Jerry Cotton 3368 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3368 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Ein einziges Mal blieb der Auftragsmörder Ethan McDonald nicht bei seinen Leisten - und schon ging alles schief. Er brach mit vier Männern in ein Gebäude ein, in dem synthetische Diamanten hergestellt wurden. Wir vom FBI erwischten die Bande auf frischer Tat. Während McDonald verletzt wurde, gelang seinen Komplizen die Flucht. Ihre Namen behielt der Killer für sich. Als er nach zehn Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, hatte er keine Familie mehr, denn Joel, der Sohn des reichen Hotelkönigs Ray Vaughan, hatte vor Kurzem an einem illegalen Straßenrennen teilgenommen und McDonalds Frau und dessen beiden Töchter totgerast. Joel war dabei schwer verletzt worden und lag nun im Krankenhaus. Sein Vater befürchtete, dass sich McDonald an Joel rächen würde, und bat uns um Hilfe. Von Ethan McDonald fehlte allerdings jede Spur ...


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Seitenzahl: 141

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Der Ladykiller

Vorschau

Impressum

Der Ladykiller

Angst ist ein hässliches Gefühl, das nur die Todesangst toppt. Von beidem war Kelly Alba, die elegante, gut aussehende Ehefrau des ebenso reichen wie erfolgreichen Eventmanagers Tommy Alba, an diesem kühlen, stürmischen, regnerischen Freitagnachmittag meilenweit entfernt.

Noch.

Die attraktive, langbeinige Fünfunddreißigjährige mit der atemberaubenden Figur aus Hoboken, New Jersey war in Manhattan unterwegs.

Sie schaute sich bei Macy's, einem der größten Warenhäuser der Welt, die aktuellen Summer must-haves an, ohne zu ahnen, dass sie seit geraumer Zeit einen »Schatten« hatte.

Jemand folgte ihr auf Schritt und Tritt. Möglicherweise ein Stalker, dem sie gefiel, der sich jedoch nicht getraute, sie anzusprechen.

Sie sah aber auch wirklich fantastisch aus: schulterlanges, seidig glänzendes, in Stufen geschnittenes rotes Haar, hübsches Gesicht mit niedlichen Sommersprossen, makellose Haltung, wohlproportioniert, geschmackvoll gekleidet ... Ein echter Hingucker. Zum Anbeißen.

Kelly sah sich gerade die neue Louis-Vuitton-Handtaschenkollektion an, als ihr Smartphone klingelte. Ihr Verfolger war ihr in diesem Moment so nahe, dass er sie berühren hätte können.

Er hätte nur den Arm auszustrecken brauchen.

Kelly Alba holte das Telefon aus der Handtasche und meldete sich. Am anderen Ende der Leitung war Ambyr Badgley, eine sehr gute Freundin aus Jugendtagen. Als Teenager waren sie unzertrennlich gewesen.

Dann hatte Ambyr mit zwanzig, einundzwanzig und zweiundzwanzig geheiratet, sich dazwischen natürlich immer wieder scheiden lassen und schließlich erkannt, dass sie sich nicht für die Ehe eignete. Seitdem lebte sie als glücklicher Single in einem schmucken Haus auf Coney Island und schrieb für eine renommierte Modezeitschrift intelligente Reportagen und bissige Kommentare. Seit Kelly vor sieben Jahren geheiratet hatte und nach Hoboken gezogen war – Ambyr war selbstverständlich zur Hochzeit eingeladen gewesen –, hatten sie einander nur noch selten gesehen. Manchmal bloß einmal im Jahr. Aber telefoniert hatten sie mindestens jeden zweiten Monat.

»Kelly-Schätzchen, wie geht es dir?«, plapperte Ambyr Badgley sofort drauflos. »Ich bin vor wenigen Minuten erst von einer Dienstreise nach Hause gekommen, war in Island. Eine Fashion Week in Reykjavik. Retro soll wieder kommen. Abgrundtief hässlich, sage ich dir. Zum Wegsehen. Grau, schlabberig und unkleidsam. Überhaupt nicht mehr figurbetont, total reiz- und farblos. Richtig frauenfeindlich. Ich frage mich, wer das schreckliche Zeug tragen soll. Der Trend ist meiner Meinung nach eine Totgeburt. Ein Rohrkrepierer. Diese zur Schau gestellte, das weibliche Geschlecht komplett verachtende Scheußlichkeit kann keine Zukunft haben. Das ist ganz unmöglich. Brrr!«

Kelly Alba sah förmlich, wie sich die Freundin schüttelte.

»Ich habe meinen Anrufbeantworter abgehört«, fuhr Ambyr Badgley fort. »Habe mich riesig gefreut, mal wieder deine Stimme zu hören.«

»Ja, ich dachte ...«

Ambyr ließ Kelly nicht ausreden. »Habe ich dich richtig verstanden? Du wohnst nicht mehr in Hoboken?«

»Stimmt. Ich habe seit ein paar Tagen ein Apartment in Manhattan.«

»Du allein? Was ist passiert?«

»Das erzähle ich dir, wenn ich dich sehe.«

»Heute geht es nicht mehr. Aber morgen.«

»Morgen ist okay. Ich schlage vor, wir treffen uns irgendwo zum Lunch.«

»Griechisch? Russisch? Französisch? Italienisch? Was soll's sein?«

»Du suchst das Lokal aus und gibst mir Bescheid. Mir ist alles recht.«

»Hat der Fluch des verflixten siebten Jahrs bei euch zugeschlagen?«

Das ließ sich Kelly Alba nicht entlocken.

»Morgen«, sagte sie nur lächelnd.

»Komm schon«, drängte Ambyr Badgley sie. »Du kennst mich. Du weißt, wie schrecklich neugierig ich bin.«

»Morgen stehe ich dir Rede und Antwort, solange du willst«, versprach Kelly Alba.

»Wisst ihr, wer wieder draußen ist?«, fragte Zeerookah, mit einer Backe auf meiner Schreibtischkante hockend. Der Indianer, der mal wieder wie ein perfekt gekleideter Dressman aussah, hatte zu diesem Zweck ein paar Schriftstücke beiseitegeschoben.

»Wer?«, fragte Phil.

»Erinnert ihr euch an Ethan McDonald?«

Phil schnippte grübelnd mit den Fingern. »Ethan McDonald ... Das war doch dieser ... dieser ...«

»Auftragsmörder«, sagte ich.

Phil nickte. »McDonald ... Na klar erinnern wir uns an den. Das FBI war monatelang hinter ihm her, konnte ihn aber nicht aus dem Verkehr ziehen.«

»Und einmal bleibt er dann nicht bei seinen Leisten, bricht mit vier Komplizen in eine Fabrik ein, die synthetische Diamanten herstellt, und kommt prompt unter die Räder«, ergänzte ich.

Ich wusste das deshalb so genau, weil ich die Verbrecher damals zusammen mit Phil, Zeerookah, Steve Dillaggio und einigen anderen FBI Agents beim Verlassen des Gebäudes abgefangen hatte. Jedenfalls war das so geplant gewesen. Nur es funktionierte nicht ganz so, wie wir uns das vorgestellt hatten, weil sich die Gangster nicht ergaben, sondern hemmungslos zu den Waffen griffen. Pulverdampf und heißes Blei schwängerten daraufhin die Luft. Einer unserer Kollegen wurde angeschossen. Ein FBI-Dienstfahrzeug ging im Flammen auf.

Die Turbulenz gipfelte in einem rauchenden, stinkenden Chaos, in dessen Schutz sich vier Verbrecher vom Acker machten. Nur einem gelang es nicht, den Tatort zu verlassen.

Er blieb mit einem Lungensteckschuss liegen und wäre gestorben, wenn wir nicht dafür gesorgt hätten, dass ihn ein Notarzthubschrauber schnellstens ins nächstgelegene Krankenhaus geflogen hätte.

Dort kämpften die Ärzte volle acht Stunden um sein Leben. Ohne Ansehen der Person. Sie wussten zwar, dass sie einen Verbrecher, einen Berufsmörder, auf dem Tisch hatten. Für sie zählte jedoch nur der Mensch, der gestorben wäre, wenn sie nicht ihr Bestes gegeben hätten. Und das ließ ihre berufliche Ethik nicht zu.

Sie brachten Ethan McDonald mit bedingungslosem Einsatz durch und stellten ihn wieder auf die Beine. Und sobald er verhandlungsfähig war, machte man ihm den Prozess und verurteilte ihn zu zehn Jahren Haft.

Der junge Strafverteidiger, den man ihm zur Seite gestellt hatte, hatte seine liebe Not mit seinem Mandanten, denn der hatte von Anfang an den großen Schweiger gespielt. Als wäre ihm mit einem unsichtbaren Faden der Mund zugenäht worden. Er leugnete nichts, gab nichts zu, bereute nichts, verriet keine Namen, sprach kein einziges Wort, war während der gesamten Gerichtsverhandlung stumm wie ein Fisch.

Und das zog er volle zehn Jahre so durch. Als hätte er ein Schweigegelübde abgelegt und es wäre ihm mit dessen Einhaltung sehr ernst.

Wir besuchten ihn nach dem Prozess im Knast einige Male.

Schweigen.

Wir setzten einen Mann mit entsprechenden Instruktionen zu ihm in die Zelle.

Schweigen.

Ethan McDonald hatte nicht einmal mit sich selbst geredet.

Und jetzt war er wieder frei, wie Zeerookah gesagt hatte.

Phil schüttelte den Kopf. »Zehn Jahre ... Kaum zu glauben, dass die schon wieder um sind.«

Kelly Alba kam nach Hause. Sie schüttelte die hochhackigen Pumps von den Füßen und nahm sich einen Drink. Whisky Soda mit viel Eis.

Das Apartment war komplett möbliert gewesen, als sie hier eingezogen war. Alles roch noch ziemlich neu. Angeblich war die Wohnung erst kürzlich fertiggestellt worden, und Kelly war die erste Mieterin.

Sie brauchte diese Auszeit, diesen Urlaub von der Ehe, um zu verarbeiten, was Tommy getan hatte. Dass sie ihn nach wie vor liebte, stand für sie außer Frage. Sie hatte ihn nicht wegen seines Geldes geheiratet, sondern aus Liebe. Deshalb war eine Scheidung für sie kein Thema. Aber sie konnte über den Ausrutscher ihres Mannes mit einer neunzehnjährigen Rockröhre aus Texas nicht einfach hinweggehen, als wäre er nie passiert.

Tommy sollte sehen, dass ihr so etwas nicht egal war. Und er durfte durchaus auch ein bisschen unter der Trennung leiden, auf der sie bestanden hatte.

Das hatte er weiß Gott verdient. Ihr Auszug aus dem gemeinsamen Haus in Hoboken sollte ihm eine Warnung sein, damit er sich beim nächsten Mal, wenn sich ihm wieder solch ein abenteuerlustiges, rücksichtsloses Flittchen an den Hals warf, besser im Griff hatte. Okay, niemand macht ein Leben lang alles richtig, dachte Kelly Alba mit angemessener Toleranz und Verständnisbereitschaft, während sie sich langsam entkleidete. Auch ich nicht. Und wegen dieses einen Fehlers stürzt nicht gleich die ganze Welt ein. Doch das darf nicht zur Gewohnheit werden. Deshalb ist ein Warnschuss zur rechten Zeit sehr wichtig und erforderlich, um unsere an und für sich sehr harmonische, gut funktionierende Ehe zu retten. Abschalten. Nachdenken. In sich gehen. Das hat noch niemandem geschadet.

Sie leerte ihr Glas, trug es in die Küche und stellte es in die Spüle.

Es stimmte nicht ganz, dass Ethan McDonalds in den vergangenen zehn Jahren kein einziges Wort gesprochen hatte. Er schwieg nur Fremden gegenüber beharrlich. Wenn seine Frau Georgia und seine beiden Töchter Ginny und Chloe ihn im Gefängnis besuchten, redete er sehr wohl. Aber immer nur Privates.

Das wussten wir von einem, der Lippen lesen konnte. Über den Coup, der für ihn so mächtig schiefgegangen war, oder über seine Komplizen verlor er auch ihnen gegenüber nie ein Sterbenswort. Ethan McDonald zog zwischen Beruf und Privatleben immer eine scharfe Grenze und überschritt diese niemals. Er hatte als Auftragskiller – so hieß es – nicht jeden Job angenommen, sondern nur jene Personen über den Jordan geschickt, von denen er selbst überzeugt gewesen war, dass sie das auch verdient hatten.

Ob dies den Tatsachen entsprach, konnten wir nicht sagen. Ihm war ja schließlich nie ein Mord nachzuweisen gewesen. Zeerookah, der nach wie vor auf meiner Schreibtischkante saß, war mit seinen Neuigkeiten noch nicht durch.

»Jetzt ist Ethan McDonald also wieder auf freiem Fuß«, sagte unser indianischer Kollege. »Und was muss er erfahren?«

»Mach hier nicht auf Alfred Hitchcock, Zeery«, sagte Phil gespannt. »Sprich weiter.«

»Man könnte McDonald fast bedauern«, bemerkte Zeerookah.

»Weshalb?«, fragte mein Partner ungeduldig.

»Kaum öffnen sich für ihn die Gefängnistore, sagt man ihm, dass er keine Familie mehr hat.«

»Wieso nicht? Hat sich Georgia McDonald etwa nach so langer Zeit von ihrem Ehemann getrennt? Wollte sie ihn nicht mehr zurückhaben? Hat sie einen anderen kennengelernt und mit ihm und den Töchtern die Stadt verlassen?«

Zeerookah schüttelte ernst den Kopf. »Sie sind tot.«

Phils Augen weiteten sich. »Alle drei?«

Zeerookah nickte.

»Was ist passiert?«, wollte er wissen.

»Sie wurden totgerast«, gab Zeerookah zur Antwort.

Während Kelly Alba unter der Dusche stand, glitt eine dunkle Gestalt in ihr Apartment und schloss lautlos die Tür. Selbst wenn sie die Brause abgedreht hätte, hätte sie das unmöglich hören können.

Der Eindringling schlich durch die geräumige Wohnung. Er machte sich ein Bild von allen Räumen und warf einen Blick ins Bad. Als er die rosigen Konturen der nackten Frau hinter der Milchglastür sah, wurden seine Lippen schmal.

Sie macht sich sauber, dachte er kalt und gefühllos. Für mich. Ihren Mörder. Wie sinnlos.

Er trug hauchdünne Einweghandschuhe, um keine Prints zu hinterlassen, griff in die Hosentasche, brachte ein Springmesser zum Vorschein und ließ es aufschnappen. Die lange, schlanke, scharfe Klinge blitzte und funkelte.

»Mein Geschenk für dich, Kelly«, flüsterte er zynisch. »Du darfst es gerne behalten. Ich habe noch mehr davon.«

Kelly drehte das Wasser ab, trat aus der Duschkabine und stieg in einen flauschig weichen weißen Bademantel.

Der bleibt nicht so blütenweiß, ging es dem Killer durch den Sinn. In Kürze wird er mit sehr viel Blut getränkt sein.

Kelly wickelte das nasse Haar in ein Handtuch und machte daraus mit wenigen Handgriffen einen dicken Turban. Als ihr Mörder ans Werk gehen wollte, klingelte ihr Mobiltelefon. Er zog sich augenblicklich zurück und fasste sich in Geduld. Schließlich hatte er es nicht eilig. Ob Kelly Alba jetzt oder erst später ihr Leben verlor, war nicht wichtig.

Hauptsache sie stirbt, dachte er.

»Hallo«, meldete sich Kelly. Sie drückte auf das Lautsprechersymbol ihres Handys und legte es neben sich. Dadurch ermöglichte sie dem Mörder unbewusst, das Gespräch mitzuhören.

»Ich vermisse dich«, sagte eine Stimme.

Sie seufzte. »Ach, Tommy.«

»Wann kommst du wieder nach Hause?«

»Ich bin noch nicht so weit.«

»Das mit Neely war eine einmalige Sache«, behauptete er.

»Ich weiß.«

»Es hat mir nichts bedeutet.«

»Warum hast du's dann getan?«

»Ich war betrunken«, antwortete er niedergeschlagen. »Und Neely ... Ich will nichts beschönigen, Kelly. Aber ... Wenn eine Frau hinter einem Mann her ist ...«

»Man kann auch Nein sagen.«

Er atmete schwer aus, wahrscheinlich weil er wusste, dass sie recht hatte.

»Komm heim, Kelly«, flehte er. »Ich liebe dich. Es wird nicht noch mal passieren, das verspreche ich.«

»Nicht mit Neely ...«

»Auch mit keiner anderen«, sagte er. Es klang wie ein Schwur und war in diesem Moment sicher auch ernst gemeint. »Du weißt doch, wie viel du mir bedeutest.«

»Ich treffe mich morgen mit Ambyr.«

»Oje.«

»Wieso?«

»Sie ist nicht gerade ein Fan von mir.«

»Das ist nicht wahr«, widersprach sie. »Sie mag dich.«

»Sie wird dir empfehlen, dich scheiden zu lassen. Darin ist sie Expertin.«

»Ich treffe meine Entscheidungen allein.«

»Ja. Aber Ambyr Badgley wird versuchen, dich zu beeinflussen und auf ihre Seite zu ziehen. Sie wird dir erzählen, wie wunderbar so ein Singleleben ist. Wird dir das Alleinsein so schmackhaft wie möglich machen. Wird dir erzählen, wie herrlich es ist, frei und ungebunden zu sein, tun und lassen zu können, was immer man möchte, auf niemanden Rücksicht nehmen zu müssen ...«

»Ich kenne beide Seiten. Ich war vor unserer Hochzeit lange genug Single, um zu wissen, wie dieses Leben ist. Und ich weiß, wie schön es sein kann, verheiratet zu sein.«

»Dann ...«

»Bitte dränge mich nicht, Tommy. Lass mir Zeit.«

»Sag mir, das alles wieder gut wird, Liebes.«

»Das wird es. Nur nicht heute. Und auch nicht morgen. Irgendwann. Ganz bestimmt. Wenn nicht wieder so eine Neely ...«

»Das kann ich dir mit absoluter Gewissheit versprechen«, sagte er. »Ich bin sehr lernfähig. Ich mache jeden Fehler nur einmal.«

Kelly seufzte.

»Darf ich dich morgen wieder anrufen?«, fragte Tommy vorsichtig.

»Aber ja.«

»Bestelle Ambyr einen schönen Gruß von mir. Sag ihr, wenn sie gegen mich intrigiert, sorge ich dafür, dass sie nie wieder Freude an ihrem selbst verschuldeten Singleleben hat.«

Kelly lachte.

»Ich meine es ernst«, sagte er.

Der Fremde, von dessen Anwesenheit Kelly Alba keine Ahnung hatte, bleckte grausam die Zähne. Du wirst deine schöne Frau in Kürze verlieren, Tommy, dachte er. Im Grunde genommen ist sie schon so gut wie tot. Du telefonierst mit einer Leiche. Sie spricht zwar noch und lacht. Doch in wenigen Augenblicken wird sie das nicht mehr können.

Kelly Alba beendete das Gespräch. Sie kehrte ins Bad zurück, nahm den Handtuchturban ab, beugte sich nach vorn, schüttelte ihr halb trockenes rotes Haar und begann es zu föhnen.

Ihr Mörder sah ihr dabei zu. Er stand reglos hinter ihr. Sie bemerkte ihn erst, als sie sich aufrichtete und in den Spiegel schaute.

Der Schock ließ sie jäh erstarren. Sie ließ den Föhn fallen, konnte weder schreien noch sich bewegen.

»Hallo, Kelly«, flüsterte der Mörder.

Sie erkannte das Messer in seiner Hand.

»Du weißt nicht, wer ich bin«, sagte der Ladykiller. »Aber ich weiß, wer du bist.«

Ein heftiges Zittern erfasste sie.

»Tommy wird es das Herz zerreißen, wenn er von deinem Tod erfährt«, sagte der Fremde.

Panik glänzte in Kellys grünen Augen. Sie wollte etwas sagen, sicher um Gnade betteln, um Erbarmen flehen, sie bekam jedoch kein Wort heraus.

Als er das Messer hob, fiel die Ganzkörperlähmung urplötzlich von ihr ab. Sie konnte sich auf einmal wieder bewegen. Blitzartig fuhr sie herum, ihr Knie schnellte hoch – und traf.

»Wie war das?«, fragte Phil perplex. »Sag das noch mal.«

»Georgia, Ginny und Chloe McDonald wurden totgerast«, erklärte unser indianischer Kollege mit finsterer Miene.

»Sie kamen bei einem Verkehrsunfall ums Leben?«

Zeerookah zog die Brauen zusammen. »Es war leider kein gewöhnlicher Verkehrsunfall.«

»Welcher Verkehrsunfall ist schon gewöhnlich?«, erwiderte mein Partner.

Zeerookahs Lippen wurden schmal. »Joel, der Sohn des Hotelkettenkönigs Ray Vaughan ...«

Wir wussten, von wem die Rede war. Alle Welt kannte den Vater und seinen missratenen Sohn.

Zeerookah verließ die Kante meines Schreibtischs, stand auf.

»Diese reichen, von frühester Jugend an ganz schrecklich verwöhnten Jungs haben ja oft so große Langeweile, dass sie sich immer wieder die verrücktesten Dinge einfallen lassen ...« Der Indianer strich über seine geschmackvoll gemusterte Krawatte. »Diesmal hatte Joel Vaughan an einem illegalen Straßenrennen teilgenommen. Er verlor die Gewalt über seinen Lamborghini, geriet im Höllentempo auf die Gegenfahrbahn und schoss den Wagen, in dem McDonalds Familie saß, frontal ab. Georgia, Ginny und Chloe McDonald hatten keine Chance. Sie waren auf der Stelle tot.«

»O Mann«, sagte Phil.

»Und Joel Vaughan?«, fragte ich.

»Der liegt schwer verletzt im Krankenhaus. Man musste ihn in künstlichen Tiefschlaf versetzen.«

»Wird er am Leben bleiben?«, wollte ich wissen.

»Das steht noch nicht fest.«

»Wie stehen seine Chancen?«, fragte ich.

»Fünfzig zu fünfzig«, antwortete unser indianischer Kollege nüchtern.

Ihr Angreifer stieß einen unartikulierten Laut aus und krümmte sich mit gequältem Gesichtsausdruck. Er würgte, röchelte und hustete.

Kelly Alba beförderte ihn mit einem kräftigen Stoß zurück und wollte fliehen. Der Mann griff, halb blind vor Schmerzen, nach ihr.

Seine Finger krallten sich irgendwo und irgendwie in ihren Bademantel. Er riss sie derb zurück, doch sie entkam ihm, indem sie ihm augenblicklich den Frotteemantel überließ. Sie öffnete gehetzt den locker gebundenen Stoffgürtel, schlüpfte aus den Ärmeln, stürmte splitternackt davon und schloss sich in fieberhafter Hast im Schlafzimmer ein.

Kaum hatte sie den Schlüssel im Schloss gedreht, warf sich der Mann, den Kelly Alba für geisteskrank hielt, mit ungeheurer Wucht gegen die Tür.

Kelly hatte sich schlotternd und schluchzend mit dem nackten Rücken daran gelehnt und wurde heftig geschüttelt.

»Weg«, presste sie verzweifelt hervor. Mit einer Stimme, die ihr selbst völlig fremd vorkam. »Geh weg. Lass mich, um Himmels willen, in Ruhe.«

Der Irre rüttelte zornig am Türknauf.