Jerry Cotton 3389 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3389 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Dylan Black, Rob Minetti und Vin Russell stahlen in Brooklyn einen Fiat Ducato und drangen in Queens in ein Spirituosengeschäft ein, in dessen Lager sie achtzig Pfund Kokain vermuteten. Der Laden gehörte dem Ganglord Jesse Chastain. Black und seine Freunde fanden aber nicht achtzig, sondern vierhundert Pfund. Sie schafften die Beute in den gestohlenen Transporter. Ausgelöst durch einen Alarm, fuhren mehrere Streifenwagen vor. Ein wildes Feuergefecht folgte, bei dem ein Cop starb und Minetti verletzt wurde. Die Gangster konnten entkommen. Wir vom FBI wurden auf sie angesetzt und hatten es plötzlich mit weiteren Gegnern zu tun ...

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 136

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Volles Risiko

Vorschau

Impressum

Volles Risiko

Xavier Letterman war, in Gedanken versunken, auf dem Heimweg, als er ein Geräusch hinter sich hörte. Er konnte es nicht sofort identifizieren, drehte sich alarmiert um und blickte nach oben. Seine Augen weiteten sich. Er spürte, dass er blass wurde.

Grundgütiger, was ist denn das?, hallte es in ihm.

Er wurde angegriffen.

Aus der Luft.

Von einer Drohne ...

Letterman zog instinktiv den Kopf ein und rannte los. Die Drohne verfolgte ihn, trieb ihn vor sich her. Er wusste nicht, womit sie geladen war.

Mit Sprengstoff? Mit Nervengas? Mit irgendeiner Säure? Es war so vieles denkbar. Zwei Blocks noch. Dann war er zu Hause. Doch würde er das noch schaffen?

Die Drohne war schnell. Schneller als er. Das Teufelsding hätte ihn jederzeit überholen und von vorne angreifen können. Er hatte Atemprobleme.

Seine Lungenfunktion war erheblich eingeschränkt. Er litt seit Jahren an COPD. Unter normalen Umständen hatte er die Krankheit mit Medikamenten recht gut im Griff.

Aber nicht, wenn er drauflos sprintete wie dereinst Usain Bolt. In dem Fall zeigte ihm sein Leiden nämlich sehr rasch und gnadenlos seine Leistungsgrenze auf. Er keuchte, röchelte, überquerte kopflos die erste von zwei Straßen, die er noch zurücklegen musste.

In seinem Inneren schien ein Feuer zu brennen. Er hatte das Gefühl, dass seine Brust immer enger wurde. Halb blind vor Angst und Panik rannte er über die zweite Straße.

Plötzlich plärrte ihn mörderisch laut eine Hupe an. Reifen quietschten. Die Katastrophe lief wahnsinnig schnell ab. Letterman kam nicht mehr dazu, irgendetwas zu seinem Schutz zu unternehmen.

Ihm war, als würde ihn ein Monster aus Blech und Glas brutal packen und wild durch die Luft schleudern. Der Flug dauerte nicht einmal eine Sekunde. Dann folgte der Aufprall – und mit ihm Schwärze und Vergessen.

Als Xavier Letterman aus dem Krankenhaus trat, lief er uns direkt in die Arme.

»Hallo, Letterman«, sagte Phil übertrieben freundlich, als freute er sich, einen guten alten Bekannten nach langer Zeit wiederzusehen. »Wie geht's?«

Der schmale Mann sah uns überrascht an. Sein Kopf war bandagiert, und er trug den linken Arm in der Schlinge. »Sagt bloß, ihr hattet die Absicht, mich zu besuchen.«

Ich nickte. »Das hatten wir in der Tat vor.«

Letterman griente. »Wo sind die Blumen?«

»Im Park gibt es zurzeit keine«, gab mein Partner trocken zurück.

»Was kann ich für euch tun?«, erkundigte sich Xavier Letterman. Dass er das nicht ernst meinte, war uns klar.

»Wir hörten, Sie hatten einen Unfall«, sagte ich.

Letterman schaute auf seinen linken Arm. »Das kommt davon, wenn man wie ein Tagträumer über die Straße geht.«

»Angeblich war eine Drohne hinter Ihnen her«, sagte Phil.

»Tatsächlich? Ist mir nicht aufgefallen.«

»Jemand hat beobachtet, wie das Ding Sie gejagt hat«, sagte ich.

Letterman schüttelte amüsiert den Kopf. »Was manche Leute sich so alles einbilden.«

»Wer hat die Drohne gesteuert?«, wollte mein Partner wissen.

»Da war keine Dr...«

»Einer von Jesse Chastains Leuten?«, fiel Phil dem Ganoven ins Wort. »Oder kann Chastain so einen Flugkörper selbst bedienen?«

Jesse Chastain war ein unangenehmer Ganglord, den wir liebend gern aus dem Verkehr gezogen hätten. Und Xavier Letterman hatte bis vor Kurzem in dessen Day & Night Bar Lolita als Barkeeper gearbeitet.

»Sie erinnern sich doch bestimmt noch an Jesse Chastain, oder?«, sagte ich.

Phil wandte sich an mich. »Aber ja tut er das. Es ist ja noch nicht so lange her, dass Chastain ihn rausgeschmissen hat.«

»Mich hat niemand rausgeschmissen«, polterte der Ganove.

Phil griente. »Ach nein?«

»Nein. Ich habe gekündigt, bin von selbst gegangen.«

»Weil Sie was Besseres gefunden haben?«, fragte mein Partner.

»So ist es«, bestätigte Xavier Letterman.

»Ihre Nachbarin sagt, Sie hatten im Moment keinen Job, sind arbeitslos«, bemerkte ich.

Letterman winkte verächtlich ab. »Was weiß denn die?«

»Wir haben gehört, dass sich Chastain von Ihnen getrennt hat, weil Sie sich wiederholt Unregelmäßigkeiten zuschulden kommen ließen«, sagte Phil.

»Was denn für Unregelmäßigkeiten?«, fragte Xavier Letterman.

»Wir können es zwar nicht beweisen, halten es jedoch für möglich und wahrscheinlich, dass Sie im Lolita ohne Jesse Chastains Erlaubnis einiges an illegalem Zeug verhökert haben«, gab Phil zurück. »Mit der Drohne wollte man Ihnen ein bisschen Angst machen und Sie darauf hinweisen, dass Ihnen immer und überall etwas zustoßen kann.«

»Warum sollte mir irgendjemand Angst machen wollen?«

»Sie wissen viel«, sagte ich, »haben als Barkeeper so manches mitbekommen, das nicht an die Öffentlichkeit gelangen darf. Man wollte sich mithilfe der Drohne Ihrer Verschwiegenheit versichern. Pass auf. Halte schön brav den Mund. Plaudere nichts aus. Sonst passiert dir etwas!«

Letterman lachte laut. Es klang fast herzlich. Auf jeden Fall sehr belustigt. »Ich muss schon sagen, ihr beide habt eine ziemlich rege Fantasie. Ihr solltet euren Job beim FBI an den Nagel hängen und Bücher schreiben. Die würden bestimmt große Nachfrage finden.«

»Möchten Sie Chastain nach diesem Drohnenspuk keins auswischen, Letterman?«, fragte Phil. »Wir bieten Ihnen die Gelegenheit dazu. Wenn Sie auspacken, was Sie wissen, wandert Ihr Ex-Boss hinter Schloss und Riegel, und Sie können ein sorgenfreies Leben führen. Ohne permanent irgendjemandes Faust im Nacken zu spüren.«

Der Ganove musterte meinen Partner mit gerunzelter Stirn. »Ach, Agent Decker, ich glaube, Sie unterschätzen mich. Ich weiß so gut wie gar nichts, womit Sie Jesse Chastain etwas anhaben könnten.« Er sah uns ernst an. »Wenn Sie mich jetzt bitte entschuldigen würden? Ich fühle mich im Moment nicht so gut.«

»Dann hätten Sie vielleicht noch etwas länger im Krankenhaus bleiben sollen«, sagte Phil.

Letterman winkte ab. »Mir ist nur ein wenig schwindelig. Etwas Ruhe wird mir guttun. Die kann ich auch zu Hause kriegen. Dazu muss ich keinem, der wirklich schwer angeschlagen ist, das Bett wegnehmen.«

»Der Mann hat eindeutig Angst«, sagte Mr. High, als wir ihm in seinem Büro von unserem Versuch berichteten, Xavier Letterman zum Reden zu verleiten.

Phil nickte.

»Das sehen wir genauso, Sir.« Er schlug ein Bein über das andere und umklammerte das Knie mit beiden Händen.

»Kann sein, dass er gerne auspacken würde, doch er wird es mit Sicherheit nicht tun«, meinte unser Vorgesetzter, ein schlanker, vom Scheitel bis zur Sohle eleganter grauhaariger Mann.

»Obwohl er sich für seinen Rausschmiss und die Drohnendrohung garantiert gerne revanchieren würde«, sagte mein Partner. »Aber solche Leute reden selbst dann niemals mit G-men. Die regeln ihre Probleme lieber selbst. Auf eigene Faust. Ohne Einmischung irgendwelcher Behörden.«

»Und Leute wie Jesse Chastain dürfen weiter ungehindert ihr kriminelles Unwesen treiben«, bemerkte Mr. High.

»Wir bleiben am Ball, Sir«, versprach ich.

»Und Chastain auf den Fersen«, ergänzte mein Partner finster lächelnd.

Wir verließen Mr. Highs Büro. Helen, seine Sekretärin, schenkte uns ein inniges Lächeln. Sie hatte kürzlich an einem Preisausschreiben teilgenommen und zwei Tickets für einen Abend mit Dinner plus Comedy gewonnen. Und nun wusste sie nicht, wen sie mitnehmen sollte. Jedenfalls war das unser aktueller Wissensstand.

»Sollte das zweite Ticket noch frei sein, wäre es mir eine Freude und ein Vergnügen, dich zu diesem Event zu begleiten«, bot mein Partner an.

Aber er hatte kein Glück. Helen hatte die Qual der Wahl inzwischen beendet und sich für eine gute Freundin entschieden. Wir konnten der attraktiven Vorzimmerdame unseres Chefs nur noch einen vergnüglichen Abend wünschen.

»Ein neues Gesicht?«, sagte Phil im Lolita zu Jesse Chastain.

Mein Partner deutete auf den neuen, leicht aufgedunsenen, glupschäugigen Mann hinter dem Tresen. Sein virtuoses Spiel mit Flaschen, Bechern und Gläsern konnte sich sehen lassen. Ich hätte das nicht so hingekriegt.

»Ja«, sagte der dunkelhaarige Ganglord. Er trug einen mitternachtsblauen Anzug, der mit Sicherheit mehrere Tausend Dollar gekostet hatte, sah großartig aus, war attraktiv und hatte bei Frauen nachweislich viel Glück. »Xavier ist der Job hinterm Tresen zu anstrengend geworden«, erklärte er. »Er leidet ja an COPD. Eine Scheißkrankheit. Unheilbar. Immer diese Atemnot. Man kriegt nie genug Luft. Das kann einen ganz schön zermürben. Er hat sich die Krankheit bereits in jungen Jahren eingehandelt. Hat rund um die Uhr gequalmt wie ein Schlot. War Kettenraucher. Man hat ihn nie ohne Glimmstängel gesehen. Damit hat er seine Lunge – mehr oder weniger wissentlich – kaputtgemacht. Inzwischen raucht er zwar nicht mehr. Doch den Schaden, den er sich selbst zugefügt hat, kann keiner mehr reparieren. Das Leiden kann nur noch mit Medikamenten in Schach gehalten und daran gehindert werden, dass sie fortschreitet.«

»Letterman hatte einen Unfall«, sagte ich.

Chastain sah mich perplex an. »Was Sie nicht sagen.«

»Er wurde von einer Drohne verfolgt und von einem Auto angefahren«, erzählte ich dem Lolita-Besitzer.

Mein Blick schweifte durch das Lokal. Die Bar des Ganglords war gesteckt voll. Man konnte sich kaum rühren, wurde ständig von irgendjemandem angestoßen. Ich sah viele Gangstergesichter. Ein paar Hundert Jahre Gefängnis kommen hier schon zusammen, ging es mir durch den Sinn.

Das Lolita war so etwas wie das Zentrum, der Angelpunkt der kriminellen Hautevolee. Ein beliebter Gangstertreff.

»Von einer Drohne verfolgt.« Chastain schüttelte den Kopf, als könnte er es nicht glauben. »Was es nicht alles gibt.«

»Besitzen Sie so ein Fluggerät?«, fragte ich.

»Ich?« Jesse Chastain schüttelte den Kopf. »Nein. Ich habe keine Zeit für kindische Spielereien.«

»Kennen Sie jemanden, der gerne mit Drohnen spielt?«, erkundigte sich mein Partner.

»Sehen Sie sich um, Agent Decker«, sagte Chastain. »All die vielen Menschen kommen hierher, um was zu trinken, sich zu amüsieren, zu entspannen, sich zu unterhalten, Leute kennenzulernen, eventuell Geschäfte anzubahnen ... Vielleicht hat einer von ihnen eine Drohne zu Hause. Aber wer, das kann ich Ihnen beim besten Willen nicht sagen. Ich weiß es nicht. Es interessiert mich, offen gestanden, auch nicht die Bohne.«

»Wir haben mit Letterman geredet, als er aus dem Krankenhaus kam«, sagte Phil.

Jesse Chastain spitzte sofort die Ohren. Plötzlich hatten wir seine ungeteilte Aufmerksamkeit. Sein Blick hing förmlich an unseren Lippen.

Wir hätten Xavier Letterman jetzt spielend leicht in Zugzwang bringen können. Wenn wir anklingen lassen hätten, dass der Ex-Barkeeper ein paar interessante Andeutungen gemacht hätte, deren Wahrheitsgehalt wir in Kürze überprüfen würden, hätte der Ganglord bestimmt ein paar Männer zu ihm geschickt, damit sie nachhaltig dafür sorgten, dass er den Mund hielt.

Letterman hätte sich genötigt gesehen, uns um Schutz zu bitten. Wir hätten gewisse Bedingungen an unsere Bereitschaft, ihm zu helfen, knüpfen können, und er hätte wohl oder übel preisgeben müssen, was er als Barkeeper im Lolita alles aufgeschnappt hatte. Auf dieser miesen Schiene wollten wir jedoch nicht fahren. Das war nicht unser Stil.

Jesse Chastain musterte uns neugierig. Ich merkte ihm an, dass er im Moment innerlich ziemlich angespannt war.

»Darf ich fragen, was Sie von Xavier wollten?«, sagte er. »Er wurde von einer Drohne verfolgt und von einem Wagen angefahren. Okay. Aber um so etwas kümmert sich normalerweise nicht das FBI.«

»Es war eine zufällige Begegnung«, schwindelte Phil.

»Ach so.« Chastain klang erleichtert. »Und ... was hat Xavier Ihnen denn so erzählt?« Er bemühte sich, nicht allzu neugierig zu klingen.

»Eigentlich nicht viel«, gab mein Partner zur Antwort. »Nur dass er bedauert, seinen Job, der ihm großen Spaß gemacht hat, nicht mehr ausüben zu können. Er war angeblich mit Leib und Seele Barkeeper.«

»O ja, das war er«, bestätigte Jesse Chastain. »Wir vermissen ihn sehr. Er kann gut mit Menschen umgehen. Das ist sehr wichtig für einen Barmann. Doch wenn die Lunge nicht mehr mitspielt ... Was soll man da machen? Ich hoffe, er findet bald einen Job, der ihn etwas weniger fordert. Schließlich ist er noch zu jung, um in Rente zu gehen.«

Jemand trat an Chastain heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Gangboss nickte. In seinen Augen blitzte es gefährlich. »Ich komme gleich.«

Der Mann zog sich zurück.

Jesse Chastain wandte sich an uns. »Wenn ich mir Xaviers Drohnenerlebnis so überlege ... Kann es nicht sein, dass verantwortungslose Jugendliche ihm diesen dummen Streich gespielt haben?«

»Denkbar wäre es«, räumte Phil ein.

»Dann bleibt nur zu hoffen, dass diese jungen, törichten Täter nicht allzu streng bestraft werden, wenn Sie sie erwischen. Sie haben sich bestimmt nicht allzu viel dabei gedacht.« Chastain schenkte uns ein freundliches Lächeln. Er sagte, er müsse sich um eine Sache kümmern, die keinen Aufschub dulde, und deutete auf die vielen Flaschen hinter dem neuen Barkeeper. »Was immer Sie trinken möchten – geht alles aufs Haus«, sagte er gönnerhaft.

Dann ließ er uns stehen. Auf einer kleinen Bühne stand eine mollige Sängerin und gab einen alten ABBA-Song zum Besten. Wir kannten sie.

Sie hatte ihre Blütezeit schon eine Weile hinter sich. Ihr hoch aufgetürmtes Haar war pechschwarz gefärbt und ihre Schminke hätte für eine ganze Frauenhandballmannschaft – samt Reservespielerinnen – gereicht.

Die Künstlerin war zwar noch immer gut bei Stimme, doch im großen Showbiz wollte man nichts mehr von ihr wissen. Dort ließ man lieber die Finger von ihr, weil sie nicht zuverlässig genug war.

Man wollte sich ihre Alkoholeskapaden nicht mehr antun und immer wieder ein ausverkauftes Konzert absagen müssen. Aber in Jesse Chastains Lolita schien sie ein stabiles Zuhause gefunden zu haben.

Wenn sie hier mal ausfiel, war das kein allzu großes Malheur. Wir nahmen Chastains Angebot natürlich nicht an, sondern beschlossen, seinen Laden zu verlassen.

Mir fiel auf, dass er sich mit einem Mann unterhielt, der Angst vor ihm zu haben schien. Der Typ trug einen Hut, der ihm viel zu klein war.

Das sah lächerlich aus. Doch die Kopfbedeckung schien so etwas wie sein Markenzeichen zu sein. Sonst hätte er sie hier drinnen vermutlich abgenommen.

Chastains Miene verriet, dass er mit dem Hutträger nicht besonders freundlich sprach. Der »Behütete« nickte immer wieder untertänig und fürchtete offenbar irgendeine schmerzhafte Bestrafung.

Ich nahm an, dass er etwas ausgefressen hatte. Jesse Chastain hörte auf zu reden. Er legte dem Hutträger die Hand auf die Schulter, als hätte er ihm verziehen, stand auf und wandte sich von ihm ab.

Der »Hut« wirkte jetzt unendlich erleichtert. Aber Chastain war mit dem Sünder noch nicht fertig. Er drehte sich noch einmal zu ihm um und verpasste ihm einen Kinnhaken, der ihm den affigen Hut vom Kopf schüttelte.

Erst jetzt waren sie quitt. Jesse Chastain brachte seine Kleidung gelassen in Ordnung, rückte seine Krawatte zurecht und kümmerte sich nicht weiter um den Mann ohne Hut. Wir mischten uns nicht in diese interne Angelegenheit ein, sondern verließen die Bar.

»Hallo?«

»Rob?«

»Wer spricht?«, fragte Rob Minetti am anderen Ende der Leitung.

»Xavier«, antwortete Letterman.

»Was geht ab, Mann?«, erkundigte sich Minetti.

»Ich hätte einen Tipp für dich und deine Kumpels«, sagte Xavier Letterman.

»Lass hören!«, verlangte Rob Minetti.

»East River Park. In einer halben Stunde.«

»Das schaffe ich nicht.«

»Wieso nicht?«, fragte Letterman ärgerlich.

»Ich bin nicht zu Hause.«

»Sondern wo?«

»Bei Dakota.«

»Lass die Finger von der!«, sagte Letterman.

»Warum?«

»Sie ist 'ne Schlampe.«

»Sie hat nie Migräne«, erklärte Rob Minetti.

»Dakota Fine war schon mit der halben New Yorker Unterwelt im Bett.«

Minetti lachte schmierig. »Und damit genau richtig für meine Bedürfnisse.«

»Okay«, brummte Letterman. »Du hast fünfundvierzig Minuten. Wenn du zu spät kommst, rufe ich Woody an.«

»Das ist nicht dein Ernst!«, rief Minetti entrüstet.

»Doch.«

»Woody? Dieses Arschloch?«

»Du bist bloß sauer auf ihn, weil er dir ein paar einträgliche Geschäfte vor der Nase weggeschnappt hat.«

»Woody ist ein mieses Charakterschwein.«

»Du brauchst nur pünktlich zu sein, dann schaut er durch die Finger«, sagte Letterman und legte auf.

Rob Minetti war pünktlich. Als er Lettermans bandagierten Kopf und dessen Arm in der Schlinge sah, fragte er: »Issn passiert?«

»Jesse hat mir eine Warnung zukommen lassen«, antwortete Letterman grimmig.

»Hat er dir zwei Schläger ins Haus geschickt?«, fragte Minetti, ein mittelgroßer Bursche mit großen, abstehenden Ohren, die ihm den Spitznamen Dumbo eingebracht hatten.

»Ich wurde von einer Drohne gejagt und von einem Auto angefahren.«

»Von 'ner Drohne.« Dumbo hob beeindruckt die Brauen. »Das ist neu. Wer hat die Drohne gesteuert?«

»Bestimmt einer von Jesses Leuten«, grummelte Letterman. »Aber ich lasse mich nicht einschüchtern.«

»Jesse hatte trotz allem einen sehr guten Tag, als er dich nur zum Teufel gejagt hat«, sagte Minetti. »Eigentlich muss ich dir das nicht sagen, weil du es ohnedies weißt. Du hast zu hemmungslos in die eigene Tasche gewirtschaftet und deine Position als Barkeeper zu schamlos für Geschäfte unter der Hand ausgenutzt.«

»Jesse ist dadurch kein Schaden entstanden.«

»Du hättest ihm was abgeben müssen. Dann hätte er ein Auge zugedrückt.«

»Er verdient mit seinem Laden und mit seinen zahlreichen Nebengeschäften genug«, erwiderte Letterman.

»Jetzt bist du deinen Job los. Du warst für viele eine prima Anlaufstelle. Sehr bequem. Man brauchte nur ins Lolita zu gehen.«