Jerry Cotton 3371 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3371 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Neal Bane war Mitglied eines Drogenrings. Bevor er gegen seinen Boss Jefferson Grimes auspacken konnte, wurden Bane und seine Frau kaltblütig ermordet. Sein fünfjähriger Sohn Markie entkam dem Anschlag nur knapp und flüchtete sich zu seiner Tante Gloria. Der Junge trug etwas bei sich, das Grimes nur zu gerne haben wollte - einen USB-Stick mit der Aufzeichnung eines belastenden Gesprächs. Grimes setzte alles daran, Banes Sohn aufzuspüren, um ihn zum Schweigen und den Datenträger an sich zu bringen. Doch Gloria kämpfte wie eine Löwin um Markies Leben. Und wir vom FBI wussten, dass wir die beiden vor Grimes finden mussten!


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Seitenzahl: 147

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Sie kämpfte wie eine Löwin

Vorschau

Impressum

Sie kämpfte wie eine Löwin

»In der Familie gibt es einen kleinen Jungen. Ist das ein Problem für dich?«

Cliff Vanderbolt schüttelte wortlos den Kopf. Jefferson Grimes blickte ihm in die Augen, doch er sah keine Regung darin. Sie waren kalt und dunkel, wie die eines Hais, der sein Opfer fixiert. Nein, für diesen Kerl war das wirklich kein Problem.

Eine düstere Ausstrahlung ging von Vanderbolt aus. Grimes wusste, dass es vielen Menschen bei seinem Anblick kalt den Rücken hinunterlief. Ihm nicht. Er hatte keine Angst vor dem Killer, und für einen Job wie diesen war der große, kräftig gebaute Mann mit dem gebräunten Teint und dem dichten schwarzen Haar genau der Richtige. Vanderbolt war dafür bekannt, dass er seine Aufträge mit der Präzision eines hochwertigen Uhrwerks erledigte.

»Du musst es gleich morgen früh machen, dann sind sie auch alle zu Hause«, sagte Grimes.

Ein grimmiges Lächeln kerbte sich in Vanderbolts Mundwinkel. »Wie das bei einer ordentlichen amerikanischen Familie so üblich ist, verstehe. Morgen um diese Zeit wird Mommy ihren Liebsten zum letzten Mal das Frühstück serviert haben.«

Als er das Badezimmer verließ, stieg Neal Bane der Geruch von gebratenem Speck in die Nase. Trotz seiner inneren Anspannung musste er lächeln. Eier und Speck zum Frühstück waren ein lieb gewonnenes Ritual, auf das er nur ungern verzichtete, außer wenn sie sich in Orlando oder auf Hawaii ein paar Urlaubstage gönnten. Die Köche in den Hotels hatten den Dreh einfach nicht raus. Wenn es um sein Lieblingsgericht ging, konnte niemand Abby das Wasser reichen.

Er warf einen Blick auf seine Uhr. Noch eine knappe Stunde bis zu seiner Verabredung. Einer Verabredung, die ihr Leben verändern würde. Noch konnte er die Welle, die sie bald erfassen würde, aufhalten, indem er einfach nicht hinging. Sicher, sie würden fragen, warum er nicht erschienen war, aber er könnte ihnen erzählen, dass er betrunken gewesen war und Unsinn geredet hatte. Vermutlich würden sie ihm kein Wort glauben, doch das Gegenteil würden sie ihm nicht beweisen können.

Nein, er würde keinen Rückzieher machen. Das konnte er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren. Ihm war bewusst, dass es für Außenstehende seltsam klingen würde, wenn er bei seiner Art des Broterwerbs sein Gewissen ins Spiel brachte. So abgebrüht wie viele andere in seiner Branche war er trotz allem nie gewesen.

Als er die Küche betrat, stand Abby am Herd und drehte ihm den Rücken zu. Wie immer war der Tisch bereits gedeckt. Bane trat auf sie zu und drückte ihr einen Kuss in den Nacken.

»Fertig für den Tag, großer Mann?«, fragte sie, ohne ihre Augen von der Pfanne abzuwenden.

Der brutzelnde Speck sah schön knusprig aus, wie Bane mit einem Blick über ihre Schulter feststellte.

»Zum Anbeißen«, flüsterte er ihr ins Ohr und legte eine Hand auf ihr Hinterteil.

»Der Speck oder ich?«

»Beides.« Er kniff ihr sanft in den Po.

»Halt dich zurück, großer Mann«, wies sie ihn mit amüsierter Stimme zurecht. »Markie kann jeden Moment reinkommen.«

»Wo ist er eigentlich? Wird bald Zeit für die Schule, oder?«

»Wie du weißt, schlägt er ganz nach dir. Schafft es nie rechtzeitig aus dem Bett.«

Bane musste grinsen. Ihr fünfjähriger Sohn war ihm mit seinen blonden Wuschelhaaren und den hellblauen Augen nicht nur äußerlich ähnlich. Wie er selbst war er ein Langschläfer, und er liebte es, Dinge auseinanderzunehmen und ihr Innenleben zu erkunden, so wie er selbst es bis ins Teenageralter getan hatte. Damals hatten seine Eltern geglaubt, er würde Techniker oder Mechaniker werden. Nachdem er wie seine Schwester einige Jahre zuvor aus dem etwas verschlafenen Kennebunkport in Maine nach New York City umgezogen war, hatte er als Kellner, Taxifahrer und Doorman gearbeitet, bevor er sich anderen, weitaus lukrativeren Dingen zugewandt hatte.

Abby nahm die Pfanne von der Herdplatte, entzog sich mit einer geschmeidigen Drehung seinem Griff und begann, den köstlich riechenden Inhalt auf die drei Teller auf dem Tisch zu verteilen.

»Du wirst es durchziehen?«, fragte sie ihn, ohne dabei aufzusehen.

»Ja, das werde ich.«

»Du tust das Richtige, Neal. Ich stehe hinter dir.«

Er fuhr mit einer Hand durch ihre braunen Locken und küsste sie auf die Wange. »Danke, Abby. Das ist mir sehr wichtig. Wirklich.«

Sie stellte die Pfanne in die Spüle neben dem Herd. »Was wird wohl passieren?«

Bane zuckte mit den Schultern. »Vielleicht nehmen sie uns ins Zeugenschutzprogramm auf. Jeff hat viele Freunde.«

»Das ist das Einzige, was mir Angst macht. Dass wir von hier wegmüssen.« Sie seufzte leise.

Er wusste, dass seine Frau ihr geräumiges Apartment in Brooklyn liebte. Von ihrem Wohnzimmerfenster im dritten Stock aus konnten sie in den angrenzenden St. John's Park hinabschauen, und es gab in ihrer direkten Nachbarschaft zahlreiche kleine Restaurants, in denen sie regelmäßig verkehrten. Doch wohin auch immer er gehen musste, Abby würde ihm folgen. Sie war das Beste, was ihm in seinem Leben passiert war.

Als er sie vor elf Jahren kennengelernt hatte, hatte seine kriminelle Karriere bereits Fahrt aufgenommen. Nachdem sie erfahren hatte, womit er sein Geld verdiente, war sie zuerst schockiert gewesen, und er hatte befürchtet, dass sie ihn verlassen würde. Zum Glück war es anders gekommen, und nur ein Jahr später hatten sie geheiratet. Abbys Liebe zu ihm ließ sie über seine dunkle Seite hinwegsehen. Trotzdem war es manchmal nicht leicht für sie, wie er sehr wohl wusste.

Die Tür wurde aufgestoßen, und Markie fegte förmlich in die Küche. Er trug sein Lieblingsoutfit, eine dunkelblaue Jeans, weiße Turnschuhe und ein T-Shirt mit dem Konterfei von Captain America, seinem bevorzugten Superhelden. Sein Haar war zerzaust.

»Morgen, Dad, Morgen, Mom«, krähte er.

Abby warf ihrem Sohn einen kritischen Blick zu. »Bevor du aus dem Haus gehst, wirst du Bekanntschaft mit der Haarbürste machen, Markie«, sagte sie.

»Ist gut«, antwortete er, kletterte auf seinen Stuhl, griff nach einem der Pancakes, die auf einem großen Teller gestapelt waren, und biss beinahe die Hälfte ab.

Abby zog die Brauen hoch. »Markie Bane, Messer und Gabel dienen in diesem Apartment nicht nur zur Dekoration.«

»Ist ja guuut«, antwortete er, rollte mit den Augen und griff nach einer Gabel.

Bane hatte neben seinem Sohn Platz genommen und tippte ihn mit dem Zeigefinger gegen den Oberarm. »Kleiner, du sollst nicht mit den Augen rollen. Schon gar nicht Mom gegenüber.«

»Okay, Dad.«

Abby schüttelte schmunzelnd den Kopf und wollte sich gerade auf ihren Stuhl setzen, als es an der Tür klopfte.

Bane runzelte die Stirn. »Wer kann das sein um diese Zeit?«

»Bestimmt Jill. Ich habe ihr gestern Abend Milch geliehen. Du weißt ja, wie sie ist. Wahrscheinlich war sie heute Morgen schon in aller Frühe im Supermarkt«, antwortete Abby und verließ die Küche.

Gedankenverloren spießte er mit der Gabel einen Speckstreifen auf, ohne ihn zum Mund zu führen. Das klang nachvollziehbar. Er wusste, dass Jill, korrekt bis zur Pedanterie, es hasste, Schulden zu haben, und wenn es sich nur um ein bisschen Milch handelte.

Trotzdem hatte er plötzlich ein schlechtes Gefühl. Seine Nackenhaare sträubten sich, sein Magen zog sich zusammen. Wie von selbst öffneten sich seine Lippen, sein Mund formte Abbys Namen.

Zu spät. Er hörte, wie die Tür geöffnet wurde.

Dann ein gedämpfter Knall, gefolgt von einem dumpfen Schlag.

Markies Kopf flog herum. »Was war das?«

Bane ließ die Gabel fallen, sprang auf, packte seinen Sohn, warf ihn sich über die Schulter und war im nächsten Moment im Flur. Ein Blick nach rechts. In der geöffneten Tür stand ein Schatten. Abby lag auf dem hellbraunen Laminatboden, auf ihrer Stirn klaffte ein hässliches Loch. Blut verteilte sich unter ihrem Kopf. Ihre Augen starrten zur Decke.

Markies entsetzte Schreie ignorierend, wandte sich Bane nach links. Sein Arbeitszimmer war nur drei Schritte entfernt. Wieder ein gedämpfter Knall, etwas zupfte an seinen Haaren. Er warf sich gegen die nur angelehnte Tür, flog förmlich ins Zimmer, stellte Markie auf die Füße, trat die Tür zu und verriegelte sie.

Das würde ihn eine Weile aufhalten. Aber nicht lange.

Seine Waffe, ein Smith & Wesson M2.0, lag in seinem Nachttisch im Schlafzimmer. Unmöglich, an sie heranzukommen.

Schon hämmerte der Eindringling von draußen gegen das Holz. Es war nicht allzu dick, nur wer brauchte schon eine Sicherheitstür in seinem Apartment? Wahrscheinlich blieb ihm kaum eine Minute, bis er sie aufgebrochen hatte.

»Dad, was ist denn los? Was ist mit Mom?«

Markie stand vor ihm, bleich wie ein Gespenst. Seine angsterfüllten Augen schimmerten feucht, sein Mund war leicht geöffnet.

Grimes, dachte Bane. Irgendwie musste er es herausgefunden haben. Und er hatte ihm einen Killer geschickt.

Das Türblatt erbebte unter dem nächsten Schlag. Keine Zeit mehr.

Ohne Markie zu beachten, sprang er zu seinem Schreibtisch, einem ziemlich teuren grellweiß gestrichenen Ding mit zahlreichen jadegrünen Schubladen, das Abby in einem angesagten Möbelladen in der Third Avenue erstanden hatte. Er zog die oberste Schublade heraus, griff hinein, packte den USB-Stick und wandte sich seinem Sohn zu.

»Markie, wir haben keine Zeit, deshalb hör gut zu«, sagte er in eindringlichem Ton. »Ich gebe dir jetzt diesen Stick. Steck ihn in die Hosentasche. So tief du kannst. Du darfst ihn nicht verlieren.«

Mit einer zitternden Hand nahm Markie den Stick entgegen und ließ ihn in seiner rechten Tasche verschwinden. Tränen liefen ihm über die Wangen.

»Sehr gut«, lobte er. »Jetzt kletterst du aus dem Fenster und dann die Feuerleiter hinunter. Dann rennst du zu Tante Gloria, und zwar so schnell du kannst. Du findest doch den Weg, oder?«

Sie hatten seine Schwester schon häufig besucht, aber Markie hatte sich noch nie allein auf den Weg zu ihr gemacht. Sie wohnte nur ein paar Blocks entfernt.

Zu Banes Erleichterung nickte sein Sohn.

Wieder erbebte die Tür. Das hässliche Geräusch von splitterndem Holz drang an seine Ohren. Vielleicht noch zwei oder drei Tritte.

»Und was ist mit dir, Dad?«, fragte Markie, wobei seine Unterlippe zitterte.

»Da draußen ist ein böser Mann. Ich muss ihn aufhalten, sonst wird er dich einholen und dir etwas antun, und das will ich nicht.«

»So wie Mom?«

Er nahm sich die Zeit, tief durchzuatmen. »Ja, so wie Mom. Du gehst zu Tante Gloria und sagst ihr, dass auf dem Stick eine Aufzeichnung ist, die sie sich anhören soll. Sie wird dann wissen, was zu tun ist. Verstehst du das?«

Markie nickte.

»Dann los.«

Sein Sohn lief zum Fenster. Es war einen Spalt weit geöffnet, er musste nur hinaussteigen. Im nächsten Moment stand er auf der Feuerleiter.

Wieder ein Schlag, gefolgt von einem durchdringenden Knirschen.

»Dad?«

Bane fuhr herum. »Los jetzt!«

»Kommst du nach?«

»Ich versuche es. Und nun geh. Schnell.«

Markie wandte sich ab. Bane konnte seine Schritte auf den Metallstufen hören. Sie wurden rasch leiser.

Die Tür flog aus den Angeln, schlug gegen die Wand und wäre durch den Schwung beinahe wieder zugeschlagen, aber der Eindringling trat rasch einen Schritt vor und blockierte sie mit seinem massigen Körper. Er war groß und trug einen dunklen Anzug. In seiner rechten Hand hielt er eine Pistole mit einem aufgeschraubten Schalldämpfer.

Mit einem wütenden Schrei warf sich Bane auf ihn. Erneut der gedämpfte Knall. Ein heftiger Schlag traf seine Schulter, doch er hatte zu viel Schwung, als dass ihn die Kugel hätte aufhalten können. Als er gegen den Killer prallte, taumelte der einen Schritt zurück, fiel jedoch nicht, wie er es gehofft hatte. Er war zu schmächtig, um seinen stämmigen Gegner ins Wanken zu bringen. Seine Hände legten sich um dessen Kehle, drückten zu.

Der Kerl schüttelte ihn ab wie eine lästige Fliege. Bane krachte gegen den Türrahmen, stieß sich den Hinterkopf. Sterne explodierten vor seinen Augen. Jetzt packte ihn der andere am Kragen, zog ihn zu sich heran, um ihn gleich darauf zurückzustoßen. Bane ruderte mit den Armen, konnte sich nicht auf den Beinen halten und stürzte über seinen Schreibtischstuhl. Hart schlug er mit dem Ellenbogen auf. Sofort wollte er sich aufrappeln, da traf ihn ein heftiger Tritt am Kinn. Sein Kopf wurde zurückgeschleudert, in seinen Ohren klingelte es. Keuchend kam er auf dem Rücken zum Liegen.

Druck auf seiner Kehle. Bane hob den Blick. Der Killer hatte ihm einen Fuß auf den Hals gesetzt und fixierte ihn so am Boden. Jetzt beugte er sich zu ihm herunter. Kalte dunkle Augen musterten ihn. Dann sah er in das kleine schwarze Mündungsloch, das ihm so dicht vor seinem Gesicht übergroß vorkam.

»Wo ist der Stick?«, fragte der Killer.

»In der Hölle.«

Er dachte an Abby und Markie.

Der Killer drückte ab.

Mit seinem gediegenen Anzug und seinen nach hinten gekämmten Haaren erinnerte mich Detective Lou Sinclair frappierend an den jungen Michael Douglas in seiner Rolle als Steve Heller in der alten Krimiserie Die Straßen von San Francisco. Ich wäre nicht überrascht gewesen, wenn im nächsten Moment Karl Malden um die Ecke gebogen wäre. Dann schüttelte ich den Gedanken ab, um mich auf seinen Bericht zu konzentrieren.

»Die Nachbarin hat Lärm gehört«, klärte er Phil und mich auf. »Ihr Name ist Jill Lords, Sie können mit ihr sprechen, wenn Sie wollen, sie sitzt nebenan in ihrem Apartment. Allerdings ist sie ziemlich fertig. Nachdem es einige Male heftig gepoltert habe, sei es wieder still geworden, aber kurz darauf habe sie erneut merkwürdige Geräusche gehört. Irgendwann hat sie sich ein Herz gefasst und wollte rübergehen, um nach dem Rechten zu sehen. In dem Moment, als sie ihre Tür öffnete, stürmte ein Kerl aus dem Apartment und rannte den Gang hinunter, als wäre der Teufel hinter ihm her. Im Flur hat sie dann Mrs. Banes Leiche entdeckt.«

Ich nickte und sah mich um. Wir standen in einem Raum, der wohl als Arbeitszimmer gedient hatte, jedenfalls schloss ich das aus dem großen Schreibtisch. Die Tür war aufgebrochen worden. Auf dem Boden lag ein Toter. Der Killer hatte Neal Bane in den Kopf geschossen, genau wie seiner Frau Abby. Außerdem hatte Bane eine Schusswunde in der Schulter. Ich kannte ihn nicht, doch auf der Fahrt hierher hatte uns Mr. High über das Autotelefon gebrieft. Bane war ein führendes Mitglied einer Bande von Drogenhändlern gewesen.

Obwohl Schränke und Schubladen offen standen und durchwühlt worden waren, hielt ich es für unwahrscheinlich, dass die Banes einem Einbrecher zum Opfer gefallen waren. Dafür sprach auch, dass Neal Banes prall gefüllte Brieftasche im Flur lag. Der Mörder musste sie aus seiner Jacke gezogen und dann achtlos weggeworfen haben. Ein Dieb hätte wenigstens das Bargeld eingesteckt.

Hier roch es nach einem Mord unter Gangstern. Vielleicht war Bane jemandem in die Quere gekommen, hatte einen Konkurrenten betrogen oder versucht, im Revier eines anderen zu fischen. In der Welt der organisierten Kriminalität reichte das den Leuten aus, um zur Waffe zu greifen.

Was hatte der Killer gesucht?

»Sieht nach einer Hinrichtung aus«, meinte Phil, wie um meine Überlegungen zu bestätigen.

»Ganz deiner Meinung«, sagte ich und wandte mich an Detective Sinclair. »Gibt es Hinweise auf ein Motiv?«

Sinclair schürzte die Lippen. »Die gibt es in der Tat. Ich wollte gerade darauf zu sprechen kommen.«

»Wir sind mächtig gespannt«, ermunterte Phil ihn.

»Gestern Abend ging ein Anruf im siebenundsechzigsten Revier ein. Der Anrufer war Neal Bane. Er ließ sich ins Drogendezernat durchstellen und landete bei Detective Doyle Lawrence. Ihm gegenüber gab er an, nicht nur aussteigen, sondern auch auspacken zu wollen. Er sei im Besitz einer auf einem USB-Stick gespeicherten Aufzeichnung, die das NYPD sicher interessieren würde. Lawrence vereinbarte mit ihm ein Treffen. Heute Morgen um neun Uhr wollte Bane bei ihm vorstellig werden. Tja, dazu ist es nicht mehr gekommen.«

Phil runzelte die Stirn. »Eine Aufzeichnung?«

»Viel mehr weiß ich auch nicht. Als vorhin der Notruf einging, hat Doyle das mitbekommen. Während ich bereits zum Auto unterwegs war, hat er mir das mit dem Anruf erzählt. Unterhalten Sie sich mit ihm. Er kannte Bane und hat das Telefonat mitgeschnitten, nachdem ihm klar geworden war, wen er da in der Leitung hatte.«

»Das werden wir tun«, versicherte ich.

Ein junger uniformierter Cop betrat das Arbeitszimmer. »Detective Sinclair?«

Sinclair wandte sich um. »Was gibt's, Brooks?«

»In diesem Apartment gibt es ein Kinderzimmer. Aber weit und breit keine Spur von einem Kind.«

Phil hob die Brauen. »Das sollten wir uns ansehen.«

Wir folgten Brooks. Das Zimmer war sehr geräumig und aufgrund der Superhelden-Poster an den Wänden, der Modellrennbahn auf dem Boden und der Nachttischlampe in Form eines blassgrünen Totenkopfs ging ich davon aus, dass hier ein Junge lebte. Mädchen hatten meiner zugegeben geringen Erfahrung nach einen etwas anderen Geschmack, was die Einrichtung ihrer Zimmer anging. Der Kleiderschrank stand offen, der Killer hatte auch ihn durchsucht.

»Vielleicht ist der Junge in der Schule«, äußerte Phil.

»Möglich, Agent Decker«, meinte Sinclair. »Oder er liegt hier irgendwo, und wir haben ihn nur noch nicht gefunden.«

Er ging auf die Knie, beugte sich vor, bis seine Schultern den Boden berührten, und spähte unter das breite Bett. Das blaue Laken war zerwühlt, auf dem Kissen starrte mir das grimmige Konterfei von Batman entgegen.

Mein Mund wurde trocken.

Als sich Sinclair wieder aufrichtete, stand ihm die Erleichterung ins Gesicht geschrieben.

»Nichts außer ein paar Staubflusen«, verkündete er.

Ich atmete auf. »Wir gehen rüber zu Miss Lords und reden mit ihr«, schlug ich vor. »Sie kennt das Kind bestimmt.«

»In Ordnung, Agents. Wir durchkämmen noch einmal das Apartment, aber bei meiner seligen Tante Nelly, ich hoffe, dass wir nicht fündig werden.«

Wir verließen den Tatort und klopften an der Tür nebenan. Eine junge Frau mit langen blonden Haaren, die ihr beinahe bis zur Hüfte reichten, öffnete uns. Sie trug eine übergroße Sweatjacke, was aussah, als steckte sie in einem mintfarbenen Sack, und hatte eine runde Brille auf der Nase. Die Gläser waren so dick, dass ihre geröteten Augen leicht vergrößert wirkten.

»Jill Lords?«, fragte ich.

Sie nickte.

»FBI. Ich bin Agent Cotton, das ist mein Partner Agent Decker. Wir würden uns gerne mit Ihnen unterhalten.«