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Einen Tag bevor Timothy Naples seinen Vater Charles an der Spitze von dessen Verbrecherorganisation ablösen sollte, wurde er mitsamt seiner Familie erschossen. Wir vom FBI fürchteten einen blutigen Bandenkrieg. Schnell geriet Bruce Mugger, ein konkurrierender Gangsterboss, unter Verdacht, denn er und Naples waren schon lange Feinde. Mugger stritt alles ab. Charles Naples traf sich unterdessen mit einem alten Freund, dem Auftragskiller Jacob Blumstein, der längst im Ruhestand war. Naples konnte ihn überreden, einen letzten Auftrag zu übernehmen. Er sollte Mugger und seine Männer auslöschen. Damit begann für Phil und mich ein Wettlauf gegen die Zeit, denn wir mussten Timothy Naples’ Mörder finden, und zwar vor Blumstein!
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Seitenzahl: 145
Veröffentlichungsjahr: 2022
Cover
Blumsteins letzter Auftrag
Vorschau
Impressum
Blumsteins letzter Auftrag
»Da sind sie.«
Der Mann auf dem Beifahrersitz nickte stumm. Sein Blick war auf das Zielobjekt gerichtet. Männlich, groß, blonde Haare, die ihm beinahe bis auf die Schultern fielen. Die lässige Frisur bildete einen Kontrast zu seinem perfekt sitzenden blauen Maßanzug. An seiner Seite eine brünette Frau, bildhübsch, in einem eleganten dunkelroten Kleid, nur eine Spur zu grell geschminkt. Sie schenkte ihm ein strahlendes Lächeln, ganz offensichtlich freute sie sich auf den Abend. Wieso auch nicht, The Great Dish hatte in der New Yorker Restaurantszene einen hervorragenden Ruf.
Nur würde sie nicht mal die Vorspeise genießen können.
Zwei weitere Paare tauchten auf, alle gut gekleidet und bestens gelaunt. Hände wurden geschüttelt, Umarmungen ausgetauscht. Nach einem kurzen Plausch betraten sie gemeinsam das Lokal.
Er griff nach der Uzi, die in der Tasche zu seinen Füßen steckte.
»Drei Champagner, drei Wodka on the rocks«, orderte Fred Hooker.
Dave, der dürre Barkeeper, schaute nicht auf. Ein knappes Nicken, dann machte er sich an die Arbeit. Hooker hob die Brauen. Dave erledigte seine Bestellungen ebenso schnell wie gewissenhaft, und seine Drinks waren ausgezeichnet, doch seine wortkarge Art ging ihm zuweilen auf die Nerven. Als würde er mit einem Getränkeautomaten reden.
Während Dave eine frische Champagnerflasche entkorkte – sie kostete mehr, als sie beide zusammen in einer Woche verdienten –, ließ Hooker seine Blicke durch den Raum wandern. Die einzige größere Gesellschaft auf der heutigen Reservierungsliste des Great Dish hatte vor wenigen Minuten Platz genommen. Drei Männer und drei Frauen. Ganz dem Klischee entsprechend, hatten die Ladys den Champagner geordert und die Gentlemen die Drinks. Ansonsten erwarteten sie heute nur Paare, von denen erst eines eingetroffen war. Reizende ältere Leute, sie saßen in einer Ecke und löffelten gerade ihre Vorspeise. Clam Chowder, die Empfehlung des Tages.
Der Abend war noch jung, die nächsten Gäste wurden erst in einer halben Stunde erwartet. Also konnte sich Hooker ganz entspannt um den Sechsertisch kümmern. So lässig, wie diese Leute den sündhaft teuren Champagner geordert hatten, mussten die Dollars bei ihnen ziemlich locker sitzen. Außerdem schienen sie glänzender Laune zu sein, sie waren schon grinsend reingekommen und hatten seitdem nicht damit aufgehört. Ideale Voraussetzungen für ein fettes Trinkgeld. Die Reservierung lautete auf den Namen Naples. Hooker kannte sie nicht, sie schienen zum ersten Mal hier zu sein. Er würde sich alle Mühe geben, damit es nicht dabei blieb.
Sein Blick hing einen Moment zu lang an der Brünetten. Sie schenkte ihm ein Lächeln, mit dem sie ihm zu verstehen gab, dass sie es bemerkt hatte. Er nickte ihr freundlich zu und verfluchte sich innerlich, dass er sie angeglotzt hatte wie ein läufiger Teenager. Zur Hölle, sie sah aber auch wirklich scharf aus. Er mochte ihr Make-up. Natürlich war sie eine Nummer zu groß für ihn, und der Kerl mit den blonden Haaren neben ihr war wohl kaum ihr Bruder, so wie er den Arm um ihre Schultern gelegt hatte und dabei mit dem Daumen über ihre linke Brust strich. Auch Kellner durften träumen.
»Drei Champagner, drei Wodka on the rocks«, riss ihn Daves Stimme aus seinen Gedanken.
Es kann sprechen, dachte Hooker, wandte sich um und griff nach dem mit sechs Gläsern gefüllten Tablett. Aus der Drehung heraus machte er den ersten Schritt auf seinen Tisch zu – und erstarrte. Im Eingang stand ein Mann. Er musste lautlos die Glastür geöffnet und sich durch den dicken Vorhang geschoben haben, der die Gäste vor neugierigen Blicken von draußen schützte. Dieser Kerl war sicher nicht gekommen, um eine Clam Chowder zu bestellen. Er war ganz in Schwarz gekleidet, sein Gesicht wurde von einer Sturmhaube verdeckt. In den Händen hielt er etwas Dunkles, Metallisches.
Einer der Männer am Sechsertisch, ein bulliger Typ mit kurzen schwarzen Locken, hatte entweder Augen im Hinterkopf, oder er hatte Hookers überraschten Blick aufgefangen, jedenfalls wirbelte er im Sitzen herum und zog gleichzeitig einen Revolver unter seinem Jackett hervor.
Der dunkle Gegenstand in den Händen des Neuankömmlings ruckte. Es knallte mehrmals hintereinander, als hätte jemand eine Batterie Knallfrösche gezündet. Alle schrien auf. Die Brünette wurde nach vorne geschleudert und knallte mit dem Kopf auf die Tischplatte. Der Kerl mit dem Lockenkopf hatte sich halb erhoben, als er wild zu zucken begann. Die Waffe entglitt seinen Fingern, dann fiel er zu Boden. Gläser splitterten, ein scharfer Geruch stieg Hooker in die Nase.
Alles hatte sich innerhalb von Sekunden abgespielt. Jetzt herrschte wieder Stille. Der Maskierte wirbelte herum und stürmte aus dem Restaurant.
Hooker hielt noch immer das Tablett. Seine Hand zitterte, die Gläser klirrten leise, doch er brachte nicht die Kraft auf, sich umzudrehen und es auf die Theke zu stellen. Seine Augen waren auf den Sechsertisch geheftet, und es war ihm unmöglich, den Blick abzuwenden. Diese Gäste würden ihm kein Trinkgeld geben, nicht mal einen lausigen Cent, denn sie lagen nebeneinander auf dem edlen Holzboden und rührten sich nicht mehr. Nur die Brünette saß noch immer am Tisch, eine Blutlache breitete sich neben ihrem Kopf aus und färbte die blütenweiße Tischdecke in ein tiefes Rot.
»Scheiße«, sagte Dave hinter ihm.
Charles Naples nahm einen kräftigen Schluck von seinem Brandy, lehnte sich in seinem Sessel zurück und genoss das warme Gefühl, das der Alkohol in seiner Kehle hinterließ. Ihm war bewusst, dass die drei Männer, die sich in seinem Wohnzimmer versammelt hatten, ungeduldig darauf warteten, dass er ihnen die Neuigkeit mitteilte. Obwohl sie vermutlich bereits ahnten, warum er sie heute Abend in sein Haus gebeten hatte. Schließlich waren sie nicht auf den Kopf gefallen.
Benjamin Livingston, Chuck Hammer und Jerome Dallas waren seine engsten Vertrauten, die ihn lange begleiteten und so manche Schlacht mit ihm geschlagen hatten. Jerome, seit acht Jahren bei ihm, war mit seinen zweiundvierzig Jahren der Jüngste von ihnen, ein hochgewachsener schlanker Mann chinesischer Abstammung mit einer Vorliebe für schwarze Anzüge. Benjamin und Chuck gingen bereits auf Mitte sechzig zu. Sie hatten nicht mehr diese Aggressivität und Entschlossenheit, die Jerome an den Tag legte, wenn es um einen neuen Coup ging. Das Leben hatte sie müde gemacht, doch wenn es darauf ankam, waren sie hellwach und zu allem bereit. Trotzdem war es nur eine Frage der Zeit, bis sie sich in den Ruhestand verabschieden würden.
So wie er. Das war die Nachricht, die er ihnen heute überbringen würde. In vier Wochen feierte er seinen siebzigsten Geburtstag. Höchste Zeit, das Steuer aus der Hand zu geben und sich in sein Ferienhaus in den Hamptons zurückzuziehen, wo hoffentlich noch viele erholsame Abende auf ihn warteten, mit einem Glas seines geliebten Brandys in der Hand und dem Ausblick auf den Atlantik, dessen Wellen sich vor seinem riesigen Wohnzimmerfenster am Strand brachen. Teufel, er hatte es sich verdient.
Die Zeiten waren nicht leicht gewesen, geprägt von ständigem Ärger mit Konkurrenten, die ihm seine Geschäfte streitig machen wollten. Und natürlich mit den Cops, die sich immer mal wieder an seine Fersen hefteten. Nur war er zu schlau für sie. Sie hatten ihm nie etwas nachweisen können. Hin und wieder musste er ein Bauernopfer bringen, irgendeinen kleinen Fisch, der gelegentlich für ihn gearbeitet hatte. Das hatte sie stets für eine Weile beruhigt.
All das würde er bald hinter sich lassen.
»Nun rück schon raus mit der Sprache, Charles«, sagte Benjamin. Seine Miene war freundlich und entspannt, doch in seinen Augen glitzerte die Ungeduld wie die Auslage dieses Swarovski-Ladens im Rockefeller Center.
Chuck nickte zustimmend, nur Jerome rührte sich nicht, und sein Gesicht blieb ausdruckslos.
Naples wusste, dass er ihm gleich eine Enttäuschung bereiten musste. Insgeheim hatte sich der ehrgeizige Mann Hoffnung auf seine Nachfolge gemacht, da war er sich vollkommen sicher. Und das nicht zu Unrecht, denn ohne Zweifel war Jerome außerordentlich talentiert, hatte Biss und Durchsetzungsvermögen. Außerdem hatte er bei dieser unschönen Geschichte vor einem Jahr seine Loyalität eindrucksvoll unter Beweis gestellt. Nur war Blut eben dicker als Wasser.
»Wie ihr wisst, werde ich demnächst siebzig«, begann er. »Die Zeit ist gekommen, das Führerhaus zu verlassen.«
Die drei Männer hielten den Atem an, was ihn amüsierte. Kurz spielte er mit dem Gedanken, sich Brandy nachzuschenken und sie so noch ein wenig auf die Folter zu spannen, verwarf das Vorhaben aber wieder.
»Mein Sohn Timothy wird mein Nachfolger.« Ihm entging nicht, dass es in Jeromes Gesicht, bis dahin unbeweglich, zuckte. »An meinem Geburtstag werde ich die Geschicke unserer Organisation in seine Hände legen.«
Chuck und Benjamin tauschten einen schnellen Blick aus. Jeromes Miene war undurchdringlich, er starrte auf einen Punkt irgendwo hinter Naples' Sessel.
Er räusperte sich. »Ich weiß, dass meine Wahl Fragen bei euch aufwirft, vor allem bei dir, Jerome. In der Vergangenheit wart ihr nicht immer von Timothys Fähigkeiten überzeugt. Ich jedoch bin es. Es gibt Menschen, die eine höhere Aufgabe brauchen, um an ihr zu wachsen. Mein Sohn gehört zweifellos dazu. Ich vertraue ihm, und ich bitte euch, tut ihr es auch. Unterstützt ihn mit eurer Erfahrung, und er wird euch in eine erfolgreiche Zukunft führen.«
Die beiden Älteren lehnten sich in ihren Stühlen zurück. Er kannte sie gut genug, um zu wissen, dass sie gerade darüber nachgrübelten, wie lange die Zukunft für sie noch andauern mochte. Vielleicht dachten sie auch an Todd, seinen jüngeren Sohn, dem sie stets mehr zugetraut hatten als Timothy. Doch Todd war jetzt seit einem Jahr tot, umgekommen bei einem seiner geliebten Kletterausflüge in den Bergen.
Chuck griff nach seinem mit einer goldbraunen Flüssigkeit gefüllten Glas, das auf einem kleinen Tisch vor ihm stand, und nahm einen tiefen Zug. Sein alter Wegbegleiter bevorzugte französischen Cognac, was der einzige Grund dafür war, dass stets eine Flasche davon in seiner gut bestückten Bar stand. Er selbst fand, dass es wie Putzwasser mit zu viel Reinigungsmittel schmeckte.
»Charles«, ergriff Chuck das Wort. »Timothy ist ehrgeizig, da gibt es keine zwei Meinungen. Manchmal ein wenig zu ehrgeizig, meine Haltung dazu kennst du. Es ist jedoch deine Entscheidung, und ich werde sie nicht infrage stellen. Wir sind seit Jahrzehnten Freunde, ich habe dir einiges zu verdanken. Dein Sohn kann sich meiner Unterstützung sicher sein.«
Benjamin nickte. »Ich schließe mich dem an. Voll und ganz.«
Naples sah Jerome an. Seine Lippen waren aufeinandergepresst. Unwillkürlich hielt er den Atem an. Würde Jerome es wagen aufzubegehren?
»Das gilt für mich ebenso«, sagte er endlich.
Naples war erleichtert.
»Wann wirst du es den Männern mitteilen?«, wollte Chuck wissen.
»In zwei Tagen wird eine Versammlung stattfinden. Dort werde ich meine Entscheidung verkünden. Ihr solltet es als Erste erfahren. Timothy wird dann natürlich anwesend sein.«
»Wo ist er eigentlich?«
»Ich habe ihm die frohe Kunde heute Morgen überbracht, und er hat spontan beschlossen, mit Amanda, Bull und irgendwelchen Freunden feiern zu gehen. Wie die jungen Leute eben so sind.«
Chuck grinste und lugte in sein beinahe leeres Glas. »Ob ich noch etwas von diesem ausgezeichneten Cognac bekommen könnte?«
Die Tür wurde so heftig aufgerissen, dass Naples zusammenzuckte. Noch ein Grund, den Job an den Nagel zu hängen, dachte er. Früher war er nicht so schreckhaft gewesen.
Moira Carrington, seine persönliche Assistentin, trat ins Wohnzimmer. Sie trug einen blauen Rock und eine cremefarbene Bluse. Mit ihren langen blonden Haaren, die sie auf seinen Wunsch hin stets offen trug und die ihr schmales, fein geschnittenes Gesicht umrahmten, hätte sie wie immer umwerfend ausgesehen. Wenn da nicht dieser gehetzte Ausdruck in ihren Augen gewesen wäre.
»Was ist los, Moira?« Ein flaues Gefühl breitete sich in seiner Magengrube aus.
»Timothy ...«, hob sie an und musste schlucken.
Zu dem flauen Gefühl gesellte sich ein kaltes Prickeln auf seiner Kopfhaut.
»Was ist mit ihm?«
»Er wurde erschossen.«
»Mason Fields«, begrüßte uns der Detective, ein Bär von einem Mann mit der Figur eines Footballspielers. Er mochte Mitte fünfzig sein. Über seinen breiten Schultern trug er eine abgewetzte braune Lederjacke, seine Beine steckten in Jeans, die schon bessere Tage gesehen hatten. Unter normalen Umständen hätte er im The Great Dish deplatziert ausgesehen, doch wir hatten uns hier nicht zum Dinner verabredet. Ich kannte das Nobelrestaurant in der Nähe des Times Square aus einem früheren Fall. Nun war es erneut zum Tatort geworden.
»Agent Cotton, das ist mein Partner Agent Decker«, stellte ich uns vor.
Phil neben mir schürzte die Lippen. »Das sieht übel aus.«
Damit traf er den Nagel auf den Kopf. Vor uns lagen die blutüberströmten Leichen von drei Männern und zwei Frauen auf dem Boden. Eine dritte Tote saß vornübergebeugt am Tisch. Die weiße Tafeldecke war getränkt mit ihrem Blut.
»Was ist hier passiert?«, fragte ich den Detective.
»Die Opfer sind vor etwa einer Stunde ins Restaurant gekommen. Sie hatten gerade ihre Aperitifs bestellt, da betrat ein Maskierter mit einer Waffe den Laden. Hat sofort das Feuer eröffnet.«
»Gibt es Zeugen?«
»Sogar mehrere, Agent Cotton. Nur ein paar Schritte entfernt saß ein älteres Ehepaar. Beide haben einen Schock erlitten und sind auf dem Weg ins Krankenhaus. Außerdem hat der Kellner, der gerade ihre Drinks servieren wollte, alles beobachtet. Sein Name ist Fred Hooker.«
Fields deutete auf einen schlanken Asiaten in einer eleganten schwarzen Hose und einem weißen Hemd, der an der Bar lehnte. Er sah blass aus und nippte an einem Glas mit einer hellen Flüssigkeit. Selbst auf die Entfernung hin bemerkte ich, dass seine Hand zitterte. Hinter der Bar stand ein zweiter Mann, rauchte eine Zigarette und schüttelte unablässig den Kopf.
»Mister Hooker?«, rief ich dem Asiaten zu.
Er sah auf, stieß sich von der Bar ab und trat auf uns zu. Die obersten beiden Hemdknöpfe waren geöffnet. Ich stellte uns vor. Hookers Blick flackerte. Ein leichter Geruch nach Gin stieg mir in die Nase.
»Ich kündige«, sagte er. »Die Trinkgelder hier sind grandios, aber erst diese Geiselnahme vor einigen Monaten und jetzt das.«
»Sie haben den Täter gesehen?«
Er schniefte. »Na ja, was heißt gesehen? Er war schwarz gekleidet und hatte eine Sturmhaube über dem Kopf. Außerdem ging alles verdammt schnell.«
»Konnten Sie die Waffe erkennen?«, wollte Phil wissen.
»Ich bin Experte für gutes Essen, nicht für Knarren«, antwortete er. »Ich habe gesehen, dass er etwas Metallisches in der Hand hatte. Dann fing die Ballerei auch schon an. Hat nur ein paar Sekunden gedauert, der Typ ist danach sofort getürmt. Hören Sie, brauchen Sie mich noch? Ich würde jetzt gerne nach Hause gehen und mich betrinken. Außerdem habe ich dem Detective bereits alles erzählt, was ich weiß.«
»Eine Frage habe ich noch«, sagte ich. »Kannten Sie die Opfer?«
Kopfschütteln war die Antwort. »Sie waren zum ersten Mal hier. Jedenfalls während meiner Schichten.«
Wir entließen Hooker, der zur Bar zurückkehrte, ein paar Worte mit seinem Kollegen wechselte und anschließend mit schnellen Schritten das Restaurant verließ.
»Wenn Sie mich fragen, haben wir es hier mit einem Krieg unter Gangstern zu tun«, ergriff Fields das Wort. »Deshalb haben wir Sie auch dazu gerufen. Sehen Sie sich mal den Blondschopf im blauen Anzug an.«
Ich musterte den Toten. Tatsächlich kam er mir bekannt vor.
»Ist das nicht Timothy Naples? Der Sohn von Charles Naples, dem Gangsterboss?«, meldete sich Phil zu Wort.
»Genau der«, bestätigte Fields. »Die Lady am Tisch ist Amanda Haven, seine Verlobte. Und der Kerl mit den schwarzen Locken und dem Revolver in der Hand heißt Bull Davenport. Er ist, das heißt, er war Naples' Leibwächter. Ich vermute, der Täter hatte eine Maschinenpistole. Sechs Menschen in ein paar Sekunden niederzuschießen, das schafft man nicht mit einer Handfeuerwaffe. Ein echtes Wunder, dass keine Unbeteiligten verletzt wurden.«
»Da haben Sie recht«, stimmte ich ihm zu. »Hatte Naples Streit mit einem Konkurrenten?«
Fields wog den Kopf. »Nicht dass ich wüsste, was nicht heißt, dass es nicht so ist. Seit einigen Wochen geht das Gerücht umher, dass er bald seinen Vater als Kopf der Bande ablösen könnte. Klingt plausibel, wenn Sie mich fragen, der alte Charles geht stramm auf die siebzig zu. Ein guter Zeitpunkt, um die Füße hochzulegen.«
»Hm«, machte Phil. »Gibt es jemanden, dem das nicht gefallen könnte?«
Der Detective zuckte mit den Schultern. »Naples junior galt als sehr ehrgeizig, womit er ganz nach seinem Vater kommt. Ich hatte einige Male mit Charles Naples zu tun. Ist wie ein Aal, man kriegt ihn nicht zu fassen, und je fester man zudrückt, umso mehr rutscht er einem durch die Finger. Früher hat er nichts anbrennen lassen, hat rigoros seinen Machtbereich ausgebaut, wenn er die Gelegenheit dazu hatte. Mit den Jahren ist er ruhiger geworden, war wohl zufrieden mit dem, was er erreicht hatte. Möglich, dass jemand fürchtete, der Sohn könnte dem Vater in dessen Sturm- und Drangzeiten nacheifern und die Szene ein wenig aufmischen.«
»Sie meinen, er wollte vielleicht expandieren?«, mutmaßte ich.
Fields fuhr sich durchs Haar. »Wie gesagt, sind alles nur Gerüchte. Am besten sprechen Sie mit Charles Naples selbst darüber. Und fragen Sie ihn nach Bruce Mugger. Mit dem ist er verfeindet.«
»Das werden wir mit Sicherheit tun«, bestätigte Phil. »Wer sind die beiden anderen Opfer?«
»Das überprüfen wir gerade. Zu Naples' Bande gehören sie offenbar nicht. Vielleicht Freunde.«
»Vielleicht gab es etwas zu feiern«, meinte Phil.
»Vielleicht seine Berufung zum neuen Boss«, sagte Fields.
»Wir finden es heraus«, sagte ich.
Jacob Blumstein lehnte sich in seinem Sessel zurück und biss in sein Hühnchensandwich mit Zwiebeln, Eisbergsalat, Tomaten und extrascharfer Barbecuesauce. Während er kaute, verdrehte er genussvoll die Augen. Himmlisch, einfach himmlisch. Niemand machte so gute Hühnchensandwiches wie seine Frau Tilda. Da konnten diese ach so hippen Sandwichrestaurants einpacken. Junge Leute mit Plastikhandschuhen, die Brothälften belegten, als würden sie am Fließband Schrauben in irgendein Bauteil drehen, von dem sie nicht einmal wussten, wozu es später verwendet wurde. In diesen Läden fehlten Leidenschaft und Herz, und das schmeckte man.