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Die internationale Boxwelt stand Kopf. Vor wenigen Tagen hatte der Weltmeisterschaftskampf im Schwergewicht im Madison Square Garden mit einer Sensation geendet. Der bislang ungeschlagene, haushohe Favorit Chico Spinoza war in der vierten Runde gegen einen unbekannten Russen schwer k. o. gegangen. Die Gerüchte über einen geschobenen Fight wollten nicht verstummen. Plötzlich verunglückte ein renommierter Anwalt und starb wenig später im Krankenhaus. Zuerst dachte niemand an einen Zusammenhang zwischen dem Boxkampf und dem Unfall. Doch eine Whistleblowerin meldete sich bei uns vom FBI. Bevor die Frau auspacken konnte, stürzte sie vom Balkon ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Knock-out
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Impressum
Knock-out
Es war ein herrlicher Frühlingsmorgen in Providence, der Hauptstadt von Rhode Island. Arthur Sullivan schob sein funkelnagelneues E-Bike aus der Garage seines Anwesens. Seit einigen Wochen war die morgendliche Radtour Teil seines Tagesablaufs. Sullivan genoss die frische Luft, während er gemächlich in die Pedale trat, sich an der Blütenpracht in den Vorgärten der Nachbarschaft erfreute.
Sein Ziel war der Roger Williams Park Zoo. Sullivan fuhr eine seiner üblichen Routen, überholte einige Jogger und Radfahrer. Plötzlich ein lauter Knall. Die Hobbysportler, die zu dieser frühen Stunde unterwegs waren, zuckten erschreckt zusammen. Arthur Sullivan wurde, wie von einer Riesenfaust getroffen, im hohen Bogen aus dem Sattel geschleudert, überschlug sich mehrmals, bevor er reglos auf einem Rasenstück liegen blieb.
Sofort eilten einige Leute herbei, leisteten Erste Hilfe, verständigten das Providence Police Department und einen Krankenwagen.
Sullivan verlor das Bewusstsein.
Ich fuhr in meinem roten Jaguar F-Type zum Field Office, als ich die Nachricht über den schweren Unfall von Arthur Sullivan im Radio hörte. An der gewohnten Ecke in der oberen West Side in NYC stieg wie jeden Tag mein Partner Phil Decker zu.
»Hi, Phil«, begrüßte ich meinen Freund. »Schon mitbekommen, was passiert ist?«
»Was ist los?«
»Arthur Sullivan hat es erwischt«, klärte ich ihn auf.
»Der Sullivan?« Er sah mich ungläubig an. »Der Anwalt, der neulich den Schauspieler in der Vergewaltigungsgeschichte vertreten hat?«
»Genau der«, bestätigte ich. »Er stürzte mit seinem E-Bike in einem Park in Providence, Rhode Island. Offenbar ist der Akku explodiert. Jedenfalls ist Sullivan schwer verletzt, liegt im Koma.«
»Das kann schon mal vorkommen«, meinte Phil. »Meist passiert es, wenn kein Originalakku verwendet wird oder es sich um ein No-Name-Bike aus einem Drugstore handelt.«
»Ich glaube nicht«, sagte ich, »dass sich Sullivan kein ordentliches Bike leisten kann.«
Heute Morgen hatte ich etwas länger geschlafen, das rächte sich nun. Wir waren noch rund eine Meile von der Federal Plaza entfernt, wo sich das Field Office befand. Ein paar Autos vor uns ereignete sich ein Unfall. Zum Glück nur Blechschaden, aber der Stau war unvermeidlich. Phil winkte einen Cop herbei, zeigte seinen Dienstausweis, und der Mann lotste uns durch.
»Einer von Sullivans Mandanten ist Chico Spinoza«, meinte ich. »Der Kampf ist noch in aller Munde.«
»Ja, der haushohe Schwergewichtsfavorit, ungeschlagen in fünfundzwanzig Kämpfen, knallte in der vierten Runde gegen unbedeutendes Fallobst aus Russland auf den Ringboden und stand nicht mehr auf. Sämtliche Medien deuten seit Tagen an, dass der Kampf geschoben wäre.«
»Und jetzt fiel Spinozas Anwalt vom Rad«, sagte ich nachdenklich, »und kämpft um sein Leben. Mein Gefühl verrät mir, das wird ein Fall für uns, Phil.«
Ich sollte recht behalten. Kaum hatten wir unser gemeinsames Büro im dreiundzwanzigsten Stockwerk im Field Office betreten, trat Mr. High ein.
»Guten Morgen, Gentlemen«, begrüßte uns der Chef und kam sofort zur Sache. »Ich nehme an, Sie haben bereits gehört, dass Arthur Sullivan verunglückt ist. Inzwischen ist er aufgrund seiner schweren Verletzungen verstorben. Jerry und Phil, fahren Sie nach Rhode Island, sehen Sie sich die Unfallstelle an. Die Homicide Squad der zuständigen Detective Division hat um Unterstützung gebeten. Die Kollegen glauben nicht an einen Unfall, nehmen an, dass der Akku des E-Bikes manipuliert wurde. Sehen und hören Sie sich herum. Vielleicht können Sie auch mit Sullivans Familie sprechen.«
Mr. High verließ unser Büro, und Phil war anzusehen, dass er keine besondere Lust auf diesen Ausflug hatte.
»Ich kenne und schätze deine Fähigkeiten«, meinte er missmutig. »Neu ist allerdings, dass du auch Hellseher bist.«
Zwischen New York und Providence in Rhode Island liegen an die hundertachtzig Meilen. Das bedeutete etwas mehr als drei Stunden Fahrt auf der Interstate 95 N. Wir kamen zügig voran und hatten genügend Zeit vom Auto aus Arthur Sullivan gründlich zu durchleuchten. Phil nahm den abnehmbaren Tablet-PC vom Armaturenbrett, während ich aufs Gaspedal trat.
»Sieh mal einer an.« Phil pfiff durch die Zähne.
»Was ist?«, fragte ich neugierig und riskierte einen Blick auf den Bildschirm, konnte jedoch nicht richtig lesen, da ich mich auf die Fahrbahn konzentrieren musste.
»Sullivan hat sich vor einiger Zeit aus dem operativen Geschäft zurückgezogen«, erklärte Phil. »Sein langjähriger Partner Brandon Cooper führt nun die Kanzlei in Manhattan.«
»Da müssen andere Gründe ausschlaggebend gewesen sein«, bemerkte ich. »Sullivan feierte erst kürzlich seinen sechzigsten Geburtstag. Das ist doch kein Alter für den Ruhestand, um Orchideen zu züchten. Ausgerechnet er, stets umtriebig.«
»Stimmt. Über seinen Sechzigsten hat die gesamte Yellow Press berichtet. Alle mit Rang und Namen haben gratuliert. Sullivan vertrat nur hochkarätige Klienten aus Politik, Wirtschaft, Kultur und Sport wie Chico Spinoza. Das ist etwas faul.«
»Wir sind gleich in Providence. Tipp doch die Elmwood Ave ins Navi«, bat ich Phil. »Der Treffpunkt mit Detective Johnson ist vor dem Haupteingang des Roger Williams Zoo Park.« Ich hatte noch vor unserer Fahrt mit dem Detective telefoniert und den Treffpunkt vereinbart.
Verlässlich lotste uns das Navi zu der Adresse, wo uns ein schlaksiger jüngerer Mann in lässiger Kleidung erwartete. Ich parkte mich ein. Wir stiegen aus, während er langsam auf uns zuging.
»Hoher Besuch in unserem beschaulichen Städtchen. FBI, nehme ich an. Ich bin Detective Graham Johnson.«
Nachdem wir uns vorgestellt hatten, meinte Johnson, es seien nur ein paar Schritte bis zur Unfallstelle im Park. Der Zoo war nur mäßig besucht. Schließlich war das Unglück an einem Wochentag geschehen. Einige Schulklassen standen vor den Käfigen mit den exotischen Tieren, hörten den Erklärungen ihrer Lehrer zu.
»Angeblich wurde der Akku des E-Bikes manipuliert, Detective«, sagte ich.
Die Unfallstelle war abgesperrt, die Spurensicherung noch bei der Arbeit. Inch für Inch wurde die Fläche, wo Sullivan schwer gestürzt war, von den Spezialisten nach Splittern der explodierten Batterie und nach möglichen Hinweisen abgesucht.
»Wir haben bereits den Hersteller kontaktiert«, erklärte Johnson. »Uns wurde versichert, dass ein technischer Fehler ausgeschlossen werden könne. Sullivans Bike war ein hochpreisiges Modell, das, bevor es in den Verkauf gelangen durfte, eine Reihe von Tests bestehen musste. Bisher gab es mit diesem Typ keinerlei Probleme. Ein explodierter Akku ist noch nie vorgekommen.«
»Hier fuhr Sullivan jeden Tag?«, fragte Phil.
»Ja«, bestätigte der Detective. »Zumindest wissen wir es von seiner Witwe.«
»Wie war sein Ruf, das Ansehen in Providence?«, erkundigte ich mich.
»Arthur Sullivan zählte zu den honorigsten Persönlichkeiten in der Stadt«, antwortete der Detective, »saß in zahlreichen Wohltätigkeitsvereinen im Vorstand, ebenso wie seine Frau. Das Ehepaar war niemals knausrig, wenn es um Spenden ging. Allerdings wollen Gerüchte nicht verstummen, dass es finanziell gar nicht so rosig um die Sozietät steht. Sie können sich selbst ein Bild machen, wenn Sie sich das Anwesen der Sullivans ansehen. Pompös, protzig, es stinkt förmlich nach Geld.«
»Und nun spielt Brandon Cooper den großen Zampano«, murmelte Phil.
»Auf dem Papier«, erwiderte Johnson. »Ich bin überzeugt, Sullivan hat weiterhin die Fäden gezogen als graue Eminenz im Hintergrund.«
»Warum hat er sich dann zurückgezogen?«, fragte ich prompt.
»Sullivan hatte Ambitionen, in die Politik zu gehen, wollte für das Amt des Gouverneurs von Rhode Island kandidieren. Noch war es nicht offiziell, aber die Spatzen pfiffen es bereits von den Dächern.«
»Gut«, versetzte Phil, »bis dahin ist es schlüssig. Wäre nicht dieser eigenartige Boxkampf. Dazu hat Sullivan Chico Spinoza vertreten.«
»Und nicht zu vergessen«, ergänzte ich, »Sullivans Partner Brandon Cooper ist Spinozas Manager.«
»Darüber habe ich mir ebenfalls Gedanken gemacht.« Graham Johnson setzte sich auf eine Bank, streckte die Beine von sich. »Ich habe ein Faible für diesen Sport und kenne mich ein bisschen aus. Oleg Fyrtash ist in der Boxwelt ein Nobody. Zwar ein Profi, jedoch bekannt für sein Glaskinn. Von fünfzehn Kämpfen fünf durch K. o. innerhalb der ersten sechs Runden verloren. Spinoza wurde bis zu diesem Kampf als neuer Mike Tyson gefeiert. Mit seinem Punch hätte er den Russen spätestens in der zweiten Runde in den Ringstaub schicken müssen. Doch das genaue Gegenteil trat ein, Spinoza lag am Boden.«
»Wenn es um Wettbetrug ging«, sagte ich, »haben sich die wenigen, die auf den Russen gesetzt haben, goldene Nasen verdient. Nur hatten es Sullivan und Cooper tatsächlich nötig, sich auf diese kriminelle Tour einzulassen? Das kann nur bedeuten, dass die Sozietät tatsächlich in den roten Zahlen ist.«
Phil setzte sich zu Johnson auf die Bank. »Soweit mir bekannt ist, steht hinter dem neuen Weltmeister der undurchsichtige russische Oligarch Yapontschew, der ihn sponsert.« Mein Partner kaute auf der Unterlippe, dann fuhr er fort. »Irgendwie erinnert mich dieser Kampf an einen dieser Rocky-Filme.«
Nun saßen wir zu dritt auf der Bank, sahen der Spurensicherung zu und waren noch kein Stück schlauer. Wir mussten das Ergebnis der Untersuchung abwarten. Handelte es sich um ein technisches Versagen oder tatsächlich um eine Manipulation?
Solange das nicht geklärt war, konnten wir nichts unternehmen. Ebenso lag keinerlei Beweis für einen geschobenen Boxkampf vor. Wir hatten zu diesem Zeitpunkt absolut nichts in der Hand, obwohl förmlich zu riechen war, dass etwas nicht stimmte. Bislang gab es keinerlei Gesetzesverstoß. Ich rief Mr. High an und teilte ihm die bisherigen Erkenntnisse mit. Ich schlug vor, Sullivans Witwe einen Besuch abzustatten. Der Chef war einverstanden. Johnson nannte uns die Adresse. Wir verabschiedeten uns, während der Detective am Unfallort zurückblieb.
Ich startete den Jaguar. Graham Johnson hatte nicht übertrieben. Das Anwesen in der Park Ave im Stadtteil Edgewood war nicht zu übersehen. Ebenso gut hätte es in Beverly Hills in Hollywood stehen können.
»Natürlich«, brummte Phil, »wir hätten uns denken können, dass die Paparazzi bereits vor Ort sind.«
»Ich habe damit gerechnet. Das ist eine Topstory, die sie sich nicht entgehen lassen können.«
»Offiziell können wir nicht in Erscheinung treten, Jerry. Sonst wecken wir schlafende Hunde.«
Ich parkte den Jaguar abseits der Journalistenmeute. Mein roter Flitzer fiel in dieser noblen Gegend nicht weiter auf. Cops hielten Reporter und TV-Teams ab, das Grundstück zu betreten.
»Wir müssen mit jemanden von der Familie sprechen«, sagte Phil, nachdem wir uns ausgewiesen hatten.
»Kein Problem, gehen Sie.«
Es waren nur ein paar Schritte bis zu dem riesigen Grundstück, das auf der Vorderseite von mannshohen Büschen eingesäumt war. Die Jalousien an sämtlichen Fenstern waren hinuntergelassen.
»Hey! Wer sind die beiden?«, tönte eine Männerstimme aus der Reporterschar herüber.
Der Uniformierte stellte sich taub.
»Ich wette, das sind Cops«, meinte der neugierige Journalist zu einem Kollegen.
Wir hörten hinter uns das Klicken von Kameraverschlüssen und konnten uns leicht ausrechnen, dass man sämtliche Objektive und Mikros auf uns richtete. Wir hatten keine Lust, unsere Konterfeis in den Zeitungen und auf den Bildschirmen zu sehen. Daher standen wir abgewandt, während ich die Klingel neben der imposanten Haustür betätigte. Kurz darauf öffnete ein Butler. Ich schätzte ihn auf dreißig und hielt ihn für einen Mexikaner.
Bevor wir uns vorstellen konnten, winkte er ab. »Mrs. Sullivan gibt keinerlei Auskünfte oder Interviews.«
Er wollte die Tür wieder schließen, doch Phil legte eine Hand auf den Knauf.
»Die Special Agents Decker und Cotton, FBI«, sagte ich leise. Wir zeigten unsere Dienstausweise. »Melden Sie uns bitte an.«
»Ein Augenblick bitte. Ich verständige Mrs. Sullivan.«
Wir sahen uns in der Zwischenzeit um. Der Empfangsraum konnte größenmäßig durchaus mit einem Ballsaal mithalten. Die Ausstattung präsentierte einen übertriebenen, nicht unbedingt erlesenen Geschmack für Luxus.
»Vielleicht hätten wir Jura studieren sollen«, raunte Phil.
»Mir wäre das zu viel«, sagte ich ebenso leise und schüttelte den Kopf. »Davon wird man ja erschlagen.«
»Mrs. Sullivan lässt bitten.« Der Butler wies uns den Weg in einen Salon.
Wir erwarteten eine trauernde Witwe und stellten uns darauf ein. Doch vor uns stand eine attraktive junge Frau, in der ich Sullivans Tochter vermutete. Noch einmal präsentierten wir unsere Ausweise, nannten unsere Namen.
»Sind Sie Mister Sullivans Tochter?«, fragte ich.
»Nein, ich bin«, sie korrigierte sich, »ich war Arthurs Frau, Oona Sullivan.«
Ich bemerkte sofort ihren leichten Akzent. Zumindest bei Frauen hatte Arthur Sullivan ein weitaus besseres Händchen gehabt als bei der Möblierung dieses Salons.
»Ihr Vorname klingt russisch«, sagte Phil.
»Ja, ich bin in Moskau geboren, kam vor einigen Jahren in die Staaten.«
Immer wieder überraschte mich mein Partner. Nun wurde dieser mögliche Unfall sehr interessant.
»Unser herzliches Beileid«, sprach ich aus, was die Höflichkeit verlangt.
Allerdings machte sie nicht den Eindruck einer betroffenen Witwe. Sie wirkte überhaupt nicht verweint. Entweder hatte sie sich im Griff, oder es passte ihr durchaus in den Kram, dass ihr Mann das Zeitliche gesegnet hatte. Wahrscheinlich konnte sie auf ein erhebliches Erbe hoffen.
»Danke«, sagte sie leise. »FBI? War es denn kein Unfall?« Ohne eine Antwort abzuwarten, eine weitere Frage. »Möchten die Gentlemen etwas trinken?«
»Ein Wasser bitte«, antwortete ich.
»Miguel, du hast gehört. Sei so nett.« Mit einer knappen Handbewegung erteilte sie die Order.
Zumindest mit dem Latino lag ich richtig. Der Butler verschwand und kehrte mit zwei vollen Gläsern auf einem Tablett zurück.
»Reine Routine«, klärte ich Oona Sullivan auf und nippte an dem Wasser. »Der Tod Ihres Mannes wird noch untersucht.«
»Setzen Sie sich«, forderte sie uns auf.
Wir nahmen auf einer ausladenden Lederbank Platz, während sie sich uns gegenüber in einem Fauteuil niederließ.
»Wir wollen Sie nicht lange stören«, nahm ich das Gespräch wieder auf. »War Ihr Mann ein routinierter Radfahrer?«
»Arthur ist viele Jahre nicht gefahren«, gab sie bereitwillig Auskunft. »Ich mache mir große Vorwürfe, weil ich ihm zu seinem sechzigsten Geburtstag dieses Unglücksrad geschenkt habe. Zuerst war Arthur nicht besonders begeistert, mit der Zeit machte es ihm jedoch richtig Spaß. Nur immer hinter dem Schreibtisch sitzen, Akten wälzen und kaum Bewegung, das konnte auf Dauer nicht gut gehen. So hat er etwas an Übergewicht zugelegt.«
»Mrs. Sullivan«, tastete ich mich behutsam vorwärts, »wie lange waren Sie verheiratet?«
»In zwei Monaten wären es vier Jahre gewesen.« Sie zeigte weiterhin keinerlei Emotionen. »Ich bin Arthurs zweite Frau. Seine erste verunglückte vor fünfzehn Jahren tödlich bei einem Flugzeugabsturz. Warum wollen Sie das so genau wissen, wenn es doch ein Unfall war?« In ihrem Tonfall schwang nun unüberhörbar Misstrauen mit.
»Wie erwähnt, reine Routine, Mrs. Sullivan«, antwortete Phil, um ihre Bedenken zu zerstreuen. »Schließlich ist es selten, dass ein E-Bike-Akku während der Fahrt explodiert.«
»Mister Cooper bereitet bereits eine Millionenklage gegen die Herstellerfirma vor«, sagte sie forsch.
»Sie meinen, Brandon Cooper, den Partner Ihres verstorbenen Mannes, Mrs. Sullivan?«, vergewisserte ich mich.
»Wen sonst?«, lautete ihre Antwort. »Glauben Sie nicht an einen Unfall, Gentlemen?«
»Nun, wir versuchen alle Möglichkeiten auszuloten.« Phil ließ sie nicht in unsere Karten blicken, obwohl unser Blatt bisher mehr als dürftig war. »Wir halten Sie auf dem Laufenden, sollten sich neue Erkenntnisse ergeben.«
»Gut«, Oona Sullivan erhob sich, »meine Zeit ist sehr begrenzt. Durch den unerwarteten Todesfall sind eine Menge Dinge zu erledigen. Ich muss Arthurs Begräbnis vorbereiten. Sie entschuldigen mich. Miguel wird Sie hinausbegleiten.«
Ohne uns eines weiteren Blickes zu würdigen, ging sie aus dem Raum. Miguel trat ein und wies uns den Weg.
»Sagen Sie, Miguel«, fragte ich, »gibt es einen Hinterausgang? Wir wollen nicht von den Journalisten belästigt werden.«
»Natürlich, folgen Sie mir.«
Wir liefen durch die angrenzende Garage, deren Fuhrpark sich sehen lassen konnte. An der hinteren Wand befand sich ein Ausgang. Vorbei an einem überdimensionalen Swimmingpool, Jacuzzi und anderem Schnickschnack, wie es für Superreiche zum unverzichtbaren Standard zählte, überquerten wir, Miguel voran, den gepflegten Rasen. Anscheinend waren nur Mrs. Sullivan und der Butler anwesend.