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Als dem leicht reizbaren Gangsterboss Hal Houseman der Boden an der Westküste zu heiß wurde, verlagerte er seine kriminellen Aktivitäten zu uns an die Ostküste. In New Yorks Unterwelt fungierte Ruben Fletcher seit einigen Jahren als Housemans rühriger Stellvertreter. Ganz klar, dass Phil und ich diesen Mann permanent im Visier hatten. Da Houseman nun seine Big-Apple-Gang übernehmen wollte, legte sich Fletcher quer - und rief damit einen skrupellosen Killer auf den Plan!
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Seitenzahl: 138
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Mord im Blut
Vorschau
Impressum
Mord im Blut
Seine letzte Pasta alla boscaiola aß der unterdurchschnittlich große und überdurchschnittlich schwere Salvo Pizzini an einem lauen Spätsommerabend unter freiem Himmel auf der Terrasse seines Freundes Paolo Giordano in Little Italy.
Der herrliche Duft des Waldes umschmeichelte seine Sinne, während er den geräucherten Speck, die weichen Champignons und die frische Petersilie in der mit einem Extraschuss Sahne verfeinerten Tomatensoße genoss. Den Motorradfahrer, der auffallend langsam angekrochen kam, sah er nicht ...
»Schmeckt's, Salvo?«, erkundigte sich der Wirt.
Pizzini küsste mit fett glänzenden Lippen begeistert seine Fingerspitzen. »Deliziös, köstlich, superb, exzellent ... Man sollte dir die ›Goldene Bratpfanne‹ verleihen, mein Freund. Einen ›Platinkochlöffel‹. Den ›Küchen-Oscar‹. Die höchste Auszeichnung, die es in deinem Gewerbe gibt.«
Der Motorradfahrer öffnete den Reißverschluss seiner schwarzen Lederjacke und griff hinein. Niemand beachtete ihn. Er trug einen großen schwarzen Helm mit grau getöntem Vollvisier auf dem Kopf, sah aus wie ein Astronaut.
Paolo Giordano bemerkte den Mann auf der fabrikneuen Suzuki erst, als es zu spät war. Der Killer zog ohne Eile eine Pistole mit Schalldämpfer aus der Jacke und richtete sie auf Salvo Pizzinis Hinterkopf.
Giordano riss entsetzt die Augen auf. Der Schock lähmte seine Stimmbänder. Er wollte Pizzini warnen, brachte aber keinen Ton heraus.
Und dann ploppte auch schon die Waffe.
Eine Kugel genügte. Sie traf das Ziel genau dort, wo sie sollte, stieß Salvo Pizzini, der auf der Stelle tot war, nach vorn und mit dem Gesicht mitten hinein in die saftige Pasta. Dunkelrotes Blut spritzte gegen Paolo Giordanos italienisch grün-weiß-rot gestreifte Schürze.
Er prallte verstört zurück und starrte sich mit einem Wie-sehe-ich-denn-aus-Gesicht verdattert an. Der Motorradfahrer steckte seine Kanone weg und brauste mit so viel Gas davon, dass sich die Suzuki wie ein Wildpferd aufbäumte, das erst zugeritten werden musste.
Die Maschine fegte eine kurze Strecke auf dem Hinterrad die Straße entlang, kippte schließlich nach vorn und sauste auf beiden Rädern um die Ecke.
Um Paolo Giordano herum schrien die Gäste.
Er fand endlich seine Stimme wieder. »O ... o mein Gott ...«, stammelte er. »Dio mio ... Madonna mia ... Sto impazzendo! – Ich werde verrückt! Was für eine Frechheit! Ein Mord! Davanti ai miei occhi! – Vor meinen Augen! Polizei! Die Polizei muss her! Und zwar pronto!«
Indessen fuhr der Killer Richtung Williamsburg Bridge. Nicht zu schnell und nicht zu langsam. Genau so, dass er nicht auffiel. Er überquerte den East River aber nicht, sondern steuerte in der Delancey Street einen Parkplatz an.
Dort bockte er die Suzuki auf, nahm den Helm ab und holte sein Handy hervor, um die vereinbarte Erfolgsmeldung – den Vollstreckungsbericht – abzusetzen.
»Hallo?«, meldete sich eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung.
»Jonah.«
»Hast du eine erfreuliche Nachricht für mich?«
»Er hatte kürzlich sein letztes Abendmahl«, berichtete Jonah Cuoco.
»Wo hast du ihn getroffen?«
»In Little Italy. In den Hinterkopf. Bei Paolo Giordano. Auf der Terrasse. Er war gerade beim Essen. Ich nehme an, dass es ihm geschmeckt hat.«
»Wieso nimmst du das an?«
»Er hat mit Paolo geredet und seine Fingerspitzen geküsst«, antwortete Jonah Cuoco.
»Ah, okay.«
»Es ging sehr schnell«, setzte Cuoco seinen Bericht fort. »Er hat es gar nicht mitgekriegt. Ich glaube, er weiß noch immer nicht, dass er tot ist.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung lachte. »Ich liebe deinen schwarzen Humor.«
»Werden viele um ihn trauen?«
»Ich glaube nicht. Er war nicht besonders beliebt. Schließlich hat er alle Welt beschissen. Auch mich.«
»Tja, und das ist ihm letzten Endes nicht bekommen«, bemerkte Jonah Cuoco trocken.
»Er war ein Dreckschwein.«
»Er hätte dir noch viel Kummer bereitet«, sagte Cuoco. »Angeblich hatte er die Absicht, mit den Cops einen Deal auszuhandeln. Wenn sie ihm volle Straffreiheit garantiert hätten, hätte er dich eiskalt in die Pfanne gehauen.«
»Deshalb musste ich die Notbremse ziehen.«
»Jetzt bist du eine große Sorge los.«
»O ja.«
»Und wem hast du das zu verdanken?«, fragte Jonah Cuoco.
»Dir.«
»Ich meine, das müsste dir was wert sein.«
»Du kriegst, was wir abgemacht haben.«
»Ist ein bisschen wenig«, sagte Cuoco. »Findest du nicht?«
»He, was soll das?«
»Ich fühle mich von dir etwas über den Tisch gezogen«, erwiderte Jonah Cuoco. »Sorry, wenn ich dir das so unverblümt sage. Ich habe dir immerhin einen riesigen Stein aus dem Weg geräumt, und zum Dank dafür speist du mich mit ein paar Peanuts ab.«
»Du warst damit einverstanden.«
»Da habe ich noch nicht gecheckt, welch wirklich großen Dienst ich dir erweisen würde. Inzwischen hatte ich Zeit, gründlich darüber nachzudenken. Ich habe mir alles reiflich durch den Kopf gehen lassen und bin zu dem Schluss gelangt, dass die Relation zwischen dem, was ich für dich getan habe, und dem, was du mir dafür gibst, nicht stimmt. Die Abmachung ist verdammt unfair, fast schon beleidigend. Auf jeden Fall kränkt sie mich.«
Schweigen am anderen Ende der Leitung.
»Bist du noch dran?«, erkundigte sich Jonah Cuoco.
»Ja, ich bin noch dran.«
»Und? Wie stehst du zu dem, was ich gesagt habe?«
»Wie viel willst du?«
»Das Doppelte.«
Schnappatmung am anderen Ende. Dann: »Das Dopp... Du bist wohl nicht ganz ... Findest du deine Forderung nicht ein wenig unverschämt?«
»Das Leben wird jeden Tag teurer.«
»Auch für mich.«
»Komm schon«, drängte Jonah Cuoco. Er wusste, dass er erreichen konnte, was er wollte. Er musste nur beharrlich bleiben. »Was ich verlange, bezahlst du doch aus der Portokasse. Denk mal nach, Mann. Du hast durch mich jetzt den Rücken frei und kannst dich wieder voll und ohne Sorgen aufs Geschäft konzentrieren. Bei diesen idealen Bedingungen verdient sich das Geld, das du mir gibst, praktisch von selbst.«
»Ich bin auf dem Standpunkt, dass man sich an getroffene und per Handschlag besiegelte Vereinbarungen halten sollte.«
»Wenn sie fair sind, bin ich ganz bei dir«, sagte Cuoco. »Aber in diesem Fall.«
»Also gut. Du kriegst, was du verlangst. Nur rede mit niemandem darüber. Denn wenn das Schule macht ...«
»Keine Sorge. Ich kann schweigen wie mein toter Vater.«
»Wo bist du?«
Jonah Cuoco sagte es dem Mann am anderen Ende der Leitung.
»Fahr nach Hause und bleib da. Maddie wird bei dir mit einem Geldkoffer vorbeikommen.«
»Ich mag Maddie.«
»Jeder mag Maddie.«
»Bist du noch mit ihr zusammen?«, erkundigte sich Jonah Cuoco nicht ohne Hintergedanken.
»Nicht mehr. Das ist vorbei. Wir haben uns getrennt, sind nur noch gute Freunde.«
»Du hältst bei ihr – du weißt schon, wo – nicht mehr die Hand drauf?«, wollte Cuoco wissen.
»Sie kann tun und lassen, was sie will.«
»Was dagegen, wenn ich ihr bei Gelegenheit mal meine Briefmarkensammlung zeige?«, fragte Cuoco leicht kribbelig.
»Wenn sie sich dafür interessiert, habe ich kein Problem damit.«
Das hörte Jonah Cuoco gern. Er beendete das Telefonat, setzte seinen Helm auf, schwang sich auf die Suzuki, startete den Motor und fuhr los.
Zwanzig Minuten später war er daheim. Er entledigte sich seiner Lederklamotten, duschte gründlich und wartete in Jeans und T-Shirt, eingehüllt in den herben Duft eines teuren Herrenparfüms, auf Maddie Crown.
Wir hatten einen Hinweis erhalten. Anonym, wie so oft. Und immer wieder. Vielleicht wollte uns jemand eine Freude machen und keinen Dank dafür haben.
Oder er wollte Ruben Fletcher, der sich allem Anschein nach für unverwundbar hielt, nur schlicht und ergreifend gehörig eins auswischen.
Aus welchen Beweggründen auch immer. Der Auslöser dafür war uns, ehrlich gesagt, ziemlich egal. Hauptsache, wir konnten dem umtriebigen Ganglord, der uns schon lange ein Dorn im Auge war und meinte, weil er so fuchsschlau war, sich absolut sicher fühlen zu dürfen, mal wieder ein bisschen wehtun, um ihn eines hoffentlich nicht allzu fernen Tages – nach vielen kleinen Nadelstichen – endgültig zu Fall zu bringen.
»Fletcher kriegt 'ne Lieferung«, teilte uns jemand mit.
»Von Alibaba, Amazon, JD.com oder Shopify?«, fragte Phil den Anrufer.
»Weder noch. Da ist nämlich Kokain im Marktwert von einer halben Million unterwegs. In einem weißen Ford Transit Connect. Und so was liefern die genannten Onlineriesen meines Wissens noch nicht.« Der gut informierte Anrufer nannte das Kennzeichen des Fahrzeugs. »Wenn ihr euch beeilt, könnt ihr die Lieferung abfangen. Der Wagen wird in einer Stunde in Brooklyn auf dem Life Center Campus der Purpose Life Church eintreffen.«
Klick.
Aus.
Und wir beeilten uns.
Ruben Fletcher leitete genau genommen eine Zweigstelle. Eine Gangdependance. Das zweite Standbein eines skrupellosen, leicht reizbaren Gangsterbosses namens Hal Houseman, der an der Westküste lebte und »wirkte«.
Sacramento, San Francisco, Las Vegas, Los Angeles ... Da war Fletchers Boss zu Hause. Er vertrat ihn hier in New York mit zufriedenstellendem Erfolg und war ihm gegenüber mit allem, was er tat, in letzter Konsequenz verantwortlich.
Das wussten wir.
Und auch, dass Hal Houseman dem ebenso rührigen wie zuverlässigen Ruben Fletcher großen Spielraum ließ, weil der in den letzten Jahren augenscheinlich bewiesen hatte, dass er imstande war, in Housemans Sinn höchst zufriedenstellende Arbeit zu leisten und ansehnliche Profite zu erzielen. Housemans Big-Apple-Gang befand sich bei ihm in besten Händen. Man konnte fast behaupten, dass Ruben Fletcher zurzeit besser im Sattel des Verbrechens saß als Hal Houseman selbst, weil Letzterem unsere FBI-Kollegen drüben das Leben von Tag zu Tag schwerer machten. Es wurde gemunkelt, er könnte, sobald ihm der Boden unter den Füßen zu heiß geworden war, sein brüchig gewordenes Westküstenimperium auflösen, seinen bisherigen kriminellen Wirkungskreis verlassen und sich hier an die Spitze seiner Big-Apple-Gang setzen und Fletcher auf Platz zwei verweisen.
Wir hofften, dass es nicht dazu kam, hatten aber nur begrenzt die Möglichkeit, entsprechende Weichen zu stellen, denn das behielt sich – leider – das weitgehend unbeeinflussbare Schicksal vor.
Der süße kalifornische Schaumwein, den fast alle Frauen so gerne tranken, war kalt gestellt. Jonah Cuoco hatte vor, Maddie Crown zuerst ordentlich abzufüllen – er hoffte, dass sie nicht allzu trinkfest war – und anschließend, wenn sie auf instabil gewordenen Stöckelschuhen stand und es unverantwortlich gewesen wäre, sie noch allein nach Hause fahren zu lassen, zu Bett zu bringen und ihr und sich reichlich Gutes zu tun.
Ihr Porsche, schon hart an der Grenze zum Oldtimer, war mit tiefen Dellen, Schrammen und bunten Aufklebern »geschmückt« und zeugte davon, dass sie gerne schnell, unbekümmert und rücksichtslos unterwegs war.
Cuoco sah sie nicht, als sie eintraf, aber er hörte sie. Selbst einem Stocktauben wäre das schrille Quietschen ihrer abgenutzten Bremsbeläge durch Mark und Bein gegangen. Er rieb sich grinsend die Hände und freute sich auf viel Spaß mit der feurigen Furie. Sie näherten sich von beiden Seiten der Haustür. Maddie Crown brauchte nicht zu läuten, weil die Tür wie von selbst aufging, sobald sie sie erreichte. Maddie, gerade mal fünfundzwanzig und mit einer Traumfigur gesegnet, sah umwerfend aus. Ihr pechschwarzes Haar floss in weichen Wellen auf ihre wohlgerundeten Schultern. Sie trug ein elegantes Jerseykleid mit Paisleybordüre. Es war mit geometrischen Formen und Ranken bunt bedruckt. Fantastisch sah das aus.
In der rechten Hand trug Maddie Crown einen Aktenkoffer aus schwarzem Rindsleder mit verchromten Verschlüssen.
Cuoco hatte sie schon länger nicht gesehen. Er war bei ihrem umwerfenden Anblick hin und weg, verdrehte die Augen und machte überwältigt »Wow«.
»Ist das ein Kompliment?«
»Ich denke, das ist eines. Ja. Auf jeden Fall.«
Sie sah ihn lächelnd an. »Darf ich reinkommen?«
»Oh. Äh. Ja.« Cuoco lachte verlegen. »Ja natürlich. Entschuldige. Komm herein.« Er trat rasch zur Seite, gab die Tür frei.
Sie schwebte an ihm vorbei. Sein Blick saugte sich an ihrer attraktiven Kehrseite fest.
»Du hast abgenommen«, stellte er angetan fest.
»Zu viel?«
Er stieß die Tür ins Schloss.
»Mit Sicherheit nicht«, beeilte er sich zu sagen. »Genau an den richtigen Stellen.«
»Der Babyspeck ist weg.«
»Mir ist nie aufgefallen, dass du welchen hattest.«
Sie gingen ins Wohnzimmer. Maddie legte den Lederkoffer auf den Tisch.
»Ich habe dir etwas mitgebracht«, sagte sie.
»Wunderbar.« Cuoco hatte Mühe, seinen Appetit auf sie zu verbergen. »Aber das hat Zeit. Erst mal trinken wir was, okay? Ich hoffe, du magst kalifornischen Schaumwein.«
»Machst du Witze? Ich sterbe dafür.«
Er lachte kehlig. »Nun, du brauchst nicht gleich dafür zu sterben ...«
Die Dinge entwickelten sich prächtig. Genauso wie er es sich vorgestellt hatte. Ein wohliges Prickeln nistete sich zwischen seinen Lenden ein.
Maddie schien schon länger keine »richtige Freude« mehr gehabt zu haben und reif zu sein. Reif für die schönste Nebensache der Welt.
»Sekunde«, sagte er heiser. »Nimm Platz. Setz dich. Mach es dir bequem. Fühl dich wie zu Hause. Ich hole die Pulle und die Gläser, bin gleich wieder bei dir.«
»Lass mich nicht zu lange warten.« Sie schenkte ihm ein verheißungsvolles Lächeln.
Er fing sofort Feuer. »Hast du noch was vor?«
»Vielleicht.« So wie sie das sagte, mit diesem vielversprechenden, nicht ganz sauberen, ein wenig schlüpfrigen Blick, konnte sie nur gemeint haben: Vielleicht – mit dir! Jedenfalls fasste er das so auf. In seinem Schädel begann daraufhin ein Feuer zu knistern.
Er flitzte davon und holte den Schaumwein und, weil es der Anlass wert war, zwei edel geschliffene Bleikristallgläser. Als er zurückkehrte, hatte Maddie Crown den Lederkoffer geöffnet. Er konnte nicht sehen, was sich darin befand. Das war ihm in diesem Moment aber auch ziemlich egal.
Holy Moly!
Diese triebbefeuerte, schweißtreibende Hitze. Jonah Cuoco hielt sie kaum noch aus.
Er zeigte auf den Koffer. »Später. Das hat keine Eile. Mach ihn wieder zu, Maddie. Erst mal möchte ich dich in meiner bescheidenen Hütte herzlich willkommen heißen. Du warst noch nie hier.«
»Nein, war ich nicht«, bestätigte sie.
»Ich finde, dass das gefeiert gehört.«
»Wenn du meinst.«
»Und ob ich das meine.«
»Sollten wir nicht doch zuerst das Geschäftliche abwickeln, bevor wir zum gemütlichen Teil übergehen?« Maddie griff in den Koffer.
Jonah Cuoco schüttelte den Kopf und stellte die Gläser ab.
»Zuerst müssen wir auf dein erfreuliches Hiersein anstoßen«, sagte er heiser. »Alles andere kann warten. Außerdem bin ich am Verdursten. Du nicht? Die Ärzte sagen andauernd, man soll viel trinken.«
Maddie schmunzelte. »Damit meinen sie bestimmt nicht kalifornischen Schaumwein.«
Er machte sich daran, die Flasche zu öffnen und erwiderte breit grinsend: »Viel trinken. Egal, was.«
Maddies Hand befand sich noch immer im Koffer.
Als der Korken knallte und der Schaumwein aus der Flasche schoss, machte Jonah Cuoco lachend »Ups«. Und dann beeilte er sich, dafür zu sorgen, dass nicht allzu viel von der flüssigen Köstlichkeit danebenging.
Nachdem die Gläser mit dem stark perlenden Wein gefüllt waren, nahm Maddie die Hand aus dem Koffer, und Jonah Cuoco konnte nicht glauben, was er sah.
Hinter dichten Büschen gut versteckt lagen wir auf dem Life Center Campus der Purpose Life Church seit wenigen Minuten auf der Lauer.
Der weiße Ford Transit Connect war noch nicht eingetroffen. Eine angenehm friedliche Stille umgab uns. Die Ruhe vor dem Sturm? Vielleicht.
Wir wussten nicht, wie sich die Dinge in Kürze entwickeln würden. Wenn wir Glück hatten, würde alles ohne großes Aufsehen ablaufen.
Die Kokslieferanten brauchten sich nur zu ergeben. Dann war alles paletti. Wenn sie die Nerven verloren und meinten, sich, wie sie's gewohnt waren, mit der Waffe in der Hand bis zum letzten Atemzug der Festnahme widersetzen zu müssen, würde hier demnächst die Hölle los sein.
Phil warf einen Blick auf seine Armbanduhr.
»Langsam wird's Zeit«, brummte er leicht ungeduldig.
Ich machte eine dämpfende Handbewegung. »Calma. Calma, amico.«
Mein Partner grinste. »Seit wann sprichst du Russisch?«
Ich grinste zurück. »Schon lange.«
Phils Miene verfinsterte sich. »Hoffentlich hat sich der Anrufer keinen blöden Scherz mit uns erlaubt ... Wäre ja nicht das erste Mal.«
Er hatte recht. Es kam ab und zu vor, dass wir uns völlig umsonst in meinen roten Jaguar schwangen und in irgendeine Richtung losjagten, weil uns ein Spaßvogel mit seinem Anruf einen idiotischen Streich gespielt hatte.
Dennoch taten wir es immer wieder, weil wir ja nie wissen konnten, ob es sich nun um ein infantiles Schelmenstück handelte oder nicht.
»Falls das hier nichts wird, statten wir morgen Salvo Pizzini einen Besuch ab«, sagte ich.
»Wenn wir ihm anbieten, ihn in unser Zeugenschutzprogramm aufzunehmen, wird er uns viel Interessantes erzählen«, meinte mein Partner. »Dinge, mit denen wir Ruben Fletcher gehörig ins Trudeln bringen können.«
Ich nickte. »Es gibt zurzeit nichts, was ich lieber täte.«
Fletcher tanzte auf vielen üblen Hochzeiten. Er betrieb schmutzige Nachtklubs und illegale Spielhöllen, veranstaltete verbotene Schaukämpfe mit Tieren (Hähne, Hunde, Pferde, Bären, Löwen ...), handelte mit Rauschgift und Menschen. Seine Verbrechenspalette war breit gefächert.
Aber wir konnten ihm bislang von alldem, was wir wussten, nichts so bestimmt nachweisen, dass man ihn dafür gerichtlich belangen könnte.
Vielleicht schafften wir das, wenn Salvo Pizzini mal gründlich auspackte.
Morgen – oder in den nächsten Tagen.
Mal sehen.
Jonah Cuoco traute seinen Augen nicht. Er war schlagartig »nüchtern«. Sein lustvoller Liebestaumel war von einer Sekunde zur anderen komplett verflogen.
Dieses Luder, dieses gottverdammte Miststück, diese elende Kanaille bedrohte ihn – ihn! – mit einem Colt Single Action aus dem vorigen Jahrtausend.
»Das glaube ich jetzt nicht«, quetschte er fassungslos hervor.
»Glaube es ruhig.«
»Du bist mit Ruben noch zusammen?«