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Der bekannte New Yorker Hedgefondsmanager Jason Sippy und seine Geliebte Tricia Nordman aus Harrisburg, Pennsylvania waren ermordet worden, Sippy vor seinem Tod außerdem grausam gefoltert. Er war der beste Manager des Hedgefonds HTNY Capital und der Schwiegersohn des Fondsgründers und Inhabers Heath Taylor gewesen. Taylor war am Boden zerstört. Durch Absprachen von Kleinanlegern hatte HTNY Capital erst vor Kurzem sieben Milliarden Dollar verloren. Phil und ich mischten uns unter die Finanzhaie und stießen auf eines der ältesten Motive der Welt - Rache!
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Seitenzahl: 143
Veröffentlichungsjahr: 2021
Cover
Finanzhaie
Vorschau
Impressum
Finanzhaie
Co-op City, Bronx
Jason Sippy stellte seinen silberfarbenen Landrover Discovery auf dem weitläufigen Parkplatz vor der Capital One Bank ab. Grinsend und voller Vorfreude lief er über den Carver Loop zum nächstgelegenen Wohnturm, in dem bereits Hunderte Lichter hinter den Fenstern brannten. Keiner der zahlreichen Bewohner, denen er begegnete, grüßte ihn. Hier war alles anonym, genauso wie er es brauchte. Mit dem Aufzug fuhr er in den neunten Stock und schloss das Apartment 917 auf. Die Wohnzimmertür hinter dem schmalen Flur war geschlossen.
»Hi, Tricia!«, rief er fröhlich, als er die Tür öffnete. Sie saß verkrampft auf der Couch und starrte ihn an. »Ist was, Tricia?«, fragte er irritiert und trat ins Zimmer.
Neben sich bemerkte er eine Bewegung. Etwas krachte mit großer Wucht gegen seinen Schädel. Gurgelnd ging er zu Boden.
»Da ist er ja«, hörte er jemanden sagen. Es klang dumpf und sehr weit weg.
Die Stiefelspitze, die seine Rippen traf, zeigte ihm, dass es wirklich nur so klang.
Co-op City, Bronx
Wir waren unterwegs in die East Bronx, um einen Doppelmord zu untersuchen. Weil das weibliche Opfer anscheinend aus Pennsylvania stammte, war das New York Police Department nicht mehr zuständig, sondern wir.
»Ich glaube, das NYPD grinst sich gerade einen, dass es mal wieder Arbeit auf uns abwälzen kann.« Phil grinste wahrscheinlich noch breiter, als er es beim NYPD vermutete.
»Das NYPD kann nicht grinsen«, antwortete ich trocken.
»Du mich auch«, gab mein Partner zurück. »Seit wann fühlst du dich zum Oberlehrer berufen? Diesen Zug kenne ich noch gar nicht an dir. Und ich weiß nicht, ob er mir gefällt.« Er lehnte sich im Sitz zurück, war sofort wieder friedlich und wechselte abrupt das Thema. »Weißt du, Jerry, manchmal ist das schon komisch. Gestern Nacht konnte ich nicht einschlafen. Beim Zappen bin ich zufälligerweise in eine Doku über die Co-op City geraten und habe mich nach kurzem Zögern entschlossen, sie anzuschauen. War richtig interessant. Und ausgerechnet heute müssen wir dorthin.« Er setzte eine kryptische Miene auf und schaute mich von der Seite an. »Das halte ich für noch viel interessanter. Ich meine, ich frage mich jetzt die ganze Zeit, ob es vielleicht doch so was wie Hellsichtigkeit gibt. Hat etwas in mir schon gestern Nacht gewusst, was heute meines Weges kommen wird? Normalerweise ziehe ich mir Dokus wie diese nicht rein. Aber dieses Etwas hat mich förmlich dazu gezwungen.«
Nun grinste ich. »Bist du dir sicher, dass du dich nicht in Roxanne Werner's Spiritual Late Night verirrt hast?« Die Show der Esoterikerin, die als spirituelle Beraterin des letzten Präsidenten bekannt geworden war, erfreute sich trotz oder gerade wegen des blühenden Unsinns, den sie verbreitete, hoher Einschaltquoten.
»Die kommt immer nur freitags.« Phil schüttelte den Kopf. »Hätte mir klar sein müssen, dass ich mit einem ungebildeten Banausen wie dir die großen Fragen des Lebens nicht diskutieren kann. Bei dir reicht's gerade so für die Niederungen des Jobs. Und für ein bisschen Baseball. Weißt du, wie viele Menschen in Co-op City leben?«
»Um die fünfundfünfzigtausend dürften es sein.«
»Du bist ja doch nicht so ungebildet, wie ich angenommen habe. Belegst du neuerdings Abendkurse?« Phil zog eine Grimasse. »Ja, das kommt ziemlich genau hin. Damit ist Co-op City der größte wohnungsbaugenossenschaftliche Gebäudekomplex der Welt und wäre bei Eigenständigkeit die zehntgrößte Stadt im Staat New York.«
»Schön. Nur warum sollte ich das unbedingt wissen?«
»Vielleicht, damit wir uns seelisch vorbereiten können, falls wir die Bewohner alle als Zeugen befragen müssen«, schlug Phil vor.
»Ja klar. Das darfst du dann übernehmen.«
Die weit auseinanderstehenden Wohntürme von Co-op City kamen in Sicht. Die Stadt in der Stadt wurde von der Interstate 95 auf der einen und vom Hutchinson River auf der anderen Seite begrenzt. Ich verließ die Interstate. Wir mussten in die dritte Sektion der City, in der alle Straßennamen mit C begannen. Direkt an der Kreuzung Co-op Boulevard und Carver Loop gab es die erste Polizeiabsperrung. Ich stellte den Jaguar ab. Wir gingen durch. Vor dem ersten der drei hier stehenden kreuzförmigen Wohntürme warteten weitere Cops, die uns den Weg in den neunten Stock wiesen. Das Apartment 917 am hinteren Ende des breiten Gangs wurde ebenfalls von Cops gesichert. Sie grüßten uns mit kurzem Kopfnicken und ließen uns durch, als wir unsere Dienstmarken zeigten.
Im Apartment wurden wir von Leichengeruch empfangen. Und trafen auf einen alten Bekannten. Captain Myers, der eine Detective Squad des NYPD für Mordermittlungen leitete, war mittelgroß und stämmig, hatte dünne, unordentliche Haare, dafür seinen Vollbart frisch gestutzt und trug einen hellen Trenchcoat über dem taubengrauen Anzug. Mit seinem ewig mürrischen Blick musterte er uns.
»Der Tag hätte trotzdem noch schön werden können«, begrüßte er uns. »Und dann müssen ausgerechnet die Agents Cotton und Decker um die Ecke biegen.«
»Wir mögen Sie auch, Captain«, erwiderte Phil, ohne eine Miene zu verziehen. »So sehr, dass wir Sie sogar in unsere Abendgebete einschließen. Wenn auch erst ganz zum Schluss. Stimmt's, Jerry?«
»Klar.«
»Dann habe ich ja vielleicht doch noch eine Chance, in den Himmel zu kommen.« Myers lächelte und gab den Blick auf eine unappetitliche Szenerie frei. Überall getrocknetes Blut. Auf dem Wohnzimmerboden lagen zwei nackte Leichen, ein Mann und eine Frau. Sie war blond und langhaarig, sehr hübsch, Anfang dreißig vielleicht. Die Tote lag wie ein großes X auf dem Rücken, ihre Hände waren an die vorderen Beine der Couch gefesselt. Ihr Mund war mit einem Klebeband verschlossen, in ihren Augen konnte ich noch die Qual und Todesangst sehen, die sie ausgestanden hatte. Der Mann, dessen Hände auf den Rücken gefesselt waren, lag mit dem Rücken zu uns in einer absolut unnatürlichen seitlichen Position da. Das rührte von dem dünnen Seil her, das Hals und angezogene Beine über den durchgedrückten Rücken verband.
»Am Anfang konnte er die Körperspannung noch halten, dann hat sich das arme Schwein nach und nach selbst erdrosselt«, sagte Myers. »Kommen Sie.«
Er führte uns um die männliche Leiche herum. Wie bei der Frau war das Gesicht mit dem schwarzen Vollbart unter einem modischen Kurzhaarschnitt zerschlagen worden, wir sahen hervorquellende gebrochene Augen samt Klebeband über dem Mund. Das Irritierendste jedoch war neben zahlreichen anderen Folterverletzungen, dass ihm der Killer das Geschlechtsteil abgeschnitten und vor ihn hingelegt hatte. Auch die Frau wies Verletzungen im Intimbereich auf.
»Hm«, sagte Phil und verzog das Gesicht. »Das hier scheint etwas sehr Persönliches gewesen zu sein. Können Sie uns schon etwas sagen, Captain?«
Myers nickte, während wir zur Seite gingen, um dem Fotografen des CSI-Teams Platz zu machen. »Bei dem Toten handelt es sich um Jason Sippy. Er war nicht nur Geschäftsführer von HTNY Capital, einem milliardenschweren Hedgefonds, sondern gleichzeitig der Schwiegersohn des Firmengründers Heath Taylor. HTNY steht für Heath Taylor New York, nur, damit Sie das auch gleich wissen und nicht erst mühsam recherchieren müssen.« Er nickte und kratzte sich am Bart. »Sippys Familie hat bereits vor zwei Tagen Vermisstenanzeige beim NYPD erstattet, weil er plötzlich verschwunden war. Angeblich wollte er übers Wochenende irgendwelche Investoren treffen und am Sonntagabend wieder zu Hause sein. Aber er kam nicht und fehlte auch den ganzen Montag über. Weil auch sein Handy aus war, schaltete der alte Taylor uns ein.«
Ich nickte stumm.
Myers grinste und drehte den Kopf in Richtung der weiblichen Leiche. »Ich verwette satte vierundzwanzig Prozent meines Jahresgehalts, dass es sich bei Mrs. Tricia Nordman hier nicht um eine Investorin gehandelt hat. Vielleicht möchte jemand von den Agents dagegen setzen?«
Phil schüttelte den Kopf. »Netter Versuch. Aber so leicht lassen wir uns unsere sauer verdiente Kohle nicht aus der Tasche ziehen. Sorry, Captain, da müssen Sie sich Dümmere suchen. Sippy scheint hier also ein Liebesnest gehabt zu haben. Und die Beziehung zu Tricia Nordman ist wohl irgendjemandem ziemlich übel aufgestoßen.«
»Ist wohl so.« Myers nickte. »Der oder die Killer haben sich nicht mal die Mühe gemacht, es wie einen Raubüberfall aussehen zu lassen. Beide Führerscheine, Geld, alles noch da. Nicht mal eine Schublade wurde aufgezogen. Entschuldigung, ich korrigiere mich. Die Schublade mit den Messern in der Küche stand offen. Mindestens zwei wurden für die Folterungen benutzt.«
»Wer hat die Leichen gefunden?«, wollte ich wissen.
»Bevor ich's wieder vergesse, auch Mrs. Nordman wurde im Harrisburg Police Bureau in Pennsylvania bereits als vermisst gemeldet, das habe ich gerade vorhin abgeglichen«, fuhr Myers fort. »Angeblich hat sie übers Wochenende ihre Schwester in Philadelphia besucht. Die existiert dort tatsächlich und wurde vom Philadelphia Police Department befragt, fiel jedoch aus allen Wolken, weil sie nichts von einem angeblichen schwesterlichen Besuch wusste.« Er zuckte mit den Schultern. »Auch bei uns war die Suche nach Mister Sippy bereits angelaufen. Die hätte aber noch sehr lange dauern können, wenn nicht zufällig heute Morgen ein Fensterputzer auf die Leichen aufmerksam geworden wäre. Der arme Kerl hat den Schock seines Lebens erlitten. So, mehr kann ich Ihnen nicht berichten, den Rest müssen Sie schon selbst herausfinden, Agents. Bei Ihrer tollen Aufklärungsquote bin ich da allerdings sehr zuversichtlich. Ach ja, die Angehörigen dürfen dann Sie informieren, dazu hatte ich absolut keine Lust.«
Syracuse, New York State
So langsam sollte ich Schluss machen, dachte Teophil Lapin nicht zum ersten Mal in dieser Nacht, als ihn das große Gähnen überkam. Er streckte sich auf seinem Schreibtischsessel und zuckte dabei zusammen, als es ihm in den Rücken fuhr. Ein weiterer Grund, endlich ins Bett zu gehen, wo Cynthia schon seit Stunden schlief. Aber der Aktienkurs war im Moment einfach zu spannend, ständig sprang er wild hin und her und sorgte so für atemlose Spannung bei ihm.
Jetzt ist er schon seit zwei Stunden nicht mehr unter zwanzig Dollar gefallen, Wahnsinn!
Lapin schüttelte den Kopf. Zehn Minuten noch ...
Er starrte weiter auf die blau unterlegte Website. Ein Geräusch im Flur ließ ihn zusammenzucken. Ah, Cynthia muss wohl mal raus, dachte er lächelnd.
»Cynthia, erschrecke dich nicht, dass ich noch nicht im Bett liege«, rief er. »Bei mir ist alles in Ordnung, ich komme auch gleich!«
Keine Antwort. Lapin runzelte die Stirn. Das sah Cynthia gar nicht ähnlich. Normalerweise antwortete sie oder erschien an der Tür, um ihn aufzufordern, doch endlich ins Bett zu kommen.
»Cynthia?«
Wieder keine Antwort. Stattdessen ein erneutes Poltern, das nicht aus dem Bad gegenüber kam.
»Cynthia, ist was?« Er stand auf, ging zur halb offenen Tür und spähte einen Moment in den dunklen Gang.
Dann knipste er das Licht an. Die Schlafzimmertür am Ende des Flurs stand einen Spalt offen. Normalerweise war sie zu, wenn Cynthia schlief. War sie also doch aufgestanden? Warum antwortete sie dann nicht?
Lapin spürte plötzlich ein leichtes Magengrimmen. Seine Frau war nicht die Gesündeste. War sie etwa umgefallen? Er schaute ins Bad. Nichts. Deswegen ging er rasch zum Schlafzimmer. Irgendetwas roch komisch, aber das registrierte er nur am Rand. Er stieß die Schlafzimmertür vollends auf. Das Flurlicht flutete in das finstere Zimmer und hellte es so weit auf, dass er Konturen wahrnehmen konnte. Cynthia lag im Bett, er konnte ihre Umrisse unter der Decke deutlich erkennen. Das beruhigte ihn zunächst einmal. Lapin zögerte, weil er sie nicht wecken wollte.
Woher sind dann die Geräusche gekommen?, dachte er. Die Unruhe kehrte schlagartig zurück. Und verstärkte sich, als er begriff, dass Cynthia zu still dalag. Normalerweise hatte sie einen schweren, unruhigen Schlaf. Und wenn sie mal still lag, atmete sie geräuschvoll, manchmal schnarchte sie sogar. Jetzt hörte er keinen Laut.
Lapin knipste auch die Schlafzimmerbeleuchtung an. Cynthia hatte die Decke fast zur Gänze übers Gesicht gezogen. Nur ihre schwarzen Haare schauten hervor.
Seltsam ...
Lapin trat ans Bett. Er musste sich vergewissern, dass alles in Ordnung war. Cynthia regte sich nicht unter der Bettdecke. Er zog sie weg. Und prallte zurück. Schock und Angst sprangen ihn an wie ein wildes Tier.
»N-nein, das ... das ...«, stammelte er.
Alles war voller Blut. Die Bettdecke, ihr Schlafanzug, ihr Gesicht. Cynthia starrte ihn aus weit aufgerissenen, gebrochenen Augen wie anklagend an.
Lapin zitterte wie Espenlaub, sein Körper schien plötzlich in Eiswasser getaucht zu sein. Er war völlig handlungsunfähig, seine Gedanken rasten. Ein weiteres Geräusch drang in sein Bewusstsein. Im spiegelnden Schlafzimmerfenster sah er hinter sich jemanden ins Zimmer treten. Eine schwarz gekleidete Gestalt mit einer Skimaske über dem Kopf. Sie hielt etwas in der Hand!
Bevor er sich drehen oder vor Angst laut schreien konnte, krachte etwas auf seinen Hinterkopf. Gurgelnd ging Lapin zu Boden. Furchtbare Schmerzen fluteten durch ihn, während er nach Luft ringend auf dem Rücken lag. Rote Schleier tanzten vor seinen Augen, er sah den Kerl über sich nur noch verschwommen wie durch eine Wasserwand. War da noch ein zweiter neben ihm?
Ich gebe euch alles, was ihr wollt, aber bitte, bitte lasst mich leben, wollte er die Killer aus diesem seltsamen Zwischenreich heraus anflehen, in das ihn der kommende Tod gezogen hatte. Selbst wenn er es noch hätte aussprechen können, wäre er auf gnadenlose Ablehnung gestoßen. Er glaubte, einen der Kerle lachen zu hören. Dann sauste der Baseballschläger erneut auf ihn herab.
Und zertrümmerte seinen Schädel.
Mill Basin, Brooklyn
Wir mussten New York praktisch von oben nach unten durchqueren, um nach Mill Basin zu gelangen. Im exklusivsten Brooklyner Wohnviertel wollten wir Heath Taylor treffen, um erste Ermittlungen zu führen. Vorab hatten wir ihn telefonisch vom Tod seines Schwiegersohns informiert. Nun erwartete er uns. Ich kämpfte mich gerade durch einen Stau auf der Interstate 278 auf Höhe Sunnyside Gardens in Queens, als das Autotelefon klingelte. Phil nahm den Anruf über das abnehmbare Tablet entgegen und schaltete auf laut. Supervisory Special Agent Dr. Ben Bruckner war am Apparat.
»Hallo, Jerry, Phil«, sagte er hektisch, »äh, ein bisschen was über Taylor kann ich euch schon mal vorab verraten, wenn auch nicht viel, weil ich gleich in ein Meeting mit dem Chef und Iris muss. Nun, Mister Taylor ist bereits in dritter Ehe mit Tamar Taylor verheiratet. Seine einzige Tochter Jane, mit der Jason Sippy verheiratet war, stammt aus seiner ersten Ehe. Sie macht hochkarätige Charity-Veranstaltungen, bei denen sie gleichzeitig versucht, neue Kunden für den Hedgefonds ihres Vaters einzuwerben. Taylor gilt als Milliardär. Er hat zunächst als Broker bei verschiedenen Banken und Investmentgesellschaften gearbeitet und dann seinen eigenen Hedgefonds namens HTNY Capital aufgezogen. HTNY Capital scheint allerdings in den vergangenen Monaten durch Leerverkäufe böse in Schieflage geraten zu sein, weil sich Kleinanleger im Internet zusammenschlossen und durch Käufe eine bestimmte Aktie in die Höhe trieben, bei der HTNY Capital auf fallende Kurse gesetzt hatte.«
»Wie hoch war der Verlust?«, wollte ich wissen.
»Laut Berechnung der Analyseplattform S3 Partners hat der Hedgefonds bis jetzt mindestens sieben Milliarden Dollar verloren, mehr als er mit seinen fünf Milliarden eigentlich wert ist. Taylor ist nur deswegen noch handlungsfähig, weil er von zwei anderen Hedgefonds eine Finanzspritze von drei Milliarden Dollar erhalten hat.«
Phil pfiff leise durch die Zähne.
»Dann kann ich euch noch sagen, dass ich mit der River Bay Corporation telefoniert habe, die Co-op City verwaltet und betreibt. Jason Sippy war der Mieter des Apartments neunhundertsiebzehn, und das seit etwa dreieinhalb Jahren. So, das wär's vorerst, ich muss. Viel Erfolg euch beiden!«
In Mill Basin standen einige der luxuriösesten Häuser von ganz New York. Das Taylor-Anwesen am Whitman Drive gehörte zweifellos dazu. Eine Bedienstete empfing uns und führte uns in ein weitläufiges, sonnendurchflutetes Wohnzimmer mit modernen Möbeln. Auf der dahinterliegenden Terrasse gab es gleich drei hellblau gekachelte Pools mit Liegen drumherum. An die Terrasse schloss sich ein eigener Steg an, an dem zwei große Motorjachten dümpelten. Das Mill Basin, das auch dem Wohnviertel seinen Namen gab, war ein Seitenarm der gleich dahinter beginnenden Jamaica Bay.
»Bitte gedulden Sie sich einen Augenblick. Mister und Mrs. Taylor sowie Mrs. Sippy stehen Ihnen umgehend zur Verfügung«, sagte die Bedienstete. »Darf ich Ihnen etwas zu trinken bringen?«
Wir nahmen Wasser und setzten uns.
»Mrs. Sippy, was?«, sagte Phil und erlaubte sich ein kurzes Grinsen. »Irgendwo habe ich diesen Namen schon mal gehört, wenn auch in einem anderen Zusammenhang. Ach ja, jetzt weiß ich's wieder. Da fahren Schiffe drauf herum.«
Eine Minute später betraten zwei Frauen und ein Mann das Wohnzimmer. Sofort erhoben wir uns. Heath Taylor war um die fünfzig, groß gewachsen und schlank. Er trug Jeans und Jackett. Sein asketisches bleiches Gesicht zierte ein grauer Rundbart, die grauen lockigen Haare wirkten etwas wirr. Er trug eine Goldrandbrille sowie eine sündhaft teure Rolex am Handgelenk und konnte seine Nervosität nicht verbergen. Seine Frau Tamar war indischer Abstammung, bildhübsch und sicher zwanzig Jahre jünger als er. Sie war mit einem roten Sari bekleidet. Auch sie musterte uns aus ihren großen Augen. Jane Sippy war ebenfalls sehr hübsch, kam jedoch überhaupt nicht nach ihrem Vater. Sie hätte als Curvy Model Karriere machen können. Ihre in der Mitte gescheitelten blonden Haare, die im unteren Teil zu Korkenzieherlocken gedreht waren, fielen wie ein Wasserfall über die Schultern und die mächtigen Brüste. Sie trug eine modische schwarze Bluse und eine knöchellange schwarze Hose. Auch sie war bleich. Ich sah sofort, dass sie geweint hatte.
Wir begrüßten und setzten uns.
»Ich danke Ihnen, dass Sie gekommen sind, Agents«, sagte Taylor mit brüchiger Stimme. »Jason ist also tot. Wir hatten ohnehin schon das Schlimmste befürchtet, aber nun ist auch das letzte Fünkchen Hoffnung dahin. Ich nehme an, dass Sie uns über die näheren Umstände aufklären wollen.«
Ich nickte. »Selbstverständlich. Ich muss Ihnen leider die bedauerliche Mitteilung machen, dass Mister Sippy ermordet wurde.«