Jerry Cotton 3384 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3384 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Dina El-Basa, Ehefrau des aus Katar stammenden Geschäftsmanns Tahir El-Basa, wurde von ihrem gewalttätigen Mann in einem goldenen Käfig gehalten. Während eines gemeinsamen New-York-Aufenthalts gelang ihr eine spektakuläre Flucht, indem sie bei einem Geschäftsdinner eine Vergiftung vortäuschte. Außer sich vor Wut trieb El-Basa seine Schergen an, die Verfolgung aufzunehmen. Die Männer spürten sie in einer Absteige in der Bronx auf. Dina flüchtete aus einem Fenster - genau vor ein Fahrzeug, das sie mit quietschenden Reifen erfasste. Wir erfuhren von ihrer Flucht und bekamen Einblick in ein streng geheimes Terrorcamp!

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Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Todesgrüße aus Katar

Vorschau

Impressum

Todesgrüße aus Katar

Tahir el-Basa ließ seine Blicke über den Tisch wandern.

Er und drei Männer aus seiner Entourage sowie seine Ehefrau Dina saßen drei New Yorker Anzugträgern gegenüber, alle vom selben Schlag. Und alle taten sich an den Köstlichkeiten gütlich, die in einem Dutzend Tonschalen auf dem Tisch im Hinterzimmer des Anubis, einem ägyptischen Spezialitätenrestaurant, verteilt waren.

El-Basa räusperte sich und hob sein Glas, um einen Toast auszusprechen. Noch bevor die erste Silbe aus seinem Mund drang, bemerkte er den entsetzten Ausdruck seines Gegenübers. Tahir el-Basa folgte der Blickrichtung seines Gastes – und erstarrte. Dina war neben ihm auf dem Stuhl zusammengesackt. Ihre Augen waren verdreht. Und vor ihren Lippen stand weißer Schaum.

»Sie braucht einen Arzt!«, rief einer der Anzugträger des Frachtunternehmens, mit dem el-Basa Geschäfte machte.

Den Namen hatte er vergessen. Er und seine beiden Kollegen unterschieden sich nur in Alter und Größe voneinander. Wären die drei Schaufensterpuppen gewesen, wären sie in derselben Manufaktur vom Band gelaufen.

El-Basas Blick streifte die Tonschalen, dann die sechs anderen Männer am Tisch. Er selbst war der Einzige, der noch nicht von dem Essen gekostet hatte. Wäre es vergiftet gewesen, hätten auch die anderen längst irgendwelche Symptome gezeigt. Doch nichts dergleichen geschah. Alle machten einen völlig gesunden Eindruck.

El-Basa beugte sich zu seiner Frau hinüber, tastete nach ihrem Puls, befühlte ihre Wangen. Sie glühten, und ihr Herzschlag war leicht erhöht.

Inzwischen waren zwei Bedienstete des Lokals in das private Hinterzimmer gestürmt. Sie mussten die Rufe gehört haben. Wenige Schritte von Dina entfernt verharrten sie.

»Was steht ihr herum wie die Ölgötzen?«, herrschte er sie an. »Ruft einen Arzt!«

Einer der Anzugträger hatte bereits sein Handy gezückt und die 911 gewählt. In knappen, präzisen Worten schilderte er, was passiert war, und nannte die Adresse des Restaurants.

»Sie schicken so schnell wie möglich einen Krankenwagen«, sagte er, nachdem er aufgelegt hatte.

»Sollten wir sie nicht in eine stabile Seitenlage bringen?«, fragte sein Kollege unsicher. »Nicht dass sie an ihrem Erbrochenen erstickt.«

»Gute Idee«, meinte der Dritte und sprang bereits auf. Alle wirkten aufgeregt, zeigten aber nach wie vor keine Vergiftungserscheinungen.

El-Basas Businesspartner und zwei seiner Leute hoben Dina vorsichtig hoch und legten sie auf den Boden. Sie machte einen apathischen Eindruck, war jedoch bei Bewusstsein. Seine Blicke bohrten sich in die Stirn seiner Frau, als wären sie Röntgenstrahlen, mit denen er die Tiefen ihrer Seele ergründen könnte.

Dann griff er, unbemerkt von den anderen, nach ihrer Handtasche in schwarzer Krokodillederoptik, zog den Reißverschluss auf und kramte darin herum. Et ertastete einen zylinderförmigen Plastikgegenstand, den er herauszog. Ein unbeschriftetes Pillenröhrchen mit drei weißen Tabletten darin. Er drehte es in der Hand und betrachtete es eingehend von allen Seiten.

»Tahir!«, rief sein Bediensteter Ahman.

El-Basa ließ das Röhrchen in der Tasche seines Designerjacketts verschwinden. Er stand auf und ging zu den anderen. Inzwischen hatten sie Dina auf die Seite gedreht. Keine Sekunde zu früh, denn kaum hatte er sich über seine Ehefrau gebeugt, ging ein Zucken durch ihren schlanken Körper, und das wenige, das sie in den Minuten davor zu sich genommen hatte, landete unverdaut auf dem Boden.

Prächtig!, dachte el-Basa. Bevor er sich abwandte, packte er Ahmad am Kragen und zog ihn ein paar Schritte zur Seite. Er zog das Pillenröhrchen hervor, öffnete es, schüttelte eine der Pillen in seine Handfläche und reichte sie Ahmad.

Der junge Mann, den er mit fünfzehn in Kairo von der Straße geholt hatte und der seitdem in seinem Dienst stand, sah ihn irritiert an.

»Nimm das!« Seine dunklen Augen flackerten, und sein Schnurrbart neigte sich leicht, sodass die Spitze seinen Mundwinkel berührte. Er hatte gelernt, dass ihm dieser Ausdruck etwas Furchteinflößendes verlieh.

»Was ist das?«, fragte Ahmad.

»Etwas zur Beruhigung«, gab el-Basa mit samtweicher Stimme zurück.

»Aber ...«

»Nimm es!«

Ahmad nickte fahrig und pflückte die Pille aus el-Basas Handfläche. Wie in Zeitlupe führte er sie sich an die Lippen und zerbiss sie mit den Schneidezähnen, bevor er sie gequält herunterwürgte.

El-Basa griff nach seinem Wasserglas und hielt es seinem treuen Angestellten entgegen, ohne den Blick von ihm abzuwenden.

Ahmad nahm zwei kräftige Schlucke und setzte es ab.

El-Basa nickte zufrieden, bedachte Ahmad mit einem weiteren prüfenden Blick, dann wandte er sich an die Runde. »Wie geht es ihr?«

»Wahrscheinlich hat sie irgendetwas von dem Essen nicht vertragen«, antwortete einer der Anzugträger.

Der Kommentar bescherte ihm einen empörten Blick von einem der Kellner. Doch bevor der etwas einwenden sagen konnte, klang in der Ferne Sirenengeheul auf. Drei Minuten später wurde die Tür aufgerissen, und der Inhaber des Anubis, ein beleibter Ägypter, stürmte mit zwei Sanitätern, die eine Trage bei sich hatten, und einem Notarzt herein.

»Wahrscheinlich eine Lebensmittelvergiftung«, meinte der Arzt, nachdem er Dina oberflächlich untersucht hatte. »Am besten pumpen wir ihr den Magen aus.«

»Sie wollen sie mit ins Krankenhaus nehmen?«, fragte el-Basa ungehalten.

»Hier wird das schwer möglich sein«, meinte der Doktor mit schmalem Lächeln, während die Sanitäter bereits damit begannen, Dina auf die Trage zu schnallen.

»Ich fahre mit«, verkündete el-Basa.

»Bei uns Krankenwagen ist kein Platz«, sagte der Arzt unbeeindruckt von el-Basas gebieterischem Tonfall. »Sie können gerne hinterherfahren. Ich gebe Ihnen die Adresse ...«

El-Basa gab Ahmad ein Zeichen, der daraufhin die Anschrift der Klinik in sein Handy tippte.

Zu zweit schoben die Sanitäter Dina aus dem Raum, bevor sich der Arzt noch einmal an el-Basa wandte. »Geben Sie mir bitte Ihren Namen und Telefonnummer, damit ich Sie kontaktieren kann.«

Mit einer steilen Falte über der Nasenwurzel griff el-Basa in die Brusttasche seines Hemds und zog mit spitzen Fingern eine Visitenkarte hervor. Sie war gelb-rot und mit orientalischen Mustern verziert. In der Mitte standen die Kontaktdaten, sowohl in arabischen als auch in lateinischen Buchstaben.

»El-Basa, Import/Export«, las der Arzt vor. »Was exportieren Sie denn, wenn ich fragen darf?«

Zum ersten Mal an diesem Abend schlich sich ein Lächeln auf seine Lippen. »Unter anderem Drogen, die ich pakistanischen Terroristen abkaufe und in Haushaltswaren versteckt über die Grenze schmuggele.«

Der Arzt sah ihn einen Moment lang fassungslos an. Dann machte es Klick, und er grinste breit. »Verstehe schon. Wer dumm fragt ... Wir sehen uns in der Klinik.«

Nachdem er gegangen war, wandte sich el-Basa seinen Gästen zu. Sie übermittelten ihm ihr Mitgefühl und ihre Genesungswünsche und verließen das Privatzimmer. El-Basa blieb mit seinen Mitarbeitern zurück.

»Und jetzt?«, fragte Said auf Arabisch.

»Fahren wir in die Klinik. Was sonst? Dort ...«

Er hielt abrupt inne, als sein Blick auf Ahmad fiel. Der junge Mann war auf einen Stuhl gesunken und hielt sich den Bauch. Sein Gesicht war kreidebleich, ihm stand der Schweiß auf der Stirn.

»Ahmad?«

Normalerweise reagierte er sofort, wenn el-Basa ihn ansprach. Jetzt sah er nicht einmal auf. Stattdessen begann er hektisch zu zucken, und Schaum bildete sich vor seinen Lippen.

»Wartet hier!«, knurrte el-Basa und stürmte aus dem Raum.

Die Pillen stammten aus Dinas Tasche. Höchstwahrscheinlich waren sie für ihre Symptome und die von Ahmad verantwortlich. Doch im Gegensatz zu seinem Bediensteten hatte Dina sie freiwillig eingenommen. Und dafür fiel el-Basa nur ein Grund ein – um ihm etwas vorzuspielen!

Hektisch atmend stürmte el-Basa durch den Hauptsaal des Restaurants, durch die gläserne Eingangstür und hinaus auf die Straße. Auf dem Bordstein blieb er keuchend stehen und sah noch die Rücklichter des Krankenwagens im Verkehr verschwinden.

Fluchend streifte er sich das Jackett ab und warf es sich über die Schulter. Hinter sich hörte er schnelle Schritte, die neben ihm verharrten. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, wer ihm aus dem Anubis gefolgt war.

»Said, hol den Wagen! Sofort!«

Während der Rettungswagen durch die Straßen der Upper East Side jagte, kümmerte sich der Notarzt um die Patientin, nahm ihren Puls, die Temperatur und den Blutdruck. Der jungen Frau schien es deutlich besser zu gehen. Ihre Augen waren geschlossen. Die Zuckungen hatten aufgehört, und ihr Brustkorb hob und senkte sich regelmäßig. Auch ihre anderen Körperfunktionen wiesen keine Unregelmäßigkeiten auf. Der Arzt war erleichtert über diese schnelle Verbesserung, obwohl er sie sich kaum erklären konnte. Wäre eine Lebensmittelvergiftung die Ursache für ihre Symptome, hätte ihr Zustand nicht nur deutlich länger angehalten, sondern sich fürs Erste verschlechtert.

Schulterzuckend nahm er das Stethoskop ab, mit dem er gerade noch ihren Brustkorb abgehört hatte, als die Frau die Augen öffnete. So abrupt, dass er erschrocken zusammenzuckte. Ihre grünen Augen, die auf interessante Weise mit ihrem orientalischen Äußeren kontrastierten, wirkten wach und nicht, als wäre sie gerade aus einem längeren Dämmerzustand erwacht. Jetzt setzte sie sich sogar auf und machte sich daran, die Sicherungsgurte zu lösen.

»Ma'am, legen Sie sich wieder hin.« Er streckte die Hand nach ihr aus, doch die Patientin wischte sie mit einer schnellen Bewegung zur Seite.

»Danke für Ihre Mühen, Doc, aber ich steige hier aus.«

Er starrte sie fassungslos an. »Ma'am, Sie stehen unter Schock. Wir erreichen in fünf Minuten die Klinik. Bis dahin werde ich Ihnen ein Beruhigungsm...«

Das Wort blieb ihm im Hals stecken, als sein Blick auf die handspannenlange Klinge fiel. Blitzschnell hatte sie das Messer aus ihrem hohen Stiefel gezogen und hielt es ihm vors Gesicht.

Im Augenwinkel bemerkte sie, wie der Sanitäter, der mit ihnen im hinteren Bereich des Rettungswagens saß, in Bewegung geriet. Sein Kollege hatte vorne auf dem Beifahrersitz Platz genommen und bekam wie der Fahrer von alldem nichts mit.

Statt das Messer in seinen Leib zu rammen, setzte sie die Klinge an ihrer eigenen Kehle an. »Stoppen Sie den Wagen! Sonst bekommen Sie gleich sehr viel mehr zu tun.«

Der Sanitäter schluckte und wandte sich zur Fahrerkabine. »Stan? Fahr bitte rechts ran.«

»Wieso, was ...?«

»Bitte. Tu's einfach.«

»Okay.«

Der Wagen verlangsamte, der Fahrer fand jedoch keine geeignete Stelle für einen Zwischenstopp.

Der Blick der orientalischen Schönheit huschte zwischen ihm und dem Sanitäter hin und her. Dann griff sie nach der Verriegelung der Hintertür, löste sie und stieß die Tür mit ihrer Stiefelsohle auf.

»Sie Sie verrückt? Was machen Sie da?«, rief er.

Draußen auf der Straße war das Kreischen von Reifen zu hören. Der Fahrer des nachkommenden Wagens hatte vor lauter Schreck eine Vollbremsung hingelegt. Vielstimmiges Hupen war die Quittung dafür.

Der Krankenwagen hielt noch immer nicht an, sondern rollte mit fünfzehn Meilen pro Stunde über den dunklen Asphalt.

Die Frau streckte den Kopf zum Fenster hinaus. Vor ihr hoben sich die glitzernden Lichter Manhattans vor dem nachtschwarzen Himmel ab. Wolkenkratzer, die wie Ungetüme nach den Sternen griffen. Der nachkommende Wagen war nicht wieder angefahren, die kreisrunden Scheinwerferstrahlen verschwammen mit den Lichtern der Stadt.

Dina el-Basa warf einen raschen Blick über die Schulter. Dann stieß sie sich ab und sprang auf die Straße hinaus. Mit katzenhafter Sicherheit landete sie auf den Füßen. Ein schneller Blick nach rechts und links. Dann eilte sie zwischen zwei parkenden Autos hindurch auf den Bordstein und verschwand in der Menge.

»Verdammt, was ist denn da vorne los?« Tahir el-Basa schlug mit der flachen Hand auf die Klappe des Handschuhfachs ein, die daraufhin scheppernd aufsprang. Ein weiter Schlag und die Klappe war wieder geschlossen.

»Ein Verkehrsstau«, sagte Said, der am Steuer der Mercedes-Limousine saß.

Der Wagen hatte sich seit geschlagenen drei Minuten nicht mehr vorwärtsbewegt. Genau so wenig wie der Rest der Blechkarawane, die die First Avenue komplett lahmgelegt hatte.

»Verdammt, Said, tu was!« El-Basa funkelte seinen Vertrauten an.

Der junge Mann schluckte, dann legte er den Drive-Gang des Automatik ein, kurbelte am Lenkrad und trat aufs Gas.

Es gab einen Ruck, als die Reifen auf der rechten Seite auf den Bordstein fuhren. Said bugsierte die Limousine in leichter Schräglage an den wartenden Autos vorbei. Ihm spielte in die Karten, dass auf diesem Straßenabschnitt absolutes Halteverbot herrschte, sodass ihnen zumindest kein parkendes Auto in die Quere kam. Trotzdem war es Präzisionsarbeit, die nur Schritttempo zuließ. Nach etwa einer halben Meile löste sich der Verkehr etwas auf, und der Grund für den Stau geriet in ihr Blickfeld. Ein Rettungswagen, der am Straßenrand stand.

Der Rettungswagen, wurde es el-Basa schlagartig bewusst. Ein Patrol Car des NYPD parkte daneben, zwei Officer sprachen mit dem sichtlich aufgekratzten Notarzt.

»Fahr ran! Fahr ran!«, zischte er.

Die Hintertür der Ambulanz stand offen, sodass die Sicht ins Innere frei war. Er war leer!

Said hielt mit quietschenden Reifen neben dem Patrol Car, die Vordertüren der Limousine flogen auf. Die beiden Uniformierten drehten alarmiert die Köpfe, entspannten sich jedoch, als der Arzt ihnen die Lage erklärte.

»Wo ist meine Frau?«, herrschte el-Basa den Notarzt an. »Haben Sie sie etwa entkommen lassen?«

»Entkommen? Sir, sie bestand darauf auszusteigen. Sie hat uns mit einem Messer ...«

»Wo ist sie hin? Wo?« El-Basa musste an sich halten, um den Mann nicht an den Schultern zu packen und durchzuschütteln.

»Sie ist da entlanggelaufen.«

El-Basa folgte stumm der Richtung des ausgestreckten Zeigefingers. Dann, so leise, dass niemand außer Said die Worte verstehen konnte, zischte er: »Lass die Bluthunde von der Kette! Wir müssen sie finden. Tot oder lebendig. Such es dir aus ...«

Ranjid Kumari klopfte den Joint zurecht, den er die letzten Minuten gebaut hatte, und schob ihn in die Hemdstasche, an der sein Namensschild befestigt war.

Kumari war seit etwa einem halben Jahr der »Manager« des Majestic, einer winzigen Absteige im Norden von Harlem, an der rein gar nichts majestätisch war. Und Manager hieß in dem Fall, dass er es drei Monate am Stück in dem Job als Rezeptionist ausgehalten hatte und sich auch von dem Gesindel, das sich in der Gegend herumtrieb und immer wieder aus dem Hauseingang verscheucht werden musste, nicht abschrecken ließ.

Das hatte sein Grund. Kumari brauchte das Geld, von dem er die Hälfte jeden Monat an seine Familie in Indien überwies. Der Rest ging fast komplett für Miete und Lebensmittel drauf. Hätte er sich mit seiner kleinen Plantage, die er im Keller des Hotels betrieb, nicht noch einen Batzen dazuverdient, wäre er längst auf der Straße gelandet. Und allein deshalb mochte er diesen Job. Keiner scherte sich hier um ihn oder das, was er tat. Den Besitzer des Hotels – irgendein Immobilienhai, der die Klitsche als Abschreibungsobjekt unterhielt –, hatte er kein einziges Mal persönlich getroffen.

Kumari warf einen Blick auf die Uhr. Kurz vor sechs. In anderen Hotels herrschte um diese Zeit Hochbetrieb, aber im Majestic waren heute nur drei Zimmer belegt, und es war fraglich, ob weitere Gäste dazukommen würden. Für Laufkundschaft lag das Hotel zu weit vom Schuss, und die Reviews auf den einschlägigen Bewertungsseiten lockten nicht gerade viele Touristen hierher. Hin und wieder ein paar Backpacker aus Europa, die den ganzen Tag unterwegs waren und denen es egal war, wo sie die Nacht verbrachten. Hauptsache ein Dach über dem Kopf.

Kumari konnte seinen Platz an der Rezeption problemlos für ein paar Minuten verlassen, um im Hinterhof einen »durchzuziehen«. Der Rest der Schicht, die um zwei Uhr nachts endete, würde umso entspannter verlaufen. Besetzt war die Rezeption dann erst wieder ab zwölf. Bezahlt wurden die Zimmer im Voraus, und es gab keine Minibar, die abgerechnet werden musste. Wer früher abreiste, deponierte die Schlüssel in einem verrosteten Blechkasten direkt neben dem Ausgang.

Kumari wollte gerade hinter dem Empfangstresen hervortreten, als zwei Kerle die Lobby betraten. Sie waren kräftig und durchtrainiert, hatten kurze schwarze Haare, Vollbärte und dunkle, ernst dreinblickende Augen und waren vermutlich arabischer Herkunft.

Im ersten Moment nahm Kumari an, dass sie Kundschaft für sein Nebengewerbe waren. Um Hotelgäste handelte es sich offensichtlich nicht, denn keiner von ihnen hatte ein Gepäckstück dabei. Er ließ sie an den Tresen herankommen. Dann öffnete er das Gästebuch.

»Die Gentlemen brauchen ein Zimmer?«

Wortlos riss ihm der Rechte der beiden das Buch aus der Hand und blätterte darin. Als er die letzte beschriftete Seite gefunden hatte, wanderte sein Zeigefinger von unten nach oben, bis er offenbar entdeckte, wonach er gesucht hatte. Er hielt den Eintrag seiner Begleitung entgegen. Der Mann nickte, funkelte Kumari an und fragte mit einem harten, gutturalen Akzent: »Die Frau in Zimmer dreiundzwanzig. Zu Hause?«

Kumaris Gedanken überschlugen sich. Ihm war klar, wen der Fremde vermutlich meinte. Die Frau hatte vor zwei Tagen hier eingecheckt und ihr Zimmer seitdem kaum verlassen. Zumindest nicht während seiner Schicht. Essen holte sie sich vom Take-away-Chinesen um die Ecke oder ließ sich eine Pizza kommen. Sie war keine Touristin, aber anscheinend auch keine Einheimische. Und was immer sie in diese Kaschemme gespült hatte, es hatte sie offenbar eingeholt.

»Ich habe sie jedenfalls nicht rauskommen sehen«, antwortete Kumari.