiert wurden, zu seiner Ersatzdroge geworden. Er wusste nicht, woran es lag, aber er hatte das Gefühl, dass sie sein Denkvermögen ankurbelten und ihm in den entscheidenden Momenten dabei halfen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Und die wesentliche Frage in diesem Moment lautete: Wo war Paul Rudnik?
Carters Blicke ignorierten den weißen Konzertflügel, die gerahmten goldenen Schallplatten an den Wänden, die marmornen Büsten, die die Ecken des großen Salons markierten, genauso wie die mannshohen exotischen Pflanzen und den leise plätschernden Zimmerbrunnen.
Was dagegen sein Interesse weckte, waren der zerbrochene Glastisch in der Mitte des Raums, die umgestürzte, ausgelaufene Champagnerflasche neben der Couch und die frischen Blutspuren auf dem cremefarben gemusterten Perserteppich.
Dann blieb sein Blick an einem Gegenstand hängen, der fast im Muster des Teppichs verschwand. Er zog ein Taschentuch heraus und hob ihn mit spitzen Fingern auf.
Der Kriminalermittler stutzte. Was er da in Händen hielt, war ein dünner, kleiner Pfeil.
Kopfschüttelnd verstaute er ihn in einem Beweismittelbeutel und legte sie für die Spurensucher zur Seite.
Paul Rudniks Putzfrau hatte die Polizei informiert, nachdem ihr an diesem Morgen niemand geöffnet und sie dann durch das große Terrassenfenster die Kampfspuren im Salon erspäht hatte.
Nach ihrer Aussage hätte der bekannte Musikproduzent und Komponist mehrerer Radiohits eigentlich zu Hause sein müssen. Die Villa beherbergte sein eigenes Aufnahmestudio, und er war dafür bekannt, dass er sein Haus tagsüber selten verließ, während er nachts auf den Partymeilen New Yorks ein häufig gesehener Gast war. Das Letzte, was Carter gehört hatte, war, dass er vor Kurzem mit einem israelischen Topmodel liiert gewesen war und dass diese Beziehung schmutzig geendet hatte. Und das wusste er auch nur wegen der Magazine, die seine Frau gerne auf dem Wohnzimmertisch verteilte. Ihn interessierte dieser Yellow-Press-Mist nicht die Bohne. Sein Alltag war aufregend genug. Was ihn wieder zu seiner eigentlichen Frage brachte: Wo war Paul Rudnik?
In dem mondänen zweistöckigen Haus, das Rudnik zurzeit wohl allein bewohnte, hatte offensichtlich ein Kampf stattgefunden. Ob das Blut auf dem Teppich das des Musikproduzenten war, würde eine DNA-Analyse ergeben, aber dafür sprach allein die Tatsache, dass Rudnik wohl der Unterlegene in diesem Kampf gewesen war. Denn sonst wäre er sicherlich auffindbar gewesen.
Detective Carter zerbiss die rundgelutschten Reste des Bonbons und trat auf eine etwa vierzigjährige schwarzhaarige Frau zu, die mit einem uniformierten Kollegen an der Terrassentür stand. Elvira Alvarez war die Putzfrau, die die Polizei informiert hatte. Der Kollege nahm gerade ihre Aussage zu Protokoll.
»Wie häufig kommen Sie zum Putzen hierher?«
»Zweimal die Woche«, gab sie wie aus der Pistole geschossen zurück.
»Das heißt, Sie haben Mister Rudnik vor ein paar Tagen zuletzt gesehen?«
»Si, si.« Ein eifriges Nicken unterstrich die Worte.
Carter wandte sich an den Kollegen des East Hampton Police Department. »Habt ihr schon seine Ex erreicht? Diese ...«
»Gali Sharett«, kam ihm der Officer zu Hilfe und erklärte weiter: »Bisher nur telefonisch. Als sie den Namen Paul Rudnik hörte, sagte sie irgendetwas auf Hebräisch und legte auf.«
Carter zog die Stirn kraus. Auf die Lady würde man auf jeden Fall ein Auge werfen müssen.
»Die Kollegen vom NYPD kümmern sich darum«, sagte der Uniformierte und erriet damit Carters Gedanken. Er hatte grob im Kopf, dass Gali Sharett in Manhattan wohnte.
Zwei weitere Uniformierte traten durch die Tür. Sie hatten die oberen Stockwerke inspiziert und kamen jetzt schulterzuckend auf Carter und die anderen zu.
»Keine weiteren Spuren«, meinte einer der beiden, der mit seinen fleischigen Wangen und seinem untersetzten Körperbau an eine Bulldogge erinnerte.
Wie Carter bereits vermutet hatte, hatte sich die Tat auf den Salon beschränkt. Der Angreifer musste Rudnik überrascht haben. Vielleicht war er durch die Terrassentür gekommen. Vielleicht hatte sie bei den sommerlichen Temperaturen offen gestanden. Vielleicht hatte Rudnik den Besucher aber auch gekannt, was Carter wieder zu Gali Sharett brachte. Doch mit ihr sollten sich die Kollegen aus der City herumschlagen.
Carter trat zur Seite und steckte sich ein weiteres Bonbon in den Mund.
Was war mit Paul Rudnik passiert? Hatte man ihn ermordet? Oder entführt? Da der Produzent keine Angehörigen hatte, stellte sich in dem Fall jedoch die Frage, an wen sich eine Lösegeldforderung richten sollte.
Einmal angestoßen, drehte sich Carters Gedankenkarussell immer schneller. Es gab viel zu tun in den nächsten Stunden. Freunde und Kollegen mussten identifiziert und befragt, ein Suchtrupp organisiert werden. In dieser Gegend wohnten ausschließlich gut betuchte Leute, die von der Polizei ein Höchstmaß an Engagement erwarteten, wenn einer von ihnen spurlos verschwand.
»Detective?« Eine weibliche Stimme riss Carter aus seinen Gedanken.
Sein Blick fiel auf Rita Hemsworth, eine weitere Kollegin des EHPD. Die junge Rothaarige trat, gefolgt von ihrem Streifenpartner Elliott Snyder, gerade von außen an die halb geöffnete Terrassentür heran, blieb jedoch auf der anderen Seite stehen und klopfte gegen das Glas.
Der ernste Blick der Uniformierten sprach Bände. »Detective Carter? Das müssen Sie sich ansehen ...«
Gefolgt von den anderen im Raum, trat Carter auf die Terrasse und folgte Hemsworth und Snyder durch den großen, penibel gepflegten, von hohen Hecken umgebenen Garten, dann vorbei an einem lagunenförmigen Pool und mehreren Marmorbrunnen.
Hinter einem ausladenden, rosa blühenden Rhododendronbusch blieben die beiden vorauseilenden Cops stehen und deuteten in das kurz geschnittene Gras. Oder vielmehr auf einen frisch umgegrabenen, rechteckigen Erdhügel.
Detective Carter musste schlucken, während er die Maße abschätzte.
Zwei auf acht Fuß.
Ohne zu zögern, drehte er sich zu den Kollegen um, die ihm gefolgt waren. »Besorgt Spaten, und dann hebt das verdammte Ding aus!«
Die Männer eilten zu dem Gartenschuppen, den sie auf ihrem Weg hierher gesehen hatten.
Elvira Alvarez, die wie eine Statue auf dem Fleck verharrte, bekreuzigte sich und murmelte immer wieder heiser »O dios mio« vor sich hin.
»Bitte gehen Sie zurück ins Haus«, sagte Carter zu ihr. »Wir rufen Sie, wenn wir Sie brauchen.«
Die Putzfrau trat einige Schritte zurück, nur um dort stehen zu bleiben und wie hypnotisiert auf den Erdhaufen zu starren.
Kurz darauf kamen die drei Kollegen zurück. Zwei von ihnen hielten Spaten in den Händen.
Abwechselnd machten sie sich an die Arbeit, gruben den Boden auf, während ihnen der Schweiß in der Sommerhitze sturzbachartig über den Rücken lief und ihre Gesichter mit einem glänzenden Film bedeckte.
Auch Carter selbst legte Hand an. Für ihn war es eine Selbstverständlichkeit, die harte Arbeit nicht allein den Kollegen zu überlassen.
Fast eine Stunde dauerte es, bis die Spaten auf Widerstand stießen. Eine weitere Viertelstunde, bis der vergrabene Gegenstand freigelegt war.
Carter lief trotz der Hitze ein kalter Schauer über den Rücken, als er an das vier Fuß tiefe Loch herantrat, und sein Blick auf eine grob zusammengezimmerte, menschengroße Holzkiste fiel.
Ein Sarg, ging es ihm durch den Kopf, während sich Officer Snyder bereits in das Loch hinabließ und langsam den Deckel öffnete.
Obwohl die Umgebung und das Wetter ganz und gar nicht dazu passten, fühlte sich der Detective an einen alten Gruselschinken erinnert, als das aufdringliche Knarren die Stille der idyllischen Nachbarschaft störte.
Das Nächste, was er hörte, war ein schriller Schrei aus dem Hals der Putzfrau.
»Bringt sie endlich hier weg!«, rief Carter, ohne sich nach hinten umzudrehen.
Dann trat noch näher an den geöffneten Sarg heran. Gebannt betrachtete er den gut gekleideten Mann, der darin lag. Daran dass es Paul Rudnik war, hatte Carter nicht den geringsten Zweifel. Die Augen des Toten waren geöffnet, und das Entsetzen, das er im Moment seines Todes verspürt haben musste, waren ihm in die Gesichtszüge gemeißelt.
Kratzspuren und Risse auf der Innenseite des Sargdeckels deuteten darauf hin, dass er davor noch versucht hatte sich zu befreien.
Paul Rudnik war bei lebendigem Leib begraben worden und dann qualvoll erstickt!
»Dios mio«, murmelte Carter leise und wandte sich ab.
Der Fall hatte gerade eine Dimension angenommen, die die Kapazitäten des EHPD weit überschritt. Dies war eine Aufgabe für die Kollegen aus der Stadt.
Einen Tag später landete der Fall auf unserem Schreibtisch. Die Zeit dazwischen hatten wir damit verbracht, Sam Mignola wegen des schaurigen Päckchens auszuquetschen. Weder Phil noch ich hatten bis dahin den geringsten Zweifel daran, dass der Sarg und die Puppe als Warnung gedacht waren, mit dem Ziel, Wilbur Godfrey Angst einzujagen und seine Lippen dauerhaft zu versiegeln.
Dass Mignola alles von sich wies und behauptete, nichts mit dem Päckchen zu tun zu haben, überraschte uns so wenig wie die Tatsache, dass die Spurensicherung keinerlei Hinweise auf den Absender fand. Da wir Mignola nichts nachweisen konnten, blieb uns nicht mehr, als ihm zu versichern, dass wir ihn im Auge behielten. Und für den Fall, dass Godfrey etwas zustoßen würde, sofort bei ihm auf der Matte stehen würden.
Godfrey hatte den Schock einigermaßen verdaut. Der Arzt hatte lediglich eine Kreislaufstörung festgestellt und ihm geraten, bei den warmen Temperaturen mehr Wasser zu trinken.