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Bailey Pearson wurde bei dem Versuch festgenommen, einen Komplizen für einen Coup anzuheuern. Der ehemalige Einbrecherkönig wusste nicht, dass der Mann als Informant arbeitete. Phil und ich kannten Pearson. Vor Jahren hatte er dem FBI im Gegenzug für ein mildes Strafmaß dabei geholfen, den Gangsterboss Bruce Ortega hochzunehmen. Pearson schwor dem Verbrechen ab und wurde zu einem ehrbaren Mitglied der Gesellschaft. Was hatte den früheren Profieinbrecher wieder auf die schiefe Bahn gebracht? Als wir ihn uns vorknöpften, platzte Pearson mit der Wahrheit heraus. Seine Frau und die beiden Töchter waren entführt worden! Und die Zeit rannte uns davon. Daher entschloss ich mich, Pearsons Rolle zu übernehmen und einen Millionenraub zu planen, um die Drahtzieher dingfest zu machen.
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Seitenzahl: 144
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Ich plante den Millionenraub
Vorschau
Impressum
Ich plante den Millionenraub
Rose Pearson legte den Kopf in den Nacken, warf die langen, zu einem nassen Strang geformten Haare über die Schulter und ließ sich minutenlang von den harten Strahlen aus dem Duschkopf massieren. Sie stellte das Wasser aus und griff am Vorhang vorbei nach dem bereitgelegten Handtuch.
Rose duschte gerne heiß, auch bei milderen Temperaturen. Sie mochte es, wenn sich Wärme und Wasserdampf wie eine zweite Haut um ihren Körper legten.
Sie trocknete sich noch in der Dusche ab, dann erst schob sie den Vorhang beiseite. Rose fror in der Bewegung ein und blinzelte irritiert. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich der Wasserdampf in dem geräumigen Bad verzogen hatte. Und jetzt war sie sich ganz sicher – in der Tür des Badezimmers stand ein Maskierter!
Rose wäre beinahe ausgerutscht, als sie zurückwich und die feuchten Kacheln im Rücken spürte.
Der Mann setzte sich in Bewegung. Wie ein von mystischen Nebeln umwabertes Phantom kam er Schritt für Schritt auf sie zu. Ihr Blick wanderte zu dem Schränkchen neben der Dusche – zu der Nagelfeile darauf. Hektisch griff sie danach, hielt sie in einer drohenden Geste vor sich und merkte im selben Moment, wie lächerlich sie damit aussehen musste.
Hektisch sah sie sich nach etwas anderen um, doch es gab nichts, womit sie sich gegen den Unheimlichen hätte wehren können. Dabei verlor sie endgültig die Balance und taumelte hart zu Boden.
Der Maskierte, der seine Schritte beschleunigte, stoppte direkt vor dem Rand der Dusche und blickte durch die Augenschlitze der Sturmhaube zu ihr nach unten.
Mit dem Mut der Verzweiflung stieß Rose die Nagelfeile vor. Der Maskierte wich aus, sodass die Spitze nur seinen Hemdsärmel ritzte.
Mit einem wütenden Aufschrei packte er sie und zog sie zu sich her.
Rose wehrte sich mit Händen und Füßen. So lange bis ihr etwas auf Mund und Nase gepresst wurde. Etwas, von dem ein süßlicher Geruch ausging. Je länger sie ihn einatmete, desto mehr erlahmten ihre Bewegungen. Schließlich fühlte sie sich wie betrunken, während ein letzter Gedanke durch ihren Kopf zuckte: die Zwillinge!
Dann schwanden ihr die Sinne.
Bailey Pearson nippte an seinem stillen Mineralwasser und ließ die Augen durch die schummrige Bar schweifen.
Seine Kontaktperson hatte sich für Punkt elf Uhr angekündigt. Jetzt war es zehn Minuten vor, doch Pearson hatte schon früher Wert darauf gelegt, als Erster am Treffpunkt zu erscheinen. Das gab ihm Zeit, seine Umgebung genauer zu inspizieren und mögliche Gefahrenquellen auszuloten.
Aktuell befanden sich außer ihm fünf weitere Personen in der Bar in Greenwich. Gäste waren ein jüngeres, hipp gekleidetes Paar, Marke Influencer, und ein mittelalter Mann, der seit einer Viertelstunde an einem Bier nippte. Den Blick hielt er auf ein Tablet gerichtet, sodass er von seiner Umgebung kaum etwas mitbekam. Pearson verbuchte ihn unter Geschäftsmann auf Reisen, den es abends nicht allein auf seinem Hotelzimmer hielt, der aber auch in »freier Wildbahn« nicht mehr mit sich anzufangen wusste, als über Umsatzzahlen zu grübeln.
Alle drei waren zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um Pearson bewusst wahrzunehmen.
Gut so. Dann war die Wahrscheinlichkeit groß, dass sie sich später nicht mehr an ihn erinnerten.
Blieb der Mann hinter der Bar, der allerdings mehr an einer jungen Frau interessiert schien, die eben noch Zigarettenproben verteilt hatte und nun mit ihm plauderte. Vielleicht hatte er Glück. Der Körpersprache nach zu urteilen, war sie nicht abgeneigt, nach Feierabend noch auf Tuchfühlung zu gehen.
Pearson räusperte sich, sah auf die Uhr und benetzte seine Kehle mit einem weiteren Schluck. Verwundert verspürte er mit vorrückender Stunde ein leichtes Stechen in der Magengegend. Ein Gefühl, das leicht mit Sodbrennen zu verwechseln, bei ihm dagegen stets ein Ausdruck von Nervosität war.
Eigentlich kein Wunder. So etwas wie das hier hatte er lange nicht mehr gemacht, und er musste sich eingestehen, dass er in seinen zehn Ruhestandsjahren Rost angesetzt hatte.
Es war acht nach elf, als die Tür aufging und eine weitere Person den Raum betrat. Pearson erkannte den Mann sofort wieder, obwohl seit ihrem letzten Treffen acht Jahre ins Land gezogen waren. Ed Snyder hatte sich seitdem kaum verändert. Er hatte noch immer halblange, zu einem Zopf gebundene Haare und viel zu lange Schlabberhemden, die um seinen dünnen Leib wehten wie eine Fahne um einen Mast. Äußerlich hätte man ihm nicht angesehen, dass er einmal einer der profiliertesten Profihacker des Landes gewesen war. Auch wenn er sich, ähnlich wie Pearson, mit seinen knapp fünfunddreißig Jahren auf den Altenteil zurückgezogen hatte.
Snyder blickte nach links und rechts, dann hatte er Pearson erspäht. Ohne ein Wort der Begrüßung zog er sich den freien Stuhl heran, nahm Platz und schaute Pearson misstrauisch an.
»Lange nicht gesehen«, meinte er mit einem schelmischen, aber auch leicht nervös wirkenden Lächeln. »Was machen die morschen Knochen?«
»Gut, gut ...«, entgegnete Pearson leise und beugte sich zu ihm vor. »Hör zu, ich will gleich zur Sache kommen. Es geht um einen Job.«
»Einen Job?«
»Nicht irgendein Job. Ein todsicheres Ding. Nichts für Anfänger.«
»Ein Ding?« Snyder runzelte die Stirn. »Kannst du vielleicht etwas konkreter werden?«
Pearson zögerte, sah sich ein weiteres Mal um. Nur am Rand bekam er mit, dass der junge Mann am Nebentisch aufstand und an ihnen vorbei die Toilette ansteuerte. Pearson wartete, bis sich die Tür hinter ihm geschlossen hatte.
»Ein Bruch«, sagte er leise. »Fünfzig Millionen sind im Spiel. Mindestens.«
»Dollar?« Snyder sah ihn aus großen Augen an.
»Nein, Pesos«, brummte Pearson. »Natürlich Dollar. Was denkst du, was ich ...?«
Sein Blick wanderte von Snyders jungenhaftem Gesicht nach unten und blieb an etwas hängen, das er durch eine leicht offen stehende Stelle des Hemds erspähte. »Verdammt!«
Pearson stand auf, und es war ihm egal, dass er den Tisch dabei in Snyders Richtung verschob.
Der sah ihn entgeistert an. »Hey, was ...?«
Pearson ignorierte ihn. Er wollte nur noch zur Tür und dann ...
»NYPD Crime Unit! Hände auf den Rücken!«
Die Stimme erklang in seinem Nacken, und ihm war klar, dass sie dem jungen Mann gehörte, der gerade von der Toilette zurückgekehrt war. Er musste sich nicht umdrehen, um sich zu vergewissern, dass das kein Scherz war. Dafür genügte ein Blick auf den mittelalten Mann, der zusammen mit der jungen Frau von seinem Platz in die Höhe schoss und seine Dienstwaffe zog. Nur der Mann an der Bar und die Zigarettenlady schienen nicht zu wissen, was hier gerade passierte.
Pearson senkte den Kopf, kam der Aufforderung nach und spürte die Handschellen klicken.
Verdammt! Er war noch eingerosteter, als er gedacht hatte.
Er hörte gar nicht zu, als ihm die Frau seine Rechte aufsagte. Sein Blick ging zu Ed Snyder. Dem verkabelten Ed Snyder, dem das Ganze offenbar ziemlich unangenehm war.
Er zuckte mit den Schultern. »Sorry, Bail, aber ich bin jetzt sauber ...«
Als Bailey Pearson abgeführt wurde, verfolgten ihn diese Worte bis nach draußen.
»Bailey Pearson wurde verhaftet.«
Phil und ich blickten gleichzeitig zu unserer Bürotür, wo Steve Dillaggio im Türrahmen lehnte.
Mein Partner und ich waren nach einem ereignislosen Vormittag gerade dabei, die Speisekarte »unseres« Take-Away-Chinesen zu studieren, als wir jäh unterbrochen wurden.
Ich runzelte die Stirn und sah den Special Agent in Charge fragend an. »Wer?«
»Pearson. Du weißt schon. Der Ciccarelli-Fall.«
Ich schien heute eine längere Leitung zu haben, denn Phil schnippte nach kurzem Nachdenken mit den Fingern. »Bailey Pearson. Profisafeknacker aus Tribeca.«
Jetzt nickte ich langsam. Allmählich dämmerte es mir. Ciccarelli war der Buchmacher eines berüchtigten Mobsterbosses gewesen. Bei einem Einbruch in dessen Villa fiel Pearson zufällig Beweismaterial in die Hände, mit dem Ciccarelli und dessen Boss Wettbetrug in Millionenhöhe nachgewiesen werden konnte. Pearson hatte dem FBI die Beweise anonym zukommen lassen, doch durch eine Unvorsichtigkeit konnten Phil und ich die Spur der per Post verschickten Dokumente nachverfolgen. Wie sich herausstellte, war der damals Zweiunddreißigjährige für eine Einbruchsserie verantwortlich, die seit Jahren die Villenbesitzer in unserer Stadt in Angst und Schrecken versetzt hatte. Pearson und seine Bande wandten nie Gewalt an, sondern agierten mit List und Tücke, was ihm beim Rest der Bevölkerung gewisse Sympathien eingebracht hatte. Nichtsdestoweniger war sein Motiv Geldgier gewesen, sodass ich ihm die Robin-Hood-Nummer, die sein gewiefter Anwalt im Vorfeld des Prozesses über die Medien verbreiten ließ, nie abgekauft hatte. Dank seiner Mithilfe im Ciccarelli-Fall blieb der Richter bei dem Strafmaß im unteren Bereich. Was zu einem gewissen Teil vielleicht auch daran lag, dass Phil und ich ein gutes Wort für ihn eingelegt hatten. Wir beide hatten Pearson lange verhört, und wenn ich mir einer Sache sicher war, dann dass Pearson seine Taten ehrlich bereute. Und sechs Jahre nach Prozessende hatte er Rikers Island als freier Mann verlassen.
Ich hatte erfahren, dass er danach einen anständigen Job bei einer Sicherheitsfirma angenommen und damit seine Verbrecherkarriere glaubhaft abgeschlossen hatte. Seitdem hatte ich nichts mehr von ihm gehört und, ehrlich gesagt, auch nicht mehr an ihn gedacht. Deshalb war mir der Name nicht sofort präsent gewesen.
»Warum wurde er verhaftet?«, wollte ich wissen.
Steve lächelte schief. »Er hat versucht, einen alten Mitstreiter für einen Bruch anzuheuern. Dummerweise arbeitet der inzwischen eng mit dem NYPD zusammen.«
Ich drehte mich stirnrunzelnd zu Phil. »Was sagt man dazu? Vielleicht ist an dem Spruch Einmal kriminell, immer kriminell ja doch etwas dran.«
Tatsächlich erlebten wir es häufig, dass verurteilte Straftäter nach einigen Jahren erneut auf die schiefe Bahn gerieten, aber bei Pearson hatte ich ein wirklich gutes Gefühl gehabt.
»Da fällt man glatt vom Glauben ab«, brummte Phil. »Soviel ich weiß, hat er erst vor ein paar Jahren geheiratet, wurde Vater und hat ein Häuschen in New Jersey gekauft.«
»Du bist ja gut informiert.« Ich staunte.
»Ich bleibe gern auf dem Laufenden«, sagte Phil augenzwinkernd.
Ich wandte mich wieder an Steve. »Danke für die Info. Was sagt Pearson dazu?«
»Bisher gar nichts. In seiner Wohnung haben die Cops allerdings Straßenkarten und Luftaufnahmen gefunden, die nahelegen, wo der Einbruch stattfinden sollte. Sagt euch der Name Isaac Howell etwas?«
Phil und ich zuckten mit den Schultern.
»Ist das nicht dieser verschrobene Milliardär, der sich letztes Jahr eine Insel im Südpazifik gekauft hat?«, fragte ich dann.
»Genau der«, gab Steve zurück. »Powell soll dort ein riesiges Anwesen mit mehreren Bungalows, einem Golfplatz und einem Privatzoo gebaut haben. Aber hier geht es um seine Villa in Vernon Valley.«
Ich nickte stumm. Mir fiel ein Artikel über die reichsten Leute im Großraum New York ein, den ich vor einiger Zeit in der Times gelesen hatte. Howells Name war dort genannt worden und auch, dass er irgendwo in Vernon Valley, New Jersey residierte. Die genaue Adresse war nicht angegeben, nur dass die Villa mitten in der Einöde lag und fast vollständig von riesigen Waldgebieten umgeben war.
Ich warf mein Wissen in die Runde und entlockte Steve damit ein anerkennendes Nicken.
»Bei der Villa handelt es sich um einen Hochsicherheitskomplex, der es durchaus mit einer Notenbank aufnehmen kann. Das Ding ist ein potthässlicher Klotz, fast selbst so eine Art Tresor. Und mindestens so sicher.« Mit geheimnisvollem Lächeln fügte er hinzu: »In dem Gebäude sollen Schätze von unermesslichem Wert lagern.«
»Und da wollte Pearson einbrechen? Ich meine, er hat ja einiges auf dem Kasten, aber ...«
»Aus diesem Grund hat er wohl versucht, Mitstreiter um sich zu scharen.«
»Hat man Isaac Howell schon deswegen kontaktiert?«, erkundigte ich mich.
Steve nickte. »Howell hält sich zurzeit auf seiner Insel auf, das NYPD hat per Videochat mit ihm kommuniziert. Besonders beunruhigt klang er nicht. Er hat der Polizei für ihre Arbeit gedankt und sie recht schnell abgewimmelt.«
»Er scheint großes Vertrauen in seinen bewohnbaren Safe zu haben«, meinte Phil.
»Und Pearson schweigt sich zu alledem aus?«, fragte ich.
Unser Kollege verschränkte überlegen die Arme vor der Brust. Es war sein wissendes Lächeln, das mir nicht gefiel.
»Er will reden. Aber nicht mit jedem. Ihr sollt gleich nach Rikers kommen, wo er in U-Haft sitzt.«
Ich sah Steve verwundert an. »Du meinst ...?«
»Es gibt offenbar etwas, das Pearson unbedingt loswerden möchte. Denn er hat ausdrücklich nach euch beiden verlangt.«
»Und er hat nicht gesagt, worüber?«, fragte ich.
»Nein. Vielleicht verrät er euch ja, wo seine Frau und seine Töchter sind. Die drei sind nämlich spurlos verschwunden.«
Obwohl wir angemeldet waren, brauchten wir eine gute halbe Stunde, um durch die Sicherheitsschleusen von Rikers Island zu gelangen. Reguläre Besucher, die etwa einen Verwandten sehen wollten, mussten gut einen halben Tag dafür einplanen.
Nach der Überprüfung unserer Daten wurden wir in einen schmucklosen Raum gebracht, in dem wir weitere zehn Minuten warten mussten, bis uns ein kräftiger uniformierter Wachmann bat, ihn zu begleiten. Er führte uns nach draußen, wo wir ein Gefährt bestiegen, das an einen Golfwagen erinnerte. Damit wurden wir über den Komplex chauffiert, der aus zehn verschiedenen Gebäuden bestand.
Rikers war mehr als nur ein Gefängnis. Es war eine kleine Stadt mit zehn separaten Haftanstalten, einem eigenen Krankenhaus und Kirchen aller möglichen Konfessionen.
Der Wachmann hielt vor einem pavillonartigen Flachbau, in dem sich die Untersuchungszellen befanden. Hier waren jene Gefangenen untergebracht, die noch auf ihren Prozess warteten und denen eine Freilassung auf Kaution verweigert worden war. Wir folgten unserem Begleiter durch den Eingang und durch einen langen, fensterlosen, mit kalten Neonröhren ausgeleuchteten Gang bis zu einer mit einem PIN-Code gesicherten Tür. Mit flinken Fingern gab der Wachmann die Nummer ein, und nach einem kurzen Piepton schnappte das Schloss auf.
Ich nickte dem Mann dankend zu, während er uns die Tür aufhielt und gleich hinter uns wieder schloss.
Wir fanden uns in einem quadratischen Raum wieder. Das Mobiliar bestand aus einem Metalltisch und ein paar Stühlen. Auf einem davon saß ein kleiner, hagerer Mann mit hoher Stirn und einem schmalen Gesicht. Die eisgrauen Augen, die über tiefen Ringen lagen, blitzten bei unserem Eintreten auf.
»Agent Cotton, Agent Decker«, sagte Pearson mit schnarrender Stimme, »setzen Sie sich. Ich wünschte, ich könnte Ihnen etwas anbieten, aber ...« Mit schiefem Grinsen hob er die Arme, die wie seine Beine mit Handfesseln fixiert waren. Er trug einen orangefarbenen Overall, der offensichtlich eine halbe Nummer zu groß für ihn war.
Phil und ich zogen uns jeder einen Stuhl heran und nahmen auf der ihm gegenüberliegenden Seite des Tisches Platz. Erst dann ergriff ich das Wort.
»Schön, Sie mal wiederzusehen, Pearson. Ich wünschte, es wären andere Umstände.«
Pearson nickte betroffen und senkte den Kopf.
»Wir hörten, Sie haben uns etwas zu sagen«, meinte Phil, der sich vorbeugte und einen Arm auf dem Tisch abstützte.
Pearson blickte zu uns auf. Jetzt, aus dieser Entfernung, fielen mir die roten Äderchen auf den weißen Augäpfeln auf. Er schien schlecht geschlafen zu haben.
»Ich habe Mist gebaut.«
»Was Sie nicht sagen«, murmelte Phil. »Ich dachte, Sie wären wegen des guten Essens hier.«
Pearson verzog keine Miene. Sein Blick wanderte an uns vorbei. Ich musste mich nicht umdrehen, um zu wissen, worauf sich seine Aufmerksamkeit richtete. Die Kamera, die über der Tür an der Decke hing.
»Denken Sie, es wäre möglich, irgendwo unter vier Augen zu sprechen?«, fragte er.
»Sie können frei reden. Wir werden nicht abgehört.« Das behauptete ich, ohne es zu wissen. Aber was immer Pearson uns zu sagen hatte, würde ohnehin nicht in diesem Raum bleiben. Nicht wenn es zur Klärung der Vorwürfe gegen ihn beitrug.
Pearson atmete tief durch und stierte erneut auf die Tischplatte.
»Vor acht Jahren lernte ich Rose kennen«, sagte er gerade so laut, dass wir es verstehen konnten. »Sie arbeitete in einem kleinen Café auf dem Weg zu meiner Arbeit, in dem ich jeden Morgen meinen Coffee to go hole. Wir verabredeten uns, und eins kam zum anderen. Zwei Jahre später kamen Ella und Emma auf die Welt. Zwillinge. Wir zogen in ein kleines Haus vor der Stadt, mit einem großen Garten und einer Pferdekoppel in der Nähe. Unser Leben schien perfekt ...«
»Und dann haben Sie alles aufs Spiel gesetzt«, sagte Phil in eine längere Pause hinein. »Was ist der Grund? Warum dieser Bruch? Haben Sie Schulden?«
Pearson sah meinen Partner durchdringend an. Dann sprach er weiter, ohne auf seine Fragen einzugehen. »Vor drei Tagen kam ich spät von der Arbeit zurück. Oder früh ... Ganz wie Sie wollen.«
»Sie arbeiten als Sicherheitsangestellter bei einem Hightechunternehmen?«
Pearson nickte. »Ich hatte eine Neun-Stunden-Nachtschicht hinter mir. Es war früher Morgen, jedoch noch nicht hell. Eigentlich hätten Rose und die Mädchen friedlich schlafend in ihren Betten liegen müssen.«
Angespannt zog ich die Stirn hoch. Unwillkürlich musste ich an das denken, was Steve uns zuletzt gesagt hatte. »Und das taten sie nicht?«
Pearson starrte mich an. Die Ringe unter den kleinen Augen gaben seinem Gesicht etwas Totenkopfhaftes.
»Als ich Rose nicht in unserem Schlafzimmer fand, machte ich mir noch keine Gedanken, obwohl das Bett unberührt war. Es kommt vor, dass sie auf der Couch im Wohnzimmer einschläft. Vor allem wenn ich nicht da bin. Aber als die Zwillinge ebenfalls nicht in ihren Betten lagen, bekam ich es mit der Angst zu tun. Ich lief durchs Haus und rief ihre Namen. Bis ich etwas bemerkte. Einen Umschlag auf dem Wohnzimmertisch – mit meinem Namen darauf. Ich öffnete ihn. Darin Fotos von Rose und den Mädchen. Bevor ich mich wundern konnte, klingelte das Telefon. Eine verzerrte Stimme meldete sich.« Pearsons Stimme begann zu brechen. »Der Anrufer ... erzählte mir, er habe meine Familie in seiner Gewalt. Er schwor, ihnen nichts anzutun. Er habe sie zu sich eingeladen, um sich meiner Dienste zu versichern. Genauso drückte er sich aus.«
»Ihre Dienste als Einbrecher?«, hakte Phil nach.