Jerry Cotton 3390 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3390 E-Book

Jerry Cotton

0,0
1,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Das Hauptquartier der United Nations am Hudson River steht unter dem Recht der Extraterritorialität. Die Befugnisse der US-Strafbehörden enden am UN-Territorium. Wir vom FBI untersuchten den Fall eines Mannes, der just auf der Grenze des internationalen Hoheitsgebiets getötet worden war, weil die Beschreibung auf eine Interpol-Fahndung passte. Ein diplomatischer Albtraum, und das mitten im Winter. Denn in dem weltbekannten Hochhaus hat die United Nations Security die Befehlsmacht. Und die über hundert Länder, die dort präsent sind, beschäftigen eine Vielzahl eigener Sicherheitsleute. Unter äußerst schwierigen Umständen entdeckten wir Hinweise darauf, dass der Mord mit dem angekündigten Besuch eines zweifelhaften Staatsmanns zusammenhing ...


Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 140

Veröffentlichungsjahr: 2022

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Inhalt

Cover

Tod im Winter

Vorschau

Impressum

Tod im Winter

»Willkommen in den Vereinigten Staaten.«

Als der übergewichtige Beamte der Homeland Security ihm seinen Pass zurückgab, lächelte der hochgewachsene Afrikaner freundlich auf ihn herab. Im Kontrast zu seiner Haut, die dunkel wie Ebenholz war, sahen seine Zähne noch weißer aus. Auf dem Diplomatenpass war das Siegel von Bansula eingestanzt. Staatschef Azul K'Gunda hatte den Pass persönlich unterzeichnet. Eine hohe Ehre. Zwar war K'Gunda nicht mehr an der Macht, doch sein mächtiger Arm reichte bis in die USA hinein. Der einreisende Afrikaner, der sich in einen Kaschmirmantel hüllte, hatte nur Handgepäck – seinen Aktenkoffer. Dank dem Wiener Übereinkommen darf Diplomatengepäck nicht geöffnet oder untersucht werden. Allerdings hätten weder Metalldetektor noch Durchleuchtung den Amerikanern etwas über den besonderen Inhalt verraten: das Plastikfläschchen, das farbloses Gift enthielt und ebenso geruchs- wie geschmacklos war. Der Afrikaner behielt den Aktenkoffer auf dem Schoß, als er sich am John F. Kennedy Flughafen ins vorderste Taxi der abfahrtbereiten Wagen setzte.

»Wohin soll's gehen, Sir?«

»United Nations.«

Er sah aus, als wartete er nur auf den Bus. Aber der Mann auf der Parkbank war tot. Obwohl sich das in sitzender Position schwer abschätzen ließ, musste er sehr groß sein. Seine langen Beine waren ausgestreckt, die ledernen Halbschuhe versanken ganz im jungfräulichen Schnee. Würde sich der Schwarze aufrichten, wäre er über sechs Fuß groß. Sein glasiger Blick war in die Ferne gerichtet. Ich folgte der Blickrichtung der toten Augen. Im letzten Moment seines Lebens hatte er den Gebäudekomplex der United Nations gesehen, ein ikonisches Wahrzeichen New Yorks. An anderen Tagen würde sich die Sonne in der gewaltigen Glasfront des Hauptquartiers der Vereinten Nationen spiegeln. Doch heute verschwand das Flachdach der UN in einer undurchdringlichen Wolkendecke.

Phil Decker hob sachte den rechten Arm des Toten an. Die Gliedmaßen waren trotz der Kälte noch nicht erstarrt.

»Kann noch nicht lange her sein«, stellte mein Partner fest. Er deponierte den Arm auf dem Schoss des Toten, ohne die Position zu verändern.

Die Mordkommission hatte den Tatort im Park abgesperrt. Passanten blieben kurz an der Markierung stehen, die von einem uniformierten Officer bewacht wurde. Der Anblick eines Toten erschütterte die meisten Menschen. Dennoch verlangte die menschliche Natur, einen neugierigen Blick zu erhaschen.

Ein Beamter in Zivil fotografierte alle erdenklichen Details im Umkreis von fünfzehn Yards. Der Tatort war die Grünfläche an der United Nations Plaza. Hier kamen jeden Tag zahllose Fußgänger durch. Im Schnee kreuzten sich ihre Spuren. Um den überfüllten Abfalleimer hatten achtlos weggeworfene Zigarettenkippen dunkle Löcher im Weiß hinterlassen.

Ich konnte mir nicht vorstellen, dass die Spurensicherung brauchbare Hinweise oder sogar aussagekräftige Abdrücke finden könnte. Dennoch ließ der Fotograf kein Detail aus. Neben ihm hatte sich ein älterer Polizist in den Schnee gekniet, um den Fotografen auf eine Einzelheit hinzuweisen. Dieser Uniformierte hielt seine bekrempte Mütze in der Hand, einen schlohweißen Haarschopf entblößend.

Phil und ich kannten ihn gut. Todd Stilwell war der Polizeichef dieses Bezirks. Er ließ es sich nicht nehmen, den Tatort persönlich zu besichtigen. Noch knapp vor Erreichen des Pensionsalters zog es den alten Stillwell zum Ort des Geschehens. Wie er immer sagte: »Kein Foto ist so gut, als dass es den eigenen Eindruck eines Tatorts ersetzen könnte.«

Ohne sich an der Parkbank abzustützen, beugte sich Phil so weit wie möglich über die Leiche, um die Halswunde aus der Nähe zu betrachten. Der Einschnitt verlief quer über der Schlagader. Von der Schnittstelle war Blut den Hals hinuntergelaufen. Es hatte den weißen Kragen des Mannes dunkelrot gefärbt. Er trug einen Mantel aus Kaschmir. Seine Hände steckten in ledernen Handschuhen.

»Die Halswunde scheint nicht besonders tief«, meinte Phil.

»Vielleicht war es nicht der Schnitt, der ihn umgebracht hat«, sagte ich.

Wenn ein Schnitt die Halsschlagader durchtrennt, hätte das eine größere Sauerei verursacht. Das brauchte ich Phil nicht extra zu erklären. Wir hatten beide schon gesehen, wie Blut aus einer Halsschlagader spritzt wie aus einer Pumpe. In diesem Fall war der Schnee nicht rötlich gefärbt. Das wenige Blut war schnell geronnen. Das konnte nur bedeuten, dass das Herz unmittelbar nach der Verwundung zu schlagen aufgehört hatte.

Der Schnee um die Parkbank herum war nicht zerwühlt. Die Totenbeine lagen ausgestreckt im Weiß. Der Mann sah beinahe friedlich aus. Die wenigen Spuren, die um die Bank zu erkennen waren, konnten von anderen Parkbesuchern herrühren, die die Sitzgelegenheit davor benutzt hatten.

»Was ist das, Phil?« Ich deutete auf einen Gegenstand, der am Sakko befestigt war, das der Mann unter dem Wintermantel trug.

Phil holte einen Kugelschreiber aus der Tasche und beugte sich noch einmal über den toten Schwarzen. Vorsichtig schob er den Kragen des Kaschmirs etwas zur Seite, bis er den Ausweis sehen konnte, der mit einem Clip an der Brusttasche des Jacketts befestigt war. Es handelte sich um einen Badge in einer Hartbox. Phil machte ein Foto mit seinem Handy. Dann ging er umsichtig in seinen eigenen Fußstapfen rückwärts.

Phil vergrößerte das Handyfoto, sodass wir die Details betrachten konnten. Einige Blutperlen auf dem Ausweis waren in der Kälte zu Kristallen gefroren.

Phil erkannte das Logo in der linken oberen Ecke. Die fünf Kontinente, eingerahmt von einem Lorbeerkranz. »Ist ein Ausweis der United Nations.«

Der Zutrittsbadge war im typischen Blau der UN gehalten. Das Passfoto darauf stimmte mit dem Gesicht des Toten überein. Darunter stand sein Name: Joshua M'Bola.

»Na, was denkt ihr?« Chief Stillwell klopfte den Schnee von seiner Hose. Wo er sich hingekniet hatte, war ein nasser Fleck zu sehen.

»Danke, dass du uns angerufen hast, Todd.«

Phil schlug den Kragen hoch und stapfte missmutig auf der Stelle. »Ja, trotz der Kälte.«

Todd Stillwell grinste Phil an und schob ein paar der weißen Haare zurück, um seine Dienstmütze aufzusetzen. Darauf prangte das Emblem des 17. Bezirks. Er trug die Mütze in einem schrägen Winkel, was zu seinem Markenzeichen geworden war.

»Dann glaubt ihr, das ist unser Mann?« Der Chief entfaltete einen Zettel. Todd Stillwell war alte Schule. Er hatte sich die Fahndungsmeldung ausgedruckt und in die Tasche gesteckt. Jeder der jüngeren Beamten würde ganz einfach auf seinem Handy den Fahndungshinweis online abrufen.

Wir verglichen die Red Notice von Interpol mit dem Foto des Ausweises. Interpol veröffentlichte solche Fahndungsaufrufe auf ihrer Website. Sie waren ganz in Signalrot gehalten und richteten sich an alle Gesetzeshüter weltweit. Die Ausschreibung trug das Siegel von Interpol und galt gleichzeitig als Haftbefehl. Die meisten Polizisten hatten damit nur ein einziges Problem. Es gab so viele davon, das man kaum je die Zeit fand, die neuen Veröffentlichungen zu studieren. Geschweige denn, die bestehenden zu sichten. Interpol gab jedes Jahr über zehntausend Red Notices heraus.

Aber Todd Stillwell sah sich jeden einzelnen an. Der Papierausdruck, den er uns zeigte, war gelocht. Woraus ich schloss, dass der gute Stillwell für Red Notices sogar ein Ablagesystem hatte. Als er heute die Beschreibung des Mordopfers erhalten hatte, war sie ihm bekannt vorgekommen. Er hatte sie mit seinen Interpol-Akten verglichen und gleich zum Hörer gegriffen, um mich anzurufen. Denn Interpol suchte M'Bola wegen dringenden Terrorverdachts.

Die Beschreibung traf zu. Interpol hatte auch die Größe des Mannes angegeben: 6,39 Fuß.

»Wenn der Kerl keinen Zwillingsbruder hat, dann ist er's«, konstatierte Phil.

Wenn das zutraf – und daran zweifelte ich nicht –, hatte Stillwell uns nicht umsonst aufgeboten. Terrorismus fiel in die Domäne des FBI.

Hinter uns knirschten Schritte im Schnee. Aus Richtung des UN-Gebäudes kamen zwei Personen auf uns zu. Ihrem Auftreten entsprechend und weil sie an einem sonnenlosen Tag Sonnenbrillen trugen, taxierte ich sie als Beamte in höherer Position.

»Gentlemen«, sagte der Mann förmlich, der zuerst bei uns eintraf. »Ich bin Lieutenant Bob Bronston.« Er sagte das so, als sollten wir uns den Namen unbedingt merken.

Bronston war ein untersetzter Mann, doch unter seinem Wintermantel zeichneten sich breite Schultern ab. Ich konnte mir vorstellen, dass er jede freie Minute im Fitnessraum verbrachte.

Bronston wies knapp auf seinen Kollegen. »Das ist Officer Lewis. Wir sind vom UNDSS.«

Wir hatten nicht darum gebeten, aber sie hielten uns beide ihren Ausweis unter die Nase. Das UNDSS war das Department for Safety and Security der United Nations.

»Die Special Agents Decker und Cotton«, stellte ich uns meinerseits vor. »FBI.«

Wir hätten genauso gut vom Klub der Pfadfinder sein können. Bronston kümmerte sich nicht darum. Er faltete seine Sonnenbrille zusammen und nahm M'Bola in Augenschein. Der Tote starrte noch immer das UN-Gebäude am Ostufer von Manhattan an. Der leichte Schneefall hatte ihn inzwischen bedeckt wie mit einem dünnen Leichentuch. Die Schneeflocken, die auf seinen ebenholzfarbenen Wangen landeten, schmolzen nicht.

»Ist der Tatort schon gesichert?«, verlangte Bronston zu wissen.

»Meine Leute haben das im Griff. Stillwell, Chief des 17th Precinct.«

»Natürlich, Chief Stillwell, ich weiß, wer Sie sind. Und nachdem nun jeder weiß, wer wer ist«, sagte Bronston, aber es klang nicht wie der Beginn eines Scherzes, »lassen Sie mich die Zuständigkeit feststellen.«

»Wir bitten darum.« Das klang auch aus Phils Mund nicht, als würde er einen Witz machen.

Ich kannte meinen Partner gut genug, um zu wissen, dass er Typen wie Bronston, die bei jeder Gelegenheit auf Rang und Zuständigkeit verwiesen, nicht ausstehen konnte. Paragrafenreiter waren ihm zuwider. Phil kochte innerlich bereits. Trotz der Kälte.

Bronston übergab an seinen Kollegen. »Officer Lewis.«

Offenbar war es die Aufgabe des jüngeren Beamten, in solchen Situationen für Bronston zu sprechen.

»Es ist ganz einfach«, begann Lewis schulmeisterlich, »die United Nations Plaza gehört noch zu unserem Zuständigkeitsbereich. Damit fällt der Tote in unsere Jurisdiktion.«

Todd Stillwell war hier schon Streife gefahren, bevor Lewis zur Welt gekommen war.

»Nicht so schnell, Söhnchen«, klärte er ihn väterlich auf. »Die Grenze des UN-Territoriums verläuft genau in einem rechten Winkel zur East 45th Street.«

Ich sah mich um. Wir standen in Sichtweite der bekannten Bronzeskulptur, die sozusagen den Vorgarten der United Nations schmückte. Non-Violence war ein beliebtes Sujet für Touristenkameras. Dargestellt wurde ein riesiger Magnum-Revolver, dessen Lauf verknotet war. Der Künstler hatte damit an den Mord an John Lennon erinnert. Ich wusste, dass das Denkmal für Gewaltfreiheit auf dem Gelände der UN stand.

Ich schätzte den Abstand des Kunstwerks zur Parkbank auf wenige Hundert Yards. Gut möglich, dass wir auf dem Grund und Boden der United Nations standen. Und damit bereits gegen eine Regel der Extraterritorialität verstießen. Hatte hingegen Todd Stillwell recht, verlief die Grenze quer durch den Park.

Ein Gerangel um Zuständigkeit brachte nichts.

»Wer hat Sie überhaupt angerufen?«, erkundigte ich mich.

»Seien Sie versichert, Agent Cotton«, klärte Bronston mich auf, »wenn sich ein Mord praktisch vor der Haustür des UNDSS abspielt, braucht man uns nicht extra zu rufen. Also, Lewis, was haben wir hier?« Damit ging Bronston dazu über, den Toten selbst untersuchen zu wollen.

»Nicht so eilig.« Ich hätte mir denken können, dass der Einwand von Phil kam. »Die Mordkommission des 17th Precinct untersucht den Fall bereits.«

»Darf ich dann fragen, weshalb das FBI Interesse an dem Fall hat? Das sieht mir doch auf den ersten Blick nach einer einfachen Sache aus.« Bronston machte eine ausschweifende Handbewegung über die Parkanlage. »Der Mann scheint Opfer eines Raubüberfalls geworden zu sein.«

Bronston musste entweder ein begnadeter Kriminologe oder ein vollkommener Idiot sein.

»Was bringt Sie denn zu dieser – wenn ich das so anmerken darf, etwas vorschnellen – Analyse, Lieutenant Bronston?« wollte ich höflich in Erfahrung bringen.

»Sie sagten, der Tatort ist bereits gesichert, Chief?« Er wartete Stillwells Antwort gar nicht ab, sondern stapfte durch den Schnee zum toten M'Bola. Mit geübten Handgriffen durchsuchte er die Leiche. »Keine Brieftasche. Ihm wurden sämtliche Taschen geleert. Er trägt nichts bei sich.« Dann verwies Bronston auf die Fußspuren, die kreuz und quer durch die Schneelandschaft verliefen und von jedermann stammen konnten, nach seinem Dafürhalten aber von einer Gang. »Mit Bestimmtheit hat er sich gewehrt, als man ihn ausnehmen wollte. Vielleicht wollte er schreien. Um Hilfe rufen. Da haben der oder die Täter ihn zum Schweigen gebracht. Offenbar ist das ja wohl eine Stichwunde in seinem Hals. Das passt auf die üblichen Vorgehensweise einer Straßengang in New York.«

Er sprach den Namen unserer Stadt mit einer gewissen Abschätzigkeit aus, die mir nicht gefallen wollte. Und Phil schon gar nicht.

»Ihnen scheint da ein winziges Detail zu entgehen, Lieutenant Bronston«, warf mein Partner ein. Er zeigte auf den Mann, der unbewegt wie eine Statue auf der Bank saß, nun selbst zum Denkmal gegen Gewaltanwendung geworden. »Wäre das Opfer mit einem gewöhnlichen Messer getötet worden, müsste hier eine ganze Menge mehr Blut sein.«

Bronston ging nicht darauf ein. Für ihn war Phil ab jetzt Luft.

»Was immer die Todesursache gewesen sein mag – das UNDSS wird sie untersuchen. Denn Ihnen scheint da selbst ein kleines Detail zu entgehen ...« Sein Zeigefinger zeichnete eine Verbindung zwischen dem UN-Gebäude und M'Bola in die kalte Luft. »Was der Tote da trägt, ist der UN-Badge eines Diplomaten. Sie stehen auf UN-Territorium. Was nichts anderes bedeutet, als dass hier nicht US-Recht gilt, sondern internationale Rechtsprechung, Gentlemen.«

»Ich will nur die Leiche hier weghaben«, brachte Stillwell müde vor und schob die Mütze gerade, »damit die New Yorker den Park wieder benutzen können.«

Stillwell überraschte mich. Nachdem er uns extra hergerufen hatte, gab er den Fall einfach ab?

»Das können wir gern für Sie bewerkstelligen, Chief«, sagte Bronston mit gespielter Gutmütigkeit und befahl seinem Untergebenen: »Lewis, Sie sorgen mir für den Leichentransport.«

Weil damit für ihn alles getan und die Dreckarbeit delegiert war, stapfte Bronston durch den Schnee davon Richtung United Nations.

Wir hinderten ihn nicht daran. Die Flaggen der Mitgliedsstaaten, die das Gebäude umringten, hingen schlaff von ihren Masten. Die Aufhängungen klapperten unablässig gegen die Aluminiummasten. Ein metallenes, nervtötendes Geräusch.

Stillwell pfiff durch die Zähne. Seine Männer sahen von ihrer Arbeit auf.

»Okay, Leute. Wir ziehen ab. Sandpaper übernimmt hier.«

Lewis hatte ein Handy gezückt und wollte gerade eine Nummer wählen, um den Leichenwagen zu organisieren.

Ich unterbrach ihn. »Einen Augenblick bitte, Officer Lewis.«

Ich ließ mir von Todd Stillwell die Red Notice geben und faltete das Papier auseinander. »Ihr Kollege war so schnell weg, dass wir ihm das nicht mehr zeigen konnten.«

Lewis überflog den Zettel. »Ein Fahndungsaufruf von Interpol?«

»Damit dürfte die Zuständigkeit ja nun klar sein.« Ich bluffte. Es war mir ganz recht, dass Bronston sich davongemacht hatte. Sein jüngerer Kollege war leichter zu beeindrucken, was die Jurisdiktion anging. »Wir lassen ihn jetzt in die Gerichtsmedizin bringen. Es sei denn, Sie wollen sich mit der Staatsanwaltschaft der Stadt New York auseinandersetzen, Officer Lewis.«

Ein Schneepflug walzte eine graue Masse Schnee vom Asphalt. Phil, der zur Straße hin in den Jaguar einsteigen wollte, bekam die Ladung ab. »Verflucht!«

Der Motor war noch warm und sprang sofort an. Ich fädelte meinen roten Flitzer in den Verkehr ein und folgte dem Leichenwagen. Der Verkehr stand dicht gedrängt. Es würde eine Weile dauern, bis wir in der Gerichtsmedizin ankamen.

Mein Partner zupfte an seinem nassen Hosenbein. »Kann mich nicht erinnern, wann es das letzte Mal so spät im Jahr noch geschneit hat.«

»Das hast du auch letztes Jahr gesagt.«

Als ich die Heizung anmachte und sich der Jaguar schnell mit wohltuender Wärme füllte, fand Phil seine gute Laune wieder.

»Das war ein ganz netter Bluff vorhin. Erinnert mich daran, dass wir uns mal wieder mit Zeery zum Pokern verabreden sollten.«

»Du willst wohl dein Gehalt mit aller Gewalt an mich verlieren.«

»Trotzdem werden diese UNDSS-Typen schnell herausfinden, dass der Staatsanwaltschaft gar kein Antrag für eine Obduktion vorliegt.«

»Das werde ich sofort ändern.« Mein Handy hatte sich beim Einsteigen über Bluetooth mit dem Telefon im Jaguar verbunden. Ich gab den Sprachbefehl, die Nummer der Staatsanwaltschaft zu wählen.

Zufrieden erkannten wir die Stimme des stellvertretenden Staatsanwalts Morani. Gut, dass er den Anruf entgegennahm. Wenn es darum ging, ein Mordopfer obduzieren zu lassen, war Morani bedeutend schneller mit der Bewilligung zur Hand als seine Vorgesetzte, die dazu neigte, jeden Fall erst im Detail kennen zu wollen und Akteneinsicht zu nehmen.

»Meinetwegen«, sagte der Staatsanwalt bloß, nachdem ich ihm den Fall in aller Kürze geschildert hatte.

»Es gibt da vielleicht ein Zuständigkeitsproblem, Mister Morani«, klärte ich ihn nachträglich auf. »Die Security der UN erhebt Anspruch auf den Fall. Offenbar ist M'Bola ein Diplomat und fällt damit wohl unter so etwas wie diplomatische Immunität.«

»Der Professor an meiner Juraschule hat gesagt, die Immunität endet mit dem Leben. Das ist kein direktes Zitat, aber wenn Sie jemanden aufschneiden wollen, der in einem Park von New York getötet wurde, dann haben Sie meinen Segen. Bringen Sie ihn ins OCME.«

Über die Mittelachse Manhattans quälten wir uns durch den Verkehr, der im Schnee nicht vorwärts kam. Es hatte wieder zu schneien begonnen. Ich schaltete den Scheibenwischer ein.