Jerry Cotton 3397 - Jerry Cotton - E-Book

Jerry Cotton 3397 E-Book

Jerry Cotton

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Beschreibung

Sie wollte schreien, als der schwarze Vogel seine Schwinge über dem Kind neben ihr ausbreitete, doch aus ihrer Kehle drang kein Laut. Nicht einmal ein Krächzen. Dafür fing das Baby unter der schwarzen Schwinge zu brüllen an.
Sie musste es retten! Kämpfen und verhindern, dass sich der schwarze Vogel mit ihrem eigen Fleisch und Blut auf und davon machte. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht rühren. So wie ihre Stimme gehorchte auch ihr Körper ihr nicht. Tränen liefen über ihre Wangen. Bitte, wollte sie flüstern, bitte lass mir mein Kind. Ich werde eine gute Mutter sein.
Der schwarze Vogel lachte, breitete nun auch die andere Schwinge über dem Kind aus, hob es aus dem Bett, drückte es an sich und schwebte aus dem Raum.
Während sie sich fragte, ob sie jemals zuvor einen lachenden Vogel gesehen hatte, wurden ihre Lider immer schwerer, bis sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

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Seitenzahl: 138

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Dämon in Schwarz

Vorschau

Impressum

Dämon in Schwarz

Sie wollte schreien, als der schwarze Vogel seine Schwinge über dem Kind neben ihr ausbreitete, doch aus ihrer Kehle drang kein Laut. Nicht einmal ein Krächzen. Dafür fing das Baby unter der schwarzen Schwinge zu brüllen an.

Sie musste es retten! Kämpfen und verhindern, dass sich der schwarze Vogel mit ihrem eigen Fleisch und Blut auf und davon machte. Aber so sehr sie sich auch bemühte, sie konnte sich nicht rühren. Tränen liefen über ihre Wangen. Bitte, wollte sie flüstern, bitte lass mir mein Kind. Ich werde eine gute Mutter sein.

Der schwarze Vogel lachte, breitete nun auch die andere Schwinge über dem Kind aus, hob es aus dem Bett, drückte es an sich und schwebte aus dem Raum.

Während sie sich fragte, ob sie jemals zuvor einen lachenden Vogel gesehen hatte, wurden ihre Lider immer schwerer, bis sie in einen tiefen, traumlosen Schlaf fiel.

»Dann rufen Sie einfach im Krankenhaus an!«, schrie Talulah Wells und versuchte, ihren Arm aus dem Griff des Officers zu winden. »Die können Ihnen sagen, dass ich dort war und das Kind bekommen habe!«

»Nun mal ganz ruhig, Missy«, antwortete Peter Grant und packte fester zu. »Du gehst jetzt schön nach Hause und schläfst deinen Rausch aus. Und bei der Gelegenheit kannst du darüber nachdenken, ob du nicht mal wieder einen Entzug machen willst.«

»Ich bin clean! Seit neun Monaten!«, schrie Talulah.

»Wer's glaubt, wird selig«, antwortete Grant und schob die junge Frau durch die Tür des Polizeireviers auf die Straße.

Erst nachdem sich die Tür hinter ihr geschlossen hatte, bahnten sich Talulahs Tränen ihren Lauf. Nie im Leben hätte sie dem Cop die Genugtuung verschafft, sie weinen zu sehen.

Da sie nicht wusste, was sie nun tun sollte, nahm sie den Bus und fuhr zu dem Krankenhaus, aus dem sie am Tag zuvor entlassen worden war. Dort angekommen, setzte sie sich auf eine der Bänke vor dem Gebäude und blickte die graue Fassade hinauf. Dort oben links, in der vorletzten Etage, das musste die Entbindungsstation sein, auf der sie gewesen war.

»Joshua ...« Talulah fröstelte, es war kein besonders warmer Tag. Doch sie würde hier sitzen bleiben, es gab für sie keinen anderen Ort zum Trauern. Sie war so in Gedanken versunken, dass sie nicht bemerkte, als sich jemand neben sie setzte, und schreckte zusammen, als man sie ansprach.

»Hast du eine Zigarette?« Die Stimme gehörte einer zierlichen Schwarzhaarigen, die Talulah erwartungsvoll anschaute.

Sie fischte ein zerdrücktes Päckchen aus der Jackentasche, bot der jungen Frau eine Zigarette an und nahm sich selbst auch eine.

»Ich bin Janice«, sagte die Schwarzhaarige, nachdem sie sich selbst und Talulah Feuer gegeben hatte. »Was machst du hier?«

»Trauern«, antwortete sie.

»Das da oben ist die Entbindungsstation«, stellte Janice fest. »Da schaust du die ganze Zeit hin. Hattest du eine Fehlgeburt?«

Talulah schüttelte den Kopf. »Nein, mein Kind hat gelebt. Dann haben sie es mir weggenommen, wollten es angeblich zu irgendwelchen Untersuchungen bringen. Später haben sie mir erzählt, es ist gestorben.«

Janice setzte sich kerzengerade hin und atmete hörbar ein. »An einem Herzfehler?«

Talulah sah Janice an. »Woher weißt du das?«

Janice nahm einen tiefen Zug von ihrer Zigarette. »Das ist meine Geschichte. Ich habe in diesem verdammten Krankenhaus eine Tochter bekommen. Sie war quicklebendig, ich habe sie gestillt und mit ihr geschmust.«

»Und dann ist jemand gekommen und hat sie mitgenommen. Angeblich zu irgendwelchen Routineuntersuchungen. Und später hat man dir mitgeteilt, dass sie an einem Herzfehler gestorben ist.«

Janice nickte. »Ich wollte nicht, dass man sie mitnimmt. Wollte diese Person davon abhalten. Aber ich konnte weder sprechen noch mich bewegen.«

Talulah zermalmte den Rest ihrer Zigarette mit dem Absatz. »Bei mir war es genauso. Die Schweine haben uns irgendwas gegeben. Irgendwelche Drogen. Warst du bei den Cops?«

Janice schüttelte den Kopf. »Nee. Wozu? Die glauben mir ja eh nicht. Ich frage mich ja manchmal selber, ob ich mir das Ganze nicht einbilde. Warum sollte mir jemand Anna wegnehmen? Entführung? Lösegeld? Ich hab keine Kohle.«

Talulah stand auf. »Du bildest dir das nicht ein. Warum und wieso, weiß ich auch nicht, doch es ist passiert. Ich war bei den Cops, sie haben mir nicht geglaubt. Rausgeschmissen haben sie mich. Jetzt sind wir zu zweit. Dir ist das Gleiche passiert wie mir. Das können sie nicht ignorieren.«

Sie nahm Janices Hand und zog sie von der Bank. »Komm, wir gehen zusammen zu den Cops. Auf ein anderes Revier, irgendeins, auf dem sie mich nicht kennen.« Sie musterte ihr Gegenüber. »Und dich am besten auch nicht.«

»Ich glaube nicht, dass es viel nützt.« Janice zuckte mit den Schultern. »Was soll's? Hier in der Nähe ist ein Polizeirevier, das dürften zu Fuß keine fünf Minuten sein. Lass uns dort hingehen. Dann haben wir es hinter uns.«

Der Cop, dem Talulah und Janice auf dem Revier des 49th Precinct ihre Geschichte erzählten, sah während ihres Berichts kaum von den Papieren auf seinem Schreibtisch auf.

Als sie geendet hatten, gähnte er herzhaft, kramte in seiner Schreitischschublade und reichte jeder ein Formular und einen Stift. »Dann schreibt das mal hier auf. Datum und Unterschrift nicht vergessen.«

»Und was werden Sie unternehmen?«, wollte Talulah wissen.

»Wir werden uns schon darum kümmern«, antwortete der Officer vage.

»Die werden sich um gar nichts kümmern«, sagte Talulah zu Janice, sie das Polizeirevier verlassen hatten. »Was solchen wie uns passiert, ist denen egal.«

»Was meinst du mit ›solche wie uns‹?«, fragte Janice.

»Ich bin minderjährig«, gab Talulah zurück. »Du garantiert auch, du siehst aus wie fünfzehn. Und verheiratet bist du wahrscheinlich auch nicht.«

»Ich bin siebzehn«, erwiderte Janice. »Und stimmt, ich bin nicht verheiratet.«

Talulah schnalzte mit der Zunge. »Und Kohle hast du auch keine, hast du vorhin selber gesagt. Ich hab auch keine. Und keinen Mann.«

Janice runzelte die Stirn. »Ich bin genauso schlau wie vorher.«

»Denk doch mal nach! Zwei minderjährige arme, ledige Mädchen bekommen Kinder. Diese Kinder verschwinden. Das bedeutet zwei Probleme weniger für die Stadt New York.«

Janice machte große Augen. »Du meinst, sie haben die Kinder umgebracht, damit sie niemandem zur Last fallen? Und die Cops stecken da mit drin?«

»So weit habe ich noch gar nicht gedacht«, antwortete Talulah. »Aber jetzt wo du es sagst, ja, das kann ich mir vorstellen.«

Janice fing an zu weinen. »Ich hatte mich so auf mein Kind gefreut, auch wenn ich wusste, dass die Sache schwer werden würde.«

»Dieser neue Bagelladen ist echt klasse«, sagte Phil und wischte sich die Finger an einer Serviette ab. »Ich überlege ernsthaft, ob ich noch so einen leckeren Kringel nehme.« Er schaute versonnen auf die Tafel, auf der die Köstlichkeiten abgebildet waren. »Ich kann mich bloß nicht zwischen Roquefort und Hühnchen entscheiden.«

Während er angestrengt überlegte, klingelte mein Handy. Es war Mr. High. Ich hörte mir an, was er zu sagen hatte, dann steckte ich das Telefon wieder weg und wandte mich an meinen Partner.

»Du brauchst dich nicht zu entscheiden, Phil, das war der Chef, wir sollen so schnell wie möglich ins Büro zurückkommen, es gibt einen neuen Fall.«

»Das ist ausgesprochen schade«, sagte er. »Ich hatte gerade entschieden, sowohl Huhn als auch Käse zu nehmen.«

Ich holte den Jaguar, wir nahmen Kurs auf Downtown Manhattan und waren in weniger als einer Viertelstunde an der Federal Plaza. Ein Grund mehr, den neuen Bagelladen in Zukunft häufiger aufzusuchen, er lag sehr günstig für uns.

Im dreiundzwanzigsten Stock des Jacob K. Javits Federal Building erwartete Mr. High uns bereits in seinem Büro. Nachdem er uns Plätze am Konferenztisch angeboten hatte, kam er gleich zur Sache.

»Gentlemen, wir haben einen neuen Fall. Eine schlimme Sache, in der leider auch schon Fehler passiert sind.«

»Das wäre ja nicht das erste Mal, dass wir die Kastanien aus dem Feuer holen«, kommentierte Phil.

»Das ist leider wahr«, bestätigte Mr. High. »Ich hatte vorhin einen Anruf von Captain Goldfine, der sich der Sache zum Glück angenommen hat. Sie erinnern sich vielleicht an ihn. Er hat uns damals im Fall des verschwundenen Skarabäus unterstützt.«

Ich erinnerte mich lebhaft an Captain Goldfine. Er war einer der besten und integersten Polizisten, die mir in meiner bisherigen Laufbahn untergekommen waren.

»In den letzten zehn Tagen sind in New York anscheinend drei Neugeborene aus dem Rosewood Hospital verschwunden, und zwar immer am späten Abend«, fuhr Mr. High fort. »Den Müttern hat man erzählt, die Kinder seien an einem Herzfehler gestorben, die Frauen behaupten aber, die Babys seien kerngesund gewesen. Dass wir jetzt überhaupt von der Sache erfahren, haben wir einem Zufall zu verdanken oder vielmehr der Aufmerksamkeit von Captain Goldfine. Seine Frau ist Sozialarbeiterin in der Bronx. Eine der jungen Frauen, die sie betreut, hat im Rosewood Hospital ein Kind bekommen und Mrs. Goldfine erzählt, dass es dort angeblich verstorben sei, sie das aber nicht glaube.«

»Und Mrs. Goldfine war so schlau und hat sich mit der Sache an ihren Ehemann gewandt«, spann Phil die Geschichte fort.

»Ganz genau«, erwiderte Mr. High. »Goldfine hat das Computersystem gecheckt und ist darauf gestoßen, dass es Aussagen von zwei anderen Frauen gibt, die dieser Geschichte verdächtig ähneln.«

»Lassen Sie mich raten, Sir«, meinte Phil, »in keinem der Fälle wurde etwas unternommen. Die Aussagen wurden ins System gespeist, und das war's.«

»Auch hier haben Sie wieder ins Schwarze getroffen. Etwaige Spuren könnten nun also bereits ziemlich kalt sein.« Der Chef erhob sich. »Da die Möglichkeit besteht, dass die Kinder entführt wurden, liegt der Fall jetzt bei uns. Wir müssen in alle Richtungen ermitteln, lassen Sie also keine Möglichkeit außer Betracht.«

»Ich habe das Gefühl, dass das eine harte Nuss wird«, meinte Phil, als wir in unserem Büro waren. »Da kann alles Mögliche dahinterstecken. Entführung, Mord, Ärztepfusch. Oder die Frauen irren sich und die Kinder waren wirklich krank und sind eines natürlichen Todes gestorben. Obwohl es ein großer Zufall wäre, dass das so oft in so kurzer Zeit passiert.«

»Wir werden es hoffentlich herausfinden«, sagte ich. »Am besten fahren wir erst einmal zum Krankenhaus und schauen uns den Ort des Geschehens an. Dann können wir uns vielleicht ein besseres Bild machen.«

Das Rosewood Hospital lag in der südlichen Bronx, wir brauchten eine gute Dreiviertelstunde dorthin. Wenigstens fanden wir sofort einen Parkplatz auf dem Krankenhausgelände.

Die Schilder im Inneren des Gebäudes wiesen uns den Weg zur Entbindungsstation im vierten Stock, wo der Aufzug uns direkt gegenüber einer Art Rezeption ausspuckte.

Ich präsentierte der Krankenschwester, die dahinter saß, meinen Dienstausweis. »Agent Cotton vom FBI, guten Tag. Das ist mein Partner Agent Decker. Wir untersuchen die Fälle der Neugeborenen, die in den letzten zehn Tagen in dieser Klinik verstorben sind.«

Die Schwester sah mich mit regloser Miene an und griff zum Telefon.

»Ich rufe Doktor Montgomery, besprechen Sie das bitte mit ihr. Sie ist heute die diensthabende Oberärztin.« Nachdem sie das Telefonat beendet hatte, wandte sie sich wieder an mich. »Doktor Montgomery ist in ihrem Büro und wird Sie empfangen.« Sie wies den Gang hinunter. »Zimmer zweiunddreißig.«

Wir arbeiteten uns den Krankenhausflur entlang bis zum Zimmer der Ärztin, dabei zog uns der typische Krankenhausduft in die Nase. Eine Mischung aus Bodenreiniger und Desinfektionsmittel mit einem Hauch von Kaffee in der Kopfnote.

Dr. Montgomery war eine hochgewachsene Brünette mittleren Alters. Als wir in ihr Büro traten, sortierte sie gerade einige Ordner in den vollgestopften Regalen.

Nachdem sie uns Plätze angeboten und sich hinter ihren Schreibtisch gesetzt hatte, sagte sie: »Wie ich höre, sind Sie wegen der verstorbenen Neugeborenen hier. Seit wann ist so etwas ein Fall für das FBI?«

»Wir haben die Aussagen von drei jungen Frauen, die behaupten, ihre Kinder könnten nicht gestorben sein, da sie kerngesund gewesen seien.«

Dr. Montgomery lachte herzlich. »Das können die Frauen ja sicherlich bestens beurteilen. Warten Sie einen Moment.« Sie gab etwas in ihren Computer ein und las eine Weile. »Wie ich sehe, sind alle drei Kinder an einem Herzfehler gestorben. Die Mütter waren alle minderjährig, und bei zweien bestand dringender Verdacht auf Drogenmissbrauch. Da kann es schon mal vorkommen, dass sich ein Fötus nicht gut entwickelt.«

»Und dass alle drei behaupten, sie hätten eine schwarz gekleidete Gestalt gesehen, die das Kind mitgenommen hat? Dass sie das verhindern wollten, sich aber nicht rühren konnten? Drei identische Aussagen innerhalb von zehn Tagen, finden Sie das nicht merkwürdig?«

Dr. Montgomery zuckte mit den Schultern. »Das Leben ist merkwürdig und voller Zufälle, Agent Cotton. Was meinen Sie, was ich schon alles erlebt habe.«

Ich beließ es dabei. Wir standen noch ganz am Anfang unserer Ermittlungen.

»Wir brauchen die Bänder der Videoüberwachung der Station aus den letzten zehn Tagen«, sagte Phil. »An wen können wir uns dahingehend wenden?«

»Da werden Sie kein Glück haben«, antwortete Dr. Montgomery. »Das Gerät ist schon seit Wochen kaputt. Wir hatten bisher keine Zeit, uns darum zu kümmern.«

»Dann holen Sie das bitte jetzt nach«, erwiderte Phil. »Und zwar sofort. Diese Station muss unbedingt überwacht werden.«

Damit die Entbindungsstation nicht ohne Beobachtung blieb, rief ich beim zuständigen Revier an und bat darum, zwei Officer zur Aufsicht abzustellen. Wir wollten nicht, dass in diesem Krankenhaus noch weitere merkwürdige Dinge geschahen.

»Ich brauche Nachschub!«, brüllte Nicholas Davis ins Telefon. »Wie Sie das machen, ist mir egal! Ich bezahle Sie großzügig, also geben Sie sich ein bisschen Mühe. Ich brauche ein Schwarzes, nicht zu dunkel, und zwei Weiße. Die Weißen Mädchen, das andere ein Junge. Beeilen Sie sich, ich brauche die Ware spätestens nächste Woche!«

Wütend warf Davis das Telefon auf den Tisch. Es war wie verhext, das Geschäft lief so gut wie nie, die Nachfrage war riesig, und ausgerechnet jetzt gab es keinen Nachschub. Wenn man nicht alles selber machte ...

Er war froh, dass er den letzten Teil der Transaktionen selbst erledigte. Das barg zwar ein gewisses Risiko, aber so konnte er wenigstens sichergehen, dass alles reibungslos verlief. Außerdem war das Geld dann gleich dort, wo es hingehörte. Bei ihm.

Davis sah auf die Uhr. Hoffentlich war Susanna pünktlich, die Zeit wurde langsam knapp, und er hatte keine Lust mit dem Neugeborenen allein durch die Gegend zu fahren. Das sähe nicht gut aus, falls er in eine Verkehrskontrolle geriete. Außerdem brauchte er jemanden, der sich um das Kind kümmerte, falls es anfing zu schreien oder sich nass machte. Die Ware sollte schließlich in einwandfreiem Zustand übergeben werden.

Als es klingelte, war er mit zwei Sätzen an der Tür. Susanna sah großartig aus wie immer. Sie schlang die Arme um seinen Hals.

»Später, Liebling«, sagte Davis, während er sich von ihr befreite. Als er sah, dass sie schmollte, tätschelte er ihr zärtlich die Wange. »Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.«

Susanna lächelte wieder. »Wo ist das Kind?«

»Im Gästezimmer, es schläft.«

Susanna sah ihn scharf an. »Du hast ihm was gegeben, oder? Dass das nicht mal eines Tages schiefgeht.«

»Ach, Liebling«, Davis bemühte sich, seinen Blick besonders treuherzig wirken zu lassen, »du weißt doch, dass ich immer nur klitzekleine Mengen verabreiche. Nur so viel, dass ich klarkomme, bis du da bist. Die Kinder müssen ja auch wieder fit sein, wenn wir sie den zukünftigen Eltern überreichen.«

»Na gut.« Susanna war einigermaßen besänftigt. »Du könntest mich auch endlich heiraten und bei dir einziehen lassen. Dann stünde ich die ganze Zeit parat, und du müsstest kleine Kinder nicht unter Drogen setzen.«

»Bald, Liebling, bald«, sagte Davis und gab seiner Freundin einen langen Kuss. »Im Moment haben wir zu viel zu tun.«

»Dann lade mich nachher wenigstens zum Essen ein«, forderte Susanna. »Ich habe einen Mordshunger.«

»Gute Idee«, sagte Davis. »Dann können wir das neue Fischrestaurant in der Nähe des Flughafens ausprobieren. Um halb sechs sind wir mit den Webbers auf dem Parkplatz vor dem Airport verabredet. Wir übergeben ihnen das Kind, sie übergeben uns das Geld. Sie nehmen ihre Maschine nach Dallas, wir gehen essen.«

»Mit gefüllter Brieftasche«, ergänzte Susanna. »Da dürfte ja dann wohl ein kleiner Hummer für mich drin sein.«

»Du bekommst deinen Hummer«, erwiderte Davis. »Aber jetzt los, wir sind spät dran.«

Laut den Informationen, die Ben Bruckner uns aufs Handy geschickt hatte, wohnte Talulah Wells, eine der Mütter, die ihre Aussagen hinsichtlich ihrer verschwundenen Kinder zu Protokoll gegeben hatten, in der North Bronx. Bei der Adresse handelte es sich um ein Mietshaus in der Nähe der Seventh Day Adventist Church, einem hässlichen Bau aus Pseudosandstein.

Von außen wirkte das Mietshaus recht ordentlich, im Inneren, in das wir durch die unverschlossene Haustür gelangten, wiederholte sich der Eindruck nur bedingt. Es roch nach einem Gemisch aus fettigen Speisen, aus den Wohnungen drangen Kindergeschrei, laute Musik und Streitgespräche, und das Treppenhaus hätte auch mal wieder geputzt werden können.

Im ersten Stock fand ich eine Tür, an der ein schiefes, in ungelenken Buchstaben geschriebenes Schild mit der Aufschrift Family Wells prangte. Auf mein Klopfen hin öffnete mir eine hagere Schwarze mit einem Kind im Arm. Ein anderes lugte ängstlich hinter ihrem Rockzipfel hervor.